Massakrament
Das „Massaker von Utøya“ - auf diese Bezeichnung scheinen die Medien sich geeinigt zu haben. Kein „Amoklauf“ wie in Winnenden - dazu ging der Täter wohl zu planmäßig vor, indem er durch sein „Ablenkungsmanöver“ der Bombe im Regierungsviertel sämtliche Polizeikräfte ins Zentrum von Oslo lenkte, um dann auf der Ferieninsel ungestört in 90 Minuten 68 Jugendliche abzuknallen.
Mir ist kein Massaker bekannt, in dem nicht Männer die Täter waren (eine schier endlose Liste von ihnen gibt es hier). Und mir ist kein Massaker bekannt, das irgendwelches öffentliches Nachdenken über die männliche Täterschaft ausgelöst hätte außer von Feministinnen, die dafür dann als Feminazis diffamiert und der „unzulässigen Verallgemeinerung“ beschuldigt wurden.
Aber Norwegen ist ein fortschrittliches und feministisch ziemlich hoch entwickeltes Land. Vielleicht beginnt jetzt, ausgehend von Norwegen, endlich ein Nachdenken über den „Gender-Aspekt“ dieses Massakers und aller anderen Massaker. Dann gäbe es nicht nur Schockstarre, Trauer und Abscheu, sondern vielleicht sogar Hoffnung.
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Das Wort Massaker von frz. massacre wird in den Lexika etymologisch sehr unterschiedlich erklärt. Manche sagen, der Ursprung sei unbekannt (Duden Herkunftswörterbuch). Andere verbinden es mit Metzeln, Metzger (Wiktionary englisch). Wieder andere mit mallet (Hammer) (dictionary.com).
Da also niemand so recht bescheid weiß, möchte ich hier einige feministische Vermutungen zum Ursprung des Wortes vortragen.
Auffällig, aber in den etymologischen Artikeln ebenso auffälligerweise niemals thematisiert, ist der Wortbestandteil sacre (heilig, geheiligt, Opfer), vgl. Sakrament, Sakralmusik, Sakrileg. Wir kennen es von Sacré Coeur, der Herz-Jesu-Basilika auf dem Montmartre (Märtyrerhügel!), von Strawinskys Sacre du Printemps (Frühlingsopfer). Das Ballett schildert die rituelle Opferung einer Jungfrau (!) im heidnischen Russland.
Das Alte Testament beginnt mit einem Brudermord (Kain und Abel), das Neue mit einem Massaker an Knaben unter zwei Jahren, dem Bethlehemitischen Kindermord (engl. Bethlehem massacre).
In „christlichen“ Religionskriegen und auf Kreuzzügen massakrierten sich die Anhänger unterschiedlicher Glaubensrichtungen gegenseitig. In der Zeit des Hexenwahns verbreitete die christliche Kirche Angst und Schrecken und brachte Zehntausende unschuldiger Frauen und Männer dem "rechten Glauben" zum Opfer.* Die Azteken brachten ihrem Sonnengott Menschenopfer dar. Im sogenannten Heiligen Krieg (Dschihad) moderner Spielart opfern Selbstmordattentäter sich selbst und möglichst viele andere zur höheren Ehre Allahs. Der Massenmörder von Oslo und Utøya präsentierte sich im Internet als Rechtsradikaler und christlicher Fundamentalist.
Es besteht eine unheilige Allianz zwischen Religionen mit einem männlichen Gott im Zentrum und Massakern im „heiligen“ Dienst an diesem herrischen Gott. Der Gott verlangt Opfer. Gläubige müssen für ihn sterben (als Märtyrer) und Ungläubige erst recht.
Zwar verkündete Jesus ein Evangelium der Liebe, aber er drang nicht durch; vielmehr wurde seine Botschaft im Laufe der Zeit ins Gegenteil verkehrt.
All diese Männerreligionen ziehen eine breite, endlose Blutspur durch die Jahrtausende. Es wird Zeit, dass wir ihnen abschwören und entweder gar keiner Religion mehr anhängen oder einer mit liebevollen Göttinnen, gemäß den alten feministischen Sprüchen: "God is coming - and is she pissed!" und "I’ve seen God, and guess what - She’s black.“ Vielleicht bringt das auch nichts, aber eine Chance hätten sie verdient. Die patriarchotische männliche Selbstvergottung mit Hilfe männlicher Götter hat jedenfalls wieder und wieder bewiesen, dass sie direkt ins Inferno führt.
••• Nachtrag am 25.7.: "Der Massenmörder ist getrieben vom Hass auf Frauen, speziell Feministinnen", das geht aus seinem 1500-Seiten-Manifest hervor, das er kurz vor dem Massaker ins Internet stellte. Emma bringt dazu eine Analyse von Michelle Goldberg. Dank an Anne Beck für den Hinweis.
Nachtrag am 28.7.: Amy Goodman von Democracy Now im Gespräch mit Jeff Sharlet über Rechtsextremismus und Hass auf Feministinnen in dem Internet- Manifest des Massenmörders Breivik. Dank an Brigitta Huhnke für den Hinweis.
Nachtrag am 31.8.: Regina Frey "Zur geschlechterpolitischen Verortung des Norwegen-Attentäters Breivik". ••••••••••••••••••••••••••
*Zum Thema Hexenverfolgung empfiehlt FemBio: Joey Horsley. "Weise Frauen, Hebammen und die europäische Hexenverfolgung." In Tönnies-Forum 3/92 1. Jg. (1992): 26-42 (PDF-Datei) (aktualisierte, aber auf Vortragslänge gekürzte deutsche Fassung von "On the Trail of the 'Witches'" siehe unten.)
Ritta Jo Horsley and Richard A. Horsley. “On the Trail of the 'Witches': Wise Women, Midwives and the European Witch Craze." Women in German Yearbook 3. Marianne Burkhard and Edith Waldstein, eds. University Press of America, 1986. 1-28.
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12 Kommentare
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03.08.2011 um 08:34 Uhr Tim
” Eine von 3 Französinnen stirbt jährlich unter den Schlägen ihres Partners”
Wenn es nur so wäre.
DUMM DÜMMER, Frauen!!!
Ich hab mal nen Screenshot gemacht und werde das mal auf meinem Blog veröffentlichen, ich denke mal Lusie hat nichts dagegen.
So ein Schwachsinn!!! Dann gäbe es aber ganz schön wenig Französinnen lol
Seid ihr wirklich so dumm?? Selbst für Feministinnen? Kann ich irgendwie nicht glauben?
03.08.2011 um 08:29 Uhr Tim
Wie sieht denn diesmal die Quote aus bezüglich männliche Opfer und weibliche Opferinnen?
Ich hätte nur die Weiber abgeknallt…bevor sie zu solchen dämlichen Famanzen werden sind sie tot besser dran.
TIM K mein Held, leider viel zu wenig von den kleinen bitches erwischt.
Obwohl der Typ in Kanada damals war noch krasser:
Quote: 100% weibliche Opfer und schön hingerichtt HAHAHA
02.08.2011 um 15:26 Uhr Amy
Ein Foto mit den sog. Kunst/Hoden habe ich gesehen, ist aber anatomisch nicht ganz mit echten Hodens identisch, sieht eher nach zwei Glocken aus :-(
Dagegen wird für Stier/Hoden munter geworben und diese scheinen für Männer eine Delikatesse zu sein, stehen sie auch im amerikan. Westen auf der Speisenkarte. In Montana und Phönix finden alljährlich spezielle Festivals statt, auf denen massenweise schmucklose Stier/Hoden vernascht werden. Das Essen von Stier/Hoden kann interpretiert werden als der männliche Versuch, sich die Kräfte des Stiers anzueignen. Ein Festival, das dies zelebriert, wird im Umkehrschluß zu einer Zelebrierung von Männlichkeit. (Wiki) Sogar eine Weltmeisterschaft im Hodenkochen erlaubt mann sich - dort können die Machos in ihrem Männlichkeitswahn fette Hoden von allerlei Getier betrachten und um die Wette essen, sich dabei wie S/tiere gebärden.
Vielleicht sollten diese Männer ihr letztes Quentchen Gehirnmasse mal einschalten und mit dem abscheulichen Massakrament aufhören.
http://www.welt.de/vermischtes/article3953741/Arnold-Schwarzenegger-verschenkt-Stierhoden.html
01.08.2011 um 19:17 Uhr Sabine
Tja, und dann liest man aus North Carolina sowas:
http://www.reuters.com/article/2011/07/28/us-crime-testicles-idUSTRE76R57T20110728?feedType=RSS&feedName=oddlyEnoughNews&rpc=69
und fragt sich natuerlich, was Luise dazu sagen wuerde :)
31.07.2011 um 00:46 Uhr Alison
“Es wird Zeit, dass wir ihnen abschwören und entweder gar keiner Religion mehr anhängen oder einer mit liebevollen Göttinnen…”
Ich empfehle die Re-formed Congregation of the Goddess. http://www.rcgi.org Wir brauchen mehr Frauen aus anderen Laendern um das Wort “International” rechtfertigen zu koennen.
27.07.2011 um 17:19 Uhr Diana Burgin
Hi Luise,
I read your analysis and thought it made a good point. I’ve come to the point in my thinking that religious fundamentalism and fascistic personality disorder are the root of all these “massacres”; it may well be possible that these are (male) gender marked conditions/diseases, however.
Thanks for a stimulating read.
Diana
27.07.2011 um 11:46 Uhr Lena Vandrey
Eine kleine erfrischend-fröhliche Nachricht zu unserem Thema:
78000 Französinnen verhauen ihre Männer!
Gleich haben sich ein paar FRAUEN für die Opfer der Gewalt engagiert. Es gibt schon Häuser, Büros, Orte, wo sie mütterliche Zuwendung finden können und Aufkleber: Stoppt die Gewalt gegen Männer!
Da haben wir einen so verprügelten Kerl, er weint und schämt sich. Abgesehen von diesen miesen Kollabo-Tanten ist die Botschaft sehr bedeutend und erfreulich. Möge diese Bewegung rapide wachsen und gedeihen! Die prügelnden Frauen könnten die Welt maBgeblich verändern. Morgen 700000, übermorgen 7 Millionen, 70 Millionen, 7 Milliarden, schlieBlich: das Kardinal-Problem des Patriarchats wäre endlich gelöst. Dafür würden wir noch beten! Diese Millionen als Religionen! Leider aber gibt es noch eine andere Statistik: Eine von 3 Französinnen stirbt jährlich unter den Schlägen ihres Partners. Das ist nichts Neues, und dass die Französinnen ihre Männer verkloppen, eigentlich auch nicht. Sie schützen uns vor ihnen, denn die Kerle müssen Punkt 12 und um 19 Uhr zu Hause sein, sonst gibt es Senge. Und sie werden vollgefüttert, damit sie hübsch hässlich aussehen und keinen Erfolg mehr haben. Wir führten ein sehr gefährliches Leben in der Wildnis, aber unsere guten Französinnen haben uns die Monster vom Halse gehalten.
Neu an der Sache ist auch nicht die schmähliche, weibliche Bereitschaft, Männer schützen zu wollen.
Wir sagen mit Olympe de Gouges: Haut zu, meine Damen! und wenn ihr von den Kollabos vorgeladen werdet, dann versucht, ihnen ein Bein zu stellen. Oder sie versehentlich anzuspucken.
78000 wehrhafte Frauen! Möge die Bewegung um sich greifen und schnell nach Deutschland kommen!
Anne Beck fragte ja, wie denn eine bessere Welt aussehen könnte. SO, einfach SO!
Clubs prügelnder Frauen gibt es schon lange. Aber das sind die Zerknirschten, die nicht ganz Echten.
7-mal heben wir unser Glas auf die guten, französischen Frauen, mit gutem französischen Wein! Wir haben gelacht, endlich eine gute Nachricht! Haut den Lukas!
26.07.2011 um 13:09 Uhr mazza
der hass gegenüber feministinnen und dem feminismus passt in das profil des norweg. massenmörders. wie viele parallelen gibt es z.b. zu den frauen-morden von winnenden. waffen und brutale computer-gewalt-spiele gehörten auch in die welt dieses massenmörders.
wie wurden alice schwarzer, luise pusch und andere feministinnen von maskulinisten und sympathisanten in blog-kommentaren niedergemacht, als diese die ereignisse von winnenden richtig analysierten und dem verbrechen auch einen namen gaben “mädchen- und frauenmorde”.
mit empörung darauf reagierte mann in der presse. sprachlosigkeit und unverständnis herrscht auch heute zu dem schrecklichen verbrechen in norwegen.
das manifest eines massenmörders zeigt überdeutlich den wahn nicht nur eines einzelnen täters - abwehr, ablehnung, hass, gewalt, ausgrenzung ist/war die antwort des patriarchats gegenüber feministinnen/feminismus. das ist nicht neu sondern eine uralte tatsache. heute radikalisiert sich gegen das feindbild feminismus eine fundament. maskulinistische bewegung.
“es wäre zu wünschen, dass die enorme gefahr die von dieser art verunsicherter männlichkeit ausgeht, endlich erkannt und ernst genommen wird.” (zitat emma)
nur die meisten medien werden auch dazu wieder schweigen…“von frauenhass spricht aber immer noch niemand außer ein paar feministinnen und tapferen männerforschern. warum nicht? dafür gibt es zwei mögliche erklärungen” - siehe unten.
http://www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/winnenden-berichterstattung-foerdert-zukuenftige-gewalttaten/