Manslamming, Mansplaining, Manspreading und andere Flegeleien
US-Amerikanerinnen haben in den letzten Monaten drei nützliche Wörter und damit zugleich ein noch nützlicheres Wortbildungsmuster kreiert: Manslamming, Mansplaining, Manspreading. Manslamming bezeichnet folgenden sattsam bekannten Vorgang: Du gehst irgendwo entlang und ein Mann kommt dir entgegen. Eine/r muss ausweichen. Meist bist du das. Gehst du wie der Mann stur geradeaus, kommt es zum Zusammenstoß. Der Mann ist perplex, weil eine Frau es gewagt hat, ihm ernsthaft in die Quere zu kommen. Die unter Männern verbreitete Unart, entgegenkommenden Frauen nicht auszuweichen, wird seit einiger Zeit erstmals namhaft gemacht, und zwar mit Manslamming.
Mansplaining bezeichnet eine typisch männliche Kombination von Überheblichkeit und Unwissenheit ("overconfidence and cluelessness" (Rebecca Solnit)) oder anders ausgedrückt „etwas erklären ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass das Gegenüber (meist eine Frau) von der Sache mehr versteht als der Erklärer" (Lily Rothman, The Atlantic).
Am meisten Aufsehen erregt hat die Bezeichnung „Manspreading“ für männliches Beinespreizen, allgemeiner ausgedrückt, männliches Sich-Breitmachen. Besonders in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln ist diese Flegelei gänzlich unangebracht und stößt inzwischen sogar bei Männern auf harsche Kritik. Die New Yorker U-Bahn startete im Dezember eine entsprechende Plakataktion. Wenn Sie auf diesen Tumblr-Link klicken, finden Sie zahlreiche Bilder von "manspreaders". Ebenso auf Twitter unter dem Hashtag "#manspreading".
Das Eigenwillige und Regelwidrige bei diesen Neologismen ist, dass - anders als etwa bei dem bekannten manslaughter „Totschlag“- „man“ hier jeweils Subjekt- und nicht Objektfunktion hat und überdies "Mann" und nicht "Mensch" bedeuten soll.
Wie schon bei meiner letzten Glosse über boyhood und passend zum Internationalen Tag der Muttersprache (21. 2.) ergibt sich für Deutsche die Frage: Wie übersetzt frau das denn? Das „man(s)“ erinnert an unser „manns-„ wie in „mannshoch“ und „Mannsbild“. Für meine Übersetzungsvorschläge habe ich mich an diesem einheimischen Muster orientiert und es erweitert:
Manslamming -> Mannsknallen / Mannsrammen
Mansplaining -> Mannsklärung
Manspreading, manspreader -> Mannspreizung / Mannbreitung, Mannspreizer / Mannbreiter.
Alle drei Wörter gibt es im Deutschen noch nicht, es sind Neologismen wie die englischen Originale. Ich hatte von manspreading, manslamming und mansplaining zuvor noch nie gehört und meine US-amerikanische Familie auch nicht. Vielleicht fallen den LeserInnen dieses Blogs noch andere, bessere Übersetzungen ein. Bitte alle Geistesblitze unten in das Kommentarfeld eintragen. Und gleich auch alle weiteren Wortschöpfungen auf Manns-, die uns bisher noch gefehlt haben, mitsamt Definitionen. Hier ein paar Anregungen:
Mannskochen = nach dem Kochen die Küche als Schlachtfeld hinterlassen
Mannsputzen = die Ecken beim Putzen elegant übergehen
Mannsgehalt = doppelt so viel Geld wie die Frau für dieselbe Arbeit
Mannskaufen = beim Einkauf kaum auf die Preise achten, denn Mannszeit ist mehr wert als das, was Frauen durch Preisvergleiche einsparen
Weitere Kandidaten:
Mannstream
Gender Mannstreaming
Mannstrum
Mannster
Mannko
Manntra
Mannskript, usw. ..................
Die Wörter Manslamming, Mansplaining (beide schon in der englischen Wikipedia) und Manspreading mögen neu sein, aber es sind nur griffige Namen für Phänomene, die die feministische Linguistik (in ihren Abteilungen Gesprächs- und Körpersprachanalyse) schon vor 40 Jahren beschrieben hat.
Über Mansplaining bzw. Mannsklärungen hat Senta Trömel-Plötz sich ausführlich geäußert. Was das Manspreading betrifft, so ist die Künstlerin Marianne Wex mit ihrem fundamentalen Werk "Weibliche" und "männliche" Körpersprache als Folge patriarchalischer Machtverhältnisse (mit 2037 Fotografien) die Erste, die sich damit gründlich auseinandergesetzt und es tausendfach mit Fotos belegt hat. Eine gute Auswahl findet sich hier. Sie diagnostizierte das Mannspreizen in all seinen Varianten. In den USA wird Wex gerade wiederentdeckt. Bei Emma.de findet sich ein bebilderter Auszug aus diesem revolutionären Werk vom Dezember 1977.
In der Einleitung zu dem Beitrag, den sie für meinen Sammelband Feminismus: Inspektion der Herrenkultur (Suhrkamp 1983) schrieb, zitiert Marianne Wex Verena Stefan:
der herr der welt sitzt mir in der u-bahn gegenüber, vier männer auf einer bank, die für fünf menschen platz bietet, mit klaffenden beinen, wattierten schultern, die gespreizten hände auf den Knien. rechts und links von mir breit stehende männerbeine. ich sitze eng an mich gedrückt mit zusammengepressten Knien, die beine sind geschlossen zu halten, sie sind nur zu öffnen bei einem wildfremden mann, der gynäkologe heißt und bei dem mann, bei dem frau im selben bett liegt. die übrige zeit sind sie geschlossen zu halten. die entsprechenden muskeln sind den ganzen tag anzuspannen. ich schließe die augen. diese unterdrückerische haltung wegwerfen, so tun, als ob ich unbehellligt mit lockeren beinen sitzen könnte.
Marianne Wex kommentiert: "diese Sätze von verena stefan, geschrieben in ihrem buch häutungen, 1974, empfinde ich immer noch als besonders beeindruckende beschreibung patriarchalischer körpersprache, als symbol der situation von uns frauen im hinblick auf den uns von männern zugewiesenen lebensraum."
Schön und wohltuend, wenn an die Erkenntnisse und die Vorarbeit anderer Frauen erinnert wird. In der ganzen Manspreading-Debatte, auch der deutschsprachigen, vermisse ich den Hinweis auf Marianne Wex und Verena Stefan (beider Werke liegen auch auf Englisch vor). Obwohl das Thema "Manspreading und andere Flegeleien" nach feministischer Zeitrechnung "soo einen Bart" hat, sehe ich es auch als willkommene Gelegenheit, sich an die feministischen Pionierinnen Stefan, Trömel-Plötz und Wex und an unsere Wurzeln zu erinnern.
Dank an Helke Sander, die mich auf die Kampagne gegen Manspreader aufmerksam gemacht hat.
Mehr Glossen von Luise F. Pusch gibt es hier. Jeder Band enthält rund 50 Glossen und kostet 9,90 EUR:
Kommentieren für diesen Channel-Eintrag nicht möglich
31 Kommentare
Nächster Eintrag: Biodeutsche
Vorheriger Eintrag: Übersetzungsvorschläge für „Boyhood“
01.03.2015 um 15:06 Uhr Amy
Lieber @ Felix Sachs
Ich möchte nicht überheblich oder besserwisserisch wirken, aber da Sie mich in Ihren interessanten Ausführungen benannt und den gutgemeinten Apfel-Vergleich als fehlende Souveränität kritisiert haben , fällt mir dazu ein, dass schon lt. Bibel (die männliche Version der Schöpfungsgeschichte) die Eva für das Pflücken des Apfels vom Baum der Erkenntnis herbe Kritik einstecken musste. Sogar in der Märchenerzählung der Gebrüder Grimm wurde die Übergabe des Apfels durch die böse Stiefmutter an die mutterlose Stieftochter für diese zum Schreckgespenst.
Der schöne runde Apfel galt als weiblich und war stets weiblichen Gottheiten geweiht, z.B. Aphrodite, Freya, Iduna . Die germanische Göttin Iduna hütete die `Äpfel der Unsterblichkeit` , ohne die alle GöttER altern würden. Auch Äpfel galten als Symbole für Fruchtbarkeit.
Der Apfeltest sollte keine fehlende Bereitschaft für Empathie bedeuten , sondern die Befindlichkeit des männlichen Genitals beim beengten Sitzen auf liebevolle Art und Weise im weibl. Schoß - einmal anders als üblich erwünscht - ein wenig nachvollziehen. Es gibt sogar Menschen, die tragen mit Vorliebe einen künstlichen Penis mit sich herum.
Was mich einfach aufregt, ist die Tatsache, dass viele! Männer - sobald das Thema Manspreading (in öffentl. Verkehrsmitteln ) angesprochen wird - mit beleidigtem Schmollen reagieren. Einfache Benimmregeln mal zu verinnerlichen, anzunehmen, scheint vor allem bei Jugendlichen auf taube Ohren zu stoßen; deren Imponiergehabe durch fehlendes Benehmen scheint wie o.a. genannt die Rechtfertigung eines visuelles patr. Privilegs zu sein, das da heißt: Ausdruck von `Männlichkeit`. Insbesondere die Masku-Szene legt keinen Wert darauf, sich einen Funken ver-/ändern zu wollen.
Und was mich betrifft, solange auf das generische Femininum oder allgemein auf die feministische Sprachkritik bei etlichen mit einem derartigen Ausdruck von Hasstiraden auf das Weibliche herumgehackt wird, sehe ich keinen Grund, vom feministischen Weg der Kritik , Aufklärung und Positionierung gerechter Sprache abzukommen - nach 6.000 Jahren Patriarchat ist das Sichtbarmachen des Weiblichen in der Kultur, Gesellschaft, Historie, Politik besonders in der Sprache ein wichtiges Anliegen.
Herzlichst Amy
01.03.2015 um 10:40 Uhr Felix Sachs
Gleich vorweg: Als Mann schäme ich mich für die männlichen Entschuldigungsversuche mit dem angeblichen Hodenproblem. Auch der gutgemeinte Apfelselbstversuch von Amy ist wohl nicht gerade ein Zeichen weiblicher Souveränität: So lässt frau sich auf das gleiche erbärmliche Niveau herab. Für mich ist das Beinspreizen des jungen Mannes im Bild männliches Imponiergehabe, sonst nichts. Einfach unappetitlich. Es erinnert mich an die Penisfutterale an mittelalterlichen Ritterrüstungen, von denen Julian Danz (http://www.sinnfly.de) von einem Museumsbesuch in London ein besonders hübsches Bild mitgebracht hat (Er hat mir das copyright gegeben, es in meinem Buch in entsprechendem Zusammenhang zu verwenden).
Bei gewissen Einheimischen-Stämmen in Afrika und bei den Papuas gibt es Ähnliches bis heute.
Es wäre spannend herauszufinden, ob diese Imponierpenisse mit besonders kriegerisch/patriarchalen Stammeskulturen korreliert sind. Bezeichnend ist ihr Name: Penisköcher = ein Gefäss für Pfeile. Ich vermute, dass sie bei egalitären und friedlichen Gesellschaften wie den Ashaninkas in Peru oder den Moshuo in Südchina unbekannt sind.
Offenbar wachsen in unserer Gesellschaft unsere Jugendlichen mindestens in gewissen Kreisen noch immer in Männerbilder hinein, die solches Imponiergehabe fördern. Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, davon immer mehr Abschied zu nehmen. Gerade nach Lektüre des Buches von Barbara Obermüller, Die weibliche Seite der Ur- und Frühgeschichte, wird deutlich, dass solche Männerposen nicht in den Genen liegen, sondern gesellschaftlich bedingten Rollenclichés entsprechen. Es gibt viel weniger Unterschiede zwischen Frauen und Männern als gemeinhin angenommen. Barbara Obermüller belegt, dass in der Urgeschichte die Frauen sowohl im Guten (technische Erfindungen wie Werkzeuge, Handwerk, Töpferei, Pflanzenbau usw.) wie im Schlechten (Grausamkeit in Kriegen) den Männern in nichts nachstanden. Auch als eine zunehmende Hierarchisierung die egalitären Strukturen immer mehr verdrängte und kriegerische Stämme friedliche unterjochten, waren Frauen wohl von Beginn weg in der Führungsschicht massgeblich dabei. Wie das patriarchale Übergewicht der Männer sich entwickeln konnte, darüber scheint die Urgeschichtsforschung noch keine sicheren Erkenntnisse gewonnen zu haben. Meine Folgerung daraus: Wir müssen alles daran setzen, eine neue gewaltfreie Kultur zu etablieren – biologisch scheint sie möglich: Konflikte in positiver Streitkultur lösen, gegenseitigen Respekt fördern, Rassismus in jeder Form und jegliche Erniedrigung vermeintlicher Gegner bekämpfen, und vor allem: alles daran setzen, die schrecklichen Kriege abzuschaffen. Geben wir den Rüstungsfirmen keine Chance!
Die Stellung der Frau hat sich in den letzten 5000 Jahren in den verschiedenen Gesellschaften sehr unterschiedlich entwickelt. Viel zu wenig bekannt ist, dass die schlimmste Zeit für die Frau in Europa nicht das „finstere Mittelalter“ war, sondern vielmehr der Beginn der Neuzeit vom Ende des 15. bis zum 18. Jahrhundert (Hexenhammer: 1487, Verfolgung und brutale Ermordung zehntausender von Frauen – und auch einer kleineren Zahl von Männern, „Hexern“, bis ins 18. Jahrhundert, ganz vereinzelt noch bis ins 20. Jahrhundert). Auch die Reformatoren Luther und Calvin standen in ihren Predigten im frühen 16. Jahrhundert dem Hexenhammer überhaupt nicht nach. Ganz im Gegensatz zum allgemeinen Geschichtsbild war gerade die Aufklärung nicht eine Zeit der Befreiung für die Frauen, sondern im Gegenteil einer viel tieferen, medizinisch, physiologisch, anthropologisch und theologisch begründeten Verachtung. Ärzte haben Traktate und Bücher übelster Denkungsart verfasst. Noch 1900 erschien von Paul Julius Möbius „Über den physiologischen Schwachsinn“ des Weibes. Erstaunlicherweise waren selbst die Frauen nicht fähig, dagegen zu protestieren, sondern schrieben selbst ähnliche Traktate, wie in England Sarah Stickney Ellis, die in ihren populären Frauenratgebern 1839 das bürgerliche Ideal der Ehefrau als ein hochmoralisches und geistig reines Wesen beschrieb. Wie viele andere Autoren sah sie das Lebensziel der Frau darin, zu heiraten, Kinder zu gebären und sie aufopfernd groβzuziehen. Nur wenige wagten es, gegen solches Gedankengut anzutreten. Um 1700 formulierte François Poullain de La Barre den berühmten Satz: „L’esprit n’a pas de sexe.“ Ein wenig später versuchte Karl Augustus Erb die abstrusen Abwertungen des weiblichen Geschlechts durch ihre eigenen Widersprüche ad absurdum zu führen. Er plante eine „Geschichte der physiologischen Herabwürdigung des weiblichen Geschlechts“, und zwar von Aristoteles bis in seine eigene Zeit. Er wollte die vielen irrigen Thesen aus den Prämissen ihrer Verfechter selbst widerlegen. Leider blieb es nur bei zwei kleinen Schriften zu diesem Vorhaben: „Forschungen über die Geschlechts-Natur“ und „Versäumte Schulung für angehende Forscher auf jeglichem Felde der Alterthumsforschung“. Vielleicht hat er sein Vorhaben angesichts der schieren Aussichtslosigkeit eines Erfolges von sich aus aufgegeben. Eine kurze Kostprobe aus dem kleinen Werk Erbs: „Schwerlich zu zählen sind jene Widersprüche. Viele Hunderte habe ich gesammelt. (…) Beschämenswürdiger einerseits, und bemerkenswerther andererseits, werden diese Widersprüche groβentheils noch dadurch, dass richtiges Schlussverfahren aus dem von den Leuten selbst Gegebenenen vielmehr klar beweisen würde, der weibliche Organismus nehme eine höhere Lebensstufe ein, als der männliche.“ (Diese und viele weitere Belege finden sich bei Claudia Honegger, Die Ordnung der Geschlechter: die Wissenschaften vom Menschen und das Weib; 1750-1850 (1991).)
Wie es sich für Frauen angefühlt haben mag, in solchen Zeiten zu leben, schildert in ergreifender Weise Annette von Droste-Hülshoff in ihrem Gedicht „Am Turme“:
Ich steh auf hohem Balkone am Turm,
Umstrichen vom schreienden Stare,
Und lass gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant
Ich möchte dich kräftig umschlingen,
Und Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!
[…]
Wär‘ ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär‘ ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;
Nun muss ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde!
(zitiert nach Ulla Hahn, Stechäpfel, Gedichte von Frauen aus drei Jahrtausenden, Reclam Bibliothek, S. 68f.)
Die Betonung der Frau in der Sprache durch die Forcierung des -in seit den 80er-Jahren war wohl eine notwendige Reaktion auf die jahrhundertelange Abwertung des weiblichen Geschlechts. Leider hebt die ständige Betonung des Geschlechtsunterschiedes die unterschwellige Abwertung der Frauen nicht auf. Deshalb sehe ich die Zeit gekommen, andere sprachliche Formen der gegenseitigen Wertschätzung zu suchen. Die deutsche Sprache ist in ihrem Kern viel weniger sexistisch. Selbst das -er-Suffix hat nichts mit dem männlichen Sexus zu tun, wie Dagmar Bittner nachgewiesen hat: Sie deckt im Vergleich indoeuropäischer, germanischer und althochdeutscher Formen einen einzigen gemeinsamen Ursprung für alle er-Suffixe auf (bei Steigerungen: groβ/gröβer; bei manchen Pluralformen, z.B. Ei/Eier; bei Verwandtschaftsnamen, auch weiblichen wie Mutter; bei Nomina agentis = Personen- oder Werkzeugbezeichnungen, die eine Tätigkeit ausdrücken: arbeiten/Arbeiter, bohren/Bohrer; bei Personenbezeichnungen, die eine Eigenschaft ausdrücken: blind/Blinder). Sie charakterisiert die Gemeinsamkeiten kurz zusammengefasst folgendermaβen: „Jede der mit er gebildeten Kategorien symbolisiert eine spezifische Vorkommensweise des (potentiell) wiederholten Auftretens von Einheiten/Sachverhalten desselben Typs.“ (Zur Historie der nominalen -¬er-Bildungen, S. 13). Bei femininen Genitiv- und Dativ-Artikeln stört das -er offensichtlich auch niemanden: der Mutter. Mit einem Geschlecht hat das gar nichts zu tun. Warum sollte Lehrer mehr mit dem männlichen Sexus zu tun haben als teacher? Es ist alles eine Frage der Gewohnheit und der Einstellung!
Ich wehre mich allerdings vehement gegen die Wiedereinführung des „generischen Maskulinums“. Dieses fusst auf einem falschen Genusverständnis und führt zu jener verhängnisvollen Asymmetrie zum Nachteil des weiblichen Geschlechts, gegen die sich die feministische Sprachkritik mit Recht entschieden wehrt. Allerdings: statt mit dem -in sollte die Präsenz der Frauen besser im Kontext markiert werden. Die deutsche Grammatik ist dafür nachweislich nicht geeignet. Wird das Ziel trotzdem durch Eingriffe in die Grammatik angestrebt, landen wir in Teufels Küche und alles wird nur noch schlimmer. Das „immer mehr vom Gleichen“ stumpft sich ab. Wir müssen neue Wege wagen!
Felix Sachs, St. Gallen
28.02.2015 um 14:19 Uhr anne
die kampagne hat ein derartiges interesse ausgelöst, dass das wort `manspreaDing` es sogar i.d. endauswahl der Amerik. Gesellschaft f. Sprache zum wort des jahres 2014 schaffte. eigentlich doch ganz nützlich, den begriff so zu belassen und übersetzt als `mannspreizer` zu aktivieren, wenn er und sein ding jetzt sowohl durch die vielzahl der berichterstattungen i.d. presse weltweit `in aller munde ist`.
angenehm von einem journalisten in seinem artikel ... zu lesen, wo der blogger Brian Moylan meint, M-S (mannspreizen) ist die visuelle manifestation eines patriarchlen privilegs; das provokative spreizen der oberschenkel ist demnach nichts anderes als klassisches alpha-männchen-verhalten. mann besetzt so viel platz, wie mann eben nur kann, als herausforderung an rivalen und plumpes geltendmachen der eigenen präsenz. insofern ist das M-S dem federSpreizen der pfauen nicht unverwandt. „das männchen plustert sich auf, versucht die rivalen einzuschüchtern und das andere geschlecht zu beeindrucken“, schreibt Nina Bahadur in einer kolumne über das M-S in der Huffington Post. „Es ist letztlich der versuch, potenz zu demonstrieren.”
massiver zorn macht sich auf die kampagnen bei vielen männern breit: `habt ihr schon mal etwas von hoden gehört`, verteidigte sich ein mannspreizer : `ich werde meine genitalien bis zu dem tag verteidigen, an dem ich sterbe, und du hast keine ahnung wie es ist, externe geschlechtsteile zu haben` , meckerte ein anderer.
auch Brian Moylan zeigt sich fassungslos über dieses gekläffe und schreibt dazu, dass es vollkommen unmöglich ist, dass dein paket so groß ist, dass du deine beine so weit spreizen musst, wie der Grand Canyon. und wenn, dann solltest du dir einen gefallen tun und ein taxi nehmen.“
tja, wenn frau das schreibt oder schreiben würde und sich über diese unsitten empört, bekommt sie natürlich die ganze wut der beleidigten zu spüren, zusätzlich, weil sie als weibl. mensch es wagte zu kritisieren. gar nicht einfach, eine passende formulierung zu finden zum M-S. wenn ich bei google `herrumspreizer` eingebe, antwortet google mit `herumspritzen` ..aber da die meisten männer leider empört reagieren und auf ihr patr. recht des sich-breit-machens in den Öffs pochen, sind jene für mich auch die üblichen kläffer - herrumkläffer, mannskläffer, herrumplusterer (antifeministische herrumkläffer, herrumbeller, mannskläffer) - frau kann ein lied davon singen, wie sie von den aufgeplusterten federlingen ständig angebellt wird.. pardon!
`Frottierer` - so lese ich gerade - ist die bezeichnung für diejenigen, die die enge nutzen, um frauen zu begrapschen.
28.02.2015 um 09:34 Uhr undine
Vielleicht erledigt sich der Trend zum Männerklaffen ja demnächst auf ganz natürliche Weise: ich sehe immer öfter männliche Jugendliche, die sehr enge Hosen tragen - das geht, selbstverständlich, denn sie tragen den Hosenboden ungefähr auf halber Höhe der Oberschenkel. Vielleicht ist doch was dran, und man sollte Äpfel nicht mit Birnen vergleichen?
Jedenfalls, ich glaube nicht, dass ein solcherart behoster Jugendlicher sich irgendwo breitbeinig hinsetzen kann.
Natürlich kann man nun nicht von allen Männern erwarten, nur noch unbequeme Hosen zu tragen, damit die Damen sich nicht mehr belästigt fühlen. Bei den Frauen ist, nebenbei bemerkt, der Mini-Rock DAS Mittel, das die Trägerin zuverlässig zwingt, sich mit eng aneinandergeschmiegten Knien niederzulassen. Wie wäre es denn mit einer allgemeinen Mini-Rock-Pflicht für alle und jeden in öffentlichen Verkehrsmitteln ... ? Das würde übrigens auch dem Belüftungs-Bedarf mancher Männer, der als Argument angesprochen wurde, besser gerecht werden ...
27.02.2015 um 20:40 Uhr lfp
@ Boogiedancer: “Mannspuk” für das Männerspucken erinnert hübsch an “Spuk” - leider ist es kein Spuk, sondern unappetitliche Realität.
@ Elisabeth Schrattenholzer: “Männerklaffen” - sehr anschaulich! “Platzhirschen” als Verb ist auch gut einsetzbar, denn meist geht es ja nicht nur um raumgreifende Männerbeine, sondern um weit mehr (Körperteile und Anspruch). - “Männerdummerln” klingt mir zu niedlich, hat aber natürlich den Vorteil des “mütterlichen Tons”, der automatisch infantilisiert.
“Mannrempeln” ist auch eine sehr gelungene Kreation, danke, Daniel E.
Und scheint schon um sich zu greifen - danke, OliverG.
27.02.2015 um 16:39 Uhr OliverG
Ach ja, was das ‘mannrempeln’ angeht: Mir fallen immer wieder Menschen auf, die so viel Vertrauen in die Welt haben (was schön ist), dass sie, rückwärts schauend, vorwärts gehen (das ist suboptimal). IdR bliebe ich dann einfach stehen. Oft sind es Kinder und ich lächle derweil deren Eltern an, die idR zurücklächeln.
Aktuell scheint es mir noch, dass diese vertrauensvollen menschen eher weiblich sind (meist gibt es einen nach hinten gerichtete Kommunikation), aber ich gelobe, dass ich ab sofort genauer darauf achte.
In der Tat wurde ich übrigens gestern oder vorgestren ‘manngerempelt’, bzw leicht gestreift von einer Frau, um das zu verneiden hätte ich allerdings meine Ehefrau auf die Straße schubsen müssen, was ich aus naheliegenden Gründen zu vermeiden suchte. Ich glabe aber, dass es eher ein Augenmaßproblem war, auf welcher Seite ist schwer zu sagen.
Was ich an sich sagen oder andeuten wollte: Nicht alle Phänomene, die dem ‘Geschlechterkampf’ bzw. der schwierigen soziohormonellen Situation männlicher Menschen zuordenbar sind, sind zwingend durch Böswillen oder Dominanzgebaren begründet.
So GANZ leuchtet mir z.B. nicht ein, dass ein Mann gerade DEN Körperteil, der am schmerzempfindlichsten ist, als Dominanzgeste ‘offenlegen’ sollte. Nicht unbewusst und erst recht nicht bewusst. Ich bin mir allerdings relativ sicher, was den bewussten Teil angeht, dass ich nicht sage: “Oh, super, U-Bahn, mal sehen, wem ich jetzt alles meinen Schritt zeigen kann.” Über andre Männer kann ich natürlich naturgemäß wenig sagen, da wir ja nur über Sport und so reden.
27.02.2015 um 13:41 Uhr Daniel E.
Ich finde rücksichtslose Menschen, die generell davon ausgehen, dass die anderen ausweichen sollen, auch sehr unangenehm. Da ich im Alltag nicht immer entweder nachgeben oder mich durchsetzen will, mache ich von Zeit zu Zeit etwas anderes: Ich bleibe einfach stehen. Dann muss nämlich die andere Person einen Umweg machen, wenn sie mich nicht mannrempeln will. Das ist eine Strategie des passiven Widerstands, die natürlich immer und überall einsetzbar ist – die aber übrigens auch bei Jugendlichen (und weniger Jugendlichen) funktioniert, deren Blick beim Gehen nur auf ihr Mobiltelefon gerichtet ist…
26.02.2015 um 11:59 Uhr Marlene Margolis
Da war ich zu schnell und hab noch was vergessen. Zum Thema Männerrempeln gibt es einen tollen Trick, den ich hier gern weitergeben. Zwar weiß ich nicht, ob der auch für Menschen unter 1,70m funktioniert, aber ich (1,75m) habe damit IMMER Erfolg.
Also: Geht grundsätzlich auf der rechten Seite des Gehwegs (außer ihr wohnt in einem der rar gewordenen Länder mit Linksverkehr). Kommt euch einer direkt entgegen, wendet den Kopf ca. 45° nach rechts, macht euch so groß wie möglich (und große Schritte). Guckt den NIE an. Er wird ausweichen. Bei mir klappt das, wie gesagt, immer.
Viel Spaß beim Ausprobieren! :)