Machen wir den 8. März (Weltfrauentag) zum gesetzlichen Feiertag
Vorbemerkung: Im Frühjahr 2010 bat mich die Fraktion der LINKEN im Hessischen Landtag um ein Gutachten zu ihrem Gesetzentwurf, den Weltfrauentag (8. März) zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Der Landtag stimmte leider dagegen. Das ist natürlich kein Grund, die schöne Idee aufzugeben. Deshalb stelle ich heute zur Feier des 100. Weltfrauentags mein Gutachten ins Netz. Ich hoffe, dass viele den Vorschlag aufgreifen und unterstützen, bis wir es geschafft haben.
Gutachten Ich befürworte den Antrag der Fraktion der LINKEN im Hessischen Landtag, den Internationalen Tag der Frau zum gesetzlichen Feiertag zu machen.
Begründung: Frauen sind in Deutschland und weltweit in vielen Bereichen noch immer stark benachteiligt. Einer offiziellen Feststellung der UNO aus dem Jahre 1975 zufolge leisten sie zwei Drittel der Arbeit in der Welt, bekommen dafür 10 Prozent des Lohns und besitzen ein Prozent des Weltvermögens - das dürfte sich bis heute kaum geändert, ja eher verschlimmert haben. Viele ExpertInnen sind überzeugt: "The struggle for gender equality is the single most important struggle on the face of the planet." (Stephen Lewis, ehemaliger UN-Sonderbeauftragter für AIDS in Afrika.)
Das politische Anliegen, Gerechtigkeit für Frauen herbeizuführen, bedarf m.E. hier keiner weiteren Begründung, die Fakten sind bekannt und überall nachzulesen. Ein gesetzlicher Feiertag für Gerechtigkeit für Frauen könnte einen wichtigen Akzent setzen. Frauen brauchen jede Unterstützung, die sie kriegen können!
Damit ist das Thema frauenpolitisch abgehandelt: Es gibt keinen vernünftigen Grund, der benachteiligten Mehrheit der Bevölkerung die Unterstützung zu verweigern. Auch nicht die symbolische.
Ich möchte das Thema daher feiertagspolitisch angehen:
Wir haben 9 bundesweit geltende gesetzliche Feiertage, 6 davon sind christlich motiviert: Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, 1. und 2. Weihnachtstag.
Neujahr ist traditionell motiviert, der 1. Mai (Tag der Arbeit) und der Tag der deutschen Einheit sind politisch motiviert.
Es scheint angesichts des massiven Prestigeverlusts insbesondere der katholischen Kirche, massenhafter Kirchenaustritte, leerstehender Kirchen und eines ständig wachsenden Bevölkerungsanteils mit nichtchristlicher Religionszugehörigkeit nicht mehr zeitgemäß, den christlichen Kirchen zwei Drittel der gesetzlichen Feiertage zuzubilligen!
Die sich von der Herrschaft der Kirchen emanzipierende Bevölkerung sollte sich mindestens einen, am besten mehrere Feiertage zur nachdrücklichen Markierung der eigenen, politischen Interessen zurückholen.
Es braucht nicht unbedingt ein neuer Feiertag geschaffen zu werden - damit entfallen sämtliche Argumente, wonach der vorgeschlagene Frauen-Feiertag wirtschaftlich untragbar sei. Der 8. März könnte beispielsweise den Pfingstmontag ersetzen, der dafür ein normaler Arbeitstag würde. In den USA ist der Pfingstmontag - wie überhaupt das Pfingstfest - so gut wie unbekannt; in Italien und Schweden wurde er vor kurzem als Feiertag abgeschafft.
Stattdessen hat Schweden den 6. Juni zum Nationalfeiertag erklärt.
Einen solchen haben wir bereits mit dem 3. Oktober. Er löste den 17. Juni als “Tag der deutschen Einheit” ab.
Der 17. Juni stand für eine große politische Hoffnung, die die Westdeutschen nicht aus den Augen verlieren sollten und wollten. Er hat sicher dabei mitgeholfen, dass dieses Ziel schließlich erreicht wurde.
Ähnlich fungiert in den USA der Martin-Luther-King-Day: Immer am 3. Montag im Januar, nahe dem Geburtstag des US-amerikanischen Bürgerrechtlers (15.1.), erinnert sich die Bevölkerung an das große Ziel “Gerechtigkeit für die Schwarzen der USA” - und damit für alle ethnisch minorisierten Bevölkerungsgruppen.
Der Tag der Arbeit (1. Mai) erinnert an das Ziel “Gerechtigkeit für die arbeitende Bevölkerung”.
Gleichzeitig mit der Internationalen ArbeiterInnenbewegung entstand Mitte des 19. Jahrhunderts die Internationale Frauenbewegung. Ihre politische Bedeutung, Notwendigkeit und Wirksamkeit ist mit der der ArbeiterInnenbewegung mindestens gleichzusetzen, wenngleich die männlich geprägte Geschichtsschreibung dies lange ignoriert hat.
Aber diese ignorante Praxis müssen wir ja heute nicht fortsetzen. Der Hessische Landtag könnte stattdessen ein nachhaltiges und hoffentlich ansteckendes Zeichen setzen.
Für diejenigen, die um das schöne verlängerte Pfingstwochenende trauern würden (sicher sind das ganz viele, ich zähle mich dazu), möchte ich folgenden Trost vorschlagen: Der 8. März wird als beweglicher Feiertag beschlossen; er fällt immer auf den zweiten Montag im März - genau wie die US-AmerikanerInnen all ihre gesetzlichen Feiertage auf Montage gelegt haben.
Hessen kann die Ersetzung des Pfingstmontag-Feiertags durch einen Frauen-Feiertag nicht allein herbeiführen, aber es kann vorangehen, den Feiertag beschließen und sich dann für die bundesweite Lösung „Frauentag statt Pfingstmontag“ einsetzen.
gez. Luise F. Pusch
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12 Kommentare
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06.03.2011 um 02:48 Uhr Alison
“genau wie die US-AmerikanerInnen all ihre gesetzlichen Feiertage auf Montage gelegt haben.”
Stimmt gar nicht. der 4. Juli ist immer am 4. Juli, unabhaengig von welche Wochentag das sei.
Thanksgiving ist am 4. Donnerstag in November, nie Montags.
Weihnachten wird auch nach wie vor am 25. 12. gefeiert, auch wenn es an einem Tag: Dienstag bis Freitag faellt.
05.03.2011 um 19:59 Uhr Evelyn
Heute brauchen Frauen nicht einmal mehr eine Rednerinnentribüne betreten: Es genügte, wenn sie sich sichtbar im Internet mit ihren Meinungen selbst vertreten würden. Diese meinungslose Haltung wird sogar von den Journalistinnen des Journalistinnenbundes beklagt. Woher kommt die Trägheit der Frauen, sich politisch einzumischen? Das wüsste ich gern. Den Meinungsblogspot der Journalistinnen zu besuchen und dort zu den interessanten Beiträgen eine Meinung zu hinterlassen, lohnt auf jeden Fall. Der neueste heißt: “Der ganze März voller Frauentage”. Und würden wir jeden Tag im Jahr zu einem Frauentag machen, durch unsere eigene Vertretung in jedweder Öffentlichkeit, würde sich tatsächlich etwas ändern in diesem Land - denn heute, liebe Frauen, kommt keine Frau mehr dafür aufs Schafott!
http://www.watch-salon.blogspot.com/
05.03.2011 um 13:32 Uhr Anne
ja, supra idee, liebe luise / danke!!
und geben wir dem ganzen evtl. noch einen namen mit in erinnerung an “Olympe de Gouges” ,die geistige mutter der weibl. menschenrechte und mit die bedeutendste politische denkerin im patriarchalen europa? oder “Hedwig Dohm” und in erinnerung an all die frauenschicksale der vielen bedeutenden pionierinnen bzw. vor/kämpferinnen aus der frauenbewegung. feministin sein heisst politisch sein.
christl. feiertage werden zumeist halbherzig angegangen - die bibel - das buch der bücher - eine patriarchalische erfindung , viele verfechter haben sich in ihrer frauenfeindlichkeit bis heute mit wenig ruhm bekleckert / apostel paulus - schon gar kein frauenfreund - und für viele der eigentliche begründer des christentums. sehr viele stellen der bibel zeigen nicht gottes güte, sondern seine grausamkeit ganz im sinne des patriarchats - das haben insb. frauen im christl. patriarchat zu spüren bekommen.
von frauenfeinden bösartig diffamiert, von republikanern ins gefängnis geworfen, vom revolutionstribunal zum tode verurteilt, wurde sie (olympe de gouges) unter der guillotine enthauptet und in einem massengrab verscharrt.
ja, und warum besetzen wir frauen nicht endlich neue feiertage, gedenktage mit den namen von frauen , feministinnen (z.b. Hedwig Dohm) damit sie endlich für jedefrau/jedermann sichtbar werden?
dazu einige zitate von Olympe de Gouges:
“lassen wir mein geschlecht beiseite. auch frauen verfügen über heldentum und großmut, die revolution zeigt mehr als ein beispiel.”
und zur efrauzipation:
“frauen wacht auf. was auch immer die hürden sein werden, die man euch entgegenstellt, es liegt in eurer macht, sie zu überwinden, ihr müsst nur wollen.
die frauen haben das recht, das schafott zu besteigen, gleichermaßen muß ihr das recht zugestanden werden, eine rednerbühne zu besteigen.”
http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/olympe-de-gouges/
05.03.2011 um 12:28 Uhr Evelyn
An einem solchen gesetzlichen Feiertag könnten wir breitenwirksam an das erinnern, was nicht in Ordnung ist - so wie dies der 1. Mai für die ArbeiterInnenschaft politisch versucht:
“Der 8. März 2011 erinnert mich daran, wie miserabel wir Frauen in unserem Land dastehen. Wir sind weit davon entfernt, gleiche Bezahlung wie die Männer zu erhalten, Armut ist weiblich (alleinerziehende Mütter sind typischerweise Hartz IV-Empfängerinnen), die Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt immer noch in weiter Ferne, Aufstiegsmöglichkeiten sind eigentlich nicht gegeben - es bleibt dabei, dass es höchstens bis zur AbteilungsleiterInnen-Ebene geht und keinen Schritt weiter.
Die oberen Etagen in der Wirtschaft sind ein Packeis der Maskulinität. Aber auch im Öffentlichen Dienst ist es keineswegs einfach für die Frau aufzusteigen. Die Denk-, Fühl- und Handlungsweise von Frauen, und damit ihre Werte, können sich nirgendwo durchsetzen, da dies seitens der maskulinistischen Chefetagen nicht erwünscht ist. Das könnte ja Veränderung bedeuten.
Arbeitslose ab Ende 40 werden aus dem Leben ausgemustert, dabei werden Frauen in jedem Fall aussortiert. Die Redaktionen werden fast ausnahmslos von Männern geleitet, was sich zutiefst in der Verhinderung von Frauenthemen und Frauenprotesten niederschlägt. Wer die Programme im Fernsehen durchzappt wie ein Alien von einem anderen Stern, muss davon ausgehen, dass es nur eine wichtige Gruppe in unserer Gesellschaft gibt, und das sind Männer: Auf allen Kanälen Männer - daran ändern auch nichts die Nachrichtensprecherinnen und einige wenige Moderatorinnen. In Talk-Shows reden fast ausnahmslos Männer. Sie sollen wohl die Deutungshoheit und ihre Nicht-Antworten auf die gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit auf ewig beibehalten. Die wenigen Alibifrauen in Talk-Shows werden von den Männern pausenlos unterbrochen und belehrt.
Die Sprache, ein lebendiges soziales Gebilde, wird immer noch so behandelt als sei sie “normal, eben gottgegeben”. Herausgekommen ist dabei, dass nur in männlichen Sprachuniversen geredet wird und sogar Frauen mit männlichen Berufsnamen etc. sich sprachlich als Männer bezeichnen. Politiker hören nicht einmal annähernd auf ihre eigene Chefin, die Bundeskanzlerin, und toben ihre Politschlachten und Beschimpfungen trotz ihres Vetos weiter aus, achselzuckend ob ermahnender Worte der Spitzenfrau unseres Landes.
Die Frage nach der Frauenquote für Spitzenpositionen hat in unserem Land eine Welle männlicher Hysterie hervorgerufen, die noch immer anhält. Das Verbrechen ist männlich, bei Sexualdelikten praktisch zu 100 Prozent - eine andauernde Gefahrenquelle für Leib und Leben von Frauen. Und wehren sich Frauen und zeigen eine Vergewaltigung an, so wissen sie spätestens seit dem Kachelmann-Prozess, was ihnen blüht (Dunkelziffer an Vergewaltigungen in Deutschland pro Jahr: 80.000). Der Begriff Patriarchat - eine mindestens 5 000 Jahre alte Gesellschaftsform - ist ein absolutes Tabu-Wort. Das hat es nicht einmal zu Zeiten von Sklavinnen und Sklaven gegeben: Diese wussten, wer sie waren und wo sie standen. Der Medien-Chic will uns weißmachen alles sei in bester Ordnung und Frauen hätten wunderbare Chancen für alles, was sie sich auch immer vorstellen!”
(zuerst veröffentlicht im VORWÄRTS-Blog der SPD anlässlich des 100. Weltfrauentages 2011)