Literatur als Platzverweis: Die Lesbe bei Bachmann, Wohmann und Hellman
Was ist das Gegenteil von Lebenshilfe, fragte ich mich auf der Suche nach einem passenden Titel für diese Glosse. Lebensbehinderung? Vielleicht. Die Literatur aber, mit deren schädlichen Wirkungen ich mich befassen will, brachte noch etwas mehr zustande als bloße Behinderung. Sie wies mir meinen Platz zu, einen Platz außerhalb der Gesellschaft. Und so kam es denn zu dem obigen Titel. Todeshilfe wäre ein anderes passendes Antonym.
Ich weiß, wir sollen Literatur nicht als Lebenshilfe benutzen - die Kritik sagt dazu „missbrauchen“. Die meisten von uns VerbraucherInnen verbrauchen sie aber trotzdem in dieser Weise, besonders wenn wir noch jung und unfertig sind und überall nach Orientierung suchen. Explizit zu diesem Zweck der Orientierungshilfe gibt es denn auch endlos viele Bücher für die Jugend.
Als ich noch jung war, wollte ich natürlich keine Jugendliteratur lesen. Für mich kam nur was Besseres in Frage, die neuste Literatur, über die mich meine Freundin, Tochter eines Verlegers, und ihre Mutter auf dem laufenden hielten.
Kurz und gut, ich las mit 17 Jahren Ingeborg Bachmanns soeben gedruckte Geschichte „Ein Schritt nach Gomorrha“*, in der die verheiratete Pianistin Charlotte sich gegen die Zudringlichkeiten der Musikstudentin Mara zur Wehr setzt. Zwar lässt sie sich von Mara küssen, aber der Kuss bringt ihr nichts, ist eben kein richtiger Kuss wie von einem Mann. Eher wie ein Katzenschnäuzchen wirkt Maras Mund auf Charlotte:
Charlotte hatte als Kind manchmal aus Überschwang ihre Katze geküßt, auf die kleine Schnauze. […] eine fremde Gegend für Küsse. So ähnlich feucht, zart, ungewohnt waren die Lippen des Mädchens. An die Katze musste Charlotte denken und die Zähne zusammenpressen. Und zugleich versuchte sie doch zu bemerken, wie diese ungewohnten Lippen sich anfühlten. So also waren ihre eigenen Lippen, so ähnlich begegneten sie einem Mann, schmal, fast widerstandslos, fast ohne Muskel – eine kleine Schnauze, nicht ernst zu nehmen.
Ich las die Geschichte, eine der ganz wenigen in der damaligen Literatur, die sich überhaupt mit Lesben „abgibt“, mit roten Ohren und wurde zutiefst enttäuscht. Die allseits (auch von mir) verehrte Dichterin Ingeborg Bachmann hielt also gar nichts von „Lesbierinnen“, wie wir damals genannt wurden. Lesben waren abartige Personen, und wenn eine „normale Frau“ so eine und ihren fehlgeleiteten Liebesdrang mal gewähren ließ, ja dann hatte sie nichtmal was davon. Nur ein kätzchenhaftes, nichtiges Gestubse.
Ich hatte damals noch nie „richtig“ geküßt, deswegen hatte ich keine Vergleichsmöglichkeit, ob mein Kuss auch „nicht ernst zu nehmen“ sein würde.
Ich ließ mich nicht völlig entmutigen, aber es dauerte noch drei Jahre, bis ich endlich feststellen konnte, dass Bachmanns Urteil jedenfalls für mich nicht zutraf.
Bachmann, die später zur Ikone der Frauenbewegung wurde, blieb mir wegen dieses frühen und verherrenden Leseeindrucks immer etwas suspekt. Ja wenn sie das nur gewusst hätte - hätte sie bestimmt was Bekömmlicheres über mich und meinesgleichen geschrieben. (Normalerweise deklariere ich meine Scherze nicht, aber hier ist es vielleicht nötig? Also: Der letzte Satz ist ironisch gemeint.)
Obwohl bekümmert und verstimmt, war ich Bachmann damals aber trotzdem dankbar, dass sie das Thema überhaupt aufgriff und es ziemlich ernsthaft, wenn auch herablassend, behandelte. Denn üblicherweise kam die Lesbe während meiner Jugend in den 50er und 60er Jahren in der Literatur nicht vor, und wenn doch einmal, wurde sie verspottet.
Beißenden Spott hatte Gabriele Wohmann, gerade mal 12 Jahre älter als ich, für Lesben auf Lager. 1957, mit 25 Jahren, veröffentlichte sie die Erzählung „Eine großartige Eroberung“. Sie handelt von dem Frauenpaar Tilli und Pullmann und beginnt so:
Mathilde war emanzipiert und weiblich. Pullmann war emanzipiert und unter einem starken Busen männlich. […] In ihrem starken weiblichen Körper steckte der Mann, der in Tillis mageren Leib nicht einziehen sollte. […] (Tilli) liebte Pullmann, redete sich ein, diese sei nicht bloß Ersatz.
Tilli und Pullmann fahren nach Italien; dort beginnt ein Gigolo Tilli nachzustellen. Um ihm zu entkommen, reist frau weiter nach Süden, aber er reist ihnen nach. Fast möchte Tilli seiner schmierigen Werbung nachgeben, ringt sich aber mühsam zur Treue durch. Stolz auf ihren Sieg über „die schläfrige Ekstase der Nacht“, die sie nun nicht mehr „ansteckt“, besorgt sie eine Schüssel Eiskrem, um sich und Pullmann damit zu verwöhnen. Als sie ins Hotel zurückkehrt, ertappt sie Pullmann, „schwanzlos wie sie, verschrullt wie sie, aber anders“, in einer Umarmung mit dem „glutäugigen Gauner“. Sie geht in ihr Zimmer zurück, setzt sich auf ihr Bett und stellt „das kühle Porzellan zwischen ihre auseinandergespreizten Schenkel. Langsam beknabbert sie die eine Waffel, Pullmanns Waffel.“
Ende der Geschichte. Die Sexualsymbolik braucht wohl nicht weiter kommentiert zu werden. Zwar bringen hier die „verschrullten, schwanzlosen“ Lesben eine Art Ehe mit Mann-Frau-Gefälle zustande, verfallen aber letztlich beide einem „richtigen“ Partner, und sei er auch nur ein „schmieriger Don Juan“.
Diese Geschichte habe ich zum Glück nicht als Dreizehnjährige gelesen, sondern erst vor ein paar Wochen. Aber die Botschaft des Textes, dass Lesben „verschrullt“ sind, hatte ich sowieso schon mitbekommen, dank vielfältiger Botschaften meiner Umgebung. Ja ich wußte sogar schon ziemlich gut, dass solche wie ich schlimmer als Verbrecher waren und besser nicht existieren sollten.
1958 - ich war 14 - kam der Film „Mädchen in Uniform“ mit Romy Schneider und Lilli Palmer in die Kinos, ein Remake des gleichnamigen Films von 1931 nach dem Stück von Christa Winsloe - von dem ich natürlich noch nie gehört hatte. Das Thema „Schülerin schwärmt für Lehrerin“ sprach mir aus der Seele, war ich doch im richtigen Leben auch gerade damit beschäftigt. Romy will nicht mehr leben, weil sie Lilli Palmer, die Lehrerin, nicht lieben darf, wird aber gerettet. Keine aufbauende Botschaft für das heranwachsende Lesbengemüt, aber wenigstens sah ich hier meine Gefühle ernst und tragisch gespiegelt. Ich liebte den Film und habe ihn immer wieder angesehen.
Damit komme ich zum eigentlichen Anlass dieser Glosse. Dieser Tage sendet das Fernsehen mehrfach** den alten William-Wyler-Film „Infam“ (1961, dt. 1962) nach einem Broadwaystück von Lillian Hellman aus dem Jahre 1934. Meine Freundin Eva leitete dazu eine Mail ihrer Freundin Christina an mich weiter:
Liebe Frauen, am übernächsten Sonntag sendet arte den Spielfilm "Infam" mit Shirley MacLaine und Audrey Hepburn. Die beiden sind Lehrerinnen und werden verdächtigt lesbisch zu sein... Den Film sah ich, als ich 16 war, er hat mich ziemlich aus der Bahn gehauen.
Und Eva kommentierte: „Mich hat er auch aus der Bahn gehauen! Ich habe ihn damals dreimal gesehen.“
Eine der beiden Heldinnen von „Infam“, gespielt von Shirley MacLaine, erhängt sich, weil sie möglicherweise zu viel für ihre Freundin und Kollegin empfindet, was ihr allerdings selbst erst klargeworden ist durch die böswillige Anschuldigung einer Schülerin, die beiden Lehrerinnen hätten was miteinander.
Als ich den Film sah, war ich 18 und wußte, wie gesagt, inzwischen schon bescheid, dass es eine todeswürdige Untat kosmischen Ausmaßes für eine Frau ist, wenn sie statt eines Mannes eine Frau liebt. Wir alle, die „Infam“-Konsumentinnen von anno dunnemals, sind inzwischen um die siebzig, aber die Schläge haben anscheinend gesessen und uns dermaßen umgehauen, dass wir uns bis heute daran erinnern. Klarer Fall von PTSD (posttraumatisches Stress-Syndrom).
Schon der Anflug eines Gefühls wurde in den damaligen Kulturerzeugnissen, besonders im Film, gern mit dem Tode bestraft. Insofern dürfen wir Wohmann und Bachmann vielleicht sogar noch dankbar sein. Anders als ihre Vorgängerinnen Winsloe und Hellman aus den dreißiger Jahren schickten sie die Lesben nicht in ihren - wenn auch anklagend als tragisch geschilderten - Tod. Wohmanns und Bachmanns Lesben traten mit einer gewissen Selbstverständlichkeit auf den Plan, wurden aber von den Autorinnen als befremdlich bis lächerlich vorgeführt.
Kurz und gut, das Thema Liebe zwischen Frauen war eigentlich verboten, tabu. Wollte frau es dennoch behandeln, so ging das nur, wenn es lächerlich gemacht oder mit dem Tode bestraft wurde. Damit die Frauen nicht auf dumme Gedanken kämen und wüssten, wie sie sich zu benehmen haben.
Ich habe es überlebt. Aber meine Partnerin beging 1976 Selbstmord. Ich schrieb ein Buch über unsere zehn Jahre verzweifelten Widerstands im Versteck*** - und bekam den Vorwurf: „Schon wieder eine Lesbengeschichte, die mit Selbstmord endet.“ Drehen wir uns ewig im Kreise?
Nein, denn da ist schon ein Unterschied: Erstens haben Sonja und ich als Lesben GELEBT und nicht nur von der Liebe geträumt, zweitens sind wir keine Witzfiguren, drittens wäre das Buch nie geschrieben worden und hätte auch keinen Verlag gefunden, wenn nicht inzwischen die Frauenbewegung mit Macht altes lesbophobisches Denken "umgehauen" hätte.
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*aus dem Erzählungsband Das dreißigste Jahr, 1961.
** z.B. am 22.2. um 14:45h und am 2.3. um 1:45h auf arte ***Sonja - Eine Melancholie für Fortgeschrittene, 1981
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7 Kommentare
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23.02.2011 um 23:32 Uhr Anne
schon 2oo9 propagierte die erste bekennend lesbische regierungschefin, johanna sigurdardottir aus island, das ende des testosteron-zeitalters: dieses sei für die weltweite finanzkrise verantwortlich. matthias horx, zukunftsforscher, hat das 21. jahrhundert das `zeitalter der frauen genannt`: “in schweden nehmen 40 % d. männer vaterschaftsurlaub, 3o % der topverdiener sind frauen. das problem, das männer heute und in zukunft hierzulande, in unserer eher unemanzipatierten gesellschaft haben, ist, dass sie gleichzeitig karriere machen, haushalt und kinder versorgen und verständnisvolle, gute liebhaber sein sollen. durch die neuen, klaren ansagen von frauen fühlen sich männer überfordert, und deshalb entwickelt sich als gegenbewegung ein trend zum männlich-narzisstischen rückzug , der von retro-macho-gehabe bis zu schmollendem singletum reicht.”
die zukunft ist weiblich - ich hoffe auch ,dass diese unbedingt lesbisch ist oder lesbischer wird - noch ein langer weg, da männer jetzt schon in angst versinken, kontrolle und besitz über frauen zu verlieren - und vor allem davor, in ihrer produktion f.d. un/gewollten nachwuchs stark eingeschränkt zu werden ....
23.02.2011 um 17:20 Uhr Evelyn
Ich möchte auf die positiven Entwicklungen aufmerksam machen, die sich mitten unter uns ereignen, denn wir leben im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends:
Unbemerkt von der Öffentlichkeit sind ganz neue Formen des Zusammenlebens entstanden. Während Männer millionenfach die Abwechslung suchen – vorzugsweise bei jüngeren Partnerinnen, damit das Gefälle erhalten bleibt, und sie sich durch solche Bestätigung nicht mit sich selbst befassen müssen – haben Frauen durch Netzwerke, gemeinsame Arbeit und Interessen sowie verbindende Aufgaben einander gefunden. Über die Gemeinsamkeit kam die Liebe.
Frauen leben heute in sehr hoher Anzahl in gegenseitiger Zuneigung. Und dies gilt für alle Altersgruppen, wenn die patriarchal-heterosexuelle Indoktrinierung erst einmal überwunden ist. Von Gesprächsgruppen und Zirkeln, den weiblich-weiblichen Geschäftspartnerschaften, den Freundschaften bis hin zu Liebesbeziehungen reicht das breite Spektrum des neuen Frauenlebens. Die Existenz dieses Trends verwundert nicht wirklich. Für Frauen ist es viel leichter miteinander eine gemeinsame Wellenlänge zu finden als mit dem anderen Geschlecht. Sie empathisieren schneller miteinander, weil auf ihre Bemühungen hin auch „etwas zurück kommt“.
Währenddessen verharren allzu viele Männer in der Arroganz, zu meinen, Frauen würden auf sie warten bis sich vielleicht etwas ändert – eine plötzliche emotionale Revolution etwa?
Diese Revolution in der Bewegung einer Evolution haben Frauen in großer Anzahl längst vollzogen. Sie haben sich dabei auf eine lange Rollenzuschreibung gestützt, die sie zu Expertinnen des Beziehungslebens werden ließ. Und dies kommt ihnen nun endlich auch selbst zugute.
(wird veröffentlicht im Frühjahr 2011 in der österreichischen Zeitschrift “Wege” unter dem Stichwort “Menschenwege”)
23.02.2011 um 15:05 Uhr Lena Vandrey
Welchem Terror lesbische kleine Mädchen und junge Mädchen ausgeliefert sind, beweist diese Anekdote:
In den Ferien lerne ich ein Mädchen kennen und wir befreunden uns sogleich. Sie war etwas älter als ich und sagte: Es ist seltsam, wenn du ein Junge wärst, würde ich sagen, dass ich in dich verliebt bin. Sie hatte einen Freund und mochte ihn nicht mehr sehen. Ihr Lieblingsbuch war “Vom Winde verweht”, also suchte sie als Scarlett in meinen Augen die a n d e r e Scarlett und l e b t e das Buch, anstatt es zu lesen. Kinogänge wurden bald unterlassen, denn es war doch viel schöner, auf einer Bank zu sitzen, Eis zu essen und zu r e d e n !
Diese Idylle wurde von den jeweiligen Müttern verboten. Eine Tante hatte gepetzt und gewarnt. “Wehret den Anfängen!” heißt es ja.
Ich durfte Inga nicht mehr schreiben. Da sie die Ältere war, wurde sie schwerer gerügt; glattweg sich an einem “Kind” zu vergreifen, hieß die Anklage.
Wir hätten uns postlagernd schreiben können, aber herausgekommen wäre es sowieso. Wir wurden kontrolliert, ausspioniert und verfolgt. Ich nahm alle meine Schriften in die Schule mit, und dort aber gab es zwei Mädchen, die in meinen Sachen wühlten und mir lachend sagten, ich sei ” v o m a n d e r e n U f e r “!
Eine nächste Freundschaft wurde erlaubt, denn das Mädchen war eine schwere Hete und wollte, dass wir in die amerikanische Armee eintreten, um uns Männer zu angeln. Das gefiel Müttern und Tanten.
Ich bin geflohen, nach Paris, weil ich den Büchern von Colette entnahm, dass es dort möglich ist, nach meinen Wünschen zu leben.
Inga und Lena, ein ermordetes Liebespaar. Kein Wunder, dass von meiner lesbischen Jugend nichts übrig bleibt als nur beschämende, qualvolle Erinnerungen.
21.02.2011 um 21:13 Uhr Anne
ja, das ist richtig, sprechen wir von lesbophobie:
“rede nicht von homophobie, wenn es um dich geht, fordert eine französische aktivistin, spreche von lesbophobie. bestehe auf diesem wort. nur dann wird sowohl dein geschlecht `frau` als auch deine lesbische identität zur kenntnis genommen.” (karnele/internet)
unter dem begriff `schwulsein` habe ich gegoogelt und wurde fündig: die zeit von 2oo7 mit einer überschrift “schwulsein heute, ganz normal?”
der ganze artikel schreibt sowieso nur im maskulinum und lesben waren zum schluss herzlich mitgemeint, kommen zwischendurch auch mal vor.
also , allgemein unter `schwulsein` sind wir lesben nur mitgemeint? nein danke! das ist nicht unbedingt identitätsfördernd und bedeutet, dass wir als frauen und lesben wieder unsichtbar gehalten werden. wieder ein grund mehr, die `lesbe` nicht abzuschaffen, sondern weiter auf sichtbarmachung zu bestehen.
zur lesbophobie : ich erinnere an luises glosse “markus lanz und das zweite” - dort ging es um `zwei frauen, die mann und kind verlassen haben, um fortan mit einer frau zu leben.`
petra simon, eine der zwei frauen, stellte ihr buch `weiblich, blond, verheiratet` - mein comingout` vor .
ich wollte mir dieses buch nicht kaufen, weil mir die petra als `jetzige lesbe bzw. frauenliebende frau` nicht genug überzeugend war. mein spürsinn gab mir insofern recht, dass in ihrem buch an einer stelle deutlich sichtbar wurde, dass sie sich nicht als lesbe sieht/buchauszug “....und den orten (paris) an denen homosexuelle willkommen sind, plätze, an denen wir nicht angestarrt wurden. mir sträubten sich die nackenhaare bei dieser bezeichnung, waren wir wirklich lesben. in diesen szenelokalen kamen wir uns total verloren vor , sollten wir jetzt wirklich hierher gehören?”
seufz, sie fühlten sich nicht dazugehörig, sie wollten auch keine lesben sein. ich empfinde das als sehr abwertend.
etwas zitiert aus dem blog von karnele:
“überschriften aus den letzten 3 jahren bei printmedien, onlineportalen ...bild, bz, handelsblatt, taz, stefan niggemeier, sz, berliner zeitung, ntv, deutschlandradio und viele mehr benutzen das wort schwul , wenn sie über und aus der welt der schwulen UND lesben berichten. was einzeln vielleicht manchmal nur ein schmunzeln auslöst, wirkt geballt mehr als erschreckend und hat einen namen: lesbophobie:
schwulenadoption
die dt. schwulenbewegung in der krise?
sollten schwule paare kinder adoptieren dürfen?
menschenrechte: portugal erlaubt schwulenehe.
schloss statt trauungssaal für schwule
senat will schwulen ehe ermöglichen
mehr rechte für schwule betriebsrentner
washington: schwulen-ehe wird tourismus ankurbeln
pentagon lockert schwulen-gesetz
serbien: amnesty warnt vor gewalt gegen schwule
etwas mehr rechte für schwule
schwule und kirche: kann denn liebe sünde sein?
schwule eltern sind kindern nicht zuträglich
berufsverband für schwule führungskräfte aus wirtschaft, wissenschaft, verwaltung und kultur??
seminarangebot: perspektiven von schwulen und lesben im beruf.
kein gleiches recht für schwule paare
die liste der schwulen-gene
schlechte karten für schwule paare
schwule müssen sich nicht mehr verstecken
anti-schwulen-gesetz
was manche menschen schwul werden lässt. andere haben darüber z.b. so berichtet: gene spielen nebenrolle bei homosexualität.
gericht stärkt rechte schwuler lebenspartner
schwul und stolz
einige EU-länder treten schwulen-rechten mit füßen
schwule demonstrieren trotz verbot
schwulen-parade mitten in schwerin
schwulenbewegung
schwule wüste? eine spurensuche in ägypten
schwul und ganz normal
schwulsein in der türkei
schwulenfeindliche äusserungen von norbert geis
schwulen-demo
das eheverbot für schwule ist rechtens
stolperte miss-california über die schwulen-ehe?
schwulenpolitik gegen oder mit dem staat?
keine entwicklungshilfe für schwulenfeindliche länder.
westerwelle wird schirmherr der schwulen-olympiade.
und, und, und ....
schwule asylbewerber dürfen bleiben (DERStandardat.)
homosexuelle asylbewerberInnen dürfen bleiben (DIEStandard.ag)
frauen immer herzlich mitgemeint bzw. die lesbe ist nicht die/der rede wert!
llg anne
21.02.2011 um 18:10 Uhr Lena Vandrey
Das ist so richtig und trifft und betrifft meine Erfahrungen in allem, nur dass ich die Wohmann nie gelesen habe, weil sie mir suspekt war, was ich einigen Rezensionen gleich entnahm.
Aber n i e werde ich das Augenzwinkern einer Ärztin vergessen, die mir “Das dreißigste Jahr” empfahl. Da sei etwas für mich drin, neues Zwinkern… Was ich da fand, war eine Gemeinheit, und das im Jahre 1976 (!), wo wir längst über derartige Texte hinauswaren und ich selbst seit Jahren eine bekennende, anerkannte lesbische Künstlerin. Trotzdem bekam ich diesen Hieb und zusätzlich wünschte dieses Zwinkerlein, dass ich nun endlich einmal M ä n n e r male, und mich um einen greisen Dirigenten kümmere, der eine Assistentin suchte. Ich lebte seit 12 Jahren in einer festen Beziehung mit einer Frau, aber das zählte gar nicht!
Die Bachmann nie gemocht, und diesem Kult nicht zugedient. Eine Bachmann-Ausgabe der Zeitschrift “Du” wurde mir geschenkt, sie liegt ungeöffnet da, weil ich noch “keine” gefunden habe, die sie haben möchte. Zugegeben, ich habe auch nicht gesucht.
Nach Leserinnen für “SONJA” aber wohl, nur ist den meisten Kandidatinnen die bittere Wahrheit und “unbequeme Schönheit” viel zu anstrengend.
Friede, Freude, Eierkuchen und eine glatte Autobahn sind das Motto.
Lesben dürfen insofern keine Probleme haben, als ihre Existenz selbst das Problem darstellt.
Und d a s i m m e r n o c h . Schwule werden hochgejubelt, Lesben zählen nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Wir werden von unseren Anhängern als “Schwestern” im klerikalen Sinne gesehen.
Das Schlimmste aber ist die Lesbophobie von Frauen, die Misogynie dieser Frauen, ihr Verrat an uns.
Selbst S. de Beauvoir konnte nicht umhin, der Avant-Garde der Bewegung, nämlich den Lesben, eins auszuwischen.
Ich schrieb ihr, sie möge anstelle des Wortes “Lesbe”, das Wort “Jude” setzen, dann würde sie verstehen, was sie tut.
Fragt sich nur, was diese Leute davon haben?
Nach meiner Erfahrung schlummert in “Jederfrau” eine Lesbe, ganz tief unten im schwärzesten aller “schwarzen Kontinente”, und möglicherweise bekämpfen die Bachmanns und die Wohmanns ihre eigenen Neigungen.
Was ist zu sagen über eine Filmerin, die mit einer jungen Frau eine intensive Geschichte lebt, u n d t r o t z d e m in der Öffentlichkeit vor einem Frauen-Publikum verlauten lässt, sie sei keine Lesbe und lehne diesen V o r w u r f ab? Neben ihr sitzt die Geliebte. Das war in einem Kino in Genf.
Eine Gruppe von Lesben steht auf und verlässt den Saal. Wie gerne wäre ich ihnen gefolgt! Im Geiste laufe ich ihnen immer noch hinterher…
Später wollte die Filmerin ihre Geliebte heiraten, damit die ganze Welt von ihrer Liebe erfährt. Ihrer lesbischen Liebe? Oh nein, es handelte sich um eine Seelenwanderung! Die Geliebte war ihr großer Bruder! Und das Heiraten nur als Scoop gedacht, als PR-Manöver!
„Mit meinem Mörder Zeit bin ich allein“, schrieb die Bachmann. Sogar die Zeit ist männlich, und das ist ja auch wahr.
Die Vagina ist für den Penis da, sagte die Filmerin, nicht für Finger!
Das mag ja wahr sein, sagte Christa Reinig, aber sie hat ihn doch nicht dauernd drin!
Als Reinigs Bücher kamen, gab es ein tiefes Aufatmen und ein ungeheures Lachen!
Die Filmerin dachte, dass alle Lesben klein, brünett und neurotisch seien, und ihr Landsmann Strindberg beschrieb Unsereins wie folgt: Wenn ihr sie kommen seht auf der Straße, eine große Brünette und eine kleine Blonde, oder eine große Blonde und eine kleine Brünette: d a s s i n d s i e !
Die Ironie des Zufalls wollte es aber, dass d i e G e l i e b t e s e i n e r F r a u rothaarig war, von gleicher Größe, und dass sie aus hellgrünen Augen ein paar Blitze schoss, als der Lesbophobiker vorbeikam…
Erwähnenswert ist die Meinung einer lesbischen Pariser Psychiaterin: Es ist unmöglich, Lesben zu behandeln. Sie bieten eine Widerstandsfläche von gigantischer Größe gegen jedwede Normalisierung. Das ist eine Front innerhalb der Frauen-Welt und gerade deshalb geschmäht, denn wer-welche lebt gerne im Krieg!
Diese Meinung akzeptiere ich als Einsicht in immer noch tragisch-schwere Verhältnisse.
21.02.2011 um 00:27 Uhr Anne
ja, liebe luise, wieder eine schöne praline (lena) von dir!
es gab damals wenige lesbische frauen-vorbilder - sexualität war überhaupt ein tabu-thema. von frauenliebe hatte ich als kind oder schülerin nie etwas gehört, aber ich fühlte mich - und das empfand ich als etwas ganz natürliches - nur zu frauen hingezogen und war häufig hoffnungslos verliebt.
für viele hiess es damals, das seien nur schwärmereien, die sich später `auswachsen` :-) würden..
überall nur heteros, in jedem film, in jeder illustrierten, in sämtlichen lektüren, in allen gesprächen usw. - ich bekam jedesmal die krise, wenn die hetero-geschichten endeten mit `bis dass der tod euch scheidet`. lesbenliteratur und dann noch mit glücklichem ausgang war mir völlig unbekannt.
ich habe mich in diesem gesellschaftl. zustand nie richtig dazugehörig bzw. wohl/gefühlt. das führte auch vorübergehend zu einem leben in falschen bahnen. und das beschäftigt mich bis heute.
es gibt us-studien zu suizid-gefahr unter lesben und die annahme bestätigt, dass lesbische frauen häufiger depressiv werden als heterosexuelle, mehr unter suizid-gedanken leiden und vermehrt versuchen, sich das leben zu nehmen. im alter von 15-29 jahren unternehmen sogar doppelt so viele einen selbstmordversuch. zu den risikofaktoren zählen der coming-out-prozess, die bekanntheit ihrer frauenliebe und der stress einer stigmatisierten gruppe anzugehören. es heisst auch, dass lesbische mädchen i.d. kindheit doppelt so häufig sexuelle oder psychische übergriffe erlitten haben.
homophobie schwelt weiter, offen und verdeckt - in über 70 ländern gehören lesben und schwule auf den `index`.
dumme, abwertende klischee-vorstellungen über lesben, über die frauenliebe, sprachliche abwertung, über menschen, die andere lebensentwürfe planen jenseits der heteronorm. das patriarchat hat ganze arbeit geleistet in seiner misogynen, abwertenden haltung gegenüber dem `weiblichen`.
(homophobe) menschen können nicht wirklich lieben, wenn sie die liebe gleichgeschlechtlicher paare problematisieren und stigmatisieren.
“frauen sichtbar machen - nicht nur in der sprache , in den medien, in der liebe, sondern in allen anderen symbolischen systemen auch.” (lfp)
http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Luise-Pusch-und-Joey-Horsley-erforschen-die-Geschichten-der-Frauenliebe-_arid,117139.html
n.b. übrigens lt. wiki: bei der erstmaligen zensurvorlage bei der filmprüfstelle im okt. 1931 (mädchen in uniform) erhielt der film (2.682 m-version) jugendverbot! diese entscheidung wurde im april 1932 auch für eine auf 2.480 m gekürzte fassung bestätigt. da fehlten 2o2 m schöner filmstoff, grusel.
ich habe noch die alte fassung mit erika mann als fräulein von Attems.
llg anne
21.02.2011 um 00:10 Uhr Evelyn
Nun, die Bachmann hat ihre eigene Aufklärungsvita durchleben und durchleiden müssen: in weiseren Jahren kam sie zu dem Schluss, dass der Mann an sich (in seinem Verhalten gegenüber der Frau) ein Faschist ist. Diese Erkenntnis endete mit dem eigenen Tod, einem ensetzlichen Flammentod. Denn keine Frau, die ein glückliches Liebesleben hat, verfällt der Tablettensucht und löst einen tödlich endenden Unfall aus - unsere Psyche lässt sich nicht betrügen. Und schließlich hat sie uns ein Erbe hinterlassen, mit “Malina” aus dem unvollendeten Zyklus “Todesarten”, das uns ermahnt, die Folgen von Desorientierung und emotionaler Abhängigkeit im weiblichen Leben rechtzeitig wohl zu bedenken - und beizeiten zu fragen, ob wir d a s mit tödlichen Folgen mit einem Mann erleben wollen!