Lieber Plusfahrer als Überfahrer
Letzten Donnerstag erklärte mir ein gesprächiger Taxifahrer, er sei übrigens Plusfahrer. Was das denn sei, wollte ich wissen. „Na wenn Damen gefahren werden, dann benehmen sich nicht alle Fahrer richtig. Besonders wenn es jüngere Damen sind. Da gibt es manchmal so Jungspunde, wissen Sie…“ Ich nickte wissend. Ja solche Fahrer kenne ich zur Genüge. Aber mit alten Damen benehmen sie sich keineswegs besser. Ein Fahrer in Dresden, der uns vom Bahnhof ins Hotel bringen sollte, meinte dazu launig: „Ach ich dachte, Sie wollten zu Betreutes Wohnen.“ Während ich mich missmutig an weitere Zumutungen erinnerte, fuhr der Fahrer fort: „Und deshalb gibt es die Plusfahrer, die sind besonders qualifiziert, dass sie mit den Damen richtig umgehen, höflich und respektvoll und nicht unverschämt oder zudringlich oder so.“
Ich war völlig platt. Von Plusfahrern hatte ich noch nie gehört. Ich erzählte dem Fahrer, mit den meisten Taxifahrern hätte ich ja gute Erfahrungen gemacht, aber für längere Fahrten, über Land zum Beispiel, würde ich doch immer explizit nach einer Fahrerin verlangen. Und nun bewies mein Fahrer, dass er tatsächlich ein Plusfahrer war. Er brauste nicht auf, wie ich es von Männern gewohnt bin, mit einer Bemerkung wie „Es gibt aber auch unausstehliche Taxifahrerinnen!“, sondern meinte nur: „Ja, aber gerade nachts, wenn es vielleicht für Frauen am gefährlichsten ist, arbeiten nicht viele Taxifahrerinnen. Da können Sie dann, wenn grade keine Frau parat ist, einen Plusfahrer bestellen.“ Mach ich, versicherte ich ihm. Wir waren angekommen, ich gab ihm ein Plus-Trinkgeld und stieg aus.
Am nächsten Morgen, bei nüchternem Tageslicht besehen, konnte ich noch immer nicht glauben, was ich gehört hatte. Plusfahrer, tatsächlich? Brauchen Männer eine Zusatzqualifikation, um sich gegenüber Damen richtig zu benehmen? Nicht, dass ich die Notwendigkeit nicht 100prozentig bestätigen könnte. Aber dass ein Taxiunternehmen diese Notwendigkeit einsieht und tatsächlich etwas tut, um dem Übel abzuhelfen, das kam mir vor wie im Märchen. Ich suchte im Internet nach „Plusfahrer“ - Fehlanzeige. Ich sah auf der Quittung nach. Sie war ausgestellt von Hallo Taxi 3811, Hannovers größtem Taxiunternehmen. Ich rief an und erkundigte mich nach ihren "Plusfahrern". Doch ja, die gäbe es. Schon seit 4, 5 Jahren. Nein, sie wären nicht teurer als normale Fahrer. Ich müsste das nur bei der Bestellung dazu sagen. Ich fragte noch, wer denn die Sache mit den Plusfahrern beschlossen hätte und ob das eine bundesweite Einrichtung sei. Das hätte die Geschäftsleitung so beschlossen, sagte der Mann in der Zentrale. Bundesweit? Nicht dass er wüsste.
Da bietet Hallo Taxi 3811 also einen Superservice an - aber sie halten ihn verschämt geheim. Niemand weiß davon. Wenn sie es an die große Glocke hängen würden, würden sie damit ja zugeben, dass ihre normalen Taxifahrer Machos und Sexisten sind. Heikle Sache. Der normale Mann als Minusmann und Marketingproblem. Auch sprachlich musste die erstaunliche Firma enorme Findigkeit aufbieten. Bei Nietzsche wäre der Plusfahrer ein "Überfahrer" geworden, aber dass das ein Eigentor wäre, haben sie sicher sofort gemerkt. Und außerdem klänge da auch noch die verhasste Konkurrenz "Uber" an.
Also, liebe privilegierte Taxikundinnen aus dem Großraum Hannover: Beim nächsten Mal einen Plusfahrer bestellen. Aber nur, wenn keine Fahrerin frei ist. Denn bei Frauen ist das Plus schon eingebaut, wie wir wissen.
„Plus“ bedeutet in der Sprache von „Hallo Taxi 3811“ also „nicht sexistisch“. Eigentlich eine praktische Lösung. Sprechen wir also demnächst nicht mehr von "nicht-sexistischer Sprache", "geschechtergerechtem" bzw. "gendersensiblem Deutsch" oder so - Plusdeutsch ist kürzer. Das deutsche Gesundheitswesen braucht dringend mehr Plusärzte und Pluspfleger. Pluskellner, Plusschaffner, Plusverkäufer und Pluspriester wären auch ein Segen. Sicher fallen Ihnen noch jede Menge andere Bedarfsfelder für Plus ein.
Bleibt mir nur noch, Ihnen und uns ein ordentliches Plusweihnachten zu wünschen. Und danach ein Plusjahr, wir haben es verdient! •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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5 Kommentare
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24.12.2014 um 13:29 Uhr Jutta Kühnel
Plusliebhaber,Plusehemänner,Plusfernsehen,Plusmedien…. 1+ für diese Glosse wieder einmal;danke!
22.12.2014 um 18:52 Uhr Christa Stahel
Das ist Plus-Luise, wie immer! Jetzt warten die Plus-Taxifahrerinnen noch auf die Plus-Kunden. Dann können wir Frauen auch wieder nachts sorglos unterwegs sein - einfach PLUS!
Christa
22.12.2014 um 15:18 Uhr anne
einfach supra, liebe Luise! auch “plusdeutsch” für eine geschlechtersensible sprache finde ich absolut zutreffend. nur die feministische sprachkritik hat rechtzeitig aufklärung betrieben, das minus, den sexismus (in) der männersprache deutsch erkannt.
22.12.2014 um 13:22 Uhr Lena Vandrey
Eine wahrhaft erstaunliche Nachricht!
Unnötig zu sagen, dass es in Frankreich nichts Derartiges gibt! Das Wort “plus” wird aber angewandt, um einen besseren Service zu signalisieren: Taxi-plus, 3-Sterne-plus, ein Plus im Leben, ein Plus für Frauen, an Stelle von günstiger, preiswerter und billiger, obwohl das Wort “billig” nicht existiert, es bedeudet “bon marché” = gut eingekauft.
Wenn die Damen-Fahrer nicht teurer sind als die anderen, so ist das eine großartige Reform! Was denken denn die Minus-Fahrer von der Sache? Vielleicht wollen sie sich ebenfalls verplussen? Taxi-Fahrer sind oftmals gesprächig, besonders in Paris wegen der Staus. Einer von ihnen erzählte mir, er sei der Schwiegersohn des Malers Marc Chagall und müsste Taxi fahren, weil der Multi-Millionär seiner kranken Tochter nicht zu Hilfe kommt: “Zuerst fuhr meine Frau Taxi, aber sie erlebte zu schlimme Dinge mit Kunden. Für Fahrerinnen bleibt das ein gefährlicher Beruf. Verbreiten Sie das mal in Ihren Kreisen!” Der schlechte Ruf des schlechten Menschen Chagall hat sich somit per Taxi verbreitet. Auch eine Art zu protestieren!
Wir wünschen ebenfalls ein Neues Plus-Jahr, wir haben es nötig!
21.12.2014 um 13:28 Uhr Amy
Laut & Luise hat bei mir sowieso die aller-/meisten Pluspunkte! Starke Glosse!!!!!