Leidige Väter
Als Anfang Dezember die Nachricht über die Gleichstellung lediger Väter mit verheirateten Vätern durch die Medien ging, wunderte ich mich vor allem über diesen Ausdruck “ledige Väter”. Früher gab es doch nur ledige Mütter, und die Väter dazu blieben sprachlich unsichtbar. Im Zuge der Frauenbewegung organisierten sich die damals noch brutal geächteten “ledigen Mütter”, nannten sich fortan “alleinerziehend” statt "ledig" und gründeten den Verband alleinerziehender Mütter. Bald begehrten auch Männer Einlass (ähnlich wie beim Hausfrauenbund) und schwupps hieß der Verband "Verband alleinerziehender Mütter und Väter", VAMV. Das neue Wort betonte den Aspekt des Erziehens und Betreuens im Alleingang und vernachlässigte den Aspekt des “Zivilstands”. Alleinerziehend können Geschiedene, Verwitwete, Unverheiratete, Getrenntlebende, Sitzengelassene und auch Verheiratete sein.
Nun kommt das erledigte Wort “ledig” also wieder und verbindet sich mit “Vater” zu einer fragwürdigen neuen Einheit - wie kommt das? Auch früher schon gab es ja zu jeder “ledigen Mutter” auch einen Vater ihres “unehelichen” Kindes. Bloß war der Vater meist nicht ledig, sondern verheiratet und hielt es schon deshalb für wenig ratsam, lautstark irgendwelche väterlichen Rechte geltend zu machen. Er hatte mit der ledigen Mutter ein uneheliches oder außereheliches Kind gezeugt und sie dann “mit ihrem Kind sitzengelassen”.
Warum es sitzen- und nicht stehen- oder liegenlassen heißt, wäre auch mal interessant zu ergründen. Ich denke mir, weil das Kind, wie das Jesuskind bei der Jungfrau Maria, meist auf dem Schoß sitzend dargestellt wird, was eine runde, optisch ansprechende Anmutung von Zusammenhalt, Geborgenheit und Wärme ergibt. “Mutter und Kind” eben. Wenn Mutter steht oder geht oder liegt, ist es nichts mit dieser Art Schoß, den gibt es nur im Sitzen.
Das Jesuskind ist Gottes uneheliches und Marias außereheliches Kind. Das sind göttliche, übermenschliche Verhältnisse. Bei den Menschen ist es in der Regel genau umgekehrt. Ihr Kind ist unehelich, und dasselbe Kind ist, von ihm aus betrachtet, außerehelich. Seine außerehelichen Kinder wurden erst vor kurzem mit seinen ehelichen gleichgestellt, z.B. im Erbrecht. Für die Mutter aber macht diese Unterscheidung in Kinder erster und zweiter Klasse in der Regel keinen Sinn, schließlich verlangen alle ihre Kinder extremen körperlichen Einsatz (Schwangerschaft, Geburt, Stillen), bevor sie auch nur Piep sagen können. Mutter kann einem Kind zwar "das Leben schenken", zu vererben hat sie aber meist nicht viel.
Wenn die Frau durch außerehelichen Geschlechtsverkehr ein Kind bekommt, ist das Kind weder “unehelich” noch “außerehelich”, sondern es gilt als ehelich, sofern die Mutter nichts anderes vermeldet. Gesteht die Mutter ihren “Fehltritt”, kann der “gehörnte Ehemann” das “Kuckuckskind” als seines anerkennen oder sich scheiden lassen. Interessant, diese Tiermetaphern. In Goethes Drama heißt die uneheliche oder außereheliche Tochter noch “natürliche Tochter”. Und in der Tat hat Mutter Natur keinen Bedarf für die Ehe - die “Fortpflanzung” funktioniert sogar ohne diese besonders gut.
Nun zum Vater des “Kuckuckskindes” - ist es sein uneheliches Kind? Nur wenn er ledig ist, sonst eher sein außereheliches Kind. Der Vater ist mal kurz aus seiner Ehe ausgetreten. Die Ehe ist ihm wie ein Gehege, und er geht schon mal gerne außerhalb etwas wildern.
Das war früher die Ordnung der Dinge, die Sorge für das Kind überließ mann gern der Mutter - und fairerweise dann auch das Sorgerecht.
Seit aber Frauen für ihren Unterhalt nicht mehr auf Ehemänner angewiesen sind und selbst über die Anzahl ihrer Kinder entscheiden können, werden sowohl Kinder als auch ehewillige Frauen immer seltener und daher kostbarer. Und deshalb beanspruchen die neuen “ledigen Väter” ihren fairen Anteil vom Mutter-Kuchen.
Mag der verheiratete Vater dem ledigen Vater gleichgestellt werden, das sollen die Männer unter sich ausmachen. Sie sollen auch die Frage klären, wie mit dem verheirateten Vater zweiter Klasse zu verfahren ist - dem, der verheiratet ist, aber nicht mit der Mutter seines Kindes. Wichtig ist, dass die Mutter ihre Vorrechte behält. Denn sie sitzt da mit dem Kind auf dem Schoß, aus dem es kam. Der Vater, ob ledig oder nicht, hat hingegen keinen Schoß, mit dem er gebären könnte, wohl aber einen, auf dem ein Kind sitzen kann. Nur hat er dort meist lieber seinen Laptop. Oder beim Lapdance ein “leichtes Mädchen”.
Auf die eigentliche sozialpolitische und rechtliche Problematik des Themas - Stichwort “Vaterrechtsbewegung” - bin ich hier gar nicht eingegangen, da gibt es viel kompetentere Frauen, z.B. meine Freundin Anita Heiliger. Sie kennt sich aus, und sie wird immer zorniger. Besorgen Sie sich ihre Bücher und/oder gehen Sie auf Heiligers Webseite zu den Downloads und lesen Sie ihre Analysen zum Sorge- und Umgangsrecht, z.B "In Nomine Patris. Die Interessen und Praxen der Vaterrechtsbewegung (2008)" und "Vater um jeden Preis? (2008)"
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5 Kommentare
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03.01.2010 um 13:24 Uhr Dana
Ich sehe das Problem darin, dass durch dieses Urteil viele Männer jetzt auch noch rechtlich Kontrolle über die Kinder an den Frauen ausüben können. Es werden noch mehr Kleinkriege ausgefochten und noch mehr Gewalttätigkeiten passieren und immer auf Kosten der Frauen und Kinder. Die Zunahme der Rechte der Väter, die es angeblich ja so gut mit den Kindern meinen - wie Maskulisten immer überall verlauten lassen, um die Allgemeinheit von ihren ach so hehren Zielen zu überzeugen - hat grundsätzlich mit zunehmender Entrechtung der Mütter zu tun. Die Machtausübung, das Gefühl, immer über die Schulter schauen zu müssen und sich ständig der Angriffe ausgesetzt zu sehen, wird ihnen jegliche Energien nehmen und die Kinder nicht glücklicher machen.
Dieser Tage bin ich zufällig in ein Forum - es nennt sich family fair! - geraten, das den Zusammenschluß und -arbeit von Eva Hermann und Arne Hoffmann unterstützen will. Was für ein Horror-Gespann hat sich da zusammengefunden; jede Geisterbahn würde sich über solchen Zuwachs freuen.
Danke für den Link Anita Heiliger. Ich wußte gar nicht, dass sie sich mit diesem Thema beschäftigt. Da werde ich mich heute einlesen.
02.01.2010 um 22:03 Uhr Katja
Ich finde das Urteil des EGMR gut.
Und zwar nicht, weil ich finde, dass prinzipiell jeder biologische Vater Rechte haben sollte, sondern weil ich find, dass Männer, die nach der Zeugung ihren Kindern auch als soziale Väter zur Seite stehen, Rechte haben sollten, die ihnen (und ihren Kindern) nicht alleine verwehrt bleiben, weil die biologische Mutter den Erzeuger nicht geheiratet hat.
Ich habe den Vater meines Kindes (wie viele andere Frauen auch) nicht geheiratet und werde das auch so lange nciht tun, bis unverheiratete Eltern verheirateten nicht endlich gleichgestellt sind. Dass der Vater meines Kindes trotz Elternzeit und durchwachten Nächten, Verantwortung, Arztbesuchen und ohne mich verbrachten Urlauben keine elterlichen Rechte haben soll außer denen, die ich als biologische Mutter ihm zugestehe, empfinde ich als biologistisch und geschlechtsstereotyp und damit total kontraproduktiv.
Das EGMR hat klargemacht, dass biologische Väter, die auch soziale Vaterschaft gelebt haben, nach der Trennung von der Mutter Rechte haben - und das finde ich richtig. Das schließt den One-Night-Stand oder den Zahlpapi aus, nimmt aber den anwesenden Vater ernst. Und das ist mein Interesse als Frau und Feministin, das Väter, die sich endlich wie anständige Väter verhalten, dann nicht mit diesen ganzen Scheißkerlen (von denen sich schwängern zu lassen leider viel zu viele Frauen blöd genug sind) in einen Topf geworfen werden.
Ich will ja auch nicht meine Rechte vorenthalten bekommen mit dem sicherlich richtigen Hinweis, dass irgendwo irgendeine bewiesen hat, dass sie das Recht nicht genutzt oder missbraucht hat.
31.12.2009 um 12:24 Uhr Anne
danke auch für den hinweis zum buch “verrat am kindeswohl” - ich habe mir inzwischen diese wichtige lektüre über amazon besorgt.
was die maskulisten betrifft, habe ich in einigen internetforen schlechte erfahrungen gemacht. wenn es um themen familie, frauenrechte, emanzipation, feminismus, lesben und schwule etc. geht, trifft frau auf diese `rechten` strömungen der maskulisten und ihre hasspredigten. “konservative publizisten, familienfundes, militante abtreibungsgegner, männerrechtler und rückwärts gewandte kirchenobere haben ihr gemeinsames feindbild ausgemacht.” (taz `männerrechtler fürchten feminismus`)
nach meinem empfinden rollt hier wieder eine geballte negative `männermacht` auf frauen, feministinnen zu. feminismus braucht mehr frauensolidarität.
Besonders übel empfinde ich das herunterspielen von männergewalt (98 %) - mann konzentriert sich ausschliesslich auf das thema frauengewalt und behauptet, häusliche gewalt gehe überwiegend von frauen aus. und es macht wütend, wenn männer für die abschaffung von frauenhäuser plädieren, das problem männergewalt, sexualisiert gewalt verharmlosen..
gewalt hat ein geschlecht - die kriminalstatistiken zeigen, dass gewalt überwiegend von männern ausgeübt wird. männliche wissenschaftler, soziologen, biologen, psychologen, pädagogen, männerforscher und kriminologen untersuchten den rasanten anstieg von gewaltverbrechen in europa, speziell in deutschland und kamen alle zum gleichen ergebnis: verantwortlich dafür sind zum grössten teil männliche täter (Jürgen Neffe, biologe)
wenn es keine gewalt von männern gäbe, hätte eine ganze reihe von staatlichen und privaten einrichtungen kaum etwas zu tun. polizei und staatsanwaltschaften, einsatzkommandos, betrugsdezernate, mordkommissionen, straf- und verkehrsgerichte, gefängnisse, spezialisten im kampf gegen erzwungene prostitution und pornografie, frauenhäuser usw. - sie alle beschäftigen sich fast ausschliesslich mit den folgen männl. fehlverhaltens, schreibt Jürgen Neffe.
der soziologe Walter Hollstein hat sich den materiellen schaden z.b. nur mal für die schweiz ausgerechnet: durch fehlgeleitetes ausleben traditioneller männlichkeit schätzt er die jährlichen kosten auf 15 mrd. euro. von den immateriellen schäden ganz zu schweigen.
Frau stelle sich nur mal vor, wofür diese mrd. euro im sozialen, karitativen bereich genutzt werden könnten. hinzu komnmen die mrd. beträge für kriegseinsätze und die rüstungsindustrie.
was alleinerziehende betrifft: hier sind überwiegend frauen betroffen - auch sind sie gegenüber alleinerziehenden männern finanziell wesentlich schlechter gestellt - 1/4 der alleinerziehenden frauen lebt in einkommensarmut (mütter ein unterdurchschnittl., väter überdurchschnittl. einkommen / familienhandbuch des staatsinstituts für frühpädagogik)
29.12.2009 um 20:51 Uhr Helke Sander
liebe luise, ich habe gerade deine glosse gelesen und bin auch sofort auf die webseite von anita heiliger gegangen und habe gleich die erwähnten artikel gelesen.
freut mich, dass sich jemand damit befasst. das wusste ich nicht.
ich habe nur einmal bei einer veranstaltung so einen bewegten vater erlebt, was äusserst unangenehm war. und vor jahren habe ich mal auf einen langen matussek-artikel beim spiegel reagiert, was sie dort aber nicht abgedruckt haben.
sophie von behr hatte damals - anfang der siebziger, den berliner landesverband vom verband alleinstehender mütter gegründet und die initiative von luise schöffel aus einem anderen bundesland übernommen (ich gehe in meinem film “mitten im malestream - richtungsstreits in der neuen frauenbewegung” kurz darauf ein.). sophie bat mich, gründungsmitglied zu werden, was ich auch wurde. bei den ersten sitzungen waren nach meiner erinnerung ca. 40 oder 50 frauen und drei männer. die setzten durch, dass der verband nun hiess “verband….UND VÄTER. das war gegen meinen erbitterten widerstand. aber die meisten der betroffenen frauen fanden das leider damals “gerecht” und demokratisch, obwohl keine unterhalt erhielt. sophie wird dazu mehr sagen können, weil ich das damals nur unterstützt habe, aber nur selten zu den sitzungen ging, die auch eine art lebenshilfe waren.
29.12.2009 um 18:01 Uhr Heike
Mir fehlt ein seitenhieb auf die staats"ordnung”, dass frauen dafür, dass sie diese kraft- und zeitfordernde arbeit des kind-im-schoss-bergens tun, pro kind nur 30 € rentenanspruch verdienen. das finde ich der-ma-ßen unverschämt als gedanke und umsetzung, dass ich immer wieder fassungslos als gehbehinderte in dem abteil in der bahn sitze, wo eben auch die mit kinderwagen sind - und was ich da so beobachten muss hin und wieder… also, ich bin doch oft fassungslos, ich kann’s
nur noch mal wiederholen!
und zu der fortpflanzung, die ja auch ohne ehe so gut klappe, kam mir gerade ein besonders guter gedanke unter, den margaret atwood in Ihrem neuesten buch “the year of the flood” schrieb: dass ja auch adam und eva nicht verheiratet waren und trotzdem…. es blieb offen, wo an welcher stelle die eheschließung eigentlich von wem eingeführt worden ist. biblisch ist jedenfalls ohne ehe gut! mich hat der gedanke wirklich baff gemacht! (insgesamt kann frau sich das buch eher ersparen, zuviel brutale gedankenspiele drin.)