Kristina Schröder und das liebe Gott
Da sagt unsere Familienministerin mal was Vernünftiges, schon kriegt sie Ärger mit der konservativen Presse und ihren ParteikollegInnen. In einem Interview mit der ZEIT gab sie kürzlich einige feministische Grundpositionen zum Besten:
a) Grimms Märchen sind ziemlich sexistisch; sie enthalten nur wenige positive Frauengestalten. b) Zeitbedingt rassistische Figuren wie Pippi Langstrumpfs Vater, der „Negerkönig“, und Jim Knopfs „Negerbaby“ werden von ihr beim Vorlesen en passant korrigiert, „um mein Kind davor zu bewahren, solche Ausdrücke zu übernehmen.“ c) Statt „der liebe Gott“ kann man auch sagen "das liebe Gott“.
Über diese letzte Äußerung nun können sich Schröders ParteifreundInnen nicht wieder einkriegen. „Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte der "Bild"-Zeitung (Freitag): 'Dieser verkopfte Quatsch macht mich sprachlos. Ich finde es traurig, wenn unseren Kindern aus lauter Unsicherheit und political correctness die starken Bilder genommen werden, die für ihre Fantasie so wichtig sind.'" (Hamburger Abendblatt).
Schröder rechtfertigte sich in der "Bild"-Zeitung: "Bei meiner Antwort habe ich vielleicht zu sehr an das kleine Mädchen gedacht und nicht an die vielen Erwachsenen, die über meine Worte stolpern."
Mehr wollte sie dazu anscheinend nicht sagen, aber genau darum geht es: Ihre kleine Tochter wird, wie alle Frauen, durch die männlichen Gottesgestalten der monotheistischen Religionen entschieden benachteiligt und in ihrem Selbstwertgefühl früh und nachhaltig gestört.
Die „Welt“ nimmt den Fall zum Vorwand, um mal wieder gegen Alice Schwarzer, den Feminismus im allgemeinen und feministische Theologie und Sprachkritik im besonderen vom Leder zu ziehen:
Dass ausgerechnet Kristina Schröder, die sich doch so vehement vom traditionellen Feminismus einer Alice Schwarzer absetzen wollte, nun in diese Mottenkiste greift, ist eine ironische Verkehrung. Sprachpuritanismus scheint sie zu faszinieren. Unvergessen das große I, das sich aber Gott sei Dank in seiner Verquastheit jenseits feministischer Universitätsseminare nicht am Leben halten konnte.
Nun, da will ich doch auch mal in die Mottenkiste greifen und meinen Artikel „Das liebe Gott“ aus dem Jahre 1982 wieder hervorkramen. Kristina Schröder war fünf, als ich ihn verfasste. Und die Ideen waren schon damals nicht mehr besonders neu, sondern fast schon altehrwürdig, lange bevor „Gender-Mainstreaming“ überhaupt aufkam. Ich habe die feministische Kritik am männlichen Gottesbild der christlichen Religion nur zusammengefasst, humoristisch aufbereitet und mit sprachhistorischen Hinweisen garniert. Hier ist die Glosse, O-Ton 1982:
Das liebe Gott
"Vater unser, der du bist im Himmel" - so haben wir alle gelernt, uns Gott vorzustellen: als gütigen, manchmal auch zornig-strafenden Vater, zu Gericht sitzend droben auf dem Himmelsthron, mit Rauschebart womöglich. Weiblich oder mütterlich wirkt er nicht gerade. Er hat ein (uneheliches) Kind, ebenfalls männlich, namens Jesus.
Feministinnen haben auch vor dieser Männerbastion nicht haltgemacht und respektlose Sprüche geprägt wie: "When God created man she was only joking (Als Gott den Mann erschuf, hat sie sich bloß einen Scherz erlaubt)". Die Kraftmeierin legt los "Meine Göttin nochmal!" und die Frau ohne Knete bittet vertrauensvoll: "Liebe Göttin, schenk mir doch ein Emma-Abo (ein Courage-Abo hat sie anscheinend schon bekommen, göttinseidank!) Und die feministische Pastorin verabschiedet die verdutzte Gemeinde mit den Worten: "Gott segne Dich und behüte dich, sie lasse ihr Angesicht leuchten über dir und gebe dir Frieden."
Es reicht, wenn wir die Männerherrschaft auf der Erde haben, denken diese Frauen. Nicht auch noch im Himmel. Dort, ab sofort: Frauenpower.
Andere sind gemäßigter und gesellen Gottvater eine Mutter zu: "Vater und Mutter unser im Himmel." Ob wir uns Gott als Elternpaar oder als zweigeschlechtig oder als geschlechtslos vorstellen, ist unser Bier.
Die alten Germaninnen (Männer sind selbstverständlich immer mitgemeint), vom Christentum noch ungeschoren, hatten eine sehr sympathische, und, von heute aus betrachtet, äußerst fortschrittliche Gottesvorstellung. Das germanische Wort guða, Vorläufer des Wortes Gott, war sächlich. Es bezeichnete ein "göttliches Wesen", weder weiblich noch männlich. "Liebes Gott", mögen unsere Vorfahrinnen gebetet haben, "mach, dass es ein Mädchen wird." (Zuerst in der Courage, Sep. 1982, erschienen. Nachdruck in meinem Buch Das Deutsche als Männersprache, Suhrkamp 1984, S. 162)
Wenn eine Kristina Schröder sich die feministische Kritik zu Herzen genommen hat und sie im allerselbstverständlichsten Ton verbreitet - ja dann ist die Kritik wirklich "in der Mitte der Gesellschaft angekommen." Die „Welt“ mag das beklagen, aber für unsere Gesellschaft ist es ein gutes Zeichen. Gottes Mühlen mahlen langsam, aber irgendwann kriegt sie es doch gebacken. Beim Neutrum ist unsere Familienministerin immerhin schon angekommen.
Wie sagten wir doch damals: „God is coming, and is she pissed!“ „Gott ist nahe, und sie ist verdammt sauer!“. In weiteren dreißig Jahren haben wir vielleicht eine Familienministerin, die sich auch eine Sie als Gott vorstellen kann. Was dann wohl erstmal abgeht bei den Konservativen?
Aber wahrscheinlich wird es dazu nicht kommen. Die Frauen mit ihrer immer ausgeprägteren Gebär- und Heiratsunwilligkeit werden die patriarchale Familie und mit ihr die Familienministerin abgeschafft haben.
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14 Kommentare
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23.12.2012 um 20:09 Uhr anne
gott weiblich - inzwischen gab/gibt es verschiedene ausstellungen zum thema “wie viel frau steckt in gott” , da das göttliche ganz anders aussehen kann. initiiert wurde diese ausstellung mit viel selbstbewusstsein u.a. auch im bamberger diözesemuseum. andere bistümer dagegen haben abgewinkt: “gott weiblich” – das bringt unruhe und ruft womöglich die feministinnen auf den plan, die aus weiblichen gottesbildern ihre forderungen nach priesterinnen ableiten. nur die diözese rottenburg-stuttgart zeigte noch mut und holte die ausstellung in ihr museum. “wir wollen zeigen, dass die erfahrungen israels mit dem göttlichen nicht ausschließlich männlichen charakters waren”, sagt der alttestamentler Otmar Keel . und dass es patriarchale und klerikale mächte waren, die das weibliche über die jahrtausende hinweg in den hintergrund drängten.
ja, mehr selbstbewusstsein täte gut,mit den einseitig dargestellten männlichen gottesbildern endlich aufzuräumen. bildung bildet..es sind also diejenigen gefragt, ob sie mut und selbstbewusstsein besitzen, sich von ihrem patriarchalen weltbild zu verabschieden, an dem sie sich so vehement festklammern.
gott, der alte mann mit dem rauschebart, ist beharrlich männlich - ein einseitiges bild, das sich in den köpfen der christen geformt hat.
zitiert Die Welt/theologie v. 3.4.2010 .... “gott schuf den menschen nach seinem bilde, nach dem bilde gottes schuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie.” wenn also die kopien männer und frauen sind, wie kann das original ausschließlich männlich dargestellt werden? das fragt der renommierte katholische theologe othmar keel, der im schweizerischen freiburg “gott weiblich” zuerst zeigte.
im zentrum der ausstellung steht eine einzigartige zusammenschau von göttinnen und frauenbildern aus dem alten orient, rund 250 exponate aus einem zeitraum, der sich über annähernd zehn jahrtausende erstreckt. die skulpturen, amulette, stempel- und rollsiegel, entfalten die präsenz des weiblichen in gottesvorstellungen antiker religionen, in biblischen gottesbildern sowie in der nachbiblischen christlichen tradition.die göttinnendarstellungen präsentieren ein breites spektrum weiblicher göttlichkeit: figuren, in denen verschiedenste aspekte selbstbewusster erotik entdeckt werden, jungfräulich-kämpferische göttinnen, die ihre und die integrität ihrer stadt zu verteidigen wissen, mütterliche gestalten, die in hingebungsvoll-vertrauter beziehung zum menschlichen leben, aber auch zu tieren und pflanzen stehen.
zu sehen sind beispielsweise kleine säulenfiguren aus israel, die die göttin aschera mit ausladenden brüsten darstellen. aschera war bis ins 7. jahrhundert vor christus die partnerin des gottes jahwe und wurde in jerusalem verehrt.
neuere archäologische funde belegen, dass israels männlicher gott lange zeit göttinnen an seiner seite hatte. doch die patriarchale theologie des monotheismus hat die göttin aschera vor 2600 jahren aus dem tempel geworfen und auch andere göttinnen sukzessive verdrängt.
“wir müssen die ausstellung um gottes willen zeigen, um der frauen abbild willen”, erklären die frauenreferentinnen. so gehört ihrer meinung nach diese präsentation ins zentrum der örtlichen kirche, nämlich ins diözesanmuseum auf dem bischöflichen domberg. schließlich “treffen bilder tiefer als kluge worte der verkündigung”, wollen die beiden frauen auf ihre weise die für ihr geschlecht verbotene predigt in der eucharistiefeier umgehen.
solange gott mit dem rauschebart die vorstellungen des göttlichen beherrscht, verwundere es nicht, wenn männer die gottheit auf erden allein vertreten….
23.12.2012 um 14:32 Uhr ein mann
mehr selbstbewußtsein täte den frauen gut und - ob ihr es nun wollt oder nicht, gott der vater ist bleibt vater und jesus ein mann. wir sind nicht bei wünsch dir was und das ist auch gut so. aber natürlich schäme ich dafür, von einer frau als mann geboren worden zu sein, aber ich war´s nicht, ehrlich. gesegnete weihnachten.
23.12.2012 um 12:09 Uhr Gudrun Nositschka
So viel Verstand hatte ich bisher Kristina Schröder gar nicht zugetraut. Ihre Angst vor feministischen Ideen habe ich belächelt und schließlich gar nicht mehr hingehört, wenn sie etwas sagte. Und nun DAS! Für mich ist DAS nicht sächlich, sondern ein umfassendes Pronomen, sobald es auf Menschen, Tiere und das Universum angewandt wird. Dahinter schimmert immer die Fähigkeit Leben hervorzubringen durch, ohne Zweifel echt weiblich. Beispiele: das Huhn, das Pferd, das Rind usw. und o ja, das Weib, das Guda. Übersetzt: die Henne,die Stute, die Kuh, die Frau, die Göttin. Zu Grimms Märchen: Die nicht androzentrische Sprache in den Märchen lässt sich in meinen Augen auf die Frauen zurückführen, die den Brüdern die Märchen in die Feder erzählt haben, wie Dorothea Viehmann. Für sexistisch, wie Kristina Schröder meint, halte ich die Märchen auch nicht, manchmal patriarchal übertüncht. Doch je länger ich mich mit ihnen befasse, um so mehr starke Frauen und Mädchen sehe ich in ihnen, die das Männliche nur dann akzeptieren, wenn es empathisch oder bereit ist, soziale Emnpathie zu entwickeln. Ich wünsche allen eine helle “Nacht der Mütter” vom 24. auf den 25.Dezember, in der Rigani, eine keltische Göttin mit zwei Begleiterinnen beginnt, sich wieder auf den Weg zu den Menschen zu machen und den “Wintermann” hinter sich lässt.
23.12.2012 um 09:16 Uhr Karin Anita Becker
Lilith, die schwarze Mondin, die gerade mit Jupiter, dem Göttervater, in Konjunktion steht (sozusagen mit ihm im Bett liegt=Jupiter und Lilith gerade Hochzeit haben) scheint bei Christina Schröder schon zu wirken. Anbei schöne Verse von meinem Astrologie-Ausbilder Dr. Christoph Schubert-Weller.
Wünsche allen Frauen eine starke Lilith und wunder-volle Tage. Karin Becker
An der Festtafel des Lebens
Hat eine Dame in Schwarz Platz genommen
Niemand scheint sie wirlich zu kennen
Aber offenbar gehört sie dazu
Auf behutsames Nachfragen schweigt sie
Jemand, der sonst Bescheid weiss, vermutet
Sie sei eine Tochter des Gastgebers
Sitzt sie nun mit am Tisch der Sehnsucht
Schwarze Weberin, Dreizehnte Fee
Spinnt ihren Faden durch Wachen
Und durch Hundert Jahre Schlaf
Blicken uns an, wir lauschen unserem Atem
Schauen, was geschrieben steht
In unseren Augen
Von Dornen und Hecken und Erlösung:
Noch scheu vor dem ersten Kuss
Dr. Christoph Schubert-Weller
22.12.2012 um 22:50 Uhr anne
supra! nicht nur im märchenbuch `bibel` ist gott so sehr männlich besetzt, dass auch der sog. `stellvertreter gottes` auf erden kein weib sein darf und sich keine frauen um den `heiligen stuhl` versammeln dürfen usw. ...und wenn gott ein neutrum ist, was ist dann sein sog. stellvertreter auf erden?
den religions-gelehrten geht das natürlich gegen den strich, müssten sogar all ihre altbackenen gebete umgeschrieben werden: vater unser, der du bist im himmel, geheiligt werde dein name, dein reich komme, dein wille geschehe wie im himmel so auf erden .....
gott ist für uns wie eine mutter und vater (papst johannes paul II.) - dabei ist die christliche darstellung von gott zumeist männlich mit rauschebart und den pfaffen (papa, vater) hat das nie gestört - der vater, der sohn und der heilige geist - aufgescheucht sind jetzt all die religiösen herrgötter und selbsternannten stellvertreter auf erden.
übrigens gab es mal eine folgende auswertung zum gottesbild:
zitiert aus “das gottesbild…” : “wenn man danach fragt, in welcher menschlichen oder menschenähnlichen gestalt die kinder und jugendlichen gott darstellen, dann lassen sich vier möglichkeiten denken: als mann, als frau, als geist oder als gesicht.
die überwiegende zahl der darstellungen konzentriert sich auf die repräsentation gottes als mann. insgesamt 75% aller anthropomorph zeichnenden kinder und jugendlichen stellen gott so dar. 49 % der kinder und jugendlichen zeichnen gott mit einem bart. warum gott von den probanden in erster linie als mann gezeichnet wird, hängt damit zusammen, daß religiosität in erster linie durch den vater vermittelt wird. wörtlich heißt es bei Hans-Jürgen Fraas: “damit ist nicht die explizite religiöse haltung gemeint (in der regel betet die mutter mit dem kind), sondern die formung des transzendenzbezuges überhaupt.” der transzendenzbezug geht psychoanalytisch maßgeblich auf die prägende rolle zurück, die dem vater nach Sigmund Freud in der Ödipusphase zukommt. Er wird gleichsam als “übervater” in das über-Ich aufgenommen und mit gott identifiziert.” /zitatende
22.12.2012 um 20:10 Uhr Joey Horsley
Brava, Luise! Tolle Glossen – damals und jetzt.
Noch etwas aus der (amerikanischen) Mottenkiste: “Adam was a rough draft.” (“Adam war eine Rohfassung.”) Auch nicht schlecht, finde ich.