King Kung und die deutsche Männersprache: Ein krasser Fall von Mansplaining
Ich wähnte meine Freundin Erika noch auf dem Operationstisch, da schickte sie mir schon ein Artikelchen aus dem F.A.Z-Kiosk, den sie ulkigerweise abonniert hat. Ein Herr, der mit „kung“ unterzeichnet, möchte es der unbedarften feministischen Sprachkritik mal so richtig zeigen. Wie gut kenne ich doch dieses sonore Gebrumm all der Männer, die uns ihre „verbesserten“ oder „überlegenen“ oder „alternativen“ Systeme und Problemlösungen seit Jahrzehnten siegesgewiss unter die Nase halten. Wir Frauen sind nämlich zu blöd, unsere Sprachprobleme selbst zu lösen. Da muss (immer) mal wieder ein Mann einspringen und uns galant unter die Arme greifen.
Ich schrieb Erika kurz zurück - es war schon fast Mitternacht, und ich war müde:
"Kung kommt sich sehr schlau vor. Allerdings ist sein Vorschlag uralt. 'Warum ist der Vorschlag nie gemacht worden?' fragt er. Die Frage zeigt nur, dass er die ganze Zeit geschlafen und die Debatte erst heute wahrgenommen hat."
Am nächsten Morgen fand ich folgende Antwort von Erika:
"Das wusste ich nicht - jetzt stellt er sich als den großen Erfinder dar, das finde ich wirklich frech. Oder aber er hat das wirklich nicht mitbekommen, was genauso blöde ist. Ich hoffe, dass jemand ihm einen Brief schreibt und aufklärt."
Inzwischen habe ich herausgefunden, dass es sich bei „kung“ um den Schriftsteller Klaus Ungerer handelt, Jg. 1969. Da war die feministische Sprachkritik in den USA schon gut unterwegs. Bis sie in Deutschland durch Senta Trömel-Plötz, Marlis Hellinger, mich und andere eingeführt wurde, dauerte es noch acht/neun Jahre.
Mittlerweile hat sich die gerechte Sprache im deutschsprachigen Raum weitgehend durchgesetzt. Umso wütender wird - fast ausschließlich von männlicher Seite - dagegen polemisiert. Unter dem FAZ-Mansplaining-Beitrag von Klaus Ungerer haben 63 LeserInnen, überwiegend Männer, geifernde, angeödete oder höhnische Kommentare losgelassen. Das Übliche eben, nichts Neues dabei. Die Kommentarfunktion ist schon wieder geschlossen, sonst hätte ich diesen meinen Kommentar dort abgeladen.
Hier in Auszügen der Vorschlag von King Kung: (Vollständig nachzulesen hier.)
Bäcks
BäckerIn. FußgängerIn. NachrichtensprecherIn. Seit es vor vielen Jahren aufkam, war nie recht nachvollziehbar, wie das Binnen-I eine Gleichberechtigung herstellen sollte. Phallisch ragte es aus dem Wort heraus, als trotzige Ansage einer gefühlten Minderheit (Frauen), doch bitte schön auch – und eben mehr als „auch“ – vorhanden zu sein. …
Wieso … ist der Vorschlag nie gemacht worden: Mann-Endung und Frau-Endung seien gleichzustellen? Der Eingriff wäre ein schlichter: Zum Bäck-er gesellt sich die Bäck-in. Alle zusammen sind sie die Bäcks. Neben dem Schornsteinfeger radelt die Schornsteinfegin, zusammen die Schornsteinfegs (oder „-fegis“?); zufrieden klatschen wir sie beide ab. …
Fragt sich nur: Wofür braucht es überhaupt eine Geschlechterunterscheidung? Käme man nicht mit durchweg neutralen Formen am weitesten? Läge nicht im „Bäck“ die Rettung vor all den nervigen Binnensternchen und Unterstricheleien, mit denen täglich neu entdeckte Geschlechter und Untergeschlechter sich ins Bewusstsein hineinzukämpfen versuchen?
Der Vorschlag „Lehrer, Lehrin“ wurde in der Frauenbewegung schon sehr früh gemacht, ich glaube er geistert seit Anfang der 1980er Jahre herum. Hat sich allerdings nicht durchsetzen können: Zu ungewohnt, auch nicht umfassend genug. Was machen wir z.B. mit Wörtern wie „Arzt“, „Rechtsanwalt“, „Angestellte“, etc. Zahllose deutsche Personenbezeichnungen haben gar keine Endung.
Gut, meint Kung: „Wofür braucht es überhaupt eine Geschlechterunterscheidung? Käme man nicht mit durchweg neutralen Formen am weitesten?“ Dieser Vorschlag ist ebenfalls uralt; ich habe das schon 1980 durchdekliniert - da war Klaus Ungerer gerade 11 Jahre alt: Pusch, Luise F. 1984 [1980]. "Das Deutsche als Männersprache - Diagnose und Therapievorschläge" in: Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik. Frankfurt/M. edition suhrkamp 1217. S. 1S. 59 -74, bes. S. 61-4. Es funzt nicht, denn die typisch deutsche, sehr freie Satzstellung basiert auf dem Zusammenspiel der drei Genera (Geschlechter) und vier Kasus (Fälle). Was aber funktionieren könnte, wäre der Wegfall der Endung -in und die Einführung des Neutrums für alle Fälle, in denen das Geschlecht unbekannt oder irrelevant ist: „Die, der und das Arzt“, „Gesucht wird ein Professor, das sich in feministischer Theorie auskennt“.
Auch diese wunderschöne Idee wurde von der Sprachgemeinschaft abgelehnt.
Dito das ebenfalls sehr früh vorgeschlagene und von mir schon immer favorisierte, „umfassende Femininum“: „Unser Betrieb hat 50 Mitarbeiterinnen, die Hälfte davon männlich“. Vgl.: Pusch, Luise F. 1990 [1986]. "Alle Menschen werden Schwestern: Überlegungen zum umfassenden Femininum", in: Alle Menschen werden Schwestern: Feministische Sprachkritik. Frankfurt/M. edition suhrkamp 1565. S. 85-103.
Dito die wirklich gut durchdachten Vorschläge von Matthias Behlert aus dem Jahre 1998. Er nennt seine Abhandlung dazu übrigens „Die Häsis und die Igelin“.
Ich könnte nun noch lange fortfahren, aber ich bin es leid, diese Besserwissis und Mansplainers immer wieder an die Grundregeln der Recherche und der Argumentation zu erinnern.
Bevor Sie das nächste Mal Ihre Weisheiten hinausposaunen, machen Sie sich doch erst mal sachkundig, King Kung.
3 Kommentare
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09.10.2017 um 11:01 Uhr Konsulentin2009
Tsja, wenn ein Frau etwas sagt, eine Lösung angibt, dann ist es also ob das nie gesagt wurde. Nur wenn ein Mann dasselbe sagt, dann gilt die Idee als in die Welt gesetzt. [seufze]
22.07.2017 um 16:50 Uhr Anne
Hervorragend, liebe Luise ! Was ich immer wieder von männern , die sich dem generischen maskulinum verschrien haben und sich gegen gerechte sprache verbarrikadieren , zu lesen bekomme, ist, dass sie die behauptung aufstellen, eine fixierung auf die männliche und weibliche schreibweise würde erst die trennung schaffen, die eigentlich beseitigt werden sollte; denn früher wäre es ihnen gar nicht im traum eingefallen, frauen nicht mit einzubeziehen. Jede/r wisse angeblich, dass frauen hier `eingeschlossen` seien. Eingeschlossen klingt aber eher nach ausgeschlossen , da frauen ja f.d. gleichstellung seit über 100 jahren gegen die Besserwissis kämpfen müssen. Und dabei ist das wissenschaftlich widerlegt . Dass wir es mit sexismus zu tun haben, wenn die weibliche schreibweise bzw. die feministische linguistik kritik äußert , sehen wir an den reaktionen - vor allem von männern -, die darauf mit häme, gehässigkeiten reagieren, sobald frauen sprachlich `ins spiel kommen`. Die hasserfüllten reaktionen von männern beim thema gerechte sprache hat jetzt auch der Besserwissis zu spüren bekommen. Deshalb ist es wichtig wegen der empathie und der damit verbundenen gewöhnungs-prozedur , dass männer auch unter weiblichen bezeichnungen wie Professorinnen und Studentinnen erfahrungen sammeln. Tun sie aber ungern, denn die abwertung des weiblichen gehört für den masku fest zu seinem weltbild. Er will keine parität, schon gar nicht in der sprache. Es ist ja bekannt, dass vor allem männer von klugen frauen ungern etwas annehmen . Es wird auch von manchen behauptet, die feministische sprachkritik würde keine gesellschaftlichen veränderungen herbeiführen. Ich finde, sie trägt dazu einen besonders wichtigen beitrag und hat , weil sie mit der debatte ja auch das interesse an der sprache und somit auch die feministischen inhalte schärft/e , viele menschen inzwischen positiv erreicht und sensibilisiert . Das führt/e letztlich auch dazu, dass wir über ein großes reptertoire und interesse an frauen-biografien verfügen nach müheseliger aufarbeitung in den letzten jahrzehnten . Danke an Luise und Joey für dieses wunderbare Fembio-Portal !
17.07.2017 um 15:45 Uhr Amy
Wow , danke liebe Luise für die wichtigen Hinweise! Es gibt ihn ja, den IdeenKlau? Kung als Schriftsteller, Satiriker , Journalist kann ich mir gar nicht vorstellen, dass er über die feministische Sprachkritik nicht informiert ist. Und wenn er schon diesbezüglich Vorschläge ausbreitet, grenzt es eigentlich an Oberflächlichkeit, wenn er in seinem Repertoire diese einfach ignoriert - sie ist nicht einmal die/der Rede wert? Kung ist auch angeblich ein Satiriker ; da frage ich mich, wie ernst ist ihm überhaupt die feministische Sprachkritik ?Immerhin hat er anhand der fiesen Kommentare zu spüren bekommen , was Luise als Pionierin auf dem Gebiet der feminist. Sprachkritik seit über 30 Jahren an gehässigen und unflätigen Reaktionen - das gilt für viele feministische Aktivitäten - einstecken musste, denn der Begriff `Feminismus` ist den Herrschaften noch heute ein Dorn im Auge. Da machen sich die meisten gar nicht erst die Mühe , sich mit der Thematik der ungerechten Sprache zu befassen, wäre ja auch zu mühselig ; lieber wird auf alles , was sich `feministisch` nennt , eingeschlagen . Das ist die eigentliche Verhunzung , die dazu führt/e, die Pionierinnen bei ihren Einsätzen sogar mit Gewalt zu bedrohen. Diese inzwischen eingeführte Symbolik von `Sternchen *`und `Unterstrich _` aber zeigt einmal mehr und deutlich den letzten Platz, den Frauen i.d. Sprache wieder einmal zugewiesen wird ; die Frau als Anhängsel? Deshalb können wir gut darauf verzichten. Ein Zitat von Luise, das ich so passend finde: „Den Geschlechterunterschied transzendieren zu wollen, wie es die Trans-Community anstrebt, ist für Frauen taktisch absurd, so lange wir von Männern, die von den neuesten Gendertheorien noch nichts gehört haben, nach alter Väter Sitte unterdrückt, ausgebeutet, verkauft, verstümmelt, versklavt, vergewaltigt und getötet werden, weil wir Frauen sind.“