Ist Michelle Obama ein Mann?
Anfang der Woche bekam ich zwei empörte Zuschriften zum Spiegel-Titel dieser Woche. Zuerst schrieb meine Freundin Evelyn Thriene:
Hast Du das Titelblatt des neuen Spiegel schon gesehen? Da ist Obama mit seiner Frau Michelle drauf zu sehen, als Paar, und darüber prangen die Lettern: "Obamas bester Mann". Offenbar soll der "beste Mann" Michelle sein, das legt jedenfalls das Titelblatt nahe. Und das im Jahr 2009!
Einen Tag später schrieb meine Schwester, Mechthild Winkler-Jordan:
Der neueste Spiegeltitel: Ehepaar Obama, mit der Titelzeile:"Obamas bester Mann". Da kam mir doch glatt und immer noch die Galle hoch.
Eine Schlagzeile soll Aufmerksamkeit erregen. Dafür nimmt der Spiegel offenbar immer noch gern in Kauf, daß den Leserinnen, und vielleicht auch sensibleren Lesern “die Galle hochkommt”.
Manche werden sich fragen: Worüber regen die sich denn auf? Der Spiegel sagt damit doch etwas sehr Nettes über Michelle Obama. Sie ist sein bester Mann, also besser als alle Männer in seinem Kabinett/Team und sogar besser als sein Vize Joe Biden. Aber nicht besser als Hillary und die anderen Frauen in seinem Kabinett/Team. Ist doch richtig frauenfreundlich vom Spiegel!
Uns Frauen wird “männliche Qualität" bescheinigt, wenn wir etwas besonders gut machen - paradoxerweise besonders gern dann, wenn wir etwas besser als die zuständigen Männer machen. Beliebt ist die Floskel vom “einzigen Mann im Kabinett” - dieses fragwürdige Kompliment mußte sich zuletzt Condoleezza Rice gefallen lassen, vor ihr schon Thatcher, Indira Gandhi, Golda Meir und viele andere. Und der Spiegel serviert uns dieses “Kompliment” noch heute, nachdem Männer Wirtschaft und Finanzen gerade weltweit komplett in den Sand gesetzt haben!
Stellen Sie sich einmal vor, Hillary hätte den Wahlkampf gewonnen und würde US-Präsidentin. Wäre ein Spiegeltitel mit dem Paar Hillary und Bill Clinton denkbar, betitelt ”Hillarys beste Frau”? Niemals.
Und warum nicht? Weil in unserer Kultur das Weibliche zweitrangig ist und als zweitrangig gilt. Wird einer Frau Männlichkeit bescheinigt, soll sie stolz sein, sie ist (fast) in die erste Liga aufgestiegen. Wird einem Mann Weiblichkeit bescheinigt, ist er nicht nur in die zweite Liga abgestiegen. Er hat sich vielmehr unmöglich gemacht.
Die pauschale Abwertung der Frau ist also der semantische Rahmen, den wir abrufen müssen, wenn wir die Titelschlagzeile des Spiegels, “Obamas bester Mann”, auch nur verstehen wollen.
Das Pendant “Hillarys beste Frau” bleibt in unserer Kultur unverständlich; es gibt dafür keinen semantischen Rahmen, den wir zur Interpretation heranziehen könnten.
Was hätte der Spiegel als Titel wählen können - ohne die Frauen in ihrer Gesamtheit zu beleidigen?
Obamas rechte Hand
Obamas Trumpfkarte
Obamas Geheimwaffe
Ist Obamas Geheimwaffe schon problematisch, wäre “Obamas Wunderwaffe” unmöglich wegen des Bezugs auf “Hitlers Wunderwaffe”.
Unakzeptabel wäre auch jegliche Anspielung auf die Hautfarbe (“Obamas braune/schwarze Eminenz”) oder gar die Sklaverei (“Obamas Mastermind”). Hätte sich der Spiegel derartiges erlaubt, wäre ein Aufschrei durchs Land gegangen. Nicht aber bei “Obamas bester Mann”. Das ist nur Sexismus, und darüber regen sich nur ein paar Feministinnen auf. Den andern fällt es gar nicht auf, da die pauschale Abwertung der Frau die Grundlage unserer Kultur ist. Und noch anderen gefällt es, z.B. den Spiegelmännern, die sich den Titel ausgedacht haben.
Aber Obama und seine rechte Hand und Hillary und die demokratische Partei - alle haben ja “Change” auf ihre Fahnen geschrieben. Noch vor dem Amtsantritt Obamas war davon nachhaltig etwas zu spüren: Dem Sexismus in der Sprache des Kongresses wurde einfach der Garaus gemacht: "Chairman" wird zu "chair", statt “he”, “him” und “his” sind geschlechtsneutrale Formen zu verwenden. Nachzulesen hier.
Vielleicht greift dieser Wandel irgendwann auch mal auf den Spiegel über. Bis dahin gilt für mich weiter: Den Spiegel lese ich höchstens im Wartezimmer.
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19 Kommentare
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13.01.2009 um 20:58 Uhr schwubbel
Zwang, und immer größer werdender Druck mittels Gesetzen, Quoten und teilweise blanker Diskriminierung, kann nur zu einem Ergebnis führen. Unwillen, gefühlte Machtlosigkeit usw. und schlussendlich Widerstand, welcher zu einem Richtungswechsel bis hin zum anderen Extrem führen könnte. Dies wäre wahrlich destruktiv.
Werte, im Besonderen gesellschaftliche oder kulturelle, werden durch andere Mechanismen geschaffen, und bestimmt nicht durch Zwang, der im Grunde eine Veränderung oftmals verhindert. Dazu zähle ich auch die Sprache. Mehr Geduld wäre eine richtige Lösung bzw. eine dem kulturellen Menschen angepasstes Tempo, und nicht das pressen und drücken des Menschen in ein System, wobei dieses nicht einmal Selbst bestimmend beschlossen wurde von den Menschen, sondern von teils ideologisierten Menschen über alle anderen Menschen.
Klingt irgendwie nicht sehr ansprechend.
13.01.2009 um 20:01 Uhr feminist_in
ja - lieber eine “Verstümmelung der Sprache” (ich nenn’ es lieber politisch-kreativ), als eine von körpern, menschen und deren lebenschancen!
13.01.2009 um 19:13 Uhr schwubbel
@ Shubidu
Welch überraschende Antwort. Symptomatisch für ihresgleichen. Sie wissen natürlich alles über meinen Gemütszustand. Sicherlich beglücken sie mich bald mit einer ihnen genehmen Lösung für meine von ihnen so bravourös erkannten seelischen Verzweiflungszustände.
Wenn sie dies meinen, muss dies natürlich so stimmen, gelle ;)
Nur weil meine Ansichten ihnen nicht genehm sind, ist dies keine Einladung um wie üblich infame Unterstellungen auszusprechen, aber wie schon erwähnt, alles andere als überraschend.
Ein Weltbild wie der Bush Walker, entweder für mich oder gegen mich. Im letzteren Fall sind diese natürlich alle total blind, doof und fies in ihrer kleinen Welt.
Bleiben sie nur weiterhin ihrem Dogma des sozialen Geschlechtes treu, und begrüßen sie weiterhin die Verstümmelung der Sprache im Dienste einer mittlerweile recht fragwürdigen Ideologie.
Da ich viele Jahre in Skandinavien lebte, bin ich andere „Merkwürdigkeiten“ gewöhnt.
13.01.2009 um 14:43 Uhr schubidu
schwubbel ich nehme dein Gebietzel als Kompliment.
In deinen Worten spiegelt sich einiges an Verzweiflung wider :)
13.01.2009 um 13:29 Uhr schwubbel
Wieder solch Gerede vom sozialen Geschlecht.
Aus der Homoszene entwachsen soll dieses theoretische Konstrukt unser Leben verbessern.
Was wirklich geschieht, diese ideologischen Kreuzritter treten viel Erreichtes wieder in die Tonne der Geschichte, und das übliche Femigewäsch wird entlarvt und mehr und mehr angefeindet.
Gender Mainstreaming ist auf der Schule meines Neffen das Hasswort überhaupt, natürlich nicht bei dem gegenderten Lehrpersonal weiblicher Selbstwahl ;), da selbst diese Kinder den perfiden Wahnsinn dahinter erkennen können. Und hier redet man über solche Nebensächlichkeiten wie eine Wortwahl. Nur weiter so, der backlash, bzw. die Macht des Geistes, schwingt bereits kraftvoll genug, um der Frauenbevorzugung endlich etwas Einhalt zu gebieten in deren Genderwahn.
Bei Beiträgen wie dem von schubidu mittlerweile auch wirklich nötig..
Dieses Denken von sehr wenigen radikalen Menschen die meinen ganz genau zu wissen, was für alle Menschen am Besten ist, das kennen wir bereits. Und wenn die „Wissenschaft“ dahinter auch noch selbst gebastelt wurde, umso wahnwitziger erscheint dieses Modell einer neuen Welt. Zum Glück hat sich in den letzten Jahren vieles bewegt, das einen Stopper vor einigen Entwicklungen setzen kann und hoffentlich wird.
Über die Verstümmelung der Schrift und Sprache braucht man erst gar nicht zu reden, gendergerechte Sprache ist einfach nur einseitiges Korintenkackertum, welches extrem nervt und vorhandene Sympathien mehr und mehr in den Keller drängt.
12.01.2009 um 17:33 Uhr schubidu
@Undine
Lies genauer und verstehe. Dein biologischer Kampf ist veraltet und schon lange nicht mehr diskussionswürdig. Frauen können genauso gut im sozialen Geschlecht “Mann” sein, wie Männer im sozialen Geschlecht “Frau”. Btw. füge ich den sozialen Geschlechtern auch noch AlteR, SchwuleR, Transgender, BehinderteR, AndersgläubigeR, AusländerIn, usw. hinzu und frage, ob wir die sozialen Geschlechter wirklich negieren sollen?
12.01.2009 um 08:17 Uhr Undine
Ich schliesse mich meiner Vorrednerin Conny an, ich lese das was da steht: offenbar hat Michelle Obama mehrere Männer, in welcher Beziehung auch immer, und Barack ist eben ihr bester. Na und? Das Obamas bester Mann - ein Mann ist, klar, das sehe ich. Wie kommt hier irgendjemand auf die Idee, das Michelle Obama gemeint sein könnte? *sarkasmus aus*
Ich teile weiterhin mit, dass mir die Zuschreibung von ‘männlich = kalt, kriegerisch und aszioal’ und weiblich = ’ sozial, lieb, warm’ die Galle hochtreibt. So viele Frauen und Männer vor mir haben dafür gelebt, beides sein zu dürfen - kalt und warm, kriegerisch und lieb, je nach Anlass. Auch Frauen haben ein Recht auf Selbstverteidigung, ebenso wie Männer ein Recht auf Eigenliebe haben. Solange Frauen die Männer brauchen, um sich zu wehren, und solange Männer die Frauen brauchen, um sich zu lieben, werden uns solche Schlagzeilen wie: ‘Die Ehefrau des Präsidenten - sein bester Mann im weissen Haus’ leider immer wieder begegnen. Ob Frauen nun für die besseren oder die schlechteren Menschen gehalten werden, beides ist Sexismus.
12.01.2009 um 07:56 Uhr schubidu
Wo liegt das Problem? “Obamas bester Mann” deutet für mich aufs soziale Geschlecht dieser Frau hin. D. h., dass sich die Amis auf soziale Kälte, Kriege usw. einstellen dürfen, ... also auf sämtliche, durchs Mannsein definierte negative Eigenschaften.
Das neue Jahrtausend brachte ein neues Bewusstsein und wird eine Frau als “Mann” bezeichnet, dann ist sie m. E. auch im sozialen Geschlecht “Mann” zu verstehen.
“Barack Obama, Amerikas beste Frau” würde ich z. B. als “sozial und frauenfördernd eingestellt” verstehen.