“Homo-Ehe”, “Verpartnerung” und andere Unwörter
Aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar. Neunundfünfzigste Lektion.
Vorbemerkung: Das Unwort "Homo-Ehe" geistert in letzter Zeit derart häufig unwidersprochen durch alle medialen Kanäle, dass mir die Ohren wehtun. Ich plädiere dafür, es als Unwort des Jahrzehnts zu brandmarken. Würden die Medien plötzlich das alte Wort "Mischehe" für Ehen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Menschen oder zwischen Schwarzen und Weißen wieder aufwärmen - der Aufschrei "Unwort" würde auf dem Fuße folgen, zu Recht.
Alternativen zu "Homo-Ehe" habe ich vor bald 12 Jahren in meiner Glosse "Verpartnerung" vorgeschlagen und diskutiert. Damals schien das Wort "Homo-Ehe" durch die "kleine Lösung" der "Verpartnerung" überholt und abgeschafft. Nun aber wird die "Verpartnerung" überholt und abgeschafft, und die "Homo-Ehe" steht uns ganz offiziell ins Haus. Dagegen sollten wir uns verwahren. Ich bringe im folgenden meine alte Glosse von 2001 in ihrer ursprünglichen Form und schließe dann noch einen aktuellen Vorschlag an.
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Am 3. August 2001 besuchten wir unseren schwulen Freund Jürgen in Altona. Er war noch ganz erfüllt von den vielen lesbischwulen Eheschließungen bzw. Registrierungen, die am 1. August im Rathaus Altona unter reichlichem Aufgebot an Prominenz stattgefunden hatten. Als wir ankamen, saß er grade da und ordnete triumphierend seine Zeitungsausschnitte; die Regenbogenfahne an seinem Dachfenster flatterte fröhlich im Winde.
"Ja, es war ein historisches Datum", sagten wir, etwas schwunglos. "Und ihr, was habt ihr am 1. August gemacht?" "Nix weiter. Irgendwie ist das historische Datum an uns vorübergegangen. Wir haben aber auch soo viel zu tun mit dem Band Berühmte Frauenpaare, den wir herausgeben, weißt du." "Das ist keine Entschuldigung", fand er. Zu Recht. "Wenigstens musst du dann eine Glosse schreiben." Ich versprach es reumütig - aber nichts inspirierte mich so richtig, bis ich im Deutschlandradio diese Sendung über das neue Lebenspartnerschaftgesetz anhörte. Da redeten doch diese juristischen Experten dauernd wie selbstverständlich von der "Verpartnerung" der Lesben und Schwulen. "Also der Zivilstand ist dann nicht mehr ledig, sondern verpartnert?" erkundigte sich der (wohl eher heterosexuelle) Moderator nochmal ungläubig. "Ja, ganz recht." Der Jurist blieb völlig ungerührt.
Seither geht mir das Unwort im Kopf herum. "Wir schließen heute den heiligen Bund der Verpartnerung" - wie hört sich denn das an?!
Ich hatte, bevor die Juristen das Problem sprachlich erledigt hatten, selbst schon mal herumgebastelt. Frau soll ja nicht immer nur meckern, sondern auch mal Positives zur Debatte beitragen. Damals kämpfte ich noch gegen das andere Unwort, "Homo-Ehe", auf das der Volksmund sich geeinigt zu haben scheint.
Da ich viel in den USA bin, wo sie alles abkürzen, versuchte ich es mit dieser Methode und kam schließlich auf Ho-Ehe, oder, ganz kurz, Höhe:
• Wir schließen heute den heiligen Bund der Höhe.
• Die Höheleute Emilie Butter und Ottilie Kuchen
• Höhescheidungen sind viel seltener als Ehescheidungen.
• Die frische Höhenluft tut gut!
Funktioniert prima und hat auch gewissermaßen noch was Gehobenes, was uns Lesben und Schwulen ja gewöhnlich komplett abgeht.
Aber das ist Schnee von gestern, wenn auch niedlicher. Mit der Verpartnerung werden wir wohl erstmal leben müssen. Die meisten scheinen sich schnell daran gewöhnt zu haben. Auch "beim Institut für deutsche Sprache in Mannheim stößt das Kunstwort auf Sympathie. Sein Direktor, Professor Gerhard Stickel, kann sich mit dem Begriff anfreunden, plädiert aber dafür, die homosexuellen Paare auf ihren Sprachgebrauch hin zu befragen", meldete der Mannheimer Morgen einen Tag vor der Großen Verpartnerung am 1. August.
Stickel möchte vielleicht politisch korrekt sein ("Lasst die Betroffenen selbst zu Wort kommen!"), aber seine Empfehlung ist nur eine leere Floskel. Wie sollen homosexuelle Paare bitte einen Sprachgebrauch entwickelt haben für eine soeben erst geschaffene Institution? Auch weiß der Direktor des Instituts für deutsche Sprache natürlich sehr gut, dass die Vorsilbe ver- es in sich hat und bei Lesben und Schwulen Unbehagen auslösen MUSS, das die meisten allerdings nicht recht benennen und begründen können.
Sehen wir uns deshalb mal ein paar Wörter mit ver- an:
• Diese versoffene, versiffte und verkommene Person hat mein ganzes Geld verspielt. • Er verrechnet, verspricht, verhört und verschreibt sich dauernd. • Die Gäste sind verspätet, der Gastgeber vergreist, die Dienerschaft verblödet, die Suppe versalzen, die Brötchen verschimmelt und der Wein vergiftet.
Die Vorsilbe ver- hat eine Reihe von Bedeutungen, aber die produktivste ist "einen Fehler machen" wie bei
sich verlaufen, verkalkulieren, etwas verlegen, verkramen
Das Wort verklingeln steht nicht im Wörterbuch, aber man versteht sofort, wenn eine sagt, "Entschuldigung, ich habe mich verklingelt."
Natürlich gibt es auch verliebt, verlobt, verheiratet, die Vereinigung und die Verbrüderung, und daran werden die wortschöpfenden JuristInnen vermutlich gedacht haben, vielleicht sogar arglos. Aber ich bin sehr skeptisch. Außerdem sind Lesben weder Brüder noch Partner - aber Verpartnerinnung bringt's wohl auch nicht.
Was die Heteras und -ros wohl dazu sagen würden, wenn sie demnächst miteinander vergattet würden? "Nach der Vergattung schritten die frischgebackenen Gatten zur Begattung." Sie würden es sich verbitten. Aber sie haben's ja nicht nötig.
Kurz, mit dem Wort Verpartnerung sind wir schön verhohnepipelt, verarscht und vergackeiert worden.
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Soweit mein sprachpflegerisches Votum im Jahre 2001. Heute bin ich ein Stück weiter und finde, für die Ehe zwischen Frauen oder zwischen Männern brauchen wir keine besondere Bezeichnung. Das Wort "Ehe" reicht doch - hat es doch auch das Unwort "Mischehe" ersetzt, als die Gesetze gegen "Rassenschande" abgeschafft waren. Solange die "gleichgeschlechtliche Ehe" aber gesellschaftlich noch diskutiert wird, braucht es dafür ein griffigeres Wort, und wir können sie "gay marriage" nennen. Oder "neue Ehe" im Gegensatz zur "alten Ehe". •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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5 Kommentare
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03.06.2013 um 11:08 Uhr Lena Vandrey
@ Amy : Homo-Ehe
Vielen Dank für Deinen Text in seiner schaurigen Wirklichkeit! Wir erfahren gerade, dass es UNSERE Frauen-Ministerin war, die die zwei ersten Schwulen-Gatten aufgefordert hat! Einer von ihnen ist ein Wahlstimmen-Eintreiber und Leiter einer Schwulen-Vereinigung. Was hat eine Feministin mit Schwulen-Förderung und Darstellung zu tun? Da die Sache um die Welt ging, warum kein Frauen-Paar? Keinerlei Lesben waren bei der Zeremonie zu erblicken, war massenhaft Heteros und weinende Mütter und Väter. Die Schwulen sind der Hetero-Gesellschaft leichter einzuverleiben, obwohl die Einverleibung gar nicht nötig ist, siehe die Bürgermeister und andere hohe Tiere, welche NIE einer Lesbe eine Chance geben würden. Die Frauen-Bewegung hat die Schwulen radikalisiert und ihnen auf die Beine geholfen. Homo-Phobie gibt es nicht mehr, aber die Lesbo-Phobie, übrigens auch noch verinnerlicht bei den Lesben selbst, die gibt es.
Was uns betrifft, so sind wir gegen JEDE Ehe und finden es beschämend, dass die Bürgermeisterin in Montpellier diese Ehe eine BEFREIUNG nannte und eine Möglichkeit, jetzt alle Passionen auszuleben.
In Avignon gibt es 10 Lesben, die sich um 90 Schwule rührend kümmern. Die weibliche Homosexualität ist im Abseits, und daran basteln ganz fleißig eben auch maßgebliche Persönlichkeiten wie obige Ministerin mit.
1973 hatte Monique Wittig in Paris die Bewegung der “Gouines Rouges” geschaffen (Red-Dykes). Sie forderte uns auf, unsere Unterdrückung zu formulieren. Schweigen. Schließlich sagte ich: “Das ist dieses Schweigen selbst”!
In 40 Jahren hat sich das nicht geändert. Wiedermal eine gute Gelegenheit verpasst zu Gunsten von Schwulen, die diese Gunst gar nicht brauchen und sie obendrein verachten. Der Hass der Männer auf Frauen kann gegenseitig sein, aber die Verachtung ist unilateral nur auf Frauen gerichtet - von Männern, egal was sie sind ...
02.06.2013 um 18:42 Uhr Amy
Nachtrag: Weibliche Homosexualität im Abseits?
http://www.gruene-jugend.de/node/17440
02.06.2013 um 18:41 Uhr Amy
@ Lena Vandrey - Wenn ich ehrlich bin, ist die Institution Ehe eine Horror-Vorstellung. Mariage Horror hört sich dagegen ganz gut an :)
Ich habe mal nach Homo-Ehe gegoogelt und fand überwiegend Männer-Paare bis auf die Süddeutsche Zeitung, die einen Artikel zu `Streit um die Gleichstellung` mit `Mutter, Mutter, Kind` bestückte. Demnach leben von ca. 5.600 Kindern (2011) in Regenbogenfamilien mit homosexuellen Eltern fast alle von ihnen bei lesbischen Paaren.
10 Jahre Homo-Ehe und wieder nur ein schwules Paar; heute.de zu Homo-Ehe : Zweifel an Schäuble-Vorwurf auch wieder nur ein schwules Männerpaar mit zwei Kindern. Sogar die Berichterstattungen in den Medien werden zumeist von Männern geführt, sie werden befragt und mit ihrem Konterfei i.d. Presse sichtbar gemacht. Deswegen möchte ich hier zum Thema diesen Artikel verlinken: “Weibliche Homosexualität im Abseits? Von der Unsichtbarkeit lesbischer Frauen in den Medien”.
Zitiert: Wenn Medien über Nicht-Heterosexualität berichten, ist der Fokus meist eindeutig: Es wird über die Homo-Ehe, über Homo-Paraden, über Homophobie geredet. Bi- und asexuelle Menschen oder Transgender* und Inter* kommen in diesen Diskursen meist nicht vor. Aber nicht, dass der nicht-heterosexuelle Diskurs homonormativ geführt wird - homosexuelle Diskurse sind männlich geprägt. Sehr deutlich wird das in der sprachlichen Darstellung: Es wird über die Schwulen-Ehe, das Ehegatt_innensplitting für Schwule, die Schwulen-Parade geredet. Weibliche Homosexualität wird meist in medialer Darstellung überhaupt nicht benannt.
Patriarchale Gesellschaftsstrukturen zeichnen sich durch eine asymmetrische Geschlechterhierarchie aus: Frauen werden durch die männliche Dominanz diskriminiert. Diese männliche Vorherrschaft spiegelt sich auch in Diskursen über Homosexualität wieder. Schwule Außenminister, schwule Bürgermeister, schwule Persönlichkeiten der Öffentlichkeit erregen Aufmerksamkeit, aber sie kommen vor. So gut wie niemand weiß, dass Jóhanna Sigurðardóttir 2009 die erste homosexuelle Regierungschefin der Welt wurde. Der Prototyp von homosexuellen Menschen ist der schwule Mann…”
Besonders ärgerlich auch die Sexualitätsvorstellungen sind heteronormativ und männlich dominiert! Artikel wird nachgereicht .
20.05.2013 um 10:42 Uhr Lena Vandrey
BraVa LoVisa! Die Bemerkungen über die Vorsilbe “ver” sind vorzüglich! Ich hatte einmal eine ganze Story geschrieben mit dieser Silbe als Hauptperson - sie fordert es ja geradezu heraus, und selbst “verliebt” und “selbstverliebt”! bleibt verdächtig…
Nun aber zu unseren anderen Schäfchen: Die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Personen ist abgesegnet worden. Krawalle, ja Straßenkämpfe und nicht aufhören wollende Demos gingen voraus, idiotische Slogans wie 1Papa+1Mama=1Kind!
Die Sache heißt nun “Mariage Gay” und macht dementsprechend die Lesben zu Gays. Da “gai” aber “lustig” bedeutet, hoffen wir, dass “Lustige-Lesben” sich ihres Zustandes erfreuen werden und in Ruhe gelassen. Die neue Ehe also als eine lustige Ehe zu verstehen, im Gegenteil zu der alten, von der es selten gute Nachrichten gibt. Die Gegnerschaft war vor allem bemüht, den PAPA zu retten, eine Art von Papa-Mobil-Machung! insofern absurd, als alle Papas die Mamas brauchen… Es klang wie das letzte Stöhnen des Patriarchats vor dem Auftauchen einer neuen Welt.
Fundstücke: Hilde Knef in ihrem Buch schreibt nicht “übermannt”, sondern “überfraut”, und eine Freundin sprach von “Vertöchterung” statt “Versöhnung”.
Die “Sororité” war anfänglich unser Ziel. Tatsächlich hatten die ersten 5 Militantinnen alle jüngere Schwestern! Wir könnten also von einer Schwestern-Ehe sprechen! Das wäre die erwünschte Gleichheit, denn in vielerlei lesbischen Gemeinschaften wird das alte Rollen-Muster gepflegt. Wobei zu bemerken ist, dass oftmals die “maskuline” die Kinder bekommt und die “feminine” zieht sie auf.
Mariage Soror für die einen, Mariage Gay für die anderen! Ein Vorschlag!
19.05.2013 um 16:03 Uhr anne
supra! `neue ehe bzw. ehe für alle` klingt immer noch besser als `homo-ehe`- weil unter dem begriff `homo/sexuell` wir lesben und somit frauen wie eine randerscheinung fungieren. das beweisen insb. die medien, wenn sie allgemein über homosexuelle und/oder über die homo-ehe berichten. als homo-paare erschienen zumeist nur männer-/paare im bild. gleiches habe ich zum begriff `homophobie` beobachtet…etliche überschriften in print-medien etc. benutz(t)en auch das wort `schwul`, wenn sie aus der welt der lesben und schwulen berichte(t)en. frauen immer herzlich mitgemeint? wie wir es aus der männersprache deutsch kennen?
übrigens bei dieser gelegenheit - nun ist der begriff `lesbophobie` sogar bei wikipedia kundig, hier ein link dazu!
zitiert: Lesbophobie ist ein sich mit Homophobie überschneidendes, sexistisches Verhalten gegenüber lesbischen Frauen und ist durch eine doppelte Diskriminierung der davon betroffenen Frauen charakterisiert. Diese zeigt sich zum einen in der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, zum anderen in der Diskriminierung als Frau.[1] Im Unterschied zu lesbisch lebenden Frauen würden Schwule von männlichen Privilegien profitieren.[2] Lesbophobie umfasst vielfältige Formen negativer Einstellungen gegenüber lesbischen Frauen als ein Individuum, als Paar oder als Gesellschaftsgruppe. Basierend auf den Kategorien des sozialen Geschlechtes oder des biologischen Geschlechtes, der sexuellen Orientierung, der lesbischen Identität, sowie der Art des Ausdruckes der Geschlechtsidentität, äußert sich diese Ablehnung in Vorurteilen, Diskriminierung und seelischem Missbrauch, welche zudem auch verächtliche bis feindselige Haltungen bzw. Gefühle beinhaltet. Die Professorin für Rechtswissenschaften der Universität Ottawa, Cynthia Petersen, schließt „die Angst von Frauen vor der Liebe zu anderen Frauen, ebenso wie die Angst von Männern, nicht von Frauen geliebt zu werden“, in den Begriff der Lesbophobie mit ein…...
http://de.wikipedia.org/wiki/Lesbophobie