Hillary, Donald und die „woman card“
Nach dem Vorwahlen-Teilsieg am letzten Dienstag beschloss Trump seine Siegerrede mit einer Breitseite gegen Clinton: „Offen gesagt, wenn Hillary Clinton ein Mann wäre, würde sie wohl nicht einmal 5 Prozent der Stimmen kriegen. Das einzige, was sie auszeichnet, ist der Frauenbonus. (The only thing she’s got going is the woman’s card.)“
Einen besseren Wahlhelfer konnte Hillary sich nicht wünschen. Mit seiner jüngsten misogynen Entgleisung hat Trump ihr vermutlich Millionen Stimmen für die „general election“, den „eigentlichen“ Wahlkampf eingebracht.
Hillary konterte sofort in ihrer Siegesrede: „Wenn ‚die Frauenkarte ausspielen’ Kampf für Frauengesundheit, bezahlte Familienpflegezeit und gleiche Bezahlung bedeutet, dann bin ich dabei.“
Twitter-Kommentare mit dem Hashtag #womancard verbreiteten sich umgehend und rasant. Die Frauen überboten sich an witzigen Tweets, nach dem Motto: Humor ist, wenn frau trotzdem lacht. Interessant ist, dass die meisten bei „womancard“ nicht an ein Kartenspiel, sondern an Kreditkarten denken:
"Habe heute meine Womancard in den Geldautomaten gesteckt. Statt 100 Dollar rückte er bloß 79 raus“. Eine ironische Anspielung auf das unterschiedliche Einkommen von Frauen und Männern: Für jeden Dollar, den er verdient, bekommt sie gerade mal 79 cent.
Eine schöne Auswahl der witzigsten Twitter-Kommentare bringt Monika Idems in der WAZ.
Hillary ließ auch prompt eine „woman card“ produzieren und unter ihren Fans und MitstreiterInnen verteilen.
Woher kommt überhaupt der Ausdruck „to play the woman card“?
Es ist eine Variation der Redewendung „to play the race card“, die wiederum ein Wortspiel auf „to play the ace card = das As ausspielen“ sein soll. (Quelle: hier)
Und wie wäre „to play the woman card“ ins Deutsche zu übersetzen? Donald Trumps Unverschämtheit habe ich oben mit „der Frauenbonus“ und „die Frauenkarte ausspielen“ übersetzt. Beides gefällt mir nicht besonders.
Wenn die „Rassenkarte“ ausgespielt wird, soll der Gegner damit übertrumpft werden - gegen die kann er nichts ausrichten, sie ist wie das As die höchste Karte. Wir erleben das gerade als Feministinnen bis zum Überdruss, dass uns automatisch Rassismus vorgeworfen wird, sowie wir Kritik am Sexismus anderer Kulturen äußern. Dieser Vorwurf wiegt gerade in Deutschland so schwer, dass die meisten ihn sich nicht zuziehen wollen und deshalb lieber schweigen.
„To play the race card“ wäre also im Deutschen am ehesten wiederzugeben mit „den Rassismusvorwurf einsetzen“ oder schlichter „jemandem Rassismus vorwerfen“. Versuchen wir, die kompizierten Gebrauchsweisen mit einem Beispiel zu veranschaulichen: Ein schwarzer Angeklagter kann der weißen Richterin Rassismus vorwerfen. Die weiße Richterin kann dem schwarzen Angeklagten ihrerseits vorwerfen, „die Rassenkarte zu spielen“, indem er versuche, sie als Angehöriger einer unterdrückten Minderheit mit dem ungerechtfertigten Rassismus-Vorwurf unter Druck zu setzen. Das sei ebenfalls Rassismus. Was die Weiße dem Schwarzen vorwirft, wird auch "umgekehrter Rassismus" genannt.
Im Streit Trump gegen Clinton geht es aber nicht um Rassismus, sondern um Sexismus. Das korrekte Gegenstück zu „race card“ wäre „gender card“. Wenn „Rassen“ oder „Ethnien“ gegeneinander argumentieren, kann prinzipiell jede Partei „die Rassenkarte ausspielen“, d.h. der anderen Seite Rassismus vorwerfen (s.o.). Wenn (die) Geschlechter aufeinander losgehen, kann im Prinzip jedes „die Genderkarte ausspielen“, d.h. der anderen Seite Sexismus vorwerfen. Aber „die Frauenkarte ausspielen“ kann unter den verbliebenen PräsidentschaftskandidatInnen nur Hillary.
Wie wir an den Debatten zwischen Feministinnen und Multikulti-AnhängerInnen in Deutschland sehen, wiegt der Rassismus-Vorwurf noch jedesmal schwerer als der Sexismus-Vorwurf. Aber „die Genderkarte ausspielen“ bzw. „den Sexismus-Vorwurf erheben“ ist auch ein recht starkes Geschütz. Eine Waffe, die ein Trump nicht ungenutzt herumliegen lässt.
Ausgerechnet der Extrem-Sexist Trump wirft Hillary (umgekehrten) Sexismus vor. Er schafft dies mit einem rhetorischen Trick. Sein Angriff lautet, wenn wir ihn ausbuchstabieren, folgendermaßen: Indem sie die Frauenkarte ausspiele, diskriminiere sie ihn wegen seines Geschlechts, denn als Mann könne er diese Karte nun mal nicht ausspielen. Zum Glück sei das aber nicht so schlimm, denn mehr als ihr Frausein habe sie auch nicht zu bieten. Wenn sie ein Mann wäre, hätte sie logischerweise nicht einmal das zu bieten, und sowas Wertloses würde kaum jemand wählen.
Die meisten meinen, damit hat Trump sich endgültig vergaloppiert. Das sieht der Kolumnist Dana Milbank von der Washington Post völlig anders. In seinem klugen Kommentar „Trump’s calculated misogyny“ erklärt er, dass Trump ganz bewusst und gezielt „die Männerkarte ausspielt“, wenn er Hillary zur rabiaten Emanze entstellt:
Ein Mann, der AmerikanerInnen demagogisch nach Rassen und Ethnien getrennt hat, geht nun daran, den Job zu Ende zu bringen, indem er uns nach Ansichten über Geschlechterrollen aufteilt. … Eine faszinierende Studie… fand heraus, dass „Geschlechtsrollenbedrohung“ - eine gefühlte Bedrohung der männlichen Identität und Männlichkeit - unter Männern zu mehr Unterstützung für Trump und zu weniger Unterstützung für Clinton führt. (Übs. LFP)
Das Ausspielen der Männerkarte wird Trump wahrscheinlich nichts nützen, meint Milbank. Aber es sei wohl noch seine beste Karte, denn bei den Frauen habe er ausgespielt. 70 Prozent der Frauen können Trump nicht leiden. Bis jetzt. Durch weitere Ausfälle gegen Frauen kann Hillarys bester Wahlhelfer diese Zahl noch erheblich steigern.
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3 Kommentare
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17.06.2016 um 12:15 Uhr Amy
Eine gute Nachricht: In den Umfragen stürzt der Triumphator dramatisch ab. Sein reicher Vater hatte den großspurigen TeeNager Ende der 1950er Jahre auf die Militär-Academy geschickt, damit er dort `Manieren und Disziplin` lernen sollte. Immerhin schaffte Trump es damals , sich mehrmals dem MilitärDienst zu verweigern. Wie das so ist, wenn Männer versagen, sollen die Gattinnen es wieder richten? Zitiert: `Melania, die der Gatte Trump als seine Garantin für Frauenfragen ins Rennen zu schicken beschloss, soll dies nun richten. Ihre bisherigen Appelle - Darling, you`re so brillant , you`re so bright . Act presidential haben bisher aber nicht viel ausgerichtet`. (Zitatende) Ja, diese `Männerkarte` , die Trump in seinem Männlichkeitswahn von sich gibt, ist und war die typische Antwort der Männer an Frauen, die nicht wie `Melania` den Donalds nach dem Munde rede(te)n. http://www.nzz.ch/feuilleton/trump-und-die-frauen-donalds-ekel-ld.13058
13.06.2016 um 10:13 Uhr Oliver
Da wir in D ja eine andere “Rassismusgeschichte” und das ‘equal opportunity’-Thema nur implizit und nicht explizit haben, wie wäre folgender Vorschlag unter Auslassung des ‘Rasseschritts’:
to play the ace card -> auftrumpfen
to play the woman card -> aufstrumpfen
Das hätte den Anklang an (das urspr. abwertende) ‘Blaustrumpf’ und würde es (nach dem Vorbild des urspr. Schimpfworts ‘schwul’) sozusagen positiv appropriieren.
Natürlich wär es zu Beginn eeeeetwas erklärunsgbedürftig.
((Die Geschichte ddes Blaustrumpfbegriffs ist auch witzig, wie man in der Wikipedia nachlesen kann: Modefauxpas (eines verarmten Gelehrten), Schimpfwort , dann Selbstbezeichnung (für Frauen UND Männer), dann wieder Schimpfwort für ‘Emanzen’.))
02.05.2016 um 19:34 Uhr Sigrid+Peter Schild
Neues Design: das alte war besser. Schon von der Farbgebung her. Das “farblose” Graulila ist kaum lesbar.