Hexenmeister und Entenmeister
Aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar. Achtundvierzigste Lektion.
Wenn Sie schon immer mal Diplomhexe oder Hexenmeister werden wollten, gibt es jetzt eine angenehme Ausbildungsstätte für Sie, entweder vor Ort in der Nähe von Klagenfurt oder hier online. Andreas Starchels Hexenschule macht’s möglich. Mit der bis zu sieben Jahre währenden anspruchsvollen Ausbildung können Sie in Österreich beruflich nicht viel anfangen, aber in Deutschland könnte es eine passende Zusatzqualifikation für HeilpraktikerInnen sein.
Ich sah letzte Woche auf BR-Alpha einen Film von Martin Betz (2007) über die Hexenschule; er hat mir gut gefallen. Der Leiter ist aufgeklärt und sympathisch und möchte altes Wissen, das er sich aus vielen alten Quellen angeeignet hat, auf der Grundlage modernen psychologischen und naturwissenschaftlichen Wissens aufbereiten und zugänglich machen. “Rituale”, so lehrt er seine Hexenschülerinnen und -schüler beispielsweise, "sind psychologische Tricks, mit denen man, durch den größeren Aufwand, bestimmte Vorstellungen besser ins Unterbewusstsein pflanzen kann." Recht hat er; die katholische Kirche hat das besonders gut begriffen und ist auf diesem Gebiet seit Jahrhunderten erfolgreich tätig.
Und der Hexenbesen? Der wurde weniger zum Reiten benutzt, erläutert er, sondern zum Reinigen der Ritualplätze. Und wir sehen ihn, wie er mit dem Reisigbesen sorgfältig die Wiese fegt. Der Chatroom auf der Webseite der Hexenschule heißt sinnigerweise "Besenkammer".
Also alles in allem eine nette und lehrreiche Sache, wenn Sie dafür Zeit und Geld haben.
Wie meine geneigten LeserInnen bereits vermuten werden, interessiert mich an der Hexenschule vor allem der sprachliche Aspekt. Immerhin ist “Hexe” neben “Witwe”, “Braut” und “Geschwister” eins der ganz wenigen (genau gesagt: fünf) deutschen Wörter, bei denen das Femininum den Ursprung und Oberbegriff bildet. Wir haben neben der "Hexe" den "Hexer", neben der "Witwe" den "Witwer", neben der "Braut" den "Bräutigam", und die "Geschwister" stehen für Schwestern und Brüder. Und dann gibt es noch das "Gestüt", das auch für Hengste da ist.
In der TV-Sendung über die Hexenschule bekamen wir nur einen Schüler zu sehen und drei Schülerinnen. Die Schülerinnen sagten, sie wollten Hexe werden, der Schüler wollte dagegen Hexenmeister werden. Nicht Hexer oder Hexerich. Das Grimmsche Wörterbuch klärte mich dann weiter auf: Eine männliche Hexe wird "Hexer" oder “Hexenmeister” genannt. So steht’s auch bei Wikipedia.
Stellen Sie sich vor, wir würden den Enterich Entenmeister nennen, den Täuberich Taubenmeister, den Mäuserich Mäusemeister, und so weiter bis zum Gänsemeister und Krötenmeister.
Für männliche Kröten und Mäuse scheint eine derartige Sprachkosmetik überflüssig, aber die männliche Hexe findet das wohl standesgemäßer als "Hexer", die schlichte Ableitung aus dem femininen Grundwort. Der umgekehrte Fall ist eine Degradierung, die Frauen mit jeder -in-Ableitung gewohnheitsmäßig zugemutet wird.
Vermutlich verdankt sich auch der "Wachtmeister" dem Veredelungsdrang. "Die Wache", "die Schildwache" - alles zu feminin für einen gestandenen Mann. Aber wie schon Mary Daly uns riet: Nehmen wir doch dieses männliche Imponiergehabe als Anregung zum egozentrischen bzw. frauenzentrierten Denken:
Eine Frau und ein Mann besuchen eine Kochschule. Er wird Koch, sie wird Kochsachverständige (Kochmeisterin ist nicht so geeignet, weil von -meister abgeleitet).
Er und sie studieren an der Musikhochschule. Er wird Musiker, sie wird Musikgelehrte.
Und unsere Politiker? Sind eben Politiker, die Frauen dagegen Politikprofis, was Kraft und Löhrmann - sicher zum Bedauern unserer Ober-Politprofi Merkel - gerade sinnfällig vorgeführt haben.
....................
Zum Weiterlesen empfiehlt FemBio: Joey Horsley. "Weise Frauen, Hebammen und die europäische Hexenverfolgung." In Tönnies-Forum 3/92 1. Jg. (1992): 26-42 (PDF-Datei) (aktualisierte, aber auf Vortragslänge gekürzte deutsche Fassung von "On the Trail of the 'Witches'" siehe unten.)
Ritta Jo Horsley and Richard A. Horsley. “On the Trail of the 'Witches': Wise Women, Midwives and the European Witch Craze." Women in German Yearbook 3. Marianne Burkhard and Edith Waldstein, eds. University Press of America, 1986. 1-28.
•••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
Mehr Glossen von Luise F. Pusch gibt es hier. Jeder Band enthält rund 50 Glossen und kostet 9,90 EUR:
Kommentieren für diesen Channel-Eintrag nicht möglich
8 Kommentare
Nächster Eintrag: “The kids are all right” - but the film isn’t
Vorheriger Eintrag: Schland und die Vulvazela
20.07.2010 um 16:38 Uhr Anne
etwas info noch zum entenMeister:
der `entenmeister` auf zwei manns-beinen und mit flinte bewaffnet war mal ein berufsstand. bis 1782 war der entenfang in celle b. hannover herzoglich - auf der hofstelte lebte auch der entenjäger, wie so üblich unter männern aufgestiegen zum entenMeister. für den entenjäger bzw. jägermeister gehört die entenjagd auch heute noch zu den reizvollsten niederwild-jagden.auch Hermann Göring als reichsjägermeister mutierte mannhaft zum obersten jägermeister. später (wohl aus scham?) wurde die berufsbezeichnung - glaube ich - abgeschafft.
geblieben ist der `jägermeister` nur noch als halali-trunk und in flaschenform , früher bekannt auch als `göring-schnaps`- der markenname soll i.d. neuzeit sogar als code der rechten szene wahrgenommen werden und von dieser weiterhin i.d. abgeleiteten form als `meisterjäger` benutzt werden.
ob als halali-getränk oder sogar b.d. küchen/hausarbeit meistert mann, siehe küchenmeister, meisterkoch, kochmeister, reinigungsmeister, meister lampe etc.
nur als `hausmann` hat sich der meister (im haushalt) bisher geschickt getarnt bzw. selten sehen lassen. übung macht den meister gilt hier wohl nicht?
19.07.2010 um 13:11 Uhr Mazza
Hexen brauch(t)en keinen Hexenmeister, denn sie sind/waren selbst ihre Meisterin:
“Das Wort Hexe stammt ethmologisch gesehen vom althochdeutschen `Hazissa`, `Hagzussa`, `Hagazussa`u.ähnl. und bedeutet `Zaunreiterin, Heckensitzerin, Hexe`. Hagazussa beschreibt demnach eine Frau, die auf einer Hecke sitzt, bzw. reitet.
Es handelt sich aber dabei nicht um irgendeine Hecke, sondern um jene Hecke, die die diesseitige Welt von der jenseitigen Welt trennt.
Die Hexe ist demnach eine Frau, die zwischen diesen beiden Welten vermittelt. Die jenseitige Welt steht dabei für Phänomene, die man damals nicht erklären konnte und daher zur Magie gezählt wurden. So z.b. Wetterphänomene , Heilung und Krankheiten, Astronomie usw.
Hexen sind somit eigentlich die Vorfahrerinnen der Wissenschaftler. Sie sahen die Phänomene im Zusammenhang und hatten daher eine ganzheitliche Sicht der Dinge. ” Und dieses Frauenwissen wurde in vorpatriarchaler Zeit geschätzt. Das heisst, dass eine Hexe über die Grundlagen der Astronomie Bescheid wusste. Weitere Aufgaben der Hexe waren Priesterinnen bei Geburt, Hochzeit und Tod bei Anrufungen an die Natur. Medizin, Anatomie, Pathologie, Biologie (insb. Botanik) und vieles mehr sind/waren also die Tätigkeitsbereiche und notwendigen Wissensbereiche der Hexen.
Eine Hexe stellt ihr Leben in den Dienst der Menschheit und ist immer da, um Hilfe zu leisten und immer bemüht, die Weiterentwicklung der Gesellschaft im ethischen wie auch intellektuellen Sinn zu fördern.
Wenn mann sich HexenMeister nennt, ist das also ein typisches patriarchales Verhalten, das sich das männliche Geschlecht im Patriarchat mit Gewalt zu eigen machte, um über das weibliche Geschlecht zu herrschen und es zu beherrschen - und insbesondere das fundamentale spirituelle Wissen der Hexen (Frauenwissen) entweder zu negieren oder es als eigenes Urwissen auszugeben.
Die Selbsterhöhung durch “...meister” hat und gehört zum patriarchalen System - lauter selbsternannte Meister….
Ausserdem habe ich wenig erfräuliches zum Hexenmeister gelesen, halt passend zum Patriarchat.
19.07.2010 um 10:48 Uhr Tina
ES GIBT KEINE MÄNNLICHEN HEXEN! Und schon gar keine"Hexenmeister” Da können sich die Herren auf den Kopf stellen…Nützt nix! Heiler und Schamanen sind in Frauenwissen initiierte Männer.
Liebe Grüße aus der Hamburger Hexenschule!
19.07.2010 um 08:40 Uhr Undine
Liebe Luise,
ich wundere mich, dass Hexenmeister (Der Meister der Hexen) hier als Synonym für Hexer (männliche Hexe) steht. Hexenmeister ist nicht unbedingt ein Hexer, sondern nur einer, der eben der (Herr und) Meister der Hexen ist. In meinen Ohren ist das erheblich mehr als eine einfache Anmaßung, es ist ... naja, typisch Hexenmeister eben. Der Hexerich sollte vielleicht mal einen Blick ins Buch und zwei ins Leben tun.
18.07.2010 um 11:26 Uhr Anne
vom hebammenmeister zum hebammerich - wie ich gelesen habe, wurde seit dem 16. jahrhundert i.d. hebammenverordnungen bestimmt, dass sich eine hebamme strikt dem arzt unterzuordnen hatte - ab mitte des 18. jahrhunderts wurden hebammenschülerinnen an den neu eingerichteten hebammenschulen von `hebammenmeistern` unterrichtet. ein arzt konnte ohne prüfung hebammenmeister! werden.
“so befehlen wir hierdurch allen hebammen und hebammen-meistern bey schwerer andung, die armen umsonst zu bedienen” (1773 Scotti Jülich II 631).
wobei der beruf der hebamme doch der älteste frauenberuf überhaupt ist , denn seit jahrtausenden war auch die geburtshilfe frauensache. ihr kräuter-wissen, ihre kenntnisse über empfängnisverhütende mittel u.v.m. nahm mann zum anlass ,sie aufgrund ihres wissens und überlegenheit als hexe auf den scheiterhaufen zu verbrennen. den damaligen ärzten drohte dieses schicksal selbstverständlich nicht.
die definition hebammerich war natürlich verpönt - auch hier ging der typisch `männl.` phallokratische veredelungsdrang hin zum meister ...
llg Anne
18.07.2010 um 08:10 Uhr Evelyn
.... und damit wir den Stand der Dinge nicht aus den Augen verlieren rund um das Phänomen Kraft und Löhrmann, hier eine Meldung:
“Der rot-grünen Minderheitsregierung von Nordrhein-Westfalen gehören neben
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) elf Minister an. Dabei stellen
Männer und Frauen jeweils die Hälfte der Kabinettsmitglieder. In weiblicher
Hand sind die Ministerien für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien; für
Innovation, Wissenschaft und Forschung; für Familie, Kinder, Jugend, Kultur
und Sport; für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter. Sylvia Löhrmann,
Ministerin für Schule und Weiterbildung, ist außerdem Vize-Ministerpräsidentin.
Landesregierungen mit einem Frauenanteil von 50 Prozent oder mehr wurden
bisher nur sehr selten gebildet. Hessens Ministerpräsident Hans Eichel (SPD)
ernannte 1991 je fünf Frauen und Männer zu Ministern seiner rot-grünen
Regierung. In Schleswig-Holstein gehörten von 2000 bis 2005 dem dritten
Kabinett von Heide Simonis neben der SPD-Ministerpräsidentin fünf weitere
Frauen und nur vier Männer von SPD und Grünen an.
Berlins 1989 vereidigter Senat hatte mit dem Regierenden Bürgermeister
Walter Momper (SPD) 14 Mitglieder. Dabei wurde mit acht Frauen die Forderung
des Koalitionspartners Alternative Liste nach einem 50-prozentigen
Frauenanteil übererfüllt. dpa/eb”
Es kann ja nur besser werden, Evelyn
18.07.2010 um 00:30 Uhr Amy
Yippie, die Zukunft ist weiblich - Politiker gehen und die Profis (weiblich) kommen. Siehe Kraft und Löhrmann - auch Angela Merkel übt schon - wir brauchen keine Mannschaften sondern starke(Frauen)Teams , frauenzentriertes Denken und die beste Frauen-Solidarität - die ersten Politiker in Merkels Umfeld gehen von Bord und könnten nun justement durch Profis ersetzt werden.
Auch und gerade deshalb, da die Zukunft weiblich ist, Männer werden überflüssig und sterben einfach aus :-)) Evisch währt am längsten ...
http://forum.dvd-forum.at/offtopic-32/die-zukunft-ist-weiblich-behaupten-genetiker-maenner-werden-ueberfluessig-und-sterben-einfach-aus-15561.html
lg Amy (eine Azubi)
17.07.2010 um 23:46 Uhr Joey Horsley
Sehr interessant, Frau Sprachgelehrte!
Im Englischen haben wir die Berufsbezeichnung “male nurse” (männliche Krankenschwester) – eine Übung zum Empathietraining für Männer, in dieser Branche wohl besonders nötig.
Liebe Grüße von
einer Ami aus Boston