Herrenlose Damenunterwäsche gesichtet
Die Deutschen gelten bekanntlich als steif und humorlos. Zum Glück hilft uns unsere deutsche Männersprache, reichlich unfreiwilligen Humor zu produzieren. In dieser Hinsicht sind wir wahrscheinlich Weltmeister. So meldeten bspw. die Stuttgarter Nachrichten am 3. Juni:
Herrenlose Damendessous Ein Rätsel um herrenlose Damenunterwäsche beschäftigt die Polizei im Main-Tauber-Kreis. Die Beamten entdeckten am Dienstag jede Menge gebrauchte Dessous an einer Kreisstraße bei Bad Mergentheim. Die Ermittler zählten 31 BHs und fünf Slips. „Also normal ist das nicht“, sagte ein Sprecher. Schon in den vergangenen Wochen war in der Gegend Unterwäsche im Wald und am Fahrbahnrand aufgetaucht.
Ein Foto, das die Ermittler zeigt, wie sie die genaue Anzahl der BHs und Slips ermitteln, ist leider nicht beigefügt. Auch das Auftauchen der Unterwäsche im Wald wurde leider optisch nicht zur Anschauung gebracht.
Um mehr zu erfahren, googelte ich „herrenlose Damenunterwäsche“. Das Haller Tagblatt hatte noch Interessantes beizusteuern, nämlich:
Warum der mysteriöse Wäscheausleger die Slips verteilt, blieb unklar. Die Polizei will einen Diebstahl etwa von einer Wäscheleine nicht ausschließen. Wer seine Höschen oder BHs vermisst, soll sich bei der Polizei melden.
„Wer seine Höschen oder BHs vermisst, soll sich bei der Polizei melden“ - was für ein Satz! Leider war der Titel meiner Glosse schon vergeben, sonst hätte ich diese Perle deutschen Humors als Überschrift gewählt.
Der „mysteriöse Wäscheausleger“ wird auch „Dessous-Verteiler“ genannt. Und über die Unterwäsche war noch zu erfahren, dass sie gebraucht war. Ob sie vielleicht zu der Spezies „duftende Unterwäsche“ gehörte, fragte ich mich. Nein, eine andere Zeitung meldete, die Wäsche sei gebraucht, aber gewaschen gewesen.
Das ziehe sich nun seit etwa zwei Jahren hin, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Da es anfangs nur einzelne Kleidungsstücke gewesen seien, seien manche der Vorfälle nicht erfasst worden. Die Dessous lagen unter anderem auf Straßen oder Hecken in der Stadt. So viel Damenunterwäsche wie dieses Mal, sei aber noch nicht gefunden worden, sagte der Sprecher. (Quelle: hier)
Es handele sich wohl um jemand, der die Dessous aus irgendeinem Grund zur Schau stellen will. Die Ordnungshüter schließen nicht aus, dass die Wäsche gestohlen wurde. Die BHs und Slips haben verschiedene Größen. (Quelle: hier)
Auf jeden Fall bringt „der Wäscheverteiler“ mit „seiner Auslegeware“ die Beamten ganz schön zum Grübeln. Bemerkenswert! Aber unsere Männersprache bringt sie zuverlässig auf die falsche Fährte!
Ich denke, wir haben es mit einer Gruppe (die BHs haben verschiedene Größen) von Frauen (die Slips sind gewaschen) zu tun. Sie haben sich der Land Art verschrieben: „Unser Wald / Fahrbahnrand soll schöner (weiblicher) werden“. Vielleicht auch der Konzeptkunst, wenn wir den Grübeleffekt und die sprachliche Kreativität in Betracht ziehen, die die Kunstwerke freisetzten.
Leider hat aber die Polizei die Absicht der Künstlerinnen nicht erfasst und die Kunstwerke mutwillig zerstört, indem sie die Unterwäsche aus ihrem mit Bedacht gewählten Umfeld entfernte: «Die Wäsche wurde eingesammelt und liegt in einem Sack auf der Dienststelle.» (Quelle: hier).
Nicht nur humorlos, diese Deutschen, sondern auch ohne jeglichen Kunstverstand.
-------- Dank an Sigrid und Peter Schild für den Ausschnitt aus den Stuttgarter Nachrichten.
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14 Kommentare
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14.06.2015 um 13:31 Uhr Lena Vandrey
Witzig sind die Sätze, aber die Sache selbst hat auch etwas Unheimliches: Die Unterwäsche weist direkt auf nackte Frauenkörper hin. Warum von der Wäscheleine stehlen? Die Dinger sind käuflich zu haben. Ich sehe als Täter nur Männer, und sie SAGEN etwas. Das natürliche Schamgefühl würde wohl jede Frau hindern, ihre Unterwäsche zur Schau zu stellen. WO sind die Besitzerinnen dieser Wäsche? Im KDW in Berlin gab es zeitweilig einen riesigen Trog gefüllt von Busenfaltern. Zwanzig Frauen wühlten stumm darin herum. Im Frauen-Museum Bonn gab es eine Versteigerung von BHs (Auktionar ein Mann!) unter großem Jubel. Das war, um die Dinger loszuwerden. Wer trägt das heute noch? Unser Abt hat auf seiner Wäscheleine weithin sichtbar seine Unterhosen hängen. Meine Freundin bat ihn, die Sachen auf der anderen Seite des Pfarrhauses zu trocknen. Es sieht schlimm aus, so obszön, sagte sie. Der Abt aber meinte, Damenunterwäsche sei doch viel schlimmer! Das ist wenigstens eine Meinung! Ansonsten gehen die Meinungen sehr auseinander. Meine Mutter verbot jeden BH, eine Freundin aber sperrte mich Tag und Nacht in die Zwangsjacke. Gehören diese Gegenstände vielleicht den FEMEN? Oder sind die Trägerinnen ermordet worden? Ein gutes Thema für Miss Marple!
Trotzdem ist es möglich, ulkige deutsche Wörter zu lernen: Ratzfatz für schnell und das Kaugefühl! Dem deutschen Humor traue ich aber nicht, denn wer VERGEWOHLTÄTIGUNG sagt, anstatt Vergewaltigung, ist ganz einfach gemein!
14.06.2015 um 11:13 Uhr anne
Merkwürdig - oder auch nicht - erscheint mir, wann und wobei die definition `dame` oder `frau` eingesetzt wird. Es fällt auf, dass die presse in einigen artikeln `dame/n` auch dann in gebrauch hat, wenn es um sog. schlüpfrigkeiten geht, wie z.b. im gesamten sexgewerbe ; dort erhalten die betreffenden frauen von der presse immer den ehrentitel `dame/n` (die damen im escort-geschäft, immerhin für weltgewandte herren) . Von frauen ist nie die rede. So kann die hässliche welt der weltgewandten männer schöngeredet werden? mann gibt sich ja äußerst höflich, nicht mit frauen, sondern mit damen ins geschäft zu kommen. den damenhandel gibt es nicht? dafür aber frauenhandel in allen hässlichen facetten. Auch lustig, als ich bei google `Damenhandel` eingab, erschien `Samenhandel` ; `gemeint war diesmal göttinseidank nicht der männliche `samen-handel`.
Sogar die garderobe ist abgestellt auf die dame, wie z.b. damenschuhe, damenbekleidung, damen-dauerwelle, damenmode, damenunterwäsche, damenfahrrad , damen-uhren , damenwahl .
Dann lese ich kommentare von männern, sobald sie mit emanzipierten frauen zu tun haben, die nicht den männer-geschmack treffen, diese freien frauen als `damen` bezeichnen, dazu aber mit einem spöttischem unterton ...die `dame` wird demnach sprachlich eher missbilligend eingesetzt?
Die männersprache deutsch funktioniert ja wieder einmal ausgezeichnet, wenn von herrenloser damenunterwäsche , von dessous-verteiler, wäsche-ausleger und von seiner auslegware , seinen höschen, seinen BHs geschrieben wird. Ob den schreiberlingen das eigentlich mal selbst auffällt? oder brauchen diese beständig/en nachhilfeunterricht ?
N.B. Die verhunzung der sprache geht glatt auf das konto der maskulisten, lese ich doch im internet zufällig den begriff DamInnen; dass diese dümmlichen angriffe von `rechts` kommen, kann belegt werden, denn die NPD.. wirbt in der ansprache mit DamInnen und HerrInnen…
13.06.2015 um 22:26 Uhr Rudolf H. Boettcher
Ist diese Glosse HERRlich oder FRAUlich/WEIBlich?
WIR können daraus lernen: Frau oder Mann streue seine Unterwäsche (gewaschen oder gebraucht) und irgendwann wird eine SOKO “Dessous” eingerichtet werden.
Ob das Spektakel so gross wäre, wenn es mehr Polizeipräsidentinnen gäbe?
Weiter so - ein Mann
Rudolf
13.06.2015 um 21:44 Uhr Gudrun Nositschka
Unbeschreiblich witzig. So schön für meine Lachmuskeln. Die “herrenlosen Damendessous” nehme ich ab sofort zum Weitererzählen mit so wie Luises Glosse “Bei jedem ist die Menstruation ein wenig anders!” Herzlichen Glückwunsch.
13.06.2015 um 19:26 Uhr Amy
Dufte Glosse, liebe Luise! Danke! Von dem Begriff `herrenlos`(keinen herrn habend) kommen wir wohl nie los; herrenlose Koffer, Rucksäcke gelten als besonders gefährlich, vor allem, wenn sie auf Bahnhöfen abgestellt sind.
Frauenlos bedeutet/e für den Herrn `ehelos` zu sein. Es gab mal ein altes Kartenspiel, das sich sogar `Damenlos` nannte.
Erinnert mich an deine Glosse “Heim und Herd - Hausfrau und Haustier” : Das freie Tier ist im Gegensatz zum Haustier `herrenlos` , nicht `domestiziert`, nicht für den Hausgebrauch dressiert. Die freie Frau ist `herrenlos`, nicht für den Hausgebrauch dressiert. (Zitatende)
Wie befreiend die heutige Zeit und die feministische Errungenschaft, daß wir Frauen uns die `Herrenlosigkeit` bis zum Lebensende in aller Gemütsruhe leisten können und sie immer mehr um sich greift und somit die Beziehungen, die Verbindungen weiblicher bzw. endlich gänzlich `herrenlos` werden.
Frauen sind doch recht kreativ, auch was die Kunst der wäsche betrifft . http://rebekkarauschhardtkunst.blogspot.de/p/blog-page_279.html - http://www.abendblatt.de/hamburg/article132097669/Unbekannte-stehlen-Bettlaken-und-BHs-von-Kriegsdenkmaelern.html
13.06.2015 um 16:37 Uhr Joey Horsley
Eine herrliche Glosse, trotz oder wegen herrenloser Damendessous!