Herr Koma kommt: Der Frauenmord in Winnenden
Stellen Sie sich vor, ein junger Deutscher erschießt an einer deutschen Schule elf Menschen, zehn davon “mit Migrationshintergrund”, sieben weitere MigrantInnen schießt er krankenhausreif.
Oder: In den USA stürmt ein Weißer in die Schule und erschießt zehn Schwarze und einen Weißen. Weitere sieben Schwarze schießt er krankenhausreif.
Glauben Sie, über das Motiv der Taten hätten Deutschland oder die USA auch nur eine Minute lang gerätselt?
Nein - zu Recht wäre extremer Fremden- bzw. Rassenhass vermutet worden, von den Medien, den Behörden, der Bevölkerung und der Polizei.
Der Massenmörder von Winnenden hat an der Schule acht Schülerinnen und einen Schüler erschossen, sieben weitere Schülerinnen hat er krankenhausreif geschossen. Aber alle reden nur von den getöteten oder verletzten Schülern. Tim Kretschmer hat auch drei Lehrerinnen ermordet. Die wurden auch immer korrekt als Lehrerinnen bezeichnet. Wäre ein Lehrer dabei gewesen, hätten wir gehört, der Täter habe neun Schüler und drei Lehrer getötet.
Streng eingehalten werden die Regeln der deutschen Männersprache: Ein einziges männliches Wesen macht jede noch so große Gruppe von Frauen und Mädchen zu einer männlichen Gruppe. Acht Schülerinnen und ein Schüler sind zusammen neun Schüler. (Die Schülerinnen wurden auch nicht ermordet, sondern nur getötet.) Über den Massenmord in Erfurt heißt es in Wikipedia (16.3.2009): "...erschoss der 19-jährige Robert Steinhäuser zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten." Tatsächlich erschoss Steinhäuser nicht nur eine Frau: Zehn seiner sechzehn Opfer waren Frauen: acht Lehrerinnen, eine Schülerin, eine Sekretärin.
Die Sprachregelung hilft mit, das Offenkundige nicht wahrzunehmen zu müssen: Alle sind vollkommen ratlos und fassungslos, es fehlen ihnen die Worte. Die Frage nach dem Warum treibt alle um, auch heute noch, zwei Tage nach dem Frauenmord. Und da werden besonders gern Johannes Raus Worte zum Massenmord in Erfurt zitiert: “Wir sollten uns eingestehen: Wir verstehen diese Tat nicht. Wir werden sie - letzten Endes - auch nie völlig erklären können.”
Was ist denn daran so schwer zu verstehen? Ist nicht Gewalt von Männern gegen Frauen, bis hin zum Mord, alltäglich bei uns und weltweit?
Manche, aber viel zu wenige Männer, ein paar Sozialpsychologen und Männerforscher, haben schon etwas begriffen von dem, was Feministinnen seit Jahrzehnten umtreibt: Es gehört zur männlichen Identität, Frauen zu dominieren, sich ihnen überlegen zu fühlen. Frauen, die Männern die Stirn bieten (z.B. Feministinnen), Mädchen, die Jungen zurückweisen und/oder überflügeln (z.B. in der Schule), Frauen und Mädchen also, die die männliche Hegemonie in Frage stellen und das zarte männliche Ego verletzen, gehören bestraft. Nur so kann die Geschlechterhierarchie wiederhergestellt und die beschädigte männliche Identität repariert werden - im Extremfall durch den Tod.
Der Frauen- und Mädchenhass des Tim Kretschmer drückt sich deutlich in seiner Tat aus. Er hat nicht “wild um sich geschossen”, wie die Medien immer wieder berichteten, er hat seine weiblichen Opfer gezielt mit Kopfschuss ermordet.
Für mich fast noch erschütternder als der Massenmord ist die völlige Blindheit all derjenigen, die über ihn berichten und über die Natur dieser Tat und ihr Motiv rätseln. Als läge das Motiv nicht klar auf der Hand: Frauenhass, Männlichkeitswahn.
Erschütternd deshalb, weil damit die nächsten Massenmorde programmiert sind, denn eine vernünftige Prävention setzt zuallererst eine korrekte Analyse des Tatmotivs voraus. Eine solche Analyse findet nicht statt, es wird rumgenebelt in einem unfassbaren Ausmaß.
Oder eben auch wieder nicht unfassbar, sondern vorhersagbar. Aber ich hätte doch gedacht, nach über 40 Jahren Frauenbewegung wären die Zuständigen und die Öffentlichkeit schon etwas weiter, aufgeklärter.
Aber in den Medien war wieder mal Alice Schwarzer die einzige, die den Mord und sein Motiv auf den Punkt brachte - auf einen Punkt übrigens, den sie seit dem Mord an Angelika B. in Köln 1991 immer wieder betont: Frauenhass ist ein Politikum wie Fremdenhass und gehört genau so streng geahndet, ja strenger, ist Frauenhass doch viel weiter verbreitet. Er ist, wie gesagt, völlig alltäglich. Hier geht's zum Schwarzer-Artikel.
Eines wird durchaus zugegeben, es lässt sich ja auch nicht verheimlichen: Dass die Amokläufer alle männlich sind. Und mit diesem widerwilligen Eingeständnis hat es sich dann aber auch schon. Da wird nie weitergefragt: Wieso denn nur Jungen und Männer? Was machen wir falsch bei der Erziehung von Jungen, was uns bei Mädchen anscheinend mühelos gelingt? Was können Jungen von Mädchen lernen?
Eben. Das ist der Punkt. Jungen sollen und wollen von Mädchen nichts lernen. Das wäre nämlich unter ihrer Würde. Sie würden dadurch ja - zu Mädchen, es bestünde jedenfalls die Gefahr. Und nichts ist in unserer Herrenkultur schrecklicher für einen Jungen.
Aus den so abgerichteten Jungen werden unsere Männer - die, die wir zu Hause haben und die in Politik, Medien und Wirtschaft. Sie haben kein Interesse und wohl auch nur selten das Rüstzeug, dem wahren Motiv dieses Verbrechens und all der anderen alltäglichen Männerverbrechen an Frauen auf den Grund zu gehen. Hier kommt ein wenig Nachhilfe von Rolf Pohl, Sozialpsychologe an der Uni Hannover:
Zur männlichen Identität gehört das unbewusste Bedürfnis, sich aufzuwerten, indem Frauen abgewertet werden. Sich als einzelner Mann von dieser Konstruktion abzugrenzen ist sehr schwer. Die Ambivalenz gegenüber Frauen prägt sich dem kleinen Jungen ein - und erfährt immer wieder Nachprägungen. Interviewer: Die Abwertung von Frauen gehört fest zur männlichen Identität? Wenn man sich anschaut, was in unserer Gesellschaft als männlich gilt, dann finden sich immer wieder zwei dominante Merkmale: zum einen eine Hierarchie innerhalb der Männergruppe - Status- und Rangkämpfe sind für eine männliche Identität sehr wichtig. Und zum anderen die Abgrenzung zur Weiblichkeit, die alle Männer in ihrer Überlegenheit miteinander vereint.
Auf RTL gab der Psychologe Gebert heute früh zum besten, was er für den Grund hält, dass Tim Kretschmer gezielt Frauen und Mädchen ermordet und angeschossen hat: Nein, sagte er, das sei wohl nicht gezielt gewesen. "Jungs werfen sich blitzschnell untern Tisch, während Frauen zur Salzsäule erstarren und nicht wissen, was sie machen sollen." Selber schuld, die dummen Frauen.
So lange die Mehrheit auf diesem Niveau der Reflexion verharrt, werden Männer weiter Gewalt ausüben, gegeneinander, vor allem aber gegen Frauen.
Aber schuld daran ist niemand, es ist und bleibt ein Rätsel, und wir sind alle fassungs-, rat- und sprachlos.
Oder noch besser, wie oben: Die Frauen sind schuld. Wie hieß doch der vereinbarte Code-Spruch zur Ankündigung des Grauens: "Frau Koma kommt!"
(Dank an Brigitta Huhnke für einen hilfreichen Email-Austausch und die Hinweise auf den Pohl-Artikel und das RTL-Interview mit Gebert. Dank an Evelyn Thriene für den Hinweis auf den Artikel von Alice Schwarzer.)
Über das Thema Jungengewalt und ihre gängige sprachliche Verunklarung als "Jugendgewalt" habe ich schon vor einem Jahr eine Glosse geschrieben: "Busch, Beauvoir und böse Buben". Sie finden sie hier.
Inzwischen (16.3.09) hat die Medienwissenschaftlerin Dr. Brigitta Huhnke die ersten fünf Tage der Berichterstattung zum Mädchen- und Frauenmord in Winnenden analysiert: Ihren Artikel "Fünf Tage MedienGAU: Der Mädchen- und Frauenmord in Winnenden" finden Sie hier.
Der zweite Teil ihrer Untersuchung ist nun auch online: Ein Interview mit dem Pornografieforscher und Kommunikationswissenschaftler Robert Jensen, betitelt: "Am Ende angekommen: Pornografie und männliche Normalität". Jensen appelliert an seine Geschlechtsgenossen, angesichts zunehmender profitgetriebener und verrohender Pornografisierung der Kultur ihre Humanität einzuklagen und zu verteidigen.
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72 Kommentare
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31.03.2009 um 19:06 Uhr Anne
Meine Güte, ich werde es doch wohl nicht auch noch erleben, daß sich demnächst Männer für die eigentlichen `Urheber` der fem. Theorie, Erfolge etc. pp bezichtigen.
Leider erlebe ich häufig, daß die Erfolge und die vielen Bemühungen von Feministinnen in Diskussionen übergangen bzw. nicht dementsprechend gewürdigt werden. Es muss ja immer ein Haar in der Suppe gesucht werden.
Nein, um Gotteswillen, Frauen können einfach nicht alleine etwas bewegen, entscheiden, Anstoß geben, ohne daß eine männliche Hand - die des Papas - endlich das entsprechende Gesetzespapier unterzeichnet.
Wenn ich an die vier Mütter unseres Grundgesetzes denke - SIE waren es überhaupt, daß sich Männer aufgrund des großen Öffentlichen Drucks beugen mussten (1949) für den Satz “Männer und Frauen sind gleichberechtigt”.
Dieser Satz stände heute nicht in unserer Verfassung, wenn nicht eine der vier Mütter des Grundgesetzes die sogenannten Väter in die Knie gezwungen hätte. Deren Formulierung zur Gleichberechtigung nämlich lautete “Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten” .....
Dafür haben die `Väter des Grundgesetzes`die Mütter sprachlich auch noch ausgeschlossen!
Da sind nicht einfach mal Gesetze unterschrieben worden , da wurde und wird hart gekämpft gegen patriarchöse Strukturen und Betonköpfe.
Ohne Betonköpfe wären Frauen schon viel weiter.
“Errungenschaften für Frauen wurden nur von Frauen GEMACHT” GEMACHT deutlicher kann frau es doch nicht sagen!
Fräuen wir uns endlich, daß Mädchen und Frauen es geschafft haben - dank des hartnäckigen Engagements der Feministinnen, Frauen, Frauenbewegung, verschiedener Frauenverbände.
Nun muss sofort das nächste Haar in der Suppe gesucht werden, die armen Buben .....
Leiden wir Frauen eigentlich unter einem Minderwertigkeitsgen? Ich hab schon wieder so einen Hals .... :-(
http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/elisabeth-selbert/
31.03.2009 um 14:52 Uhr kit
Errungenschaften für frauen wurden nur von frauen gemacht”.
EDIT:
@Anne
Richtig, nur müssen bei der Gesetzgebung auch
Männer dabei gewesen sein, nicht wahr?
kit
31.03.2009 um 14:20 Uhr kit
Ich kann die fem. analysen von frauen wie lfp, huhnke und andere wie duerr nur unterstützen.
@Anne
Seltsam, dass dir nicht die Tradierung auffällt.
Und warum moniert eine Frau ein männliches Management,
und sagt sofort dazu, dass sie keine Feministin ist?
Das defizitäre prozentuale Verhältnis bekennender Feministinnen zu anderen Frauen zeigt doch überdeutlich was abgeht, oder fällt dir dazu auch wieder ein Märchen ein?
Die steinzeitmäßigen Parolen schrecken nämlich ab.
kit
31.03.2009 um 12:58 Uhr Anne
Ja, warum fällt es manchen frauen eigentlich immer so schwer, sich die feministischen Analysen von frauen anzuhören - wird männern generell mehr glauben geschenkt, weil wir uns in der menschheitsgeschichte so sehr daran gewöhnt haben, nur männern zuzuhören, die scheinbar bei frauen immer noch mehr eindruck vermitteln ...
Ich kann die fem. analysen von frauen wie lfp, huhnke und andere wie duerr nur unterstützen.
Warum können jungen nicht von mädchen lernen - warum sind mädchen teamfähiger, lerner besser, interessieren sich weniger für gewalt und gewaltverherrlichung, macho-gehabe und mehr. Warum sehen wir das `weibliche` als etwas zweitrangiges an, wird das `weibliche` oft herabgewürdigt, und warum gehört die abwertung von `frauen` fest zur identität des männlichen? (Rolf Pohl)
Warum wird den wenigen männern wie Rolf Pohl u.a. mit weitsicht weniger aufmerksamkeit erteilt, die die männliche identität in unserer gesellschaft kritisieren? das hört mann nicht gerne! Weiblichkeit wird unbewusst als bedrohung angesehen und deshalb abgewehrt (Pohl) .
Verschleiern, ignorieren auch in der sprache “neun schüler und drei lehrerinnen” - auch hier wird sprachlich der eindruck vermittelt, bei den schülern handele es sich ausschließlich um jungen!
Nein, ich sehe hier keine dogmen oder tradierte ansichten - sondern übliche männliche imagepolitik - und dazu gehört die mär, daß die bildungsverlierer jungen seien und frauen die schuld dafür tragen.
ER ist gefordert und sich von dem tradierten männerbild der macho-welt zu verabschieden.
Nicht auf den frauenmnord in winnenden hinzuweisen, heisst das problem `sex. männergewalt, männergewalt` zu ignorieren.
Wie frauenhass in der virtuellen welt von den machern (männlich)kommerziell genutzt und an den mann gebracht wird, zeigt mir ein diskussionsbeitrag in einer diskussion zu `pornocumputerspiele`:
” ...ein computerspiel mit dem namen rapeLay und es geht darum, eine frau mit ihren beiden jungen töchtern in einer u-bahn aufzulauern. Diese dann zu begrabschen und zu vergewaltigen. Die jüngste tochter sieht screenshots nach ungefähr aus wie 1o jahre und wird auch scheinbar als jungfrau angekündigt. Dafür gibt es später dann bei der vergewaltigung dann eine blutige defloration , während das vergewaltigte mädchen augenscheinlich auf den screenshots weint. Als tolles feature kann man während der vergewaltigung noch ein paar kumpels rufen, die dann mitmachen und generell kann man auch die opfer in jegliche positionen zwingen. Auch kann man die opfer danach zu einer abtreibung zwingen. Dieses spiel war bis vor kurzem b.d. amerik. versionen bei amazon und ebay zu beziehen”
Überhaupt machen sich viele keinen begriff über die menschen- und frauenverachtenden, gewalthaltigen inhalte vieler computer-porno-spiele, die sich die männliche kundschaft `reizvoll` vereinleibt.
Überhaupt schade und unverständlich, daß die vielen tausende feministinnen und fem. wissenschaftlerinnen, die seit über 2o jahren im hintergrund und ohne die große `mediale vermarktung` hervorragende arbeiten für die frauenbewegung geleistet haben und leisten, häufig ungenannt bleiben - auch die tatsache, daß viele feministinnen aus der frauenbewegung für ihr beständiges eintreten fem. arbeiten die ganze gewalt und machtposition der antifeministen beruflich zu spüren bekamen.
Das macht wütend! Dafür können sich andere ins `gewärmte` bett legen und meinen, der feminismus hätte alles erreicht. Dem ist nicht so!
“Errungenschaften für frauen wurden nur von frauen gemacht”.
Das nur mit einfachen worten, weil ich wenig zeit habe ...
31.03.2009 um 00:19 Uhr kit
Mann-dat bringt frau nicht weiter
@Anne
Nee, bringt sie nicht. Aber nicht nur wegen dem sondern auch deswegen, weil auch hier tradierte Ansichten, Dogmen von vor 30 Jahren verwendet werden, die schon damals zur Stagnation geführt haben.
Oder glaubst du allen Ernstes daran, dass daran nur Männer schuld sind?
Schwarzer hätte ohne gesprächsbereite Gegenseite nicht mal nen Pubs erreicht, der dann durch eigene Sturheit und Dogmatismus zur Verstopfung führte. Und die findet sich hier und heute sowohl bei Frau (Duerr) als auch bei Mann (Moritz) leider wieder.
kit
30.03.2009 um 23:53 Uhr Anne
WOW, liebe @ Duerr - fräue mich über deine starke Fraueninitiative - nicht locker lassen - die typischen Männergesichter ..... männliche Imagepolitik - Ablenken, Verschleiern, Verharmlosen, Ignorieren. Was Männer zu sagen haben, Mann-dat bringt frau nicht weiter ...
30.03.2009 um 23:38 Uhr Moritz
@duerr Schade, dass mein vorheriger Kommentar gelöscht wurde, der hätte nämlich einiges über die Sichtweisen der Genderwissenschaften erklärt. Aber so muss ich mich eben wiederholen.
Wie sie oben anmerken, ist ihr Weltbild klar. Frauen sind Opfer - Männer sind Täter (immer)!
Frauen können ihren Weg nicht selbst bestimmen, Männer aber immer. Das ist eben das Problem der Frauenbewegung, dass sie die alten Geschlechterklischees perpetuiert um daraus politisch Kapital zu schlagen.
Schön ist es, dass diese Weltsicht nie mit der Wirklichkeit zusammen trifft und sich deswegen etwas verändern könnte.
Genderwissenschaften pfeift auf die Wissenschaftlichkeit, die Frauenquote auf den Gleichheitsgrundsatz. Das passiert natürlich alles, weil Männer gerne Frauen unterdrücken. Typisch!
Wie sie oben schon richtig in einem Satz gesagt haben. Männer richten ihre Gewalt gegen Männer. Hauptsächlich! Mit Gewalt gegen Frauen habe ich mich aber gar nicht solidarisiert. Wo?
Und welche meiner “Clubkollegen” reißen Zoten? Kenne ich die? Welcher Club? Ganz bestimmt nicht meiner. (Oder bin ich jetzt für alle Männer auf dieser Welt verantwortlich und muss auf sie aufpassen?) Vielleicht sollte wir mehr miteinander als übereinander reden. Ich lehne Gewalt und Sexismus in jeglicher Art und Weise ab. Worauf ich aufmerksam machen wollte, waren die Widersprüche in den hier angeführten Kommentaren und dem Text oben. Es stimmt nämlich nicht, dass die weibliche Opfer nicht diskutiert wurden. Von einem Vergessen kann also gar nicht die Rede sein. Was der Beitrag oben macht, ist durch den Amoklauf von Winnenden auf die Arbeit von Frau Pusch aufmerksam zu machen: Feministische Linguistik. Aber es ist nicht die Form, sondern der Inhalt, der immer noch den Diskurs bestimmt, weswegen der obige Text das Thema absolut verfehlt.
Zu den obigen Fragen: Sie haben vollkommen recht, das sind schlimme Taten. Und ich habe mich, um das nochmal zu betonen, mit niemandem verbrüdert. Das gehört alles strafrechtlich verfolgt. Aber, um das Thema noch einmal auf zu greifen:
Warum redet keiner darüber, dass jährlich zahllose Jungs beschnitten (Moslems, Juden) werden, aber wenn in Afrika ein kleines Mädchen von seiner Mutter zu Beschneidung gezwungen wird, weint die ganze Welt? Natürlich sind das Unterschiede in der Schwere, aber beides sind Eingriffe in die Körperlichkeit.
Warum redet keiner über die Soldaten, die in den Krieg ziehen müssen, sondern jeder über die Frauen und Kinder die fallen?
Warum redet keiner darüber, dass 99% der Männer nicht in Aufsichtsräten sitzen, sondern buckeln müssen, wie alle anderen auch?
Warum redet keiner über die phsychische und physische Gewalt von Frauen? 25% aller Gewalttaten in der Ehe passieren durch Frauen am Mann. Die Dunkelziffer ist natürlich größer, weil sich wenige Männer trauen, darüber zu berichten.
Die Antworten sind ganz einfach, weil es Geschlechterklischees gibt, die von der Frauenbewegung genutzt werden und deswegen auch bitte nicht übertreten werden sollen.
Achja Bildungsverlierer: Sie wollen doch nicht behaupten, dass es in diesem 2000 Jahren allgemeine Bildungschancen für Männer gab? Nicht ihr Ernst, oder? Es war natürlich so, dass auch ein Großteil der Männer von Bildung ausgeschlossen war?
Sie kennen vielleicht die Habitus-Theorie von Bourdieu? Ja, der weibliche Habitus passt besser in unser derzeitiges Bildungssystem. Deswegen sind Jungen auch von grund auf benachteiligt. Und, wollen wir doch mal ehrlich sein: Frauen haben dies nicht nur alleine geschafft. Es gab genug Maßnahmen für sie und sie treffen zudem früh in der Schule nur auf Geschlechtsgenossen.
Gehirn: Ja, gelegentlich benutze ich meins;)! Aber, vielleicht sollten sie sich bei den obigen Fragen, mal selbst durchleuchten, denn so ein Menschen- und Männerbild können sie gar nicht haben. So kann man ihre Kommentare nicht ernst nehmen. Vielleicht hören sie sich erst mal an, was “man” zu sagen hat, bevor sie ihr Weltbild drüberstülpen.
Beste Grüße,
Moritz
30.03.2009 um 22:56 Uhr Duerr
@Moritz Nochmals: Thema war: Die unsägliche Berichterstattung über Winnenden und der daraus unschwer abzuleitende Hass auf Frauen. 8 Mädchen, 3 Lehrerinnen und ein Junge bewusst und gezielt „hingerichtet“. Der „Richter“, ein JugendlicheR, der über Jahre hinweg Massen an Brutalitäten jeglicher Art sich angeschaut hat - verbreitet über öffentliche, private Medien und Computerspiele. Es ist nicht schwer an einem x-beliebigen Tag die Darstellung von „Helden“, also Männern, und weitest gehend Männern, zu sehen, wie sie Gewalt ausüben gegen Frauen, Kinder, Männer, Tiere und Sachen. Dies sind Fakten.
Nun wundere ich mich aber über die weinerlichen Beiträge der Herren auf diesem Blog, über die Ungerechtigkeit, dass Männer als gewalttätige Sorte Mensch genannt werden. Fragen an die Herren dieses Blogs:
1. Finden Sie es richtig und gut, dass dieser Junge diese Mädchen und Lehrerinnen abgeschlachtet hat?
2. Finden Sie es in Ordnung, wenn Männer Frauen und Kinder vergewaltigen?
3. Finden Sie es „nicht der Rede wert“, wenn in der kleinen Schweiz im Schnitt jede Woche eine Frau, oft samt ihren Kindern, von ihrem Ehegatten oder Partner ermordet wird? (Es sind jährlich 50 – 60 so genannte „Familiendramen“ in denen der MANN tötet!)
4. Finden Sie es ok, wenn Männer ihre Frauen prügeln, spital- und ärztereif, und so in Deutschland Kosten in Milliarden-Euro-Höhe verursachen, die auch die friedfertigen Männer mitbezahlen müssen?
5. Finden Sie es in Ordnung, wenn Frauen in sexistischen Witzen, Werbung, Bildern erniedrigt, gedemütigt, lächerlich gemacht werden?
Es blieben noch eine Menge weiterer Fragen. Wenn Sie die obigen Fragen mit Nein beantworten (müssen), frage ich Sie,
weshalb solidarisieren Sie sich mit Männern, deren Taten Sie verurteilen? Weshalb schweigen Sie dazu?
Weshalb protestieren Sie nicht MIT den Frauen, wenn Sie doch schon „keiner von denen“ sein wollen?
Weshalb ächten Sie Ihre Clubkollegen nicht, wenn wieder einmal eine Zoten-Runde angesagt ist?
Weshalb greifen Sie Frauen an, die solches publik machen, aufzeigen, und zu Recht anklagen?
Weshalb klagen nicht SIE auch an? (Haben Sie Angst, ein „Kameradenschwein“ zu sein, und wenn ja, mit Verlaub, mit was für Kameraden umgeben Sie sich?)
Weshalb denken Sie, dass die Männer-Amokläufer-Zahl besser wird, wenn Sie auf der weiten Welt noch zwei (in Zahlen:2) Frauen als Amokläuferinnen bezeichnen können? Welche Art von „Logik“ müssen Frauen hinter solchen „Argumenten“ befürchten?
Sind Sie selber gewalttätig, dass Sie Gewalt-Kritik an Männern derart heftig und neben dem Thema bekämpfen müssen? Haben Sie noch nicht bemerkt, dass Männer-Gewalt auch Männer trifft und finden Sie dies „lustig“?
Diese Fragen sind NICHT rhetorisch, sondern ganz ernsthaft gemeint und sollten zum Nachdenken anregen.
Noch ein Wort zu den „Bildungsverlierern“. Es wird immer wieder vergessen, dass Frauen während ca. 2’000 Jahren von allen Schulen per Verbot ferngehalten wurden. Seit knapp 100 Jahren (Einhundert!!) dürfen Frauen sogar auch an Universitäten zugelassen werden. Mann überlege doch einmal mit welchem Tempo die Mädchen die Jungs ein- und überholt haben. In Zürich etwa schliessen seit ca. 15 Jahren mehr Mädchen als Jungen die Matura (D: Abitur) mit Erfolg ab und erst noch durchwegs mit besseren Noten. Heute von Knaben als „Bildungsverlierer“ zu sprechen disqualifiziert das männliche Geschlecht! Und Männer, die dieses schlicht dumme Wort benutzen, sich selbst noch dazu. Mann sollte wenigstens hie und da das Gehirn benutzen, und dieses befindet sich - glaube ich - im Kopf!
Duerr