Herr im Haus ist die Natur
“Das war endlich mal ein strahlend schöner Frühlingstag über fast ganz Deutschland, kaum eine Wolke am Himmel - und doch hat uns die Natur heute gezeigt, wer auf unserem Planeten der Herr im Hause ist - nämlich sie.”
Also sprach Klaus Kleber im heute-Journal am Freitag, 16. April 2010, einen Tag nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull auf Island.
Er kniff dabei das linke Auge zu. Ob er einen Scherz darüber machen wollte, dass Mutter Natur, gar nicht ladylike, mal so richtig furchtbar Gewalt ausübte, wie es eigentlich nur dem Herrn im Hause zukommt? Dabei - furchtbar hat sie eigentlich nicht gehandelt, noch ist niemand gestorben. Da schwebt nur diese Wolke über ganz Europa, mit bloßem Auge nicht erkennbar, und beschert uns wunderbare Stille, sonniges Wetter und bildschöne Sonnenuntergänge (heißt es, ich habe noch keinen gesehen).
Ob die Natur weiblich ist, wissen wir nicht. Aber der Kleber-Ausspruch macht uns wieder deutlich, dass uns weibliche Bilder und Vergleiche für absolute Macht fehlen.
In meinen Seminaren versuche ich diesem Mangel abzuhelfen und übe bspw. mit den Teilnehmerinnen, neue Bilder und Begriffe für die Vagina und die Vulva zu finden. Zur Einstimmung lesen wir aus Eve Enslers starken Vagina-Monologen vor. Trotzdem kommen die Frauen immer wieder mit ihren sanften Blumenbildern à la Rose, Blüte, Knospe, etc.
Wenn ich dann vorschlage, statt Vulva / Vagina doch lieber Vulkan (aber bitte die Vulkan) zu sagen, ist frau erstaunt, ja fast erschreckt. Die Verbindung von Weiblichkeit mit Vulkanausbrüchen ist uns fremd.
Aber schließlich kommen doch aus diesem Schlund nicht nur gewaltige Lavaströme, sondern kommt überhaupt Gewaltiges hervor. Courbet sah in der Vulva zu Recht den “Ursprung der Welt”, wie er sein Gemälde nannte. Sogar der "Herr der Schöpfung" flutscht daraus hervor.
Ich schließe meine Betrachtung über Naturgewalten mit einem weiteren Beispiel für krude Vermännlichung weiblicher Größe und Übermacht. “Mount Everest eine Frau” - so betitelte ein befreundeter Psychotherapeut und Feminist seine Email an mich:
Mehr durch Zufall und weil ich mich für die Geschichte der Alpinistik ein wenig interessiere, stöberte ich im Netz über den höchsten Berg der Welt, den Mount Everest (8842m). Ich wollte wissen, wie er zu seinem heutigen Namen kam usw. Überall auf der Welt haben die verschiedenen Kulturen auf den Bergen um sie herum den Sitz ihrer Götter ( ! ) vermutet, sie gleichsam dort oben hingesetzt, damit sie auf die Erdenbewohner besser aufpassen sollten und auch, um von da oben den Kontakt zwischen Erde und Himmel herzustellen, zu pflegen etc. Wir könnten nun, um das gute alte männerschematische Denkmuster wissend, annehmen, dass die höchsten Berge der Welt so zum Sitz und Zuhause der mächtigsten und großartigsten Göttern geworden seien. Aber gefehlt !
Zu meiner Überraschung nämlich teilen nach alter tibetanischer Überzeugung fünf Frauen diese höchsten Gipfel als Paläste unter sich auf, die "Feen des langen Lebens". Der ursprüngliche Name des Mt. Everest z.B. ist in tibetischer Sprache "Chomo Lungma", was so viel wie "Mutter des Universums" bedeutet oder einen ähnlich gewichtigen Sinn hat. Das könnte Dich doch sicher freuen, hab ich mir gedacht.
Der Geodät Sir George Everest hatte um die Mitte des 19. Jh. für die englische Krone Landvermessung in der indischen Kolonie betrieben und 1848 auch diesen Berg vermessen. Nach seinem Tod benannten die neuen Landesherren ( ! ) den bisherigen Sitz einer Göttin im Jahre 1865 schlicht nach diesem sicher ehrenwerten Mann. All das ist nachzulesen in Wikipedia unter “Everest”, und über die Gipfelfeen in [url=http://www.emmet.de]http://www.emmet.de[/url], heilige Berge.
Danke, Wolfgang - und Dank auch an Susanne Bauer für den Hinweis auf den Kleber-Spruch.
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5 Kommentare
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21.04.2010 um 21:59 Uhr Anne
“...dann muss die natur und ihre gewaltigen fähigkeiten, die uns auch Angst machen können, eben mal schnell vermännlicht werden, damit wieder alles seine richtigkeit hat.”
so ähnlich lese ich auch aus dem einband zur Vulva von Mithu Sanyal. die anonyme,
gesichtslose Judith von Georg Bochem - unvollkommen wäre sie ja, läge zwischen ihren geöffneten beinen kein machtvolles männl. phallus-symbol - unvollkommen, hätte sie ihre schöpfungskraft nicht ausgeschöpft ? das gesicht als zeichen individueller persönlichkeit, identität wurde verschluckt - insofern eine `unvollkommene`.. frau, passiv, ohne persönlichkeit kann dem mann nicht gefährlich werden?
ob die `vulva´ oder der `ursprung der welt` eine femmage an weibliche menschen sein soll, kann ich nicht ganz nachvollziehen. ich empfinde beide werke pornographisch; frauen ohne gesicht - als torso - `reduziert` auf das geschlechtliche, wirkt auf mich statisch, passiv, patriarchal, von aussen manipuliert, von männl. künstlern sexualisiert.
40 jahre protest gegen den gebrauch oder missbrauch der frau als blickfang haben wohl wenig genutzt?
hinzu kommt der modetrend, dass die behaarte vulkan in unserer zeit auf viele unappetitlich, abstossend wirkt - mädchen/frauen sich mächtig rasieren, damit ihre vulkan ihr kindliches aussehen behält, so wie es von den machthabern der P/P-branche , den pädokriminellen erwünscht wird. wird die intimrasur den frauen nicht auch von den religiösen islamischen `machthabern` vorgeschrieben?
20.04.2010 um 14:56 Uhr Gudrun Nositschka
Doch, die Natur ist weiblich wie auch die Naturgewalt. Sie ist die Allgebende - die Pandora. Sie gebiert, ernährt und nimmt das Leben zurück in Zyklen, die sie bestimmt. Sie ist die Herrin unserer Erde. Diese Einsicht blieb unbestritten bis zur Durchsetzung des Patriarchats. Das männliche Denken lehnt sich seitdem sichtbar gegen die Natur und ihre Gesetzmäßigkeiten auf, will die Natur unterwerfen, gefügig machen, atomarisieren, manipulieren, zerstören - kurzum mit allen Mitteln beherschen, auch auf die Gefahr der Vernichtung unseres Lebens hin. Die ersten Opfer dieser patriachalen Hybris waren und sind immer noch Frauen. Wie schwer es offensichtlich dem männlichen Denken bei uns fällt, die Natur als Herrin zu akzeptieren, zeigt die Wortwahl von Klaus Kleber. Dann muss die Natur und ihre gewaltigen Fähigkeiten, die uns auch Angst machen können, eben mal schnell vermännlicht werden, damit wieder alles seine Richtigkeit hat.
19.04.2010 um 17:20 Uhr Amy
Auch das Titelbild der “Vulva” von Sanyal wurde von einem Mann kreiert bzw. fotografiert - Georg Bochems Foto mit dem Namen `Judith`. Ein liegender, anonymer weibl. körper mit nackten Beinen umspreizt einen Baum. Wie bei Courbet sehr anonym, fehlt auch hier der Kopf - beide Werke sollen das weibliche Begehren zeigen? Aber ich meine wieder einmal nur aus männlicher Sicht und sicherlich auf Drängen der beiden Künstler hin.
Bei Sanyal soll versucht werden, mit diesem Foto die Verbindung von weiblicher Sexualität und Vergewaltigung aufzulösen.
Ich frage mich nur, wenn Sanyal die `Vulva` aus ihrer Unsichtbarkeit fernab von Bildern, die uns in Pornographie , Hygiene, sex. Gewalt mitgegeben werden, herausholen will, warum wieder in der bekannten Symbolik ” nackte gespreizte Beine umfassen einen überdimensionalen Baum als Phallussymbol” ?
Vulkania ist ein Meisterinwerk von Mutter Natur, auch ohne Phallus, Penis lebens- bzw. liebesfähig. Im Grunde genommen bräuchte sie, um sexuell aktiv zu sein, keinen Phallus, Penis, Dildo. Deswegen hätte ich mir eine andere, ganzheitliche Art der Darstellung und Sichtbarmachung des weiblichen Begehrens gewünscht. Schliesslich ist das weibliche Gehirn auch noch da, unser bestes Sexualorgan, befindet sich zwar im Kopf, wird hier von Courbet und Bochems abgetrennt, ausgeschlossen….....
Ob Courbet oder Bochem - ich empfinde hier das `kopflose` Begehren wieder einzig ausgerichtet auf männliche oder heterosexuelle Verkehrsregeln , so wie wir es von der gesamten Sexindustrie kennen, wo die Vagina bzw. unsere Vulkania zum Gebrauchsgegenstand oder als Wegwerfware benutzt wird. Schon unsere Ur-Ur-Ahninnen (weit vor Courbet) haben mit der Vulva Schöpfungskraft symbolisiert, mehr Natürlichkeit, Eigenständigkeit, Unabhängigkeit , weit entfernt von unserer Masturbationsgesellschaft, in der Sexualität sich hin zum Leistungs- und Leidensdruck bewegt.
Die `Vulva` von Sanyal wird inzwischen von einigen Buchhändlerinnen auch ohne Schutzumschlag verkauft.
19.04.2010 um 10:44 Uhr Elisabeth Hansen
Liebe Luise,
ich möchte zu diesem wunderbaren Thema ein ebensolches Buch vorstellen, das ich leider in deiner Suchmaschine nicht gefunden habe: Mithu M. Sanyal: Vulva - Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts. Abgesehen vom Titelbild kann ich es nur weiterempfehlen.
Elisabeth
18.04.2010 um 22:59 Uhr Anne
die vagina das lat. wort für `scheide` - die herren mediziner haben das weibl. genital um 16oo so benannt, weil es für sie nichts weiter war als die scheide für das schwert des mannes, den penis - und dementsprechend für die herren benutzer zur freien missbrauchs/verfügung stand, was frauen ständig zu sexueller verfügbarkeit und (ungewollte) schwangerschaften zwang.
wenn die vagina sprechen könnte, gäbe es eine ganze litanei an wenig liebevollen umgang und umarmungen und daraus resultierende unlust bis hin zu drastischen gewalterfahrungen, missbrauch durch die frauenbenutzer in pornographie und prostitution, missbrauch, abwertung, beschimpfung durch eine von männern geschaffene vulgär-sprache, die das weibliche geschlecht verhöhnt.
heute unterliegt die vagina auch noch dem schönheits-jugendwahn. wird sie zur designer-vagina-ware herangezogen - der neueste trend der schönheitschirurgie, der verkleinerte schamlippen ebenso ermöglicht wie eine re-virginisierung.
mit phallussymbolen, wie bankentürme ...oder minarette, kirchtürme als stätten der unterwerfung weibl. menschen wird bedrohlich macht symbolisiert.
die Natur, die vulkan, die vagina als weibliches wunderwerk kommt an sich wunderbar ohne den phallus aus - aber auch hier wurde das fehlen seitens d. psychologen entweder als `penisneid` oder`hysterie` gedeutet, um die psyche der frauen aus männl. sicht zu erklären.
in südafrika, wo vergewaltigungen/gewalt gegen frauen täglich in erschreckend hohem masse stattfinden, bietet eine firma ein anti-rape-kondom oder -tampon an, das somit dem vergewaltiger verletzungen beibringt.
ich wünsche mir einfach nur eine starke und überzeugende frauen-solidarität - also einen fulminanten vulkanausbruch - die sich wehrt und in unserer sexualisierten, pornographisierten umwelt gegen den ständigen machtmissbrauch des weiblichen`geschlechts` geschlossen ankämpft.
danke, liebe Luise - lt. BZ gibt es auf hawaii eine temperamentvolle vulkangöttin mit namen pele, die in einem krater des kilauea wohnt. ihr name bedeutet: geschmolzene lava. sie erschafft und zerstört, je nach laune und ihr haar wird oft als erstarrte schwarze lava gemalt. verschiedene vulkanologische phänomene wurden nach ihr benannt, wie die haare von pele, tränen von pele, limu o pele sowie ein grosser vulkan auf dem mond Io .