Hera und ihre neuen Verwandten
Aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar. Dreiundfünfzigste Lektion.
Für Donnerstag war ich wieder mal von den Frauen der feministisch-matriarchalen Akademie Alma Mater zu einer Lesung eingeladen. Die anschließende Diskussion war lebhaft wie immer mit diesen leidenschaftlichen Wortschöpferinnen. Nehmen wir gleich das Wort Schöpferin. Gertrudis gefiel es nicht; sie bestand darauf, sie habe ihre Kinder nicht geschöpft, sondern geboren.
„Schöpferin“ gehört aber zu „schaffen“, nicht zu „schöpfen“. Zwar sagen viele, sie hätten ein Werk geschöpft - es sollte aber heißen, sie hätten es geschaffen. Das Duden Herkunftswörterbuch klärt uns knapp und kategorisch auf:
schöpfen
„Flüssigkeit entnehmen“: Das schwache Verb mhd. schepfen, scheffen, ahd. scephen ist kaum mit dem ehemals gleich lautenden starken Verb für „erschaffen“ (schaffen) identisch, sondern gehört wohl als alte Ableitung zu Schaff in seiner Bedeutung „Schöpfgefäß“. Dazu das nur übertragen gebrauchte erschöpfen „vollständig verbrauchen, aufbrauchen; ermatten, völlig ermüden (mhd. erschepfen „ausschöpfen, leeren“) mit dem 2. Partizip erschöpft „verbraucht, ermattet“ und dem Substantiv Erschöpfung „das Erschöpfen; völlige Ermüdung“ sowie dem Adjektiv unerschöpflich „nicht versiegend, nicht aufbrauchbar“ (16. Jh.).
Die in unserem Wortschatz fehlenden Bezeichnungen „Erschafferin“ und „Erschaffer“ werden halt vertreten durch „Schöpferin" und "Schöpfer“.
Auf ähnlich gehobener Ebene ging die Diskussion weiter; als Nächstes kam mal wieder die Herrin dran. Eine sehr fragwürdige Gestalt, wie wir wissen: Die „Herrin“ macht aus einem Mann durch Anhängung von -in eine Frau - eine Praxis, der wir gar nichts abgewinnen können, weshalb wir schon zu Beginn der feministischen Sprachkritik aus der Ratsherrin die Ratsfrau gemacht haben.
Aber wie ist es mit der Hausherrin und der Bauherrin? Hausfrau bedeutet ja was anderes, weshalb wir uns stattdessen angewöhnt haben, von der „Dame des Hauses“ zu sprechen.
Und statt Bauherrin sagen wir Baufrau, analog zu Ratsfrau. Ganz klarer Fall.
Oder doch nicht? Die Alma-Mater-Frauen wandten ein, es sei erstens irgendwie schade um die Herrin, zweitens hülfe die Baufrau wenig, weil das heutzutage eher "Bauarbeiterin" bedeute. Also nicht so weit oben wie der Bauherr. Es bräuchte ein weibliches Wort mit hohem Status.
Da hatte eine den rettenden, genialen Einfall: Hera statt Herrin: Die BauHera, RatsHera, HausHera.
Wir adoptierten das Wort sofort; es erfräute sich im weiteren Verlauf der Tagung wachsender Beliebtheit. Der Name der obersten Göttin des Olymp ist verwandt mit dem Wort Heros, dieses soll verwandt sein mit dem Wort Herr (sicher ist es nicht, aber sinnig). Wir hätten damit nicht nur die BauHera und ihre Verwandten gewonnen, sondern auch das lange fehlende Wort für heroische weibliche Taten. Solche Taten heißen ab sofort heraisch.
Die englische Wikipedia meldet, Hera sei nach Auffassung etlicher ForscherInnen ursprünglich die Göttin einer matriarchalen Gesellschaft gewesen, die vor den HellenInnen in GriechInnenland lebten. Das wird ja immer besser. Es erklärt auch die vielen Verleumdungen, die Hera in der patriarchalen Kulturgeschichte erdulden musste. Aus einer Alma Mater machten patriarchale Männer eine ewig keifende Gattin, die ihrem ewig untreuen Gatten Zeus durch "kleinliche Eifersucht" das Götterleben schwer machte.
Zeit für Dein Großes Comeback, Hera! Und so schließt sich der Kreis von der matriarchalen Göttin Hera über die Wortschöpferinnen der feministisch-matriarchalen Akademie Alma Mater bis zur BauHera.
Möge die mächtige Hera dafür sorgen, dass ihre Verwandten BauHera, RatsHera, HausHera und alle, die noch kommen mögen, Fuß fassen, sich vermehren und sprunghaft ausbreiten.
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8 Kommentare
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01.05.2011 um 21:56 Uhr sabine
Klar, es gibt die “Dame des Hauses” (s.o.), aber dann gibt es noch die untergeordnete HAUSDAME! Aber mit der BAUDAME liebäugelt ihr ja nicht, obwohl es ja keinen Baumann gibt zur Baufrau….
Alles nicht so einfach, aber Göttinnen? Nee.
19.04.2011 um 14:43 Uhr anne
hallo @ Dürr - ja, herr dient wie herrin der hierarchisierung :-) - lt. wiki bezeichnete herr zunächst nur den höhergestellten gegenüber dem geringeren, den befehlenden gegenüber dem knecht. eine patriarchale errungenschaft auch die bezeichnungen von `ober/unter` , siehe oberbefehlshaber etc.pp - oder im sportbereich kann es gar nicht hoch hinaus gehen, wie lichtgestalt, kaiserlich, genial, fussballgott, hand gottes .. for nix un widder nix!
und der begriff `herrgott` gleich ein doppeltes synonym für den obersten dienstherrn seiner geistlichkeit.
die beschreibung der hera, ihre eifersucht als herrschaftsanspruch entstammt sicherlich einem patriarchalen denkmuster, männl. gespinst und kam im matriarchat wohl nicht vor? (siehe oben/matriarchat/info)
es heisst, ursprünglich besass hera keinen gefährten. erst als die patriarchalen stämme über griechenland hereinbrachen, brachten sie ihren himmelsgott zeus gleich mit.
da heras religion zu stark war, um zerstört zu werden, wurde eine vernunftehe zwischen den beiden gottheiten geschlossen.
ihre ständigen streitigkeiten spiegeln die reibung zwischen den frühen patriarchalen und matriarchalen kulten wider.
die hera der klassik! wird zur hysterischen, eifersüchtigen frau, die ihren untreuen mann und seine geliebten verfolgt. (zitiert aus `hera, göttin der ehe`)
also, eine eifersüchtige hera im klassischen patriarchalen denkprofil. nachdem die hochzeit zwischen hera/zeus vorbei war, kehrte zeus zu seiner ursprünglichen lebensweise zurück - er verfolgte, verführte, vergewaltigte andere frauen… / nichts neues in der (frühen) welt des männlichen geschlechts - u.a. ein rücksichtsloser, misogyner herrschaftsanspruch, der sich heute noch hartnäckig hält. z.b. in mauretanien werden heute noch mädchen im alter ab 4 jahren an männer verkauft, zur frühen ehe gezwungen - als alibi dient die männliche gottheit.
in `göttinnen grosser kulturen` heisst es: “sie, die göttinnen sollen in ihrer vielseitigkeit gewürdigt werden und zu wort kommen dürfen. noch immer treibt die grosse mutter mit ihren sohngeliebten - treu nach johann jakob bachofen, aber meist ohne anhaltspunkte in den (vorliegenden) texten - ihr (un)wesen in der einschlägigen (auch psychoanalytischen) literatur, und es ist ein besonderes anliegen dieses buches mit derart stereotypen vorstellungen möglichst weitgehend aufzuräumen. statt dessen möchte ich den blick öffnen f.d. reichhaltigkeit weiblich-göttinlicher symbolik, der eine vielseitigkeit weibl. lebens dereinst entsprochen haben dürfte.
...wie weit bilder von göttinlicher weiblichkeit ihrerseits die gesellschaftl. stellung der frau beeinflußt haben.
weil patriarchalische kulturen mit dem weiblichen nichts wertvolles zu verbinden gewohnt sind, gestehen sie ihm auch keine repräsentanz am `götterhimmel` mehr zu. vorzeiten mag diese wechselwirkung umgekehrt verlaufen sein.
die eliminierung der göttinnen aus der reihe der `himmlischen` hatte die allmähliche herabsetzung der frauen auf erden zur folge:
wenn gott mann wurde, ist damit das männliche vergöttlicht und verherrlicht. wenn göttliches - wieder und auch - frau würde, wäre damit das weibliche im ganzen und in all seinen facetten (wozu auch die natur gehört) aufgewertet. dann stünde - symbolisch - dem sohn gottes endlich die tochter gottes wieder gleichwertig zur seite…”
(vera zingsem)
übrigens gibt es ein schönes gedicht von marie-luise kaschnitz `erdmutter`.
heraische grüsse v. anne ;-)
http://www.windspiel.bravepages.com/gedicht_erdmutter.html
19.04.2011 um 10:49 Uhr Dürr
Ach, Flo! Ihr Männer kapiert es auch in den nächsten 5’000 Jahren nicht: Vater ist mann nicht durch die Spermienspende, sondern dadurch, dass mann ein Kind durchs Leben begleitet!
Allerdings kümmern sich die meisten Männer nur deshalb und dann um das Kind, weil/wenn sie damit die Mutter kontrollieren/drangsalieren/be-HERR-schen können - auch schon seit 5’000 Jahren. Und wenn Du an meiner Generalisierung Anstoss nehmen solltest: Schau Dir die Geschichte, unsere Gesellschaftsstrukturen und das, was die Männer dominierte Gesellschaft für die Kinder und deren Mütter tut, an: Alles kommt zuerst, und dann, irgendwann besinnt mann sich darauf, dass da ja noch Frauen mit Kindern sind. Kontrolle ist besser? Lächerlich! Männer hatten weder die Frau noch deren Bauch jemals unter Kontrolle! Und so lange sie ihr ach-so-wichtiges-bestes-Teil nicht unter Kontrolle haben, haben sie auch nicht den leisesten Hauch einer Chance, die Frau zu kontrollieren.
lg Dürr
19.04.2011 um 09:18 Uhr Flo
@ Dürr
“Es gibt heute noch fast nichts, was einen “Herrn” so sehr aus der Fassung bringt, wie der Zweifel an seiner Erzeugerschaft gegenüber den Kindern, die ihn “Vater” rufen”
Stimmt wohl, aber gerade heute gibt es einen billigen Test in Holland nachdem man in ein paar Tagen weiß, ob mann nun Vater ist oder nicht.
Als Mutter hat man ja den Vorteil, in der Regel zu wissen ob das Kind von einem ist oder nicht.
Gut das es solche Tests gibt, die auch Männern diesen Vorteil bringen.
Fortschritt ist nicht immer schlecht.
Würde ich Vater werden, würde ich erstmal sofort einen Test machen lassen. Vertrauen ist gut…Kontrolle ist besser.
18.04.2011 um 15:38 Uhr Dürr
Danke, Anne, für diese erhellenden Zeilen.
Herr, vergib… das wäre das Gegenstück dann wohl “Mutter, vergib…” Herr ist - wie von Dir dargelegt - etwas widernatürliches und dient der Hierarchisierung. Hierarchie bedingt aber immer ein Oben und ein Unten - und “oben” ist gut, “unten” ist nicht gut. Und damit ist wiederum der Beginn der (Un-)Werteskala sichtbar. Die Grossen Göttinnen waren alles Mütter und ihre Gesellschaften ausnahmslos egalitär und damit wohlhabend und friedlich.
Offen gesagt: Ich traue der “Eifersucht” Hera’s nicht, wenn wir Eifersucht in unserem Sinne, nämlich als Herrschaftsanspruch auf den/die SexualpartnerIn betrachten. Vielmehr scheint mir, dass Hera klar gesehen hat, dass die Art und Weise des Verhaltens von Zeus zwangsläufig Streit mit anderen Götter(-sippen) heraufbeschwören musste, und - so vermute ich - genau das wollte sie verhindern, konnte aber nicht, das die Gewaltbereitschaft Zeus’ dies nicht zuliess. Das alte Lied - bis heute.
Im Uebrigen gehören die Kinder nicht immer dem “Vater” gleich Erzeuger. Es gibt heute noch fast nichts, was einen “Herrn” so sehr aus der Fassung bringt, wie der Zweifel an seiner Erzeugerschaft gegenüber den Kindern, die ihn “Vater” rufen. Da ist Afrika weiter, bzw. noch archaischer: Vater ist dort vielfach der Mann der Mutter, die Brüder der Mutter und manchmal auch der Spermienspender selber.
lg Dürr
17.04.2011 um 16:32 Uhr anne
herr ist auch ein synonym für gott (lt. wiki)- z.b. im gebet: herr, vergib mir meine sünden ;-) und das gegenstück zu herr wäre die `dame`? die `frau` dagegen ein erwachsener weiblicher mensch . das geschlechtliche gegenstück der `mann`.
weitere heraische begriffe: die schirmHera , dienstHera…
hera im matriarchat: “historisch betrachtet taucht eifersucht in allen gesellschaftsordnungen erst dann auf, wenn zwei ganz bestimmte entwicklungsstränge konvergieren und sich miteinander verknüpfen: privateigentum und patriarchat….seit die frau (und kind) zum eigentum des vaters geworden war, wurde freizügigkeit als verschwendung und ehebruch als diebstahl empfunden. eifersucht tauchte zum ersten mal in der geschichte der gentilgesellschaft (sippe) auf. zur zeit als die gesellschaftsordnung der protogriechen noch matrilinear gewesen war, hatte die tochter zur sippe der mutter gehört. ...mitlerweile hat sich die stellung des vaters als pater familias aber so gefestigt, dass es nicht mehr seine sippe, sondern er selber war, dem die tochter nun `gehörte`. aus zugehörigkeit war `eigentum` geworden.
die eifersucht, die sich unweigerlich aus der degradation der frau zum privateigentum des mannes ergab, schlug sich auch im griechischen pantheon nieder, und zwar um so intensiver, je später die eifersüchtigen götter erfunden worden waren.
das verhältnis zwischen zeus und der ewig eifersüchtigen hera oder zwischen poseidon und seiner keifenden gattin amphitrite , zeigt unverkennbare züge der patriarchalen ordnung, in der auch die patriarchale frau von jener sexuellen besitzsucht angesteckt worden war, die das vaterrechtliche konzept in das verhältnis der geschlechter hineingetragen hat.
eine gesellschaft, in der man mit besonderer emotivität von der `ehre` des mannes und der `ehre` der frau spricht, lässt deshalb die vermutung zu, dass es um die wirkliche ehre der beteiligten schlecht steht. je patriarchaler eine gesellschaft, desto stärker sind diese symptome.
eifersucht ist keineswegs ein angeborener aspekt der `menschlichen natur` sondern das anerzogene sexualrestriktiver gesellschaftsordnungen. diese restriktionen dienen der erhaltung von herrschaft.” (auszüge)
http://matriarchat.info/herrschaft/privatbesitz-herrschaft-eifersucht.html
17.04.2011 um 15:36 Uhr Dürr
Kleine Anmerkung: Bauherr ist derjenige, welcher das Haus baut, bezahlt und dem es nachher gehört. Also wäre BauFRAU schon richtig. Die Baufrau ist eben grad nicht eine BauarbeiterIn. BauarbeiterInnen sind die MaurerInnen, SchreinerInnen, GipserInnen, MalerInnen etc. Allerdings mag ich die Hera auch lieber, schliesslich ist sie die Grosse Göttin des kleinasiatischen Raumes gewesen, bis die Herren Götter mit Gewalt die Göttinnen (fast) vertrieben hatten. Das mit der kleinlichen Eifersucht wage ich anzuzweifeln. Was sollte sie denn mit diesem kindischen Lüstling, der - wie die meisten seiner Gattung heute noch - das Gehirn unterhalb der Gürtellinie hatte und das Reserve-Gehirn nur in äussersten Ausnahmefällen in Betrieb nahm… Wie war das noch mit der Europa? Der edle Stier verwandelte sich in einen Vergewaltiger - und Hera wird ihm wohl DESWEGEN den Kopf gewaschen haben und nicht wegen des Nümmerchens.
lg Dürr
17.04.2011 um 15:08 Uhr anne
`hmm`, herrin klingt für mich nach patriarchat, wie domina, sado-maso, femdom - im sinne von herrschen und beherrschen, macht, dominanz, unterwerfung.
und die gute “hera” als liebevolle göttin, wurde sie vom patriarchat nicht zur ehe/verpflichtung und erfüllung der traditionellen frauenrolle (ehefrau) umgekrempelt, stigmatisiert?
nun ja, nur zur info - da gibt es die altägyptische ur/göttin `aumanet`, die als `mutter die vater war` bezeichnet wurde.
oder`libertas`, die personifizierte göttin der freiheit - die sklavinnen-befreierin, sehr schön.
in diesem sinne freiheit, gleichheit, schwesterlichkeit - und schluß mit dem patriarch. synonym `herrin` - der dominanz und unterwerfung…:-(