GM Große Mutter
Vorbemerkung: Immer wieder wurde ich in den letzten Tagen und Wochen gefragt, wie es zu Ausdrücken wie "Mutterkonzern" und "Tochtergesellschaft" komme. Meinem Unmut über diese sprachlichen Missbildungen habe ich schon vor Jahrzehnten in einer Glosse Luft gemacht. Sie trug den Titel "Wir leben im Matriarchat" (1983). Für den heutigen Gebrauch habe ich - aus gegebenem Anlass - nur einige Akteure, ach was: Akteurinnen ausgetauscht.
In den Industrienationen hat die Gebärfräudigkeit der Frauen letzthin erschreckend nachgelassen. Während noch bei unseren Groß- und Urgroßmüttern 10-20 Kinder keine Seltenheit waren, ziehen die meisten von uns die Null-Lösung vor. Wo aber nichts hervorgebracht wird, kann auch nichts wachsen. Und vom Wachstum hängt schließlich unser aller Wohlergehen ab.
Da also die Frauen sich so schnöde ihrer Gebärpflicht entziehen, hat die Industrie selbst diese Aufgabe übernommen. Die Industrie ist, anders als unsere wahllos drauflosgebärenden Großmütter, auf Effektivität bedacht. Sie produziert grundsätzlich nichts Unrentables - also keine Söhne, denn die können nunmal nichts aus sich selbst hervorbringen, diese Wachstums-Flops. Die Industrie gebiert nur Töchter, streng parthenogenetisch, denn diese Methode verursacht den geringsten Aufwand. Die Töchter heißen Tochtergesellschaften. Wenn eine Firma oder Gesellschaft oder ein Konzern eine solche Tochter geboren hat, darf sie sich Mutterfirma, Muttergesellschaft oder Mutterkonzern nennen. Bringt die Tochtergesellschaft wieder eine Tochtergesellschaft hervor, wird die Tochtertochter auch wohl Enkelin genannt. Die Firma Saab ist z.B. eine Opel-Tochter und damit Enkelin der Großen Mutter GM, General Motors. Nun mag die GM zwar zahllose Enkelinnen haben, deshalb ist sie aber noch lange keine Oma-Gesellschaft. Bis vor kurzem jedenfalls produzierte sie noch laufend eigene Töchter - Urbild einer vitalen Mutter in den allerbesten Jahren und Umständen. Wir müssen also unterscheiden zwischen altmodischen Müttern, die noch Töchter und Söhne gebären und Gefahr laufen, irgendwann auch mal Oma zu werden, und jenen ewigjungen Müttern, denen die Zukunft gehört, weil sie sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Da suchen wir immer nach Spuren des Matriarchats in der grauen Vorzeit - und haben es direkt vor unserer Nase! Ein Matriarchat von geradezu utopischer Kühnheit und Konsequenz! Kein männliches Wesen ward jemals gesehen in diesem vor Gebärlust vibrierenden Mütter-Töchter-Clan. Nicht mal bei Hochzeiten (auch Fusionen genannt) - und was sind das doch für gewaltige Mammutti-Hochzeiten!
Ja die Industrie, diese hocheffiziente Supermutter, ist mindestens so schlau wie eine Krebsgeschwulst. Die bringt nämlich auch nur Tochtergeschwülste hervor, denn nur die garantieren weiteres Wachstum. Von einer Sohngeschwulst ist mir noch nie etwas zu Ohren gekommen.
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5 Kommentare
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27.05.2009 um 15:36 Uhr Sandra
Da muss ich dir recht geben. Ein wirkliche Vorbildfunktion hat dieses Unternehmen nicht geboten. Da kann man nur hoffen, dass sich andere Unternehmen diese ganze Situation zu Herzen genommen haben und verhindern, auch in eine solche Situation zu kommen.
25.05.2009 um 18:44 Uhr Celine
Interessante Auslegung, aber wie interpretiert man denn jetzt die ganze Lage, wenn man sieht, wie die Mutterkonzerne eine Tochter und eine Enkelin nach der anderen verstoßen müssen, weil sie sich nicht mehr um sie kümmern können. Was General Motors da so in den letzten Monaten nach Jahren der Blindheit verzapft hat, zeichnet ja das Bild einer extremen Rabenmutter…
12.03.2009 um 17:11 Uhr Stephanie
Aber Tochter ist nicht gleich Tochter in den Geschwulsten von Industrie und Transport.
Bei den Fluggesellschaften gibt es auch die “Billigtöchter”....!
09.03.2009 um 14:10 Uhr Anne
Klasse!! Nicht nur, daß die `Brüder` durch Missmanagement und Inkompetenz die Wirtschaft in den Abgrund drängen, sie lassen sich den Absturz auch noch fürstlich entlohnen - ohne Rücksichtnahme.
Unsere ` Ur-Mutter` wird uns die Parthenogenese aber zukünftig leibhaftig ermöglichen , denn inzwischen scheint es experimentelle Beweise zu geben , daß das männl. Geschlecht entbehrlich ist ;-(
Zwei Frauen könnten zusammen Nachwuchs zeugen, das die Erbteile beider Elternteile in sich trägt, beiden Frauen also ähnlich sieht.
Hier versucht mann, die Natur erfolgreich auszutricksen .... :-) Selbst ist die Frau!
Und die kath. Bruderschaft verspricht uns schon seit mind. 2ooo Jahren die Jungfrauengeburt.
Ob es jemals eine `Sohngeschwulst` geben kann - das `Muttersöhnchen` mit einer zu engen Bindung an die Grosse Mutter würde wohl kein Patriarch zugeben wollen - nachdem mann diesem Begriff viel Abwertendes zugeordnet hat.
Llg Anne
07.03.2009 um 22:28 Uhr Joey Horsley
Die Idee des parthenogenetischen Gebärens bei Firmen wie bei Geschwülsten ist zwingend - tolle linguistische Analyse!
Das bekannteste Beispiel aus dem Amerikanischen ist wohl “Ma Bell” oder AT&T, das gigantische Telekommunikationskonglomerat, das jahrelang alle Ferngespräche in Amerika, in Kanada und in der Karibik verwaltete. Diese monopole Mutterfirma wurde 1982 von der US-Regierung aufgeteilt, und ihre Töchter, die regionalen Konzerne oder so genannten “Baby Bells”, wurden selbständig.
Ob Mutter GM und ihre Töchter noch lange zu leben haben, ist mittlerweile fraglich. Es scheint, die Brüder haben sie langsam aber sicher zugrunde gerichtet.