Geklonte Blondinen für die junge, dynamische Leserschaft mit hohem Männeranteil
Es hat eine Weile gedauert, genauer gesagt sogar ein paar Monate, bis ich es gemerkt habe: dass die Frauen auf dem Titelblatt der Programmzeitschrift „TVdirekt“ alle gleich aussehen. Ich kam nicht drauf, weil die Frauen auf den Titeln solcher Zeitschriften eigentlich immer gleich aussehen, weshalb ich sie normalerweise gar nicht mehr bewusst wahrnehme oder gar ansehe.
Aber das „Sie sehen alle gleich aus“ (nämlich jung und sexy) lässt sich offenbar doch noch steigern, bis zur perfekten Austauschbarkeit. Die Titelschönheit bei TVdirekt ist Teil des Corporate Design, das sich dem Käufer durch ständige Behämmerung ins Unterbewusste eingräbt. Er erkennt es, solcherart perfekt konditioniert, schließlich schon von weitem und kann seine TVdirekt aus dem Meer der Programmzeitschriften, die alle gleich aussehen und auch gleich heißen, doch blindlings erkennen und herausfischen.
Die Rezeptur für eine Titelschönheit von TVdirekt sieht so aus:
• Sie trägt einen roten Bikini oder Badeanzug. Es ist immer dasselbe Rot und entspricht exakt der Farbe der anderen roten Elemente auf dem Cover. • Sie hat strahlendweiße Zähne und schenkt dem Betrachter ein strahlendes Lächeln. Das Weiss der Zähne entspricht exakt den anderen weißen Elementen auf dem Cover. • Sie hat lange blonde Haare, die sie mit Mittelscheitel und offen trägt. • Sie hat einen üppigen Busen und ein offenherziges Dekolleté. • Sie erscheint vor einem himmelblauen Hintergrund, der auf jedem Cover gleich ist.
Sehen Sie selbst, ob Sie irgendwelche Unterschiede erkennen können:
Dem Manne ist die Frau bekanntlich unheimlich; sie ist das unbekannte Wesen. Schon Freud konnte es nicht ergründen und fragte verstört: „Was will das Weib?“ Während der Mann, das bekannte Unwesen, für jede Frau nur allzu leicht durchschaubar ist.
Mit ihren schlichten, auf die wesentlichen Merkmale Lächeln, Busen und lange blonde Haare reduzierten Frauenbildern gibt die TVdirekt dem Leser wertvolle Orientierung. Er bekommt von der Frau nur das zu sehen, was er sehen will.
Der Gong Verlag erläutert und bewirbt sein Produkt wie folgt:
TVdirekt zählt zu den meistgekauften 14-tägig erscheinenden Programmzeitschriften in Deutschland. Das liegt am äußerst günstigen Preis-/Leistungsverhältnis sowie der hohen Spielfilmkompetenz. Eine klare, übersichtliche Programmstruktur aller wichtigen Fernsehsender für volle zwei Wochen erhält der Leser für nur 1 €. Alle im Programm enthaltenen Spielfilme werden extra aufgeführt und kompetent bewertet. Reportagen, News und Hintergrundinformationen zu Kino, DVD, Internet, Reisen, Lifestyle, Fitness und Finanzen machen TVdirekt für eine junge, dynamische Leserschaft mit hohem Männeranteil besonders interessant. Quelle: hier
Als undynamische alte Frau liege ich wohl fernab der Zielgruppe von tvdirekt. Für mich haben sie deshalb tatsächlich eine andere Programmzeitschrift entwickelt. Passenderweise heißt sie auch noch „TV für mich“:
TV für mich bietet zwei Hefte in einem: Auf der einen Seite ist TV für mich beratende, serviceorientierte Frauenzeitschrift, andererseits auch eine Programmzeitschrift speziell für die weibliche Leserschaft. Das Layout ist großzügig mit vielen Bildern und einer modernen Aufmachung. Der Mantelteil ist die beste Mischung aus Service und Beratung: Mode und Beauty, Kochen und Backen, Gesundheit und Diät, aktuelle Stars & Sternchen und umfangreicher Ratgeber. Das komplette TV-Programm für 14 Tage gibt spezifische Fernsehtipps für Frauen aus den Rubriken Packende Spannung, Große Gefühle, Bewegende Schicksale, Traumhafte Erde und Nützliche Ratgeber. Quelle: hier
Super! Beratung zu Mode und Beauty, Kochen und Backen - ohne sie käme ich nicht zurecht. Und Packende Spannung - das trifft meinen Geschmack ganz genau. Für Große Gefühle und Bewegende Schicksale habe ich auch viel übrig. Unsere Traumhafte Erde wollte ich schon immer besser kennenlernen und Nützliche Ratgeber braucht wohl jede Frau. Allerdings: Nützliche Ratgeberinnen wären noch nützlicher.
Diese tolle Zeitschrift habe ich nur durch meine Recherchen für diese Glosse gefunden. Und die Titelschönheit auf dem Cover ist auch angenehm dezent, sie schiebt mir keinen in Rot locker verhüllten Busen unter die Nase. Wie gut, dass es jetzt Programmzeitschriften für Sie und Ihn gibt. Ich finde allerdings, dass die TV für mich nur zehn Cent kosten dürfte, weil höchstens ein Zehntel des TV-Programms für Frauen gedacht ist. Zwei Seiten reichen dafür locker aus. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
Mehr Glossen von Luise F. Pusch gibt es hier. Jeder Band enthält rund 50 Glossen und kostet 9,90 EUR:
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11 Kommentare
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04.07.2014 um 13:37 Uhr anne
nachtrag zum `menschsein`- in welcher unverschämten und misogynen form die reaktionen zur österr. bundeshymnen-aktion , die `töchter` mit einzubeziehen, ausfallen, betrifft alle frauen, mädchen - beleidigungen und `gaskammer-aussagen bis hin zu morddrohungen gegenüber der österr. frauenministerin. von wegen `alle menschen sind gleich`! drei beschäftigte der frauenministerin waren nur damit befasst, die widerwärtigsten kommentare zu löschen ... http://derstandard.at/2000002451422/Bundeshymne-Die-Toechter-sinds-nicht
23.06.2014 um 16:17 Uhr anne
warum sollte das umfassende femininum in der übergangsphase, das beide geschlechter benennen kann, nicht genau wie das generische maskulinum , welches frauen angeblich mit einschließt, scheitern? das maskulinum strotzt nur so voller selbstbewusstsein, während beim einsatz des gener. femininums alle welt in aufruhr ist. und zwar nur, weil die abwertung des `weiblichen` ein so fester gesellschaftl. bestandteil ist, was nicht so einfach aus den köpfen vieler menschen `herauszukloppen` ist. und wo stehen wir generell mit der gleichwertigkeit? leider sind viele , auch moderne männer gar nicht bereit, sich in sog. berufen einzufinden, die dank der unterschiedlichen geschlechter-vorgaben fast nur für frauen vorbehalten waren. da tun sie selbst wenig für die gleichbehandlung aller menschen..
ich bin absolut für gerechte sprache, ganz im sinne von Luise - habe aber schon als anfängerin die tiefen gräben feststellen müssen, sobald das sichtbarmachen von weibl. menschen sowohl in der sprache mit häme aus dem reich des maskulinums bedacht wird. das schon ist die `moderne` anlyse wert . ich weiß ja nicht, wenn sich ein frau als `der` lehrer bewirbt, dass dann nicht an ihre geschlechtszugehörigkeit gedacht wird. die erfahrung ist , dass frauen um anerkennung kämpfen mussten. nicht umsonst wurde gesagt: eine frau muß doppeltes leisten, um anerkannt zu werden. wir könnten ja auch ebenso gut sagen, der lehrer ist die sprachliche schwundform von lehrerin ... und wieso könnte ein mann sich im beruf der hebamme nicht auch (der) hebamme nennen? Luise zitierte einmal: weibliche bezeichnungen sind für männer genauso untragbar wie weibliche kleidungsstücke. (1984)
ja, und warum ist oder war das so??
was mich betrifft, da träume ich - noch in der phase der aufklärung befindend - davon, dass endlich die ewige nörgelei oder häme , das lächerlichmachen aufhört, sobald es um die feministische sprachkritik und somit um weibl. menschen geht. auf die aufklärung, hintergründe, die möglichkeiten und das fundament der sprachkritik dürfen wir nicht verzichten. sie müssen immer im mittelpunkt stehen ..
heute heisst es, gewisse `frauenberufe` seien für männer `unsexy` - alles muß angeblich sexy sein , um mit wohlwollen angenommen zu werden? dazu zählen soziale berufe, was viele als unmännlich bezeichnen? diese ewige abwertung des weiblichen durchzieht die ganze menschheitsgeschichte und DAS nervt! zitiert: Der Gewinnung von männlichem Berufsnachwuchs – insbesondere auch zur Umsetzung geschlechtssensibler Aufgaben – stehen stagnierende bis rückläufige Anteile von Männern gegenüber, die sich für ein Studium der Sozialen Arbeit oder des Lehrerberufs entscheiden.
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/maenner-in-frauenberufen-sind-das-alles-ihre-kinder-a-790122.html
23.06.2014 um 12:37 Uhr Felix Sachs
Es wäre interessant, Genaueres über die Zusammensetzung der Redaktionen dieser TV- (und anderer) Zeitschriften und die dortige allgemeine “Kultur” zu erfahren. Wann merken die, dass es allmählich peinlich wirkt, wenn immer noch die sexuellen Stereotypen auf die Spitze getrieben werden, als ob alle Männer (oder auch “nur” der Grossteil von ihnen) nichts anderes im Sinn hätten, als mit Barbiepuppen zu spielen und sich vor reellen Frauen fürchteten. Als Gymnasiallehrer und jetziger Ausbildungsbegleiter für junge Erwachsene stelle ich fest, dass erstens die jungen Männer viel weniger das Bedürfnis zeigen, ihr Männlichkeit zu betonen, als dem Stereotyp entspricht, und dass zweitens bei jungen Frauen in den Gymnasien aufreizende Kleidung meistens ein Zeichen mangelnden Selbstbewusstseins ist. Ganz deutlich war das bei einer jungen Frau, die ich durch ihr zweites Assessment-Jahr begleitet habe. Sie musste es wiederholen, weil sie das erste Mal im Rechnungswesen (nach dem Schweizer Notensystem!) eine 1 geschrieben hatte. Dabei war sie gar nicht dumm. Sie hätten aber ihre Aufmachung sehen sollen! Sie hat dann ihre Prioritäten geändert und die gebotene Hilfe ernsthaft umgesetzt. Beim zweiten Versuch schrieb sie eine 6. Jetzt befindet sie sich auf einer erfolgreichen Uni-Laufbahn auch im Ausland. Auffällig sind teilweise die Unterschiede in der Kleidung der jungen Frauen in den verschiedenen Fachrichtungen: bei den Sprachlern kommen eher noch knappe Schnitte vor, bei den Mathematikern und Naturwissenschaftlern dominiert funktionelle Kleidung.
Vielleicht sollten wir wirklich aufhören, immer und überall sprachlich die Geschlechtsunterschiede zu betonen. Vor dreissig Jahren war “man” in diversen Berufen gegenüber Frauen skeptischer als heute, und da war es wohl notwendig, sie sprachlich so intensiv wie möglich sichtbar zu machen - sie waren “nicht der Rede wert”. Heute erinnert die ständige Geschlechterdifferenzierung mehr an die obsoleten Frauen/Männer-Stereotypen besagter TV-Zeitschriften als an gelebte Gleichberechtigung. Damit sollten wir aufhören. Luise F. Pusch hatte schon vor 30 Jahren in einem Artikel die abwertende Bedeutung des in-Suffixes nachgewiesen (“Das Deutsche als Männersprache”): Wenn ein Mann sich als Lehrer um ein Stelle bewirbt, dann steht nicht sein Geschlecht im Fokus, sondern seine berufliche Qualifikation. Wenn sich eine Frau als Lehrerin bewirbt, ist es umgekehrt: bei ihr steht das Geschlecht im Vordergrund. Auf der Unterstufe, wo die Frauen schon in grosser Überzahl unterrichten und darum die Männer zum Ausgleich der Geschlechterrollen für die jungen Menschen begehrter sind, dürfte das ein besonderer Nachteil sein.
Natürlich steht das „generische Maskulinum“ für eine subtile, jedoch wirksame Asymmetrie zum Nachteil der Frauen. Die Reaktion Luise F. Puschs, diese Asymmetrie durch permanentes Splitting aufzuheben, bis die maskulinen Formen nur noch Männer bezeichnen könnten, genauso wie die femininen schon immer nur Frauen bezeichnet haben, ist verständlich, konnte jedoch nicht gelingen und muss gerade im heutigen Kontext als gescheitert gelten: Das „generische Maskulinum“ feiert fröhliche Urständ. Beim Konzept des permanenten Splittings komme ich mir als Mann vor wie in eine mittelalterliche Rüstung mit Penisfutteral gezwängt: mit ausgestelltem Geschlecht. Gewissen südländischen Machotypen könnte das vielleicht gefallen, mir selbst und mir bekannten Männern in meiner Umgebung sicher nicht. Statt diese mittelalterlichen Typen allmählich aussterben zu lassen, sollen sie sprachlich wiederbelebt werden? Ist wirklich das der geheime Wunsch vieler Frauen? Da stellt sich mir die Frage: Wo stehen wir mit der Gleichwertigkeit heute? Ich träume von Deutsch als Menschensprache, die nicht mehr die Unterschiede betont, sondern alle Menschen als gleichwertig behandelt.
18.06.2014 um 15:28 Uhr Else
Anne, wie wahr!!!
17.06.2014 um 15:26 Uhr Alex Humez
The Québécoise writer Martine Delvaux has written an interesting study of “cloned” female types (blonds, Barbies, and Playboy Bunnies, among others): Les filles en série: des Barbies aux Pussy Riot. Delvaux’s thesis is that society defines women by abstracting the individual woman from a set of clones (rather than by cloning the individual).
16.06.2014 um 13:37 Uhr Oliver Gassner
Also ich benutze einfach die mobile Webseite von TV-Spielfilm (in Kombi mit Wunschliste.de). Retorten-“Frauen” musste ich da noch nicht angucken.
Unserer Tageszeitung liegt wöchentlich zwar eine ausgedruckte Zeitschrift (idR mit Fraudrauf) bei, aber an sich wird das nur punktuell genutzt.
16.06.2014 um 13:07 Uhr anne
“wer schön sein will, muss leiden?” nein, müsste sie nicht, wenn jede frau sich so annehmen könnte, wie sie ist - dass sie für die `schönheit` leiden muss, zeigt eher , wie ihr selbstbewusstsein durch die `klonindustrie` und die gewünschten gesellschaftl. vorgaben einerseits zerstört wird und frau nur noch über eine `maskerade` ihren selbstwert erhofft? zumindest wird uns das suggeriert - frausein steht heute für `shoppen-gehen, klamotten, schuhe kaufen` (vor allem die schrecklichen high heels) , nur um zu gefallen ... begriffe - wie `das mauerblümchen oder das hässliche entlein`- stehen für eine m.E. misogyne klausel. hinzu kommt die altersdiskriminierung - um ihr zu entgehen, legen sich leider (junge) frauen unter das messer und lassen sich für viel geld ummodellieren. ja, es macht wütend, wenn sich die junge generation an derartige vorgaben wie z.b. Heidi Klums top-modelle orientiert : sei sexy , sei willig , lass dich klonen, sei untergewichtig, sei ein modell , sei harmlos, sei prinzessin , damit der prinz dich nimmt und alle welt dich liebt und das mit einem dauerlächeln ? was dabei herauskommt, wird sogar auf titelblättern von TV-zeitschriften sichtbar.
übrigens, das meiste TV-programm kann frau heute sowieso in der pfeife rauchen .
http://www.zeit.de/2012/45/DOS-Schoenheitswahn
16.06.2014 um 10:42 Uhr Lena Vandrey
Wir haben sehr gelacht, da uns die gleichen Empfindungen bewegen! TV-Direkt wird bei Madame Yolande für 2€ erworben. Sie sagte kürzlich: Schon wieder eine Blonde und auch noch künstlich blondiert! Ach, und diese Zähne! Schon lange schauen wir nicht mehr hin, um zu wissen, wer das ist, wir knicken das Titelbild weg! Vormals haben wir versucht, eine andere TV-Zeitschrift zu beziehen, was sich als unmöglich erwies. Hier im Ort werden zwei Exemplare verkauft, und wir müssen froh sein, dass wir eines davon bekommen. Wie geraten wir an TV-Für mich? Das ist die Frage des Sommers, denn da wir ja mit Fernsehen und Internet leben, müssten die Dinge politisch korrekt sein können und uns nicht dauernd vor den Kopf stoßen. Wenn das Heft ins Haus kommt, sagen wir Igitt und ziehen eine Schnuss. Sind wir nun neidisch auf diese Roboterinnen? Nein, wütend, dass sie das mit sich tun lassen!
Claudia Schiffer, die frühere “schönste Frau der Welt” konnte einiges dafür, bis K.Lagerfeld sie verstoßen hatte und eine “fette alte Drecksau” genannt! So endet das nämlich irgendwann…
Hier im Lande gibt es keine Blonden, brünette kleine Mädchen spielen mit Barbie-Puppen und passen ihr Äußeres diesen Scheusalen an, was nicht ganz ungefährlich ist. Wasserstoffsuperoxyd! Wir denken an die Qualen der Marilyn Monroe…
Wer schön sein will, muss leiden?