Ganz oder gar nicht: Über das “Amt der First Lady”
Nachdem Hannover letzten November mit Robert Enkes Selbstmord sehr negativ in die Schlagzeilen gekommen war, hat sich das letzte Woche mit Lena Meyer-Landrut, Ursula von der Leyen und Christian Wulff schlagartig gebessert. Menschen aus Hannover waren die strahlenden Themen der Woche. Weniger schön ist, dass sie sich gegenseitig Konkurrenz machten:
Unsere Freude über von der Leyens mögliche Kandidatur währte nur kurz. Schwupps machte Christian Wulff - aus Hannover! - ihr den Rang streitig und siegte auch noch. Er hätte sich an Lena, die er nach ihrem Sieg so artig begrüßte, ein Beispiel nehmen sollen. Nicht im Traum fiel es Lena ein, sich auch noch um das Amt der Bundespräsidentin zu bewerben!
Die Presse hatte auch schon heftig mitgearbeitet an der Demontage der “Zensursula” bzw. des “Röschens”. Gegen Christian Wulff kam kein hämischer oder verniedlichender Spitzname zum Einsatz.
Meine Freundinnen und Verwandten schrieben mir Trostbriefe, sie fühlten mit mir und litten selbst darunter, dass wir nun doch keine weibliche Doppelspitze bekommen. Ich schrieb jeweils zurück, ich sähe das nicht so tragisch, das Bundespräsidialamt sei doch eher ein Abstellgleis für vielleicht verdiente, auf jeden Fall aber ausgediente Politiker. Während doch uns Ursula sich als Ministerin auf jedem Posten im Handumdrehen als unverzichtbar erweist. Ich sehe sie eher als Nachfolgerin von Merkel, die zwar keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigt und im Volk weiterhin sehr beliebt ist, aber irgendwann möchte vielleicht auch sie sich wieder mehr der Oper und dem Gatten widmen. Und dann hätten sie Ursula von der Leyen als prima Ersatz in der Hinterhand. Das wäre dann mal eine wirkliche Doppelspitze, allerdings nicht im Quer-, sondern im Längsschnitt.
Trotzdem - eine Weile fand ich auch die Idee einer Bundespräsidentin von der Leyen schick. Der klangvolle Adelsname, wiewohl nur angeheiratet, passt doch auch viel besser zum Schloss Bellevue als “Köhler”. Und erst die gewaltige Kinderschar, fast wie bei Maria-Theresia! Das im Volk noch immer beliebte dynastische Prinzip Landesmutter verkörpert die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht sehr eindrucksvoll!
Betrübte Gedanken machte ich mir über Eva Luise Köhler, die nun mit dem Gatten von der Bildfläche verschwindet. Sicher hätte sie noch gerne weiter mit präsidiert und repräsentiert, aber der Gatte ist eben recht empfindlich und musste nicht nur sich selbst, sondern auch die Frau an seiner Seite seinem verletzten Stolz opfern.
Wo bleibt da die Nachhaltigkeit? Für Eva Luise hätte es doch noch vielfältige Verwendung gegeben, denn bekanntlich lehnen die Gatten unserer Spitzenpolitikerinnen die Rolle des “Mannes an ihrer Seite” strikt ab, Kanzleringatte Sauer genauso wie Ministeringatte von der Leyen.
Da wäre doch Ex-First-Lady Eva Luise für eine Bundespräsidentin von der Leyen eine schon bestens eingearbeitete Stütze gewesen. Überhaupt sollten wir überlegen, ob wir als Mittel gegen den vorzeitigen Verschleiß unserer weiblichen Spitzenkräfte zusammen mit dem Schloss Bellevue nicht auch gleich eine standesgemäße Begleitung mitliefern sollten.
Über Indien lesen wir mit Schaudern von den Witwenverbrennungen: Stirbt der Gatte, hat auch die Gattin ihr Recht auf Leben verwirkt. Haben wir da nicht soeben etwas ähnlich Unerträgliches mit ansehen müssen? Tritt der Bundespräsi zurück, hat es mit der First Lady auch ein Ende, die sich aber auch rein gar nichts hat zuschulden kommen lassen. Ich finde, so geht das nicht.
Die Schirmherrschaft, besser gesagt das Matronat, des Müttergenesungswerks wurde ihr entzogen; die Unicef entschied sich weniger rückständig und lässt sie weiter matronieren. Die Bundesrepublik sollte sich ein Beispiel nehmen und Eva Luise als First Lady weiter ihres Amtes walten lassen, wenn sie noch Lust dazu hat. Die Ehefrauen von Wulff oder Gauck können zu Hause bleiben und sich ihren eigenen beruflichen Interessen widmen, wie es sich heute für eine emanzipierte Frau gehört. Und wenn Eva Luise irgendwann auch mal die Nase voll hat und abdankt, ist eben mit ihr dieser peinliche Anachronismus “First Lady” endgültig ausgestanden.
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13 Kommentare
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07.06.2010 um 10:22 Uhr Anne
@ Duerr
die öster. spö-frauen wollen jetzt gegen die männerdominanz und männerbastion angehen und ein reißverschlußsystem schon bei der erstellung von wahllisten umsetzen “nur wo frauen sind, kommen frauen nach - frauen wollen mehr.”
in welch übler form sich die männerdominanz und ihre teilweise rüde gesprächskultur auch in talkshows zeigt, konnte frau in der gestrigen Anne Will - sendung wieder einmal verfolgen. eine spd-frau und vier männer - die herren liessen sie kaum zu wort kommen, unterbrachen kont. und jeder mann musste sich mit schreien und getöse in den vordergrund setzen, positionieren und versuchen zu übertrumpfen. ich glaube mit einem größeren frauenanteil (mind. 5o %)i.d. öffentl. medienraum wird sich ebenso die gesprächskultur verändern könnten.
http://diestandard.at/1271378267682/Maennerbastionen-in-SPOe-Nur-wo-Frauen-sind-kommen-Frauen-nach
06.06.2010 um 23:02 Uhr Dürr
Tja, liebe Lui8se,
Es hat sich so gut wie nix geändert! Den Frauen fehlt ganz einfach das massgebliche Organ zum Denken. Und das ängstigt die Herren. Frauen in der Politik sind von der Sache her eben meist kaum anzugreifen, wenn mann Männermassstäbe ansetzt (wie dies nur fair ist). Dann ist es die Frisur, Figur oder sonst was. Im Uebrigen sieht frau das ja auch daran, dass die Parteien - in Deutschland genauso wie in der Schweiz - einfach kaum Frauen auf die Wahllisten setzen. Sie verlieren lieber die Wahl, als ihren subalternen Parteiposten, weil die meisten ohne den gleich gar nix mehr wären. Da ist viel Ressentiment bei den Herren zu sehen. Und der kommt hier im Blog auch wieder dick an.
Der Grund, weshalb es noch in keiner Verfassung all dieser seltsamen Demokratien vorgeschrieben ist, dass eine Volksvertretung ein Spiegel wenigstens der Geschlechter sein müsste, liegt auf der Hand. Man stelle ich vor: 50 % Frauen. Da kämen die Herren glatt ins Schwitzen, wollten sie auch nur halb so gut werden, wie die Frauen. Und es bestünde ernstestens die Gefach, dass das Wahlvieh das auch noch merkte…
Noch zu van der Leyen: Ich denke, die Frau ist besser im Kabinett. Da kann sie wirkungsvoller positiv etwas leisten. Mir wäre das vorgekommen als hätte man die tüchtige Frau “wegbefördern” wollen…
lg Dürr
06.06.2010 um 21:43 Uhr Papierschiff
auch ganz interessant der artikel in der welt, laut dem frau merkel frau von der leyen ins messer hat laufen lassen: http://www.welt.de/politik/article7926410/Merkel-soll-von-der-Leyen-ausgespielt-haben.html
so macht man sich wohl freunde.. so langsam sind alle “gegner” von merkel weg… kohl, stoiber, öttinger, märz, koch, wulff, von der leyenen demontiert, rüttgers angeschlagen, ... nicht schlecht.
06.06.2010 um 17:00 Uhr Anne
@ Evelyn - danke!! hier neben der “hart, aber unfair-medien-anlyse” weitere gute beobachtungen von Birgit Kienzle über die “BeckMann-Show” / 2005.
übrigens als i.d. 90er jahren frau Leutheusser-Schnarrenberger als erste frau a.d. spitze des bundesjustizministeriums berufen wurde, witterte der `bayernkurier` ein `biotop des ungeistes`, weil ihr dackelmischling den namen Dr. Martin Luther trug mit dem hinweis, wer schon b.d. wahl v. hundenamen keinen respekt vor religiösen gefühlen zeigt - so fürchtete mann - dem sei so jede gottlosigkeit zuzutrauen . für die herren der csu war sie immer die zugereiste `schnarre` aus minden/westf., obwohl sie über 3o jahre in feldafing wohnte.
das schwarze hundefell - grund für den heiligen zorn der csu - war mit einem weissen beffchen befleckt ...:-)
“später lobte Seehofer ihre professionelle, konstruktive verhandlungspraxis als das beste, was ich in 3o jahren erlebt habe. auch landtagspräsidentin Barbara Stamm freute sich b. späteren koalitionsverhandl.,dass dank der fdp-frau endlich offen über von der csu-männerriege vernachlässigte themen wie kindergartenplätze gesprochen werden konnte.”
“Zickenkrieg” wird gerne von einigen medien abwertend für frauen verbreitet - ein, pardon, “Zickenkrieg” zwischen Guttenberg und Röder hiess damals in der süddt. “duell der kronprinzen”.
das nur so am rande der politiker/bühne :-(
grüsse von Anne
http://www.emma.de/hefte/ausgaben-2005/maerzapril-2005/top-themen/isss-ja-guuut-frau-merkel-2005-2/
06.06.2010 um 10:24 Uhr Papierschiff
@evelyn vermutlich haben sie da recht, dass kritik bei politikerinnen sehr schnell und teilweise (verglichen mit den meisten politikern) auch sehr heftig kommt.
es gibt soviele stellen woran man das merkt. wenn frauen zu schön sind kommt schnell das “die ist nur deswegen so erfolgreich”, wenn sie zu “hässlich” ist gibt es auch eins auf den deckel (hat schonmal einer bei den männern nach der schönheit gefragt?) -oder die frauen werden kritisiert wenn sie keine kinder haben, oder eben so viele wie frau von der leyen (was bei männern auch niemanden kritisiert hat..) -oder stelle sich mal einer vor, eine frau hätte schon 4-5 mal geheiratet wie fischer / schröder, was da los wäre…
leider werden aber in diesem system auch meist die frauen “nach oben geschwämmt”, die sich nicht sooo stark von den männern unterscheiden. einfach weil genauso ein macht-mensch sein muss um so weit zu kommen. genau deswegen kommen auch nur sehr selten männer an die spitze, die nicht nur schreien und basta sagen können (und ja, solche gibt es auch). und frauen werden dann ja noch zusätzliche steine in den weg gelegt.
06.06.2010 um 09:21 Uhr Evelyn
Jede Politik steht zur Disposition kritisch beleuchtet zu werden - sei es die Politik eines Mannes oder einer Frau. Damit kann ich mich aber via Argumente fair auseinandersetzen. Wir brauchen keinen Spott und Hohn in den Medien - denn hierbei geht es um Werte, die verletzt werden. Eine Gesellschaft, die ständig Frauen herabsetzt, zerstört sich selber, nichts weniger.
Dies trifft auf den Artikel zu, der von Anne genannt wurde, und dies trifft auf Tausende andere Artikel zu, wie den von mir bereits eingebrachten Artikel “Ein Häschen namens Homburger”, indem darin eine politische Auseinandersetzung zwischen Homburger und Schwesig als “Zickenkrieg” bezeichnet wurde (dabei war das Gespräch sehr harmlos) und Anne Will lächerlich gemacht wurde als eine, die eben auch wieder “mitschnattern” will. Wer nicht glauben mag, dass es so ist, betrachte einmal die Arbeit der Gruppe MEDIA WATCH des Deutschen Journalistinnenbundes (Homepage Journalistinnenbund). Hier wird unter anderem der Dauerbeschuss gegen Frau Merkel analysiert: eine einzige Kette der persönlichen Abwertungen und Angriffe. Ist das immer noch nicht überzeugend, so kann ein Test gemacht werden: Im o.g. Von der Leyen-Artikel einfach einen männlichen Namen einsetzen - zu Guttenberg, z.B. Ein solcher Artikel kommt nicht vor und wird auch nie erscheinen: Niemand wird Herrn zu Guttenberg seine adelige Herkunft und seine Wohnverhältnisse vorwerfen, wird seine Aufsteigerambitionen kritisieren oder dessen “old boys network” im Hintergrund. Das wäre geradezu absurd, denn dies sind bei den Männern Tugenden, die lobend hervorgehoben werden, es geht aber bestens, auf diesem Niveau über Von der Leyen zu schreiben (und all die anderen Frauen im öffentlichen Raum). Was sollte z.B. der Vergleich von Frau Leutheusser-Schnarrenberger mit einem Hund, zumal die Stelle auch noch völlig unverständlich war und niemand nachvollziehen konnte, warum das dort stand (Quelle: Ich glaube, es war in der WELT). Seit wann werden männliche Politiker mit einem Hund verglichen? Noch dazu ohne den geringsten Grund im Textkontext. Die Beispiele wären endlos.
Eine Journaille, die ständig die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft bricht, gehört mehr als auf den Prüfstand - vor allem, wenn solche “Kritik” Frauen vorbehalten ist. Kohl als “Birne” darzustellen, war dagegen echt harmlos, ebenso Westerwelles einzigen Verdienst darin zu sehen, “Krawattenamann des Jahres” gewesen zu sein. Das fällt noch - um auf das Textgenre zurück zu kommen - unter Satire und Kabarettgeplänkel.
06.06.2010 um 07:46 Uhr Papierschiff
@evelyn frau von der leyen hat leider nie etwas gegen kinderpornografie getan. sie hat a) jahre lang dazu geschwiegen, sich dafür nicht interessiert und kam dann mit einem sperrgesetz, was heute laut jeder partei (mal von der cdu abgesehen) als blödsinn und unbrauchbar, sogar schädlich gehandelt wird.
es fehlt auch dort immer noch am willen etwas zu ändern. denn im bankensektor ist sowas möglich, da läuft das löschen von “bösen seiten” international ohne probleme. aber beim thema kinderpornografie scheitert es teilweise an den einfachsten dingen. wie dass das bka sich zu fein dafür ist eine gefundene seite dem webseitenhoster via mail/telefon zu melden, damit er sie vom netz nehmen kann.
das gesetz von frau von der leyen hätte alles nur shclimmer gemacht, die leute hätten mal wieder weggeschaut, so wie die opfer es kennen. die menschen schauen weg, der missbrauch geht weiter.
@anne.. ich sehe es als legitim an, wenn medien schlecht über politiker schreiben. ganz besonders wenn ein politiker nicht geleistet hat, aber trotzdem bundespräsident werden soll. erst recht wenn die argumente stimmen. mit der bildzeitung möchte ich das nicht vergleichen, da diese mir zu oft lügt, dinge erfindet, ...
nur weil es eine frau ist, macht sie doch nicht automatisch gute politik. schaut doch mal bitte genauer hin. und ja, vermutlich machen frauen deutlich bessere politik als die männer. aber es gibt halt auch ausnahmen
06.06.2010 um 00:11 Uhr Anne
@ papierschiff - wenn sie die unterschwellige häme im niveauvollen bildzeitungsstil nicht erkennen, kann ich ihnen auch nicht helfen. hier fehlt nur noch der `blondinen-witz`... für desensibilisierte.