Frauenschwarm, Männerschwarm und Bienenschwarm
Joey und ich geben gerade unser zweites Buch über berühmte Frauen* und ihre Freundinnen/Geliebten heraus (erscheint im März bei Wallstein unter dem Titel “Frauengeschichten”). Hier schon mal der Cover-Entwurf als kleiner Vorgeschmack:
Bei der beschwingten Arbeit an dem Buch stießen wir regelmäßig auf die Kultur des Smashing an amerikanischen Frauencolleges zwischen 1870 und 1920. Wir wissen ja, dass Mädchen und junge Frauen gerne für Mitschülerinnen und Lehrerinnen schwärmen, bevor unsere “heteronormative Kultur” (früher nannten wir es kurz und kräftig Heterror) es ihnen unerbittlich austreibt. Was aber an diesen amerikanischen Frauencolleges betrieben wurde, hatte Methode, Stil und großes Format. In der Studentenzeitung von Yale stand 1873 darüber zu lesen:
Wenn eine Vassar-Studentin für eine andere schwärmt, beginnt sie umgehend, ihr regelmäßig Blumensträuße zu schicken, zwischendurch pastellfarbene Briefchen, geheimnisvolle Päckchen von „Ridleys vermischten Süßigkeiten“, vielleicht Haarlocken, und viele andere zärtliche Angebinde, bis das Objekt ihrer Aufmerksamkeit eingefangen ist, die beiden unzertrennlich sind und die Angreiferin von ihrem Kreis als „smashed“ angesehen wird.
Manche Lehrerinnen waren von der Smashing-Kultur nicht eben begeistert: „Es hielt die Mädchen vom Studieren ab, manchmal geriet ein Mädchen dadurch Jahr um Jahr in Rückstand. [...] Wenn die Schwärmerei gegenseitig ist, monopolisieren sie einander und ‚löffeln’ andauernd, schlafen zusammen und liegen die ganze Nacht wach und sprechen miteinander, statt schlafen zu gehen.“ (Alice Stone Blackwell (1857-1950), Schriftstellerin und Feministin, im Jahre 1882. “Löffeln” (spooning) bedeutet, eng aneinandergeschmiegt auf der Seite zu liegen, ähnlich wie Löffel in einem Besteckkasten.)
Wo ist die Smashing-Kultur geblieben? Die Schwärmerei junger Mädchen und Frauen wird heute beizeiten in die rechten Bahnen gezwängt. Der Film Mädchen in Uniform zeigte 1931 und im Remake 1957 mit Romy Schneider und Lilli Palmer, wohin das “ungesunde Schwärmen” für die Geschlechtsgenossinnen führt: Geradewegs in den Selbstmord.
Mädchen und Frauen sollen gefälligst für Jungen und Männer schwärmen. Inbegriff des heutigen Mädchenschwarms sind Boy Groups wie Tokio Hotel. Und “Frauenschwarm” ist eine Bezeichnung für Männer wie Brad Pitt, George Clooney oder Richard Gere, früher Gary Cooper und Cary Grant, noch früher der Urtyp Rudolph Valentino, sozusagen die Mutter aller Frauenschwärme. Viele Frauen schwärmten auch für Greta Garbo - deshalb ist diese aber noch lange kein Frauenschwarm. Es heißt ja schließlich auch der und nicht die Schwarm.
Ist Garbo dann vielleicht ein Männerschwarm? Nein, dies Wort bezeichnet seltsamerweise auch eher Männer: Männer, für die Männer schwärmen. Echte Männer schwärmen natürlich nicht (das überlassen sie den Frauen), schwule Männer dafür umso mehr. Sie schwärmen nicht nur für Opernsängerinnen, sondern auch für andere Männer. Jedenfalls legt das der Name der fast schon alteingesessenen schwulen Buchhandlung Männerschwarm in Hamburg nahe.
Und wie ist das mit Marlene und ihrem Song “Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt”. Darin heißt es doch “Männer umschwirr'n mich wie Motten das Licht” - demnach wäre sie bzw. "die fesche Lola" doch das Urbild eines Männerschwarms. Ja - aber das war in den goldenen zwanziger Jahren, und danach wurde es bekanntlich finster in Deutschland.
Spuren dieser veralteten Bedeutung des Wortes Männerschwarm haben sich bis heute erhalten, z.B. finde ich mit Hilfe von Google schnell auf die Seite, wo die Testperson in 10 Testschritten erfahren kann, ob sie ein "Männerschwarm" ist. Der Test richtet sich eher an Frauen, wie ich aus Frage 4 entnehme:
Welche Schuhe tragen Sie? o Meine ausgelatschten, alten Lieblingsturnschuhe! o Meistens Sneakers aber auch schon mal etwas schickeres! o Am liebsten Sneakers. o Alles mögliche! Kommt auf meine Laune an. o Immer High-Heels!
Für mich gab es da nichts zum Ankreuzen, ich trage immer meine ausgelatschten alten Birkenstockschuhe. Ich kreuzte dann doch als Notbehelf die “Lieblingsturnschuhe” an, und die Strafe folgte sozusagen auf dem Fuße. Meine Auswertung ergab:
Die Männer laufen an Ihnen vorbei ohne Sie zu registrieren! Ändern Sie etwas an sich! So können Sie nicht glücklich werden. Dieses Profil hatten 6.6442 % der 21071 Quizteilnehmer!
Das Wort “Quizteilnehmer” war nun wieder verwirrend. Richtete sich das Quiz doch an Männer? Die mit den High Heels?
Wir fassen zusammen: In Sachen Frauen, Männer und Bienen bleibt die deutsche Sprache verwirrend wie eh und je. Auf die Frage, ob ich ein Frauenschwarm, ein Männerschwarm oder ein Bienenschwarm bin, kann ich ehrlich nur antworten: Ich bin ein Mückenschwarm. Mir ist noch keine Mücke begegnet, die mich nicht umgehend gestochen hätte. •••••••••••••••••• * Das erste Buch, Berühmte Frauenpaare (2005), findet Ihr hier: •••••••••••••••••• (Dank an Anne Beck für eine frühe Anregung zum Thema Frauenschwarm / Männerschwarm)
Kommentieren für diesen Channel-Eintrag nicht möglich
8 Kommentare
Nächster Eintrag: Robert Enke und die Fußballweltmeisterinnen
Vorheriger Eintrag: Der Zuhälter und die Haushälterin: Anmerkungen zum Reformationstag
20.05.2010 um 12:37 Uhr Jaywop
Ein wirklich interessantes Quiz, das du da beschreibst. Sicherlich stehen da stundenlange psychologische Analysetechniken dahinter, um anhand der Schuhe zu erkennen, ob man (Frau) ein Männerschwarm ist oder nicht.
11.11.2009 um 15:23 Uhr Irmgard
Schuhe der Firma Birkenstock sollte keine von uns tragen. Birkenstock ist nämlich nicht soooo öko und links, wie sie tun bzw deren Image ist - im Gegenteil: Birkenstock investiert viel Geld in die rechte Szene, auch Waffen, etc…
LG,
Irmgard
09.11.2009 um 22:23 Uhr Anne
Schöne glosse, liebe Luise - und an dem innigen, ausdrucksstarken frauenpaar auf dem cover-entwurf des neuen buches kann ich mich richtig erfräuen.
Eine weitere begeisterte mitschwärmerin schwärmt, weil du so bist, wie du bist und dich als starke feministin auch vom bestehenden heterror nicht verbiegen/unterkriegen lässt.
Die guten praktischen birkenstock haben alle zeiten überlebt - die symbolik war doch nicht, sich für den `mann`(grusel) unattraktiv zu machen - sondern sich nicht in das patriarchale frauenbild hineinpressen zu lassen.
Dass lesbische feministinnen, die sich dem gängigen schönheitsdiktat oder einer frauenfeindlichen kleiderordnung widersetzten, als unerotisch, unweiblich und schlimmeres bezeichnet wurden, haben wir den paschas/männern zu verdanken, für die lesbische feministinnen keine willigen objekte waren und sind.
Dafür das negative stigma - gleiches gilt für die bezeichnungen lesbe, feministin, emanze.
Leider gibt es frauen, die bewusst oder in unwissenheit hier eifrig mitmachen.
Als lesbe, feministin, emanze sollten wir gerade mit stolz alltagstaugliches schuhwerk marke birkenstock tragen und dazu stehen :-)
Warum entwerfen modemachEr eigentlich keine schuhe für männer, die ihnen ihre füsse kaputt machen? High Heels und `Huf-Schuhe`, die ein engl. modemachER als weiteres folterwerkzeug für seine weibl. modelle ausgedacht hat, leisten verschiedenen orthopädischen und gefäßbedingten krankheitsbildern prima vorschub. Frau kann sich das ja leisten :-(
Was ist daran so befreiend, wenn sich frauen heute dem magersucht-schönheits-mode-kosmetik-porno-diktat unterwerfen und dafür schmerzhafte operationen in kauf nehmen, sich somit wieder symbolisch in korsage zwängen lassen?
Leider gibt es viele frauen, die sich inzwischen eifrig mit den patriarchalen strukturen solidarisieren, sie imitieren, siehe auch profitable sex- und porNO-industrie und diese verhaltensmuster weiter festigen anstatt sie zu bekämpfen. Dazu kann frau nur sagen “auch hier voll in die patriarchale falle gegangen “...!
09.11.2009 um 16:24 Uhr lfp
Ich bin beruhigt, dass du gut zu deinen Füßen bist. Meine Liebste und ihre Töchter tragen natürlich auch alle Birks, und wir finden uns damit sehr attraktiv. Mehr braucht es nicht. Keep it simple. Die Symbolik mag sein wie sie will, Hauptsache, die Schuhe sind bequem.
09.11.2009 um 16:12 Uhr Claudia
Luise, du wirst lachen. Ich sitze gerade an meinem PC, bastele an Texten und was trage ich? Ausgelatschte Birkenstocks. Jawohl! Aber darum geht es nicht, sondern um die Symbolik, die du in diesen Satz packst(und die diese Schuhe haben). Sie (diese Schuhe) bedeuten irgendwie: Mache dich für den Mann unattraktiv, weil er von dir verlangt, dass du wie eine Nutte, Transe rumläufst. Denn die Frau ist dem Manne (auch sexuell) untertan, und wenn sie als eigenständiges Menschwesen in der Welt in Erscheinung treten will, muss sie aufhören ein (sexuelles) Objekt (für Ihn) zu sein. Aber das sie ein sexuelles Subjekt/Objekt (für sich und für andere Frauen) ist, wir da ein wenig außer Acht gelassen…
Und das alles ist eben irgendwie in diesem kleinen Wörtchen/Begriff “Birkenstock” enthalten…. Daher mein Einwand.
09.11.2009 um 15:54 Uhr lfp
Liebe Claudia, ich sehe nicht ein, wieso ich mit meinen ausgelatschten Birkenstockschuhen die Generationen und die Lesben von den Heterofrauen trennen soll. Ich arbeite meist zu Hause, und da trage ich eben meine Birks, die finde ich am bequemsten. Was trägst du denn zu Hause? High Heels?
Ein wichtiges Buch zum Thema ist: Sheila Jeffreys, Beauty and Misogyny http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/0415351820/wwwfembioorg-21.
Kaputte Füße sind eine ziemlich unangenehme Sache. 80 Prozent der kaputten Füße gehören Frauen. Woran das wohl liegen mag?
09.11.2009 um 15:20 Uhr Claudia
Hallo Luise,
deine Glosse ist sehr unterhaltsam, aber hättest du dir nicht diese Schlussbemerkung über diese Birkenstockschuhe sparen können? Dieser Schlusssatz/das Fazit verhindert komplett, dass man deinen Text auch jüngeren Frauen zeigen kann, und trennt somit die Generationen.(Und die Frauen auch unnötig in Hetero und Lesbisch auf.)Denn Frauen wollen sowohl intelligente als auch attraktive und sinnliche Frauen als Vorbilder haben. Und sind die “ausgelatschten Birkenstocks” und die “mörderhohen High Heels” nicht eigentlich nur die zwei (gleichen) Seiten einer Medaille? Einmal gegen und einmal für den Mann. ER ist halt in beiden Fällen nicht aus IHREM Denksystem entfernt worden.
Habe mal aus Testgründen deine Glosse (einen Ausschnitt davon + eine Erklärung) unter unseren Blogtext (Kommentar) über Romantische Freundschaften gesetzt. - Und daraufhin einige Kommentare über die Romantischen Freundschaften an Schulen unserer Tage bekommen…
Link siehe hier:
http://femininelesbians.wordpress.com/2009/10/28/romantische-freundschaft-und-liebe-zwischen-frauen/
Sehr interessant.
Claudia
09.11.2009 um 10:19 Uhr Joey Horsley
Liebe Luise,
ändere bitte nichts an dir! Es sind weit mehr als nur Mücken, die für dich schwärmen!
Liebe Grüße von einer Mitschwärmerin