Frauen machen von sich reden, Männer immer weniger
Die USA schickten diesmal mehr Frauen als Männer zu den Olympischen Spielen: 268 zu 255. Der ungewöhnliche Vertrauensvorschuß hat sich ausgezahlt: Die Frauen gewannen fast doppelt so viele Goldmedaillen wie die Männer: 29 zu 17.
US-Frauen haben die Männer nicht nur im Sport überrundet; sie sind auch dabei, sie sprachlich einzuholen.
1999 veröffentlichte ich ein Buch mit dem Titel „Die Frau ist nicht der Rede wert“. Diese Behauptung kann jetzt revidiert werden, zumindest für US-Frauen. Sie machen von sich reden, mehr als je zuvor.
Das ist das Ergebnis einer sprachstatistischen Untersuchung von rund 1,2 Millionen Texten des Google Books Archive aus den Jahren 1900 bis 2008. Drei LinguistInnen haben untersucht, wie oft in den Texten die Pronomina „he“ und „she“ vorkamen. Bis 1950 gewann „he“ 3,5 zu 1 gegen „she“. Danach wurde es noch schlimmer. Die Männer kamen aus dem Krieg zurück und scheuchten die Frauen zurück an den Herd. Ergebnis: Bis Mitte der 60er Jahre war der Vorsprung von „he“ gegenüber „she“ auf das Viereinhalbfache angestiegen. Und dann kam Betty Friedan und die Frauenbewegung. Um 1975 war das Verhältnis nur noch 3:1, und im Jahre 2005 war es weniger als 2:1.
Kommentar von Jean M. Twenge, Psychologieprofessorin an der San Diego State University und Leiterin der Studie: „Diese sprachlichen Trends quantifizieren eine der größten und schnellsten kulturellen Umwälzungen, die je verzeichnet wurden: Der unglaubliche Statuszuwachs der Frauen in den USA seit Ende der sechziger Jahre.
Und wie sieht es in Deutschland aus? Sind auch hier Frauen jetzt „der Rede wert“?
Um diese Frage zu beantworten, bräuchten wir eine ähnliche Studie wie die zu „she“ und „he“. Sollen wir uns also das Google-Archiv vornehmen und zählen, wie häufig „sie“ im Vergleich zu „er“ vorkommt? Nein, das würde zu gar nichts führen. Anders als die englischen Pronomina „she“ und „he“ stehen „sie“ und „er“ nicht nur für Personen, sondern auch für Dinge und Abstrakta, vgl.: Sie hat einen neuen Fernseher, aber er ist schon wieder kaputt.
Und „sie“ kommt im Deutschen garantiert öfter vor als „er“, weil „sie“ auch die Mehrzahl von „er“ und „sie“ (Singular) ist: Angela hat sich im Internet eine Jacke und einen Rock gekauft, aber sie passen ihr beide nicht.. Und zusätzlich fungiert "Sie" noch als Höflichkeitsform: "Bitte sprechen Sie nach dem Pfeifton!"
Verlässliche Aussagen über eine Statusverbesserung der Frauen in deutschsprachigen Ländern ließen sich erzielen durch Auszählen der Endungen -in und -innen und der Formen mit dem Binnen-I. Je mehr davon in deutschen Texten vorkommen, umso mehr haben Frauen von sich reden gemacht, logo. Noch ein Argument dafür, diese Formen einzusetzen so oft wie möglich. ----------- Quelle: Hillel Italie: „In battle of pronouns, feminine closing in on masculine, study finds: Gender research looked at books’ ‚he-she‘-gap“, The Boston Globe, 10. August 2012, S. A16. Eine erweiterte Fassung dieses Artikels ist hier noch online zu lesen: [url=http://www.independent.co.uk/arts-entertainment/books/news/study-reveals-rise-of-feminine-pronouns-8030574.html]http://www.independent.co.uk/arts-entertainment/books/news/study-reveals-rise-of-feminine-pronouns-8030574.html[/url] •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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2 Kommentare
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09.09.2012 um 20:38 Uhr lfp
@Amy:
Der Plural-Artikel “die” und das Plural-Pronomen “sie”, sind, wie Du schon sagst, natürlich keine Feminina, sondern es sind Homonyme des femininen Pronomens “sie”. Früher waren das verschiedene Wörter, aber sie sind nun klanglich zusammengefallen.
Wenn das “Argument” des “weiblichen” Plural-Artikels mal wieder von Ignoranten vorgebracht wird, kontere ich mit der Auskunft, dass dann das Wort “Mutter” männlich sei, denn es heißt ja “der Mutter” wie in “Gib der Mutter einen Kuß!”
09.09.2012 um 20:23 Uhr Amy
Erst kürzlich habe ich in einer Zeitung gelesen, dass die deutsche Sprache ja weiblich sei: In dem Dudenband `Unnützes Sprachwissen`! präsentiert die Redaktion interessante, aber nicht wichtige Informationen über die deutsche Sprache. So ist in dem Band zu lesen , daß die deutsche Sprache weiblich ist . Zu 46 Prozent ist den Substantiven ein `die` vorgestellt. Der Artikel `der` steht dagegen lediglich zu 34 Prozent vor einem Hauptwort. Das `das` kommt lediglich auf 20 Prozent.
Wahrscheinlich sind es gerade diejenigen, die anhand dieses Ergebnisses darauf pochen, die deutsche Sprache wäre weiblich genug , während sie selbst auf die Endung -in und -innen großzügig verzichten. Jedesmal überkommt mich die Wut, wenn ich sehe und höre, wie in der Sprache und im Wort (Medien) das Femininum verkümmert bzw. häufig ausgeschlossen wird. Das Argument z.B. die Mehrzahl von Mann gleich `die` Männer wäre ausreichender Beweis, wie weiblich die deutsche Sprache ist, habe ich auch schon als Antwort zu hören bekommen. Dass aber bei dem Wort Männer Frauen weder mitgemeint sind und Männer nicht weiblich werden und durch das `die` die Männer in der Anzahl sogar noch mehr als verdoppelt werden , leuchtet ihnen nicht :(
Immerhin konnten Frauen bei den diesjährigen Olympischen Spielen aufholen. In der Leichtathletik gab es 47 Wettbewerbe, 23 für Frauen, 24 für Männer . Der Spiegel schreibt : 392 Athleten treten für Deutschland an, weniger als drei Dutzend bezeichnen sich selbst als Berufssportler . Im Leben neben dem Sport sind sie Tischler, Arzt, Architekt, Kommissar oder bei der Feuerwehr…. Tennisspieler, Radsportler, Volleyballsportler usw. usw. usw. Auch dort ist Frau bis heute nicht die Rede wert…und hat sich großzügig in der Männerschublade einzufinden. Ist ja so umständlich, wenn mann für Zwei denken muss… am Schlimmsten empfinde ich die, die sich gerne im Maskulinum mitgemeint fühlen und keine Sprachsensibilität für nötig halten.