Equal Pay Day: 23 oder 30 Prozent Unterschied?
Der März hatte es in sich in Sachen Frauenpolitik. Wir feierten 100 Jahre internationaler Tag der Frau, begingen den „Equal Pay Day “, und zum Schluss gab es noch das Spitzengespräch zur Frauenquote zwischen den Ministerinnen von der Leyen, Schröder und Leutheusser-Schnarrenberger auf der einen und Vertretern der DAX-Unternehmen auf der anderen Seite.
Bei allen drei Events, die uns an und für sich ja hoffen lassen, gab es die üblichen weiblichen Probleme mit der Mathematik - gut, dass wir jetzt die Förderpläne für die MINT-Fächer entwickeln (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik).
Hundert Jahre Tag der Frau hatten wir schon letztes Jahr gefeiert - was stimmt denn nun?
Bei der Debatte zur Frauenquote tönte Ministerin Schröder, sie wolle eine Verdreifachung des Frauenanteils in den Führungsgremien bis 2013. Das klingt ja enorm. Was sie in dem Zusammenhang weniger breittrat, war die Tatsache, dass wir nach Erreichung des schwindelerregenden Zuwachses grade mal bei 6 Prozent angekommen sind, denn derzeit gibt es 2 Prozent (in Worten: zwei!) Frauen in den Führungsetagen. Das klingt ja nun echt mickrig. Nennen wir es doch lieber „Verdreifachung!“
Am interessantesten aber ist der Equal Pay Day. Da geht es nämlich um die Frage, ob der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern nun 23 Prozent oder 30 Prozent beträgt. Ist ja nicht grade unerheblich. Bezogen auf 23 Prozent wären 30 Prozent über ein Drittel mehr Differenz.
Des Rätsels Lösung: Es kommt auf die Bezugsgröße an - welchen Wert setze ich an als 100 Prozent? Den Männerlohn oder den Frauenlohn? In meinen Seminaren behandle ich solche Fragen unter der Überschrift „Frauenzentriertes Denken“. Das fällt uns Frauen noch schwerer als Mathematik ;-). Es ist keine Fertigkeit, sondern eine Kunst, aber sie lässt sich lernen.
Sagen wir mal, die Männer verdienen pro Stunde im Schnitt 20 EUR und die Frauen 15. Dann verdienen die Frauen ein Viertel oder 25 Prozent weniger als die Männer; der Lohnunterschied beträgt 25 Prozent. Genau so wahr ist aber, dass die Männer ein ganzes Drittel, also 33 Prozent mehr verdienen als die Frauen, der Lohnunterschied beträgt also satte 33 Prozent. Und damit die Frau dasselbe bekommt wie der Mann in einer Stunde, muss sie nicht nur eine Viertelstunde, sondern 20 Minuten länger arbeiten. Für das Jahr gilt entsprechend: Nicht nur ein Vierteljahr, sondern 4 Monate länger!
Auf der Seite [url=http://www.equalpayday.de]http://www.equalpayday.de[/url] der BPW (Business and Professional Women) lese ich:
Nach der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) vom 12. November 2009 „haben Frauen in Deutschland im Jahr 2008 mit durchschnittlich 14,51 Euro pro Stunde 4,39 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen verdient. Damit lag der Gender Pay Gap, das heißt der prozentuale Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern, wie bereits in den Vorjahren konstant bei 23%.
Ich nehme mal an, dass im Statistischen Bundesamt überwiegend Männer wirken. Sie fanden es sicher optisch hübscher, den Lohnunterschied mit 23 Prozent zu beziffern als mit 30 Prozent. Geschickte Wortkosmetik, wie bei Kristina Schröders "Verdreifachung".
Ich rechne mal vor, wie die unterschiedlichen Zahlen zustande kommen: 14,51 (Frauenlohn) + 4,39 = 18,90 (Männerlohn) 14,51: 18,9% = 76,77 (14,51 (Frauenlohn) sind 76,77 Prozent von 18,9 (Männerlohn)) 100%-76,77% = 23,23% Differenz ••••••••••••• 18,9: 14,51% = 130,25 (18,9 (Männerlohn) sind 130,25 Prozent von 14,51 (Frauenlohn) ) 130,25%-100% = 30,25% Differenz
Setzen wir unseren Lohn als Vergleichsgröße von 100 Prozent an (denken wir frauenzentriert!), so ergibt sich der stattliche Lohnunterschied von fast einem Drittel: 30,25 Prozent!
Auf der [url=http://www.equalpayday.de]http://www.equalpayday.de[/url] Seite lese ich weiter:
Der Aktionstag „Equal Pay Day“ findet jährlich statt und markiert den Entgeltunterschied zwischen den Geschlechtern in Deutschland als den Zeitraum, den Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssten, um auf das durchschnittliche Vorjahresgehalt von Männern zu kommen. Das Datum des Aktionstages „Equal Pay Day“ errechnet sich in Deutschland nach der Formel: 52 Wochen/Jahr x 5 Arbeitstage/Woche = 260 Arbeitstage/Jahr x statistisch aktuell ermittelter Entgeltunterschied in Prozent.
Dies Jahr war der Equal Pay Day am 25. März: 60 Tage länger musste die Frau angeblich arbeiten, um auf den Lohn des Mannes zu kommen.
Tatsächlich muss sie aber 78 Tage länger arbeiten, nämlich bis zum 20. April. Dann hat sie die 30 Prozent aufgeholt, die der Mann im letzten Jahr mehr verdient hat als sie.
Also liebe Frauen, begehen wir auch den Equal Pay Day gleich noch mal. Doppelt hält besser, das sahen wir ja schon bei der der zweiten 100-Jahr-Feier des Internationalen Tags der Frau.
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10 Kommentare
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03.04.2011 um 17:29 Uhr anne
danke an luise für das `frauenzentrierte denken`- sisterhood - supra!
einige länder haben schon im letzten jahr den 100. internationalen frauentag gefeiert. frauen in der überwiegenden zahl der länder feierten ihn jedoch 2011. es heisst: clara zetkin hatte bei der internationalen sozialistischen frauenkonferenz 1910 in kopenhagen mit ihrem vorschlag für einen jährlichen IFT erfolg. 1910 beschlossen, wurde dieser IFT erstmals 1911 gefeiert. das “feiern” jährte sich also zum 1oo. mal.
die obigen 30 % sind eine magische zahl? frauen/arbeit scheint unter wert zu sein - männer/arbeit dagegen von beginn an richtig eingeordnet? oder wenn es z.b. heisst, dass eine kindergärtnerin weniger verdient als ein tierpfleger, stimmt etwas nicht im staate. einkommensrückstände machen sich später i.d. rentenzahlung bemerkbar.
dass auch(gut ausgebildete)frauen unter wert betrachtet werden, empfinde ich in der debatte um die frauenquote, wenn hier wie wild auf diese kläglichen 30 % herumgehackt wird. plötzlich heisst es `qualität` statt `quote`- da wird den frauen , die gut ausgebildet sind, von anfang an gleich fehlende qualität unterstellt oder suggeriert? wie viel unqualifizierte männer ihre 100%ige männerquote i.d. führungsetagen d. unternehmen (dax) ausschöpfen konnten, danach fragt/e keiner. wie selbstverständlich geht mann davon aus, dass männer mehr oder bessere leistung er/bringen? die globale finanzmisere zeigt/e dagegen ein ganz anderes bild. ebenso die zig affären der männlichen elite (call-girls, zwangsprostitution, vetternwirtschaft, steuerhinterziehung, jux-fahrten auf firmenkosten etc.) mit z.t. extrem desolaten persönlichkeitsmerkmalen.
ich wundere mich doch sehr, dass eine `frauenquote` und somit die einführung eines höheren und berechtigten `frauenanteils` schon zu beginn mit einem negativen stigma belegt wird - leider auch von frauen selbst. `ich bin keine quotenfrau` - wenn ich das schon höre, ist das nicht ziemlich unsolidarisch? je mehr frauen , umso mehr könn(t)en sie für frauen erreichen!
sogar bei den berufsanfängerinnen/berufsanfängern zeigt sich ein deutlicher einkommensrückstand zulasten d. frauen. je grösser der betrieb, desto grösser der absolute einkommensrückstand d. weibl. berufsanfänger. zu diesem ergebnis kommt eine untersuchung des lohnspiegels der hans-böckler-stiftung. die ergebnisse verweisen ebenso auf das fortbestehen geschlechtsspezifischer lohndiskriminierung (dr. r. bispinck).
aber inzwischen kommen mehr unternehmer zur `einsicht` , das gut ausgebildete, qualifizierte weibliche potenzial besser zu nutzen - dafür bedarf es auch einer herabsetzung der 100%igen männerquote - mit dominanz und führungsanspruch spannte mann sorgfältig netzwerke und die ´gläserne decke`..auch das problem der vereinbarkeit von beruf und familie hat sich den quotenmännern nie gestellt. ein steiler weg führt/e sie nach oben - wogegen für viele (qualifizierte) frauen mit der familienplanung ein karrierknick vorprogrammiert war/ist - babypausen sind i.d. summe noch immer ein karrierenachteil und machen sich beim gehalt dauerhaft bemerkbar.
dass es anders zugehen kann, zeigt ein grosses schwed. unternehmen - dort sind fast 50 % der führungspositionen mit frauen besetzt und diese stossen im laufe ihrer karriere an keine `gläserne decke`. wichtig ist den frauen vereinbarkeit von beruf und familie zu garantieren, teilzeitfähige arbeitsplätze zu schaffen - auch in führungspositionen - das ist relevant für eine gelebte chancengleichheit. schweden ist eines der länder, in dem die gleichstellung der geschlechter am höchsten entwickelt sein soll. bereits 1974 führte schweden die bezahlte elternzeit und das elterngeld ein (report der vereinten nationen, 2o1o).
wir brauchen starke, sichtbare frauennetzwerke, frauenvorbilder, denn auch sie bestärken sicherlich frauen beim karrieresprung.
in führungspositionen sind frauen doppelt im nahteil.
http://www.lohnspiegel.de/main/zusatzinformationen/fuehrungskraefte/in-fuehrungspositionen-sind-frauen-doppelt-im-nachteil
03.04.2011 um 17:15 Uhr Evelyn
Liebe alle!
Bei solcher Ausgangssituation stelle ich mir sofort die Frage: Wie ist das zu ändern?
Ich sehe zwei Ebenen: die politische Dimension und die persönliche Dimension.
Bei der politischen Dimension bin ich immer noch eine Befürworterin eines Happenings von 1 Million Frauen vor dem Bundeskanzerlinnen-Amt (nicht weil Frau Merkel so böse ist, sondern weil die Bundesregierung einer Politik folgt, in der Innenpolitik, die eindeutig einer patriarchal-männlichen Logik folgt). Sichtbarmachen des ganzen Unrechts!
Die Diskussion um die Frauenquote beim jüngsten Gipfel hat gezeigt, dass wir uns auf nichts und niemanden verlassen können - und ganz besonders nicht auf die Familienministerin Schröder, die ihr Amt ja am liebsten einem Mann überlassen möchte - keine Polemik, sondern eine ausgesprochene Tatsache.
Die persönliche Dimension: Hier kann ich immer wieder nur auf den Begriff Selbstwert zu sprechen kommen. Der Selbstwert der Frauen ist nach wie vor in einem miserablen Zustand in unserem Land. Wir haben es schlichtweg nicht gelernt, damit zu arbeiten. Und wenn mehr Geld in die Kasse kommen soll, dann führt das nur über den individuellen Selbstwert.
Persönliche Erfahrung: Im Öffentlichen Dienst ist es mir in meinen Angestelltenverhältnissen nicht gelungen, die Strukturen zu ändern. Typische “Frauenstellen” werden grundsätzlich geringer bezahlt, zum Teil zwei Stufen oder mehr unter Normalwert. In der Wirtschaft ist es mir gelungen, mein Gehalt zu erhöhen, da ich mich zweimal durch nichts habe irritieren lassen, was mein zukünftiger Chef sagte, sondern - sogar aus der ungünstigen Rolle einer Praktikantin heraus, ein anderes Mal aus der Arbeitslosigkeit heraus - für meine Anstellung mehr Geld als angeboten g e f o r d e r t habe - es ist also durchaus noch Luft im Spiel!
Also: Wenn ich nicht etwas allein aus Lust und Liebe bei einer Arbeit mache, dann an Arbeitsstellen sagen “Ich bin mir mehr wert. Ich bin etwas wert!” Und nicht nur denken, sondern vor allem auch fühlen, sonst klappt es nicht.