“Elternteil” aufs Altenteil
Aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar. Fünfzigste Lektion.
In den Medien tobt derzeit ein Scheingefecht um die Rettung der Wörter “Mutter” und “Vater”, die angeblich europaweit abgeschafft werden sollen. Stattdessen solle ab sofort “das Elter” gesagt werden. Das habe der Europarat jüngst beschlossen und empfohlen, ereifert mann sich. Hier der entsprechende Artikel von Bild.de, einer von ganz vielen derselben Art. Sie brauchen nur "Europarat" und "Elter" oder "Mutter" zu googeln.
Nichts davon ist wahr, die Sache wurde frei erfunden, und dann schrieb es einer vom anderen ab - eine bemerkenswerte neue Strategie des Antifeminismus, über die ich mich ausführlicher in der Emma äußern werde.
Heute geht es mir nur um die Wörter “Elter” und “Elternteil” - armselige Sprachmittel in der Tat, um eine beliebige Person des Elternduos, Mutter oder Vater, zu benennen. Brauchen wir überhaupt so ein Wort? Ja, z.B. für Gesetze und Gesetzeserläuterungen:
Ab dem Jahr 2000 erhalten in Deutschland geborene Kinder von AusländerInnen die deutsche Staatsbürgerschaft, sofern sich ein Elternteil seit 8 Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhält.
Wie viel besser ist da das Englische ausgestattet. In englischsprachigen Ländern haben sie nicht nur die "parents" (Eltern), sondern auch "a parent" (ein “Elternteil”):
… provided that one parent has legally resided in Germany for at least 8 years.
Und dann haben die glücklichen AngelsächsInnen auch noch das Wort "parenting", für das es keine passende Übersetzung gibt, sondern nur ad-hoc-Behelfslösungen wie: "Elternschaft", "Kindererziehung", "Elternkompetenz", "Eltern sein" - was es alles nicht trifft.
Mein Vorschlag: Entweder benutzen wir "eltern" kühn als Verb:
Ich eltere, du elterst, wir eltern. Wir wechseln uns mit dem Eltern (parenting) ab.
Oder "Parenting" wird aus dem Englischen entliehen, am besten gleich mit "Parent" zusammen. Wenn wir schon Wörter wie "Multitasking", "download", "Dealer", Deal" und "Showbusiness" übernehmen, warum dann nicht mal ein wirklich nützliches und wichtiges Wort, das wir offenbar umso dringender brauchen, je mehr die Rechte, Pflichten, Streitigkeiten, Bedürfnisse, Stärken und Defizite von Eltern zum öffentlichen Gesprächsstoff werden?
"Parents" kommt natürlich - über das Französische - aus dem Lateinischen. Auch die Französin sagt “les parents” und "le (statt la, leider) parent". Die anderen romanischen Sprachen aber können wir als Hilfsreservoir vergessen. Auf Spanisch heißen die Eltern “los padres” (die Väter), auf Italienisch “i genitori” (die Erzeuger).
Das Deutsche steht mit “Eltern” sozusagen in der Mitte einer Skala der Frauenfreundlichkeit: "I genitori" und "los padres" sind rein patriarchal, "die Eltern" ist neutral, immerhin - und "parents", ob Englisch oder Französisch, ist matriarchal geprägt, kommt es doch vom lateinischen "parere" (gebären). Die "parents" sind also “die Gebärenden”, nur im übertragenen Sinn dann auch die ErzeugerInnen.
Damit wäre denn auch das Geschlecht von "Parent" klar, es muss ein Femininum sein: "Die Parent", wie "die Gebärende". "Der Gebärende" ergibt ja wenig Sinn. Der nichtgebärende Elternteil - was sage ich, die nichtgebärende Parent - ist immer herzlich mitgemeint.
Wenn das dem Nichtgebärer nicht passt, können wir ihm auch noch ganz anders kommen. Dann sagen wir - als Ausgleich für die ungalanten spanischen Gepflogenheiten - statt "Parent" nämlich gleich Mutter. Heißt doch die "parent company" hierzulande auch "Mutterkonzern", "Mutterunternehmen", "Muttergesellschaft" oder "Konzernmutter".
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10 Kommentare
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16.09.2010 um 20:08 Uhr Anne
“welt-mutternde luft - muttern bringt eben zur welt” - supra! doggen finde ich auch gelungen, so wie `dackeln`.. :-)
z.b. die google-suchmaschine möchte `wir muttern` gar nicht kennen und verweist prompt auf `wir eltern` - beim eingeben von `wir vatern` erkennt sie dagegen `wir feiern`? woher wohl diese assoziationen kommen? sagte es nicht schon Wilhelm Busch `vater werden ist nicht schwer, vater sein dagegen sehr`?
verwirrendes noch zu `muttermal (hexenmal) `, wie mann sich im 16. jahrhundert dieses mal erklärte: “.... glaubte, daß diese hautveränderungen durch unbefriedigte gelüste der mutter während der schwangerschaft entstehen würden.” so konnte mann ruhigen gewissens von seinen gelüsten ablenken…
15.09.2010 um 22:57 Uhr Brigitte
Hab zu früh submitted, leider.
Ich hab mich von der reinen deutschen sprache längst verabschiedet und mich mit kauderwelsch angefreundet, einer mischkulanz der ringsum gesprochenen reden, wie sie erfreulicherweise immer dichter wird, besonders an den peripherien der großstadt. Meine therapeutin, die immer eine mischkulanz von hund unter ihrem PC-tisch liegen hat, sagte heute, sie müsse anschließend doggen, was viel mehr ist, als nur den hund äußerln führen.
Das erinnerte mich an das wundervolle gedicht von G.M.HOPKIINs wo es heißt Wild air, world-mothering air/Nestling me everywhere… Welt-mutternde luft… was für ein ausdruck für das was luft macht mit der welt, luft bringt welt erst zur welt…
Mothering/muttern bringt eben zur welt - und auf das kommts an, parenting kommt erst weit später.
Luise - was ist die entsprechung zu “EINER SEI NOCH VIRIL GENUG” ist sie dann “GENERATIV” oder einfach “GENIAL”?
15.09.2010 um 22:38 Uhr Brigitte
Wild air, world-mothering air,
Nestling me everywhere,
13.09.2010 um 09:36 Uhr Amy
Keine Angst vor Anglizismen - ich mag sie und meine, sie können unsere Muttersprache nur bereichern. Wenn ich das `Elter` lese und meine Brille nicht gerade zur Hand habe, könnte ich meinen es hieße das `Eiter` Leider höre ich - wie @ Alison schon sagt - den Aufschrei der konservativen Sprachkundler bzw. -wächter die meinen unsere Muttersprache würde nicht nur durch die Feminisierung bzw. gerechte Sprache ruiniert. Immerhin seit der Völkerwanderung veränderten sich Sprachen. Die Parent das wäre mal ein echtes und sinn-gerechtes Highlight.
13.09.2010 um 08:29 Uhr Alison
“es muss ein Femininum sein: “Die Parent”...”
Ach weh! denn daraus wird nichts. Die Herren der Schöpfung (und des Dudens und sonstige Sprachunterrichtsmaterialien) werden das nicht dulden. Vielleicht DAS Parent, aber nie DIE :-(
13.09.2010 um 08:05 Uhr Undine
Liebe Luise Pusch,
ich zitiere mal aus der Wikipedia: “Elter” - “Ein Elter ist die Bezeichnung für ein Elternteil, das heißt entweder Vater oder Mutter.[..]Der Singular von Eltern ist jedoch in der Genetik nötig, da einerseits bei zwittrigen Lebewesen eine Unterscheidung in Vater und Mutter nicht immer sinnvoll ist und sich andererseits viele Aussagen gleichermaßen auf Mutter und Vater beziehen, aber nur auf einen Elternteil. Verwendet wird der Begriff mit Bezug auf den Menschen auch in der juristischen Fachsprache.”
Was will frau mehr? Nun müssten wir nur noch ergänzen, dass auch ausserhalb der Genetik und der jur. Fachsprache die Unterscheidung von Mutter und Vater oftmals nicht sinnvoll bzw. nicht zielführend ist, da sich die Aussage auf Vater und Mutter gleichermassen bezieht. Problem gelöst. Und keine muss einen neuen Anglizismus lernen (ich erinnere mich nur ungern an die englische Phase der Telekom mit ihren Sunshine und Moonshine-Tarifen). Warum also nicht: das Elter (unbestimmte, umfassende Form) - die Elter (weibliches Elter) - der Elter (männliches Elter). Da kann frau sich doch freuen aufs (a)elter werden ;)
12.09.2010 um 20:51 Uhr OliverG
Nun, unsere Kinder hatten da die ‘Mapa’-Phase das wär ja auch ein kindaussprechbares Wort ;)
Falls ich von mienen Kindern mit Mama angesprochen werde, sag ich immR: “Ich bin die Mama, die Papa heißt’, was ja auch ‘Mama’ als Überbegriff etabliert.
Ich werde jetzt mein (latent) ironisches ‘ich widme mich der Brutpflege’ durch das vorgeschlagene “eltern” ersetzen.
“Sorry, da muss/möchte ich noch eltern,ich hab erst ab 20:30 Zeit für eine Telefonkonferenz.”
Über den Kanal des Verbs könnte sich das wirklich etablieren.
12.09.2010 um 20:31 Uhr Anne
supra! ideen!
die `parent` die gebärende klingt überzeugend, schließlich bleibt auch die meiste arbeit während und nach ca. 9 monaten zwangerschaft an der gebärenden hängen - der nichtgebärer dagegen leistet sich als reinstes vergnügen die wonnen der penetration…. häufig gebärdet/e mann sich auch noch mit geschwollener brust und schulterklopfen, wenn ihm die `zeugung` gelang :-( - insbesondere wenn nach 9 monaten der gewünschte stammhalter das licht der welt erblickte. und mit der früheren fs-sendung `wir sind schwanger` wurde uns sogar suggeriert, auch männer können nun schwanger werden.
aber die andere variante `mutter` bzw. die assoziation zum `mutterboden´ müsste dem nichtgebärer doch zusagen, steht`s nicht schon in der bibel `Adam, der vom acker genommene wurde von gott aus dem lehm des ackerbodens erschaffen?
liebe Luise, ich bin auf deinen emma-artikel sehr gespannt :-) und überhaupt, danke für deinen tollen mutterwitz!