Die schönsten Jahre
Vorgestern sahen wir den TV-Film Die schönsten Jahre von Gabi Kubach nach einer Erzählung von Elke Heidenreich, mit Doris Schade und Ulrike Kriener in den Hauptrollen. Obwohl gleichzeitig bei arte die Doku Paragraph 175 von Rob Epstein und Jeffrey Friedman über Schwule und Lesben im KZ lief, hatten wir uns für den Frauenfilm entschieden, weil uns gerade nicht nach schwerer tragischer Kost zumute war und wir dachten, die Doku wird ja sowieso bald im Nachmittagsprogramm wiederholt, wie es bei arte üblich ist.
Die Hörzu hatte Die schönsten Jahre angekündigt als Film über "eine Mutter-Tochter-Beziehung". Da ältere und gar alte Frauen im TV selten zu sehen sind und wir Doris Schade und Ulrike Kriener großartig finden, war uns die Wahl nicht schwergefallen.
Der Film handelte aber überraschenderweise nicht nur von der Mutter-Tochter-Beziehung, sondern auch von Liebesbeziehungen zwischen gleich zwei Frauenpaaren, nämlich Tochter Nina und ihrer Geliebten Flora (wunderbar: Julia Bremermann) und der Mutter Eva und ihrer großen Liebe Klara, mit der sie, als der Gatte im Krieg war, ebenjene "schönsten Jahre" verlebt hatte. Und: Die Lesben traten nicht nur auf, sondern sie waren auch überzeugend konzipiert, durften intelligent reden und sympathisch agieren und wurden überdies glänzend gespielt.
Wir freuten uns über diese unverhoffte "Zugabe", wunderten uns aber, daß uns die Hörzu von diesem lesbischen Teil der Handlung so gar nichts hatte verraten wollen, obwohl die Story ihm sogar den Titel verdankt. Wie viele vom deutschen TV ohnehin bös vernachlässigten Lesben hätten sich gerne eingeschaltet, wenn sie das bloß gewußt hätten! Aber vielleicht verzichten die TV-Bosse lieber auf diese Klientel, als daß sie die Hetero-Mehrheit vergraulen.
Als ich dann im Internet weiter über den Film nachlas, fand ich folgende Stellungnahme von Elke Heidenreich: "Die schönsten Jahre ist kein Lesbenfilm. Nina und Flora tun sich gut, sie toben nicht durch die Betten. Der Film tobt durch die Seelen."
Na das erklärt ja schon mal vieles. Es ist kein Lesbenfilm, "weil die beiden Frauen nicht durch die Betten toben". Wurde irgendein Tatort-Krimi (in denen die Heteropaare in aller Regel spätesten nach 3 Minuten ausführlich im nackten Clinch zu sehen sind), uns schon mal als "Hetero-Film" angekündigt? "Ja, wir machen viel durch!" seufzen wir jedesmal, wenn wir diese obligatorische Tobsucht durchstehen müssen.
Ich hatte vergessen, den Paragraph 175-Film auf arte zu programmieren, und leider wurde er diesmal nicht wiederholt. Das wird wohl an seinem Inhalt gelegen haben - für diese Lesben und Schwulen waren es eben nicht "die schönsten Jahre", und man kann dem Volk das unschöne Thema, wenn es schon nicht verleugnet werden kann, höchstens einmal zumuten.
Die Nazis fackelten nicht lange mit den Lesben und Schwulen. Heute sind die Techniken der Auslöschung subtiler.
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1 Kommentar
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16.06.2006 um 19:24 Uhr breuer miriam
hallo, wann wird der film den nochmal ausgestahlt,habe ihn leider nicht gesehen.
wäre nett wenn er bald wiederholt würde danke