Die Mutation der Drohne
Drohnen sind männliche Bienen, deren einziger Lebenszweck die Begattung von Bienenköniginnen ist. Sie werden im Bienenstock von den emsigen weiblichen Arbeitsbienen durchgefüttert, bis sie zu ihrem „Hochzeitsflug“ aufbrechen, bei dem sie ihr Leben verlieren, wenn es ihnen gelingt, eine Königin zu „begatten“. Trotz ihrer tragischen Anmutung habe Drohnen einen schlechten Ruf:
Die männlichen Drohnen sind eigentlich für das Bienenvolk zu nichts zu gebrauchen. Sie sind genetisch halbe Portionen, plump gebaut und etwa 13 bis 16 Millimeter lang mit großen Facettenaugen. Drohnen lungern mit ihren großen Augen und Antennen dröge im Bienenstock herum, übernehmen keine Arbeit und lassen sich füttern. Drohnen dienen eigentlich nur zur sexuellen Befriedigung junger und jungfräulicher Königinnen. Bis zu 20 Drohnen begatten eine Königin beim Hochzeitsflug – dann sterben die Drohnen sofort; eigentlich ist das Drohnenleben doch ein kleiner schwarz-gelb gestreifter Männertraum. (Quelle: hier)
Die zweite Bedeutung von „Drohne“ - Nichtstuer und „faule Nesthocker“ - leitet sich ab von dieser abschätzigen Beurteilung des Drohnenlebens.
Nicht geklärt ist, warum die männliche Biene mit dem exklusiv männlichen Lebenszweck ausgerechnet „die“ Drohne heißt - nach männlichem Normalempfinden doch eine ehrenrührige Einordnung. Vermutet wird, dass es einfach eine Angleichung an das Femininum „die Biene“ sei. Die Fachsprache der Imkerei bevorzugt „der Drohn“. Drohne/Drohn ist also ein interessantes Pendant zu der feministischen Erfindung Matrone/Matron.
Die dritte Bedeutung von „Drohne“ ist: unbemannter Flugkörper, der zu Überwachungs- und anderen militärischen Zwecken eingesetzt wird. Militärische Drohnen sind ein rasanter Wachstumsmarkt, die Anzahl der Drohnen und der dafür ausgegebenen Summen wächst seit 9/11 exponentiell.
In Wörterbüchern, die älter als zehn Jahre sind, gibt es die militärische Bedeutung noch nicht. Nur in Online-Wörterbüchern finden sich alle drei Bedeutungen.
Mich interessiert die Frage, wieso die unbemannten Flugkörper, auch UAVs (unmanned aerial vehicles) oder RPVs (remotely piloted vehicles) genannt, nach den männlichen Bienen benannt wurden. Darüber habe ich - außer in Gunhild Simons Blog - nirgends etwas finden können. Sie schreibt:
Drohnen sind im Bienenstaat die einzigen, die keinen Stechapparat haben. Das heißt, sie sind unbewaffnet und wehrlos. Jede Arbeiterin kann sie totstechen. Drohne klingt deshalb weniger bedrohlich als bewaffneter Roboter für einen unbemannten, bodengesteuerten Waffenträger. In diesem Zusammenhang ist Drohne ein Euphemismus. Drohnen heißen die unbemannten Flugkörper offenbar wegen ihrer Objekthaftigkeit, fehlenden Entscheidungsfähigkeit und Fremdgesteuertheit. (Quelle: hier)
Das klingt einleuchtend, aber es gibt noch eine bessere Erklärung: Die ersten Drohnen waren in den 30er Jahren die ferngesteuerten Modellflugzeuge des US-Amerikaners Reginald Denny; er taufte sie „Dennymites“. Sie dienten der Flugabwehr als mobile Ziele zum Training. Ihr Daseinszweck erfüllte sich im Abgeschossenwerden. Außerdem summten sie (engl. to drone) wie Insekten. Was lag also näher, als sie drones zu nennen nach den ebenfalls bei Erfolg todgeweihten männlichen Bienen, den „drones“?
Inzwischen wurde die Drohne mächtig aufgerüstet. Ferngesteuert wird sie weiterhin, z.B. von Nevada aus, während sie in Afghanistan versehentlich Zivilisten oder im Jemen Al-Kaida-Führer tötet. Aus dem alten heroischen Kampf Mann gegen Mann ist also ein ziemlich heimtückisches und für den Angreifer risikoloses Morden geworden. Der Unterschied zu den Massenmorden mit Giftgas im ersten und den Massenmorden mit Bombenteppichen und Atombomben im zweiten Weltkrieg ist der, dass die mit High-Tech-Instrumenten und -Waffen bestückte Drohne ihr Ziel präziser einkreist, ortet, erkennt und trifft. Außerdem kann sie bis zur Unsichtbarkeit miniaturisiert werden.
Kurz, die plumpe, todgeweihte Drohne, der „faule Nesthocker“, ist zum Ungeheuer mutiert, das auf dem besten Weg ist, der Fluch des 21. Jahrhunderts zu werden. __________________ Zum Weiterlesen: P.W. Singer. 2009. Wired for War: The Robotics Revolution and Conflict in the 21st Century.
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7 Kommentare
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13.10.2011 um 20:36 Uhr Amy
In matriarchal lebenden Gemeinschaften gibt es dort heute nicht fast ausschließlich heterosexuelle Begegnungen. Lesbische Beziehungen und künstliche Befruchtung kommen so gut wie gar nicht vor. Also bleibt den Frauen nichts anderes übrig, als sich wieder mit Männern zu Verpartnern (z.B. Besuchsehe) ,d.h. sich so zu verhalten, wie die Gemeinschaft es vorsieht, und das ist die Heterosexualität? Eine Gesellschaft, die Mädchen im Kindesalter nicht (ausschließlich) auf Heteronorm und ihre typische Frauen/Rolle vorbereitet, fände ich sehr erstrebenswert; und zwar jenseits von der Zwang(er)schaft `Ehe`, die doch Teil einer patriarchösen Gesellschaft ist.
Der faule `Nesthocker` im heutigen Sinne ist ein bequemer Pascha und mit seiner Situation ganz zufrieden.
“Das Zusammenleben der Mosuo erscheint auch Coler nicht sehr ausgeglichen: Wie es einer Gemeinschaft von Müttern entspricht, werden die Männer wie Kinder behandelt. Ich frage mich, ob das nicht Einfluß auf die erotische Anziehungskraft dieser Männer hat. Die Frauen verhalten sich wie verantwortungsvolle Erwachsene, sie nehmen ihre Arbeit ernst. Der Mann hingegen erhält Befehle, er wird gescholten,...verbringt viel Zeit mit seinen Freunden, fühlt sich für nichts verantwortlich, wechselt ständig die Geliebte und wohnt das ganze Leben bei seiner Mutter.”
http://maedchenmannschaft.net/von-einem-matriarchat/
13.10.2011 um 14:53 Uhr Stephanie
Nur die jenigen, die sich nichts anderes, als unsere vermurkste patriarchale Gesellschaft vorstellen können, wundern sich über solche Tendenzen, wie den sogenannten Nesthocker.
In matriarchal lebenden Gemeinschaften ist es keine Seltenheit, bzw. selbstverständlich, dass Söhne im Haus der Mutter verbleiben. Sie stehen als männliche, soziale Bezugsperson für die Kinder der Schwestern zur Verfügung und der alternden Mutter zur Seite. Da Männer in matrivivialen Strukturen keiner zwanghaften Versorgungsvaterschaft unterworfen sind, leisten ihren Arbeitsanteil im Hinblick auf das matrilineare Sippengefüge, für dessen Erhalt auch sie Verantwortung tragen. Allerdings werden wir dort kaum eine Mutter finden, die ein vierzigjähriges Baby pampert.
In unserer patriarchösen Gesellschaft ist es gleichwohl die akzeptierte Realität (für mich jedoch eine recht zweifelhafte Maßnahme), die herwachsenden Kinder so früh wie möglich aus dem (Vater)haus zu entfernen.
10.10.2011 um 20:23 Uhr anne
die drohnen im bienenvolk haben keine väter. sie schlüpfen lediglich aus unbefruchteten eiern. und die königinnen entscheiden bei der eiablage selbst, welches ei (aus welchem die drohne kommt) befruchtet wird, welches nicht; die haploide parthenogenese.
die väter der tötungsmaschinerie `drohnen` und anderer tötungswerkzeuge dagegen werden nicht ruhen, bis sie endlich die menschheit gänzlich vernichtet haben. an pc-kriegsspielen berauscht sich heutzutage mit dem töten per mausklick die männliche jugend. kriegsspiele transportieren militärische denkweisen und wertesysteme und tragen damit zur militarisierung d. gesellschaft bei, ganz im sine der hersteller und auftraggeber.
und wo kommt der name `sex-bombe` eigentlich her?
im 2. WK war es auf amerik. seite üblich, insbesondere die nasen von militärflugzeugen mit pin up-bildern zu verzieren, welche die bezeichnung sex-bombe im ursprünglichen sinne verkörperten. und frauennamen, pin up-girls schmückten die tötungsmaschinen - der begriff “sex-bombe”, auch eine männl. erfindung und komposition aus sex und bombe f.d. schw..gesteuerten. ein massenwirksames medium für kriegspropaganda, die sich eindeutig erotisch aufgeladener bilder bedient/e, um das eigene lager anzuspornen (wiki)
liebevoll “little boy”, nannte mann die bisher schrecklichste vernichtungswaffe d. menschheitsgeschichte .
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-32005082.html
10.10.2011 um 16:33 Uhr Gudrun Nositschka
Beim Bienenvolk sind Drohnen nicht verzichtbar und daher sinnvoll. Sie dienen dem Leben. Umso perverser finde ich es, dass ihre Namensbezeichnung für einen Tötungsapperat vom Militär missbraucht wird und unsere Sprache ihn unkritisch aufnimmt. Ähnliches begriff ich vor Jahren mit dem Wort “Granate”. Die Granate erhielt ihren Namen wegen der vielen todbringenden Splitter nach dem wunderbaren Granatapfel mit seinen vielen Kernen/Granaten, die für das Leben aus Frauen stehen und wie wir heute wissen voller Östrogene stecken. Es liegt an uns, Tatwerkzeuge beim Namen zu nennen, wie Tötungslenkgeschoss und Splittertötungsgeschoss.
10.10.2011 um 02:24 Uhr Joey Horsley
Noch ein Grund, warum diese Glosse besonders aktuell ist: in Washington wurde am Samstag vor dem National Air and Space Museum demonstriert, wo eine Ausstellung der neusten Militärdrohnen stattfindet. Die Kriegs- und Drohnen-GegnerInnen wurden mit Pepperspray empfangen, das Museum wurde geschlossen.
http://www.ajc.com/news/nation-world/dc-museum-closed-after-1197150.html
http://www.nasm.si.edu/exhibitions/gal104/uav.cfm
Am Sonntag war es wieder geöffnet, das Publikum durfte die unheimlich modernen Mutationen ungestört weiter bewundern.
09.10.2011 um 20:16 Uhr Amy
Das Bienenvolk zeigt deutlich, daß männliche Bienen fast überflüssig sind. Einen König gibt es i.d. Natur nicht. Das Abdrängen der Drohnen , die sog. Drohnenschlacht, ist biologisch festgelegt. Die fleissigen Bienen versorgen den Nachwuchs. Keine Hochzeitsglocken, keine Verpflichtung und Zwang zur Zweier-Gemeinsamkeit mit oder ohne Trauschein. Kein religiöser Wahn, der die Menschheit bestimmt und aus den Fugen bringt. Aber auch die Bienenvölker sind vom Aussterben durch Viren bedroht. Der Verlust der Bienenvölker kann das ganze Ökosystem gefährden.
“War Porn, Kriegsporno” nennen angeblich die Soldaten den Kriegsschauplatz, der zur Unterhaltungsform mutiert. Drohneneinsätze werden über YouTube für jede/n sichtbar. Wir sehen mehr, empfinden aber weniger, heisst es. Die Perversion der männlichen Drohnen-Gehirne kennt keine Grenzen und bedient unsere Spaßgesellschaft, die auch i.d. virtuellen Welt nach immer grösseren Reizen und Perversionen lechzt. Das gehört mit zum Männlichkeits-Drohnen-Wahn.
Der Nesthocker nutzt inzwischen das Hotel Mama immer mehr, da Mama ihn von hinten bis vorne bedient. Diese Mamas sind auch fleissige Bienen? kommen aber nicht aus dem Bienenvolk…Mama wird`s dem Nesthocker schon richten.
http://www.welt.de/vermischtes/article3477218/Maenner-wohnen-laenger-im-Hotel-Mama-als-Frauen.html
09.10.2011 um 18:58 Uhr mo jour
vielen dank für diesen netten ausflug ins bienennest.
ist es zufall oder absicht, dass der text ausgerechnet heute erscheint? erst gestern meldete afp, dass das US-drohnen-fernsteuernest in nevada von einem computer-virus befallen wurde?
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5g6o9nCCLVnfWACNWwbojswKhMxlQ?docId=CNG.05bb7be448a6b2ca2a12f462e56446bd.4b1
jedenfalls eine koinzidenz :-)
ich habe mal ein doku im TV gesehen über einen mitarbeiter der US-army in nevada, der tagsüber vom pc aus drohnen fernsteuerte und in afghanistan menschen umbrachte. pünktlich zum abendessen mit frau und kindern saß er wieder im trauten heim und spielte ‘heile familie’. seeehr gruselig: das realität gewordene pc-killer-spiel.