Die Eierschützer der Personhood-Bewegung
In den USA ist in letzter Zeit viel von „Personhood“ die Rede - ein schwer übersetzbares Wort. Letztlich geht es dabei um Versuche der extremen Rechten, das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren eigenen Körper komplett abzuschaffen. Die republikanischen Präsidentschaftskandidaten unterstützen diese Bestrebungen. Am 19. Januar meldete die Feminist Majority Foundation, Rick Perry, Rick Santorum, Newt Gingrich und Ron Paul hätten auf einem Forum von Personhood USA, der Dachorganisation dieser Bewegung, allesamt versprochen, die Forderung nach dem sogenannten „Personhood amendment“ zu unterstützen. Die Personhood amendments sehen vor, die Verfassungen einzelner Bundesstaten dahingehend zu „ergänzen“ (amend), dass eine befruchtete Eizelle verfassungsmäßige Persönlichkeitsrechte bekommt. Danach soll der Geltungsbereich des Gesetzes auf die Gesamtheit der Vereinigten Staaten ausgedehnt werden.
Personhood Amendments könnten nicht nur die Abtreibung verbieten, sogar in Fällen von Vergewaltigung, Inzest oder wenn das Leben der Mutter auf dem Spiel steht. Die Amendments könnten überdies jegliche Empfängnisverhütung unter Strafe stellen und schwangeren Frauen „fötusschädigende“ Krebstherapien untersagen. Kurz, die Rechte der Frauen sollen zugunsten der „Rechte der befruchteten Eizellen“ extrem beschnitten werden.
Das scheint alles unfassbar, aber die USA haben schon viel Unfassbares durchgezogen, im Guten wie im Bösen.
Dem republikanischen Establishment kommen die Eiferer der Personhood-Bewegung gerade recht: Bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst werden die entsprechenden ballot questions ("Abstimmung über Wählerinitiativen") die Ultrakonservativen an die Wahlurnen bringen, die der Wahl womöglich ferngeblieben wären, wenn eine moderater Kandidat wie Romney von seiner Partei nominiert wird. Und wenn die „Personen- bzw. Eierschützer“ sich denn schon mal in die Wahllokale aufgemacht haben, werden sie dort auch den republikanischen Kandidaten wählen.
Ich will auf den Personhood-Wahnsinn hier nicht näher eingehen und mich stattdessen mit linguistischen Aspekten des Themas befassen. „Personhood“ ist wie gesagt, schwer übersetzbar. Es kommen in Frage: Menschsein, Personsein, Personalität, Personenstatus. "Personschaft" (analog zu "Vaterschaft" wie in "Vaterschaftstest") käme dem Original wohl am nächsten, klingt aber im Deutschen sehr unnatürlich.
An sich hätten die rechtsextremen Fanatiker sicher der Eizelle lieber „manhood“ statt „personhood“ zugesprochen, heißt es ja auch in der Verfassung „All men are created equal“. Aber „manhood“ bedeutet nicht mehr „Menschheit“ oder „Menschsein“, sondern „Männer“, „Mannesalter“ und „Manneskraft“.
Es geht aber bei der „personhood“-Debatte um die Frage, wann aus der "Leibesfrucht" der Mutter ein eigenständiger Mensch wird. Nach jahrhundertelangem Allgemeinverständnis fällt dieser Zeitpunkt mit der Abnabelung zusammen, wenn das Kind selbst atmet und nicht durch die Mutter. Bis dahin ist das Kind als Teil der Mutter zu betrachten, und sie hat allein das Recht, zu entscheiden, was mit diesem - zugegeben: besonderen und besonders wertvollen - Teil ihres Körpers zu geschehen hat. "Mein Bauch gehört mir!"
Ein plakativer Ausdruck wie Personhood, der schlagwortartig die ganze widerliche Bewegung zusammenfaßt und symbolisiert, fehlt bei uns und in unserer Sprache (derzeit noch). Würden auf unseren Straßen Menschenmassen aufmarschieren mit Spruchbändern, auf denen bloß „Menschsein jetzt!“, „Personsein“, „Personalität“ oder „Personenstatus jetzt“ stünde, würde das Volk sich verwundert die Augen reiben und fragen „Was ist denn mit denen los?“
Und das ist auch gut so. Manchmal hat Unübersetzbarkeit auch was Gutes. Möge das Wort und mit ihm die extrem frauenfeindliche Ideologie, die dahintersteht, uns weiterhin fremd bleiben. Die Eierschützer sollen sich lieber um ihre eigenen Eier kümmern und unsere in Ruhe lassen.
Zum Weiterlesen:
Kate Harding in "Common Dreams"
Amanda Marcotte in "AlterNet" •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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9 Kommentare
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30.01.2012 um 21:09 Uhr Amy
Frauen sollten den frauenfeindl. `Eierschützern` endlich mit einem Gebärstreik Paroli bieten:
1979 hatten französische Frauen zum `grève de naissance` aufgerufen. Als wirksamstes Mittel von Frauen gegen Aufrüstung, Umweltzerstörung und Atomindustrie. Für die deutsche Frauenbewegung griff die Ökologiegruppe des Berliner Frauenzentrums diese Idee auf: Zur Entwicklung der Idee und den Auseinandersetzungen ein Artikel von Christel Haße in der `Courage`, Heft 3/1980 (siehe Weblink) In Gorleben wurde dann zu Ostern von Ilona Wagner u.a. die `Gebärstreik-Aktion` initiiert. Es war nicht der erste Gebärstreik in Deutschland.” (zitiert)
Alma Wartenberg, sozialdemokratische Politikerin und Frauenrechtlerin (1871-1928) unterstützte mit anderen Frauen die Idee eines Gebärstreiks als Protest gegen den damaligen Gebärzwang. Eine mutige und couragierte Frauenrechtlerin , die vor allem in den Bereichen Mutterschutz, Geburtenkontrolle und sexuelle Aufklärung aktiv tätig war - damit brachte sie nicht nur die Justiz des Kaiserreichs, sondern auch die Beamtenärzteschaft und vor allem kirchliche Kreise gegen sich auf. (zit. Wikipedia) “Alleine die Frauen haben das Recht über ihren Körper und die Zahl der Geburten zu bestimmen” (A. Wartenberg)
http://www.cillie-rentmeister.de/themen/neue-frauenbewegung/