Die Debatte um Sarrazin aus feministischer Sicht
Es gibt in Deutschland zwei beliebte Forderungen, die aber nicht laut ausgesprochen werden dürfen:
• Frauen zurück an den Herd! • Ausländer raus!
Wenn dann aber eine oder einer kommt und diese Forderungen in einem Buch vertritt, ergibt sich ein überwältigender Verkaufserfolg. So geschah es vor 4 Jahren mit Eva Hermans Buch “Das Eva-Prinzip: Für eine neue Weiblichkeit”. Und so geht es seit Montag mit Thilo Sarrazins “Deutschland schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen”. Hermans Buch befand sich gleich nach Erscheinen auf Platz eins bei Amazon, genau wie jetzt Sarrazins Buch. Auch Sarrazin darf sich auf sehr satte Gewinne freuen.
Beide verloren bald nach ihrem riesigen publizistischen Erfolg ihre öffentlich-rechtlichen Ämter, beide mit derselben Begründung: “Unerträgliche Nähe zu Nazithesen”.
Gegen Herman argumentierten damals zuerst nur Feministinnen, der Rest des Volkes jubelte ihr zu und kaufte ihre Bücher. Im Falle Sarrazin schweigen die Feministinnen vorerst, das Volk kauft seine Bücher, und Medien und Politik verurteilen Sarrazin unisono, von links bis rechts.
Gestern sah ich in “KulturZeit” (3sat), wie Michel Friedman Sarrazin in Grund und Boden verdammte.
Darf einer, der seinerzeit in der Versenkung verschwinden musste, weil es herausgekommen war, dass er sich Zwangsprostituierte ins Hotel bestellt hatte, sich moralisch über einen anderen Patriarchen erheben? Offenbar darf er.
Der Vorfall erklärt ganz gut, weshalb die Feministinnen noch schweigen: Wir haben es mit zwei verschiedenen Versionen des Patriarchats zu tun. Sarrazin kämpft gegen das muslimische Patriarchat mit westlich-patriarchalen Mitteln, seine Gegner verteidigen es oder wollen da nichts Unrechtes erkennen. Die Schriftstellerin Monika Maron und die türkischstämmige Feministin Necla Kelek sind bisher die einzigen weiblichen Promis, die sich auf die Seite von Sarrazin stellen, Kelek vor allem, weil sie in ihm einen Verbündeten im Kampf gegen das muslimische Patriarchat sieht.
Das muslimische Patriarchat verlangt, dass die Frau sich verhüllt, das westliche Patriarchat verlangt, dass sie sich auszieht. Sarrazin will nicht, dass muslimische Familien hier nichts tun, als “lauter Kopftuchmädchen” zu produzieren und es sich im übrigen “mit Sozialtransfers bequem machen”.
Natürlich aber produzieren muslimische Familien nicht nur “Kopftuchmädchen”, sondern auch Jungs, und die finden wir Frauen weit gefährlicher, weil sie manchmal “Ehrenmorde” begehen. Allerdings sind sie nicht gefährlicher als nichtmuslimische Jungs und Männer, die auch häufig Frauen umbringen, wenn auch meist nicht aus Gründen der Ehre.
Sarrazin befürchtet, dass in Deutschland die durchschnittliche Intelligenz sinken wird, weil “bildungsferne Schichten” wie die muslimischen Familien mehr Nachwuchs produzieren als die sogenannte Elite.
Auch hier können wir Feministinnen nur den Kopf schütteln über dies naive Vertrauen eines Bankers auf die Meriten der Eliten. Haben doch diese Eliten gerade ganze Volkwirtschaften an den Rand des Abgrunds manövriert, was “bildungsfernen Schichten” nicht so schnell gelingen würde.
Die ganze Sache ist sehr komplex, deshalb will ich hier nur auf “die Bildung” eingehen. Da haben wir auf der einen Seite die “bildungsfernen Schichten” und auf der anderen Seite “die Bildungsverlierer”. Früher sagte mann stattdessen einfach “dumm” oder “blöd”: Das “dumme Volk” und die “dummen Jungs”. Vor allem aber “das dumme Weib”, auch “dumme Gans” oder “blöde Kuh” genannt.
Früher galt ein ganzes Geschlecht - und zwar meins, das weibliche - als “dumm” und genetisch minderbegabt. Schon deshalb bin ich auf solche Thesen, die ganzen Gruppen die Intelligenz absprechen, nicht gut zu sprechen. Heute würde niemand mehr laut den “physiologischen Schwachsinn des Weibes” behaupten, aber es ist nicht lange her. Weil die Frauen so dumm waren, ein kleineres Gehirn hatten als die Männer und das Studieren ihrem Uterus schadete, durften sie nicht studieren, nicht wählen - also den Männern nicht ihre Plätze an der Sonne streitig machen. Ähnliches galt für die Schwarzen (damals SklavInnen) in den USA. Benachteiligt sind beide Gruppen bis heute.
Interessant ist nun aber die Sache mit den "Bildungsverlierern" - der geschraubte Ausdruck soll verhindern, dass wir uns deren Situation als ausweglos, weil genetisch bedingt, vorstellen. Mit "Bildungsverlierern" sind im derzeitigen Diskurs vor allem Jungs gemeint. Mädchen, auch die türkischen, passen sich den schulischen Anforderungen besser an, machen ihren Abschluss, bekommen Arbeitsplätze, verdienen Geld und könnten selbständig sein - wenn sie nicht von den Bildungsverlierern und -verweigerern aus Neid unterdrückt würden. Dies jedenfalls war die Botschaft des Arte-Themenabends "Der neue Mann: Brutaler Macho?” am Dienstag. Besonders eindrücklich die Debatte mit den Feministinnen Malika Sorel und Serap Cileli, die der deutschen und der französischen Gesellschaft vehement vorwarfen, vor den Menschenrechtsverletzungen muslimischer Machos die Augen zu verschließen aus Scham wegen ihrer Nazi- bzw. Kolonialvergangenheit.
Ich stimme ihnen zu und bin überhaupt schon lange eine Anhängerin der Forderung: Ausländerinnen rein! Bei Ausländern wäre ich vorsichtig, genau wie bei Inländern.
Fazit: Sarrazin lokalisiert den Feind in der falschen Ecke, wie es meist geschieht. Die bildungsfernen Schichten sind zur (weiblichen) Hälfte gar nicht so bildungsfern. Sie sind auch mehrheitlich integrationsbereit. Aber die Bildungsverlierer unter ihnen behindern sie auf Schritt und Tritt.
Und wenn jetzt wieder “unzulässige Verallgemeinerung!” gerufen wird, möchte ich auf das Vorbild des auswärtigen Amtes oder der amerikanischen Homeland-Security-Behörde verweisen. Sämtliche AusländerInnen, die in die USA einreisen wollen, stehen unter dem Generalverdacht, TerroristInnen zu sein und müssen sich endlosen Prüfungen unterziehen. Das auswärtige Amt warnt regelmäßig deutsche TouristInnen, nicht in bestimmte Länder zu reisen, z.B. in den Kongo, nach Ägypten oder in den Yemen. Dabei sind doch die meisten Menschen (besonders die Frauen) dort friedlich und lieb und tun niemandem was zu leide. Trotzdem folgen wir diesen “unzulässigen Verallgemeinerungen” unserer Behörden, denn wenn Gefahr für Leib und Leben droht, ist eben Verallgemeinerung die Methode der Wahl. Millionen von “unschuldigen” Autos werden aus dem Verkehr gezogen, wenn bei einem die Bremsen versagt haben, Millionen von “unschuldigen” Hühnern “gekeult”, wenn bei einem die Vogelgrippe diagnostiziert wurde.
Dass wir nicht öfter offiziell vor Männern, ob Bildungsverlierer oder nicht, gewarnt werden, liegt nur daran, dass die Offiziellen selbst überwiegend Männer sind. Auch den brandgefährlichen Nazis fiel es nicht ein, das Volk rechtzeitig vor den Nazis zu warnen.
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18 Kommentare
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03.09.2010 um 13:41 Uhr Anne
danke an @ Luise, dass du das wichtige thema feministisch aufgegriffen und wieder exakt auf den punkt gebracht hast.
aber ob Eva Herman oder Sarrazin - “das (archaische, altherrgebrachte) bild des mannes ist am wanken - neue männer braucht das land” !
das problem, das so umfangreich ist, liegt mit in der patriarchalen `macho-kultur`, die von moslem. männern (die über frauen bestimmen) gelebt und an die söhne weitergegeben wird. die arte-sendung “der neue mann: ein brutaler macho” war/ist sehr wichtig und vor allem die anschliessende diskussion mit den bewundernswerten feministinnen Solel und Cileli - und gerade diese diskussion scheint im fs nicht wiederholt zu werden?
unter europenews.dk/de/node/21875 gibt es ein interview mit einem dän. psychologen, der düster formuliert und begründet “die integration von muslimen in europ. gesellschaften ist nicht möglich.”
@ Evelyn - “die selbstbefreiung aus erstarrten rollen..” - auch dazu hat die islamkritikerin und feministin Seyran Ates ein buch geschrieben “der islam braucht eine sexuelle revolution” gegen den jungfrauenwahn, schleierzwang, gewalt, rückschrittlichkeit, islam. fanatismus. lt. Ates ist dabei die aufmerksamkeit nicht nur auf die fundament. männer zu richten, sondern auch auf frauen, die sich an der seite der männer für ihre eigene unterdrückung stark machen.
und was die respektlosigkeit (z.b. gegen weibl. menschen) betrifft, erleben wir sie in unserer sog. `zivilisierten` westl. welt nicht in form von sexismus kontinuierlich an uns selbst? obwohl schon zigmal darüber geschrieben wurde - und ich möchte nicht ständig wiederholen - verschliessen viele ihre augen davor: die frau als (sexuelles) objekt i.d. werbung, mode, medien, musik-rapper-szene, pornographie usw. usw. ?
ekelhaft und bezeichnend für den männlichkeits/wahn , wie (siehe d. arte-sendung zur `frauenfeindlichkeit i.d. rapper-szene `) mit frauenabwertung, frauenhass, sexismus immenses geld verdient wird.
...der ewig reizbare mann, weibliche reize (un)erwünscht, da (un)erwünschte nebenwirkungen.
ob der koran oder die bibel, beide sind eine männlich besetzte (dominante) konstruktion.
und wie du richtig schreibst, die reale gefahr für frauen muss ernst genommen werden - insofern ist auch die männl. sexualmoral und das (sexuelle) verhalten der betroffenen männer zu hinterfragen, vor denen frauen meinen ihre aura (z.b. schleier, kopftuch) schützen zu müssen.
ganz herzliche grüsse - llg Anne
03.09.2010 um 10:05 Uhr Evelyn
Liebe Luise, liebe LeserInnen!
Ich schrieb gleichzeitig ans ZDF, anlässlich Maybrit Illners Sendung “Kampf der Kulturen?” vom 2. September 2010 aus feministisch-kulturkritischer Sicht:
“Sarrazins Spiel mit der Ausländerangst:
Herr Sarrazin polarisiert deshalb so sehr, weil er gegenüber den Menschen, die er anklagt, keinen Respekt walten lässt. Deshalb gibt es eine Gruppe, die sich distanziert und sagt “So nicht!” und eine andere, die sich genau diesem Tenor anschließen möchte. Und wegen dieser Respektlosigkeit verliert er zurecht seinen Posten und die Zugehörigkeit zur SPD. Zum Glück gibt es in Deutschland jetzt Menschen, die sich damit nicht gemein machen wollen.
Und was unsere Bundeskanzlerin getan hat, hat sie Kraft ihres Amtes zurecht getan: Sie darf und muss manchmal sogar ethische Leitlinien vorgeben. Denken Sie bitte an die Papst-Rüge.) Dabei ist der Ausdruck, Herrn Sarrazins Thesen seien nicht hilfreich, genau richtig. Respektlosigkeit ist nie hilfreich. Damit treten letztendlich alle auf der Stelle. Dies hat Herr Broder durch sein Verhalten heute Abend wieder einmal bestens dokumentiert.
Fest steht jedoch, dass es mit dem Islam Probleme gibt - übrigens wie mit fast jeder Religion, wenn sie genau unter die Lupe genommen wird (schauen Sie sich hierzu die Geschichte des Christentums an). Es gibt ein Aufeinanderprallen der Kulturen aus folgendem Grund, ich sage ausdrücklich Kulturen und nicht Religionen, weil es hier um sozio-kulturelle Unterschiede geht:
1. Der Islam verkörpert archaische Gesellschaftsformen, nämlich die der tribalen Kultur (Ausdruck stammt aus einer anderen Sendung auf arte). Die Konsequenz ist, dass es eine Idee vom Individuum wie in unserer westlichen Gesellschaft nicht gibt. Freiheit des Individuums? Fehlanzeige. Was wie getan wird, das bestimmt der Clan und das kontrolliert der Clan. Zudem ist die islamische Kultur noch immer extrem patriarchal geprägt - ein Begriff, der in der Sendung nicht vorkam, weil er tabu ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen - , das bedeutet der Patriarch kontrolliert mit seinen Handlangern meist die Söhne und andere männliche Verwandte) alles. Eine freie Entwicklung der Persönlichkeit ist für Mädchen und Frauen nicht vorgesehen; deshalb wird ihr Leben strengstens kontrolliert und ggf. auch sanktioniert, sogar mit dem Tod.
Dies zeigt den Hintergrund, warum viele Muslime tatsächlich nicht in unserer Gesellscaft angekommen sind und das spüren die Menschen.
2. Damit sind wir beim zweiten Konfliktfeld. Bis jetzt zeigt der Islam keinerlei Bemühung, zwischen Männern und Frauen eine Balance herzustellen. Die selbstbestimmte Frau ist für die männlichen Angehörigen der islamischen Kultur eine solche Bedrohung, dass alles Weibliche abgespalten und notfalls auch verfolgt werden muss. Sehen Sie hierzu bitte die vielen Frauen, die Befreiungswege beschreiten oder beschritten haben und die aufs äußerste verfolgt werden. Engagieren Sie sich dann noch für einen Bewusstseinswandel und Änderungen innerhalb ihrer Kultur, sind sie oft vom Tode bedroht - durch männliche Islamanhänger, wie Frau Cileli, Frau Kelek und andere, die sogar ihren Beruf aufgeben mussten. Solche Frauen können heute nur mit Polizeischutz überleben.
Der Weg aus diesem Dilemma:
Die Gefühle der Bedrohung und die reale Bedrohung für die Faruen und Mädchen müssen ernst genommen werden - und zwar von der ganzen deutschen Gesellschaft. Da, wie wir heute wissen, die Haltung der Männer eine Psychopathologie ist, die dem sado-masochistischen Formenkreis entspringt, geht es um psychische Arbeit mit den Männern - auf Vorträge allein werden sie wohl kaum hören oder gar reagieren.
Als gesamtgesellschaftliche Aufgabe kann dies nur gelingen, wenn sich die deutsche Gesellschaft bewusst wird, dass sie diese Probleme in der Vergangenheit auch hatte und heute eben zum Teil noch h a t . Tausende von Frauen werden in Deutschland ermordet, weil ihre Ex-Partner nicht wollen, dass die Frauen eigene Wege gehen und damit selbstbestimmt handeln. Haben wir das vergessen oder übersehen? Übersehen wir dies nicht allzu gerne? Nur wenn die deutsche Gesellschaft den Islam als Spiegel wahrnimmt, kommt Bewegung in alles. Plötzlich ist das nicht mehr so fremd und die Deutschen könnten dann ehrlich sagen: “Wir verstehen euch. Aber jetzt müssen Lösungen gesucht werden.” Denn Menschenrechtsverletzungen sind nicht zu tolerieren, davor haben wir lang genug die Augen verschlossen.
Letztendlich läuft alles, wie immer, auf das Fehlen einer Balance zwischen Mann und Frau hinaus. Wird an diesem Kernproblem etwas geändert, werden sich alle anderen Felder (Bildung, Arbeit, Aufstiegswünsche) mitbewegen. Sehen Sie sich hierzu bitte die gesamte gesellschaftliche Entwicklung unserer Kultur in den letzten hundert Jahren an. Diese These kann ich hier nicht ausführen, dies würde zu umfangreich werden, aber nehmen Sie sie bitte trotzdem zur Kenntnis.
Der Gewinn, den die muslimischen Männer dadurch hätten im Sinne einer Selbstbefreiung aus erstarrten Rollen, ist ihnen heute noch überhaupt nicht klar, bis auf Einzelfälle. Deshalb geht der Teufelskreis immer weiter. Leider ist diese Struktur bereits im Koran angelegt.”
In diesem Sinne grüße ich herzlich in die Runde!