Der Zuhälter und die Haushälterin: Anmerkungen zum Reformationstag
Zum heutigen Reformationstag wachte ich mit vermischten Ideen für meine nächste Glosse auf. Ich dachte an “das Vaterunser” und “den Paternoster” - beides Wörter, die auch bald mal eine Glosse verdienen. Ich dachte an Doktor Martin Luther, den inzwischen vermutlich verstorbenen Dackel von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Und ich dachte an Margot Käßmann, die erste Ratspräsidentin der EKD (ev. Kirche in Deutschland).
Da hat die Reformation den Frauen schließlich doch noch was gebracht. Allerdings hat es 450 Jahre gedauert bis zur ersten Pfarrerin, 475 Jahre bis zur ersten Bischöfin und fast ein halbes Jahrtausend bis zur ersten Ratspräsidentin, Käßmann.
Interessant übrigens, dass die beiden Frauen, die in Deutschland derzeit die höchsten politischen Ämter bekleiden, beide Pfarrerstöchter sind. Die neue Ministerpräsidentin Thüringens, Christine Lieberknecht, ist außerdem selber Pfarrerin und mit einem Pfarrer verheiratet. Das deutsche evangelische Pfarrhaus soll ja so viele männliche Genies hervorgebracht haben; die fehlenden weiblichen Genies und Talente hingegen wurden wohl bis vor kurzem erfolgreich behindert. Jetzt aber kommen sie anscheinend flott zum Zuge …
Was hat die Reformation den Frauen sonst noch gebracht?
Das Mönchtum und das Nonnenwesen wurden abgeschafft. Der Exmönch Luther und die Exnonne Katharina von Bora heirateten und wurden damit Vorbilder für alle kinderreichen Pfarrfamilien nach ihnen. War bis dahin die Ehelosigkeit der würdigste christliche Zivilstand, erreichbar nur für auserwählte Seelen, die dafür später selig- oder heiliggesprochen wurden, traten mit den Luthers die “family values” ihren bedenklichen Siegeszug an. Vornehmste Aufgabe der Frau war fortan die Pflege des Gatten, der Kinder und des Haushalts, und da sie die Kinder zum rechten Glauben erziehen sollte, durfte sie auch ein bißchen studieren, und zwar die Bibel. Von imponierenden Frauen wie Roswitha von Gandersheim, Hildegard von Bingen, Caterina von Siena oder Teresa von Avila ist in der protestantischen Kirche nichts bekannt.
Der evangelische Pfarrer hat wie der Reformator seine evangelische Pfarrfrau zur Seite. Viele meiner Vorfahrinnen haben sich in diesem undankbaren, äußerst arbeitsintensiven und unbezahlten Amt verbraucht. Die evangelische Pfarrerin von heute (30 Prozent aller Pfarrstellen sind inzwischen mit Frauen besetzt) hat in der Regel keinen Pfarr- bzw. Hausmann zur Seite, nicht mal einen Haushälter entsprechend der Haushälterin des katholischen Pfarrers.
Das Wort Haushälter ist so ungebräuchlich, dass es in den meisten Lexika fehlt. Mag es immerhin fehlen - zum Ausgleich haben wir den Zuhälter, dem das weibliche Pendant fehlt.
Das Duden Herkunftswörterbuch, 3. Aufl. meldet über Zuhälter:
“Zuhälter” bedeutet … eigentlich “Geliebte[r], außerehelicher Geschlechtspartner”, beachte das veraltete “Zuhälterin”, “Dirne” (15. Jh.). Daraus entwickelte sich die Bedeutung “Dirnenbeschützer”.
Wie wir wissen, ist der “Dirnenbeschützer” alles andere als ein Beschützer.
Der fehlende Haushälter benachteiligt die vielen schwulen Priester, die - anders als ihre heterosexuellen Kollegen die Partnerin-"Haushälterin" - den Partner nicht als “Haushälter” tarnen können. Aber um dies hausgemachte Problem soll sich die katholische Kirche selber kümmern.
Lücken im Wortschatz wie der fehlende Haushälter und die fehlende Zuhälterin sind meist sehr aufschlussreich. Das Beispiel Haushälterin - Zuhälter bestätigt akkurat die feministische Analyse der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung: Der Mann dient dem Herrn (als Priester oder evangelischer Pfarrer) oder auch dem Gott Mammon (als Zuhälter), die Frau aber dient dem Mann, z.B. als Haushälterin, als “Dirne” oder als Kombi (Pfarrfrau). Der Mann dient nicht der Frau, da sei Gott vor! Wenn also die Frau sich anmaßt, als Pfarrerin dem Herrn zu dienen, als Bundeskanzlerin dem Volk oder als Ministerpräsidentin dem Land Thüringen, muss sie zusehen, wie sie zurechtkommt. Sie kann mitnichten auf einen Mann rechnen, der dann ihr dient. Denn es gibt keinen Haushälter, keinen Dirnerich, keinen Pfarrmann, keinen Ministerpräsidentingatten und keinen Kanzleringatten - weder sprachlich noch sonstwo.
Besser hatten und haben es da die Nonnen: Die Bräute Christi dienen zwar dem Herrn unter Aufsicht eines Priesters, aber sie dienen nicht Männern, sondern versorgen einander.
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10 Kommentare
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26.05.2010 um 17:22 Uhr roulettetrick
Ich merke gerade das ich diesen Blog deutlich ofter lesen sollte- da kommt man echt auf Ideen.
02.11.2009 um 15:34 Uhr Duerr
Frauen, Frauen, Frauen!! Wie schön brav zeigt Ihr wieder einmal auf, was Frauen alles Frauen antun! Und wie freuen sich da die Männer darüber. Das moderne, von Männern geprägte Wort heisst hier: Zickenkrieg. (!) Frauen haben aufgrund der mind. 5000-jährigen Geschichte der Unterdrückung im Patriarchat die eigene Not und die Lebensgefahr derer, die aufmucken, vollkommen internalisiert. So sehr, dass sie nicht einmal mehr merken, wie sie mit solchen Aussagen, wie Alison sie macht, den Männern perfekt in die Hände spielen: Frauen konzentrieren sich auf die aktuellen Frauen, anstatt dass sie die URSACHEN solchen Handelns untersuchen - und schliesslich bekämpfen. Die Beschneidung und das Füsse-einbinden, ja sogar der Frauenhandel durch Frauen hat seine Ursache immer und ausschliesslich in der materiellen, ökonomischen und personellen Ent-Eignung der Frauen in den Gesellschaften weltweit. Frauen sind seit dem Kippen der matriarchalen Kulturen um 2500 v. Christus mit dem Tode bedroht, wenn sie nicht spuren, nicht tun, was die Männer befehlen. Und wenn sie selbst nicht unmittelbar bedroht sind, so sind es mit Sicherheit ihre Kinder. Daran hat sich bis heute nichts, aber auch gar nichts geändert. Hier genügt ein Blick in die Mord-/Totschlagstatistiken, ein Hinhören, wie Morde an der Ehefrau/Lebensgefährtin samt der Kinder schöngeredet wird (Familiendrama statt Mord/mehrfacher Mord), ein Beobachten welche Strafen Frauen, die getötet haben und welche Strafen Männer, die getötet haben, erhalten…
Wer darüber mehr wissen will, lese Christa Mulack, Doris Wolf, Carola Meier-Seethaler u.v.a.m. Und wie Luise richtig sagt: Die Frauenverachtung, die Enteignung ihrer selbst, deren ökonomisches Abhängighalten - dies alles ist in der christlichen Religion intergrierender Bestandteil, ja sogar deren wichtigstes und tragendes Element überhaupt. Es gibt kaum ein Buch, das derart unwidersprochen offen zu Mord und Totschlag an Frauen, Vergewaltigung, Frauenhandel, Sklaverei und Kindertötung aufruft wie die Bibel das tut. (Auch hier gibt es Literatur) Eigentlich dürfte keine Frau in einer christlichen Kirche sein, geschweige denn noch Steuern für diesen frauenverachtenden Verein zahlen oder gar in diesen “Kirchen” Karriere machen (wollen)! Das ist nämlich so, als würde frau den eigenen Vergewaltiger und Mörder auch noch honorieren für seine Taten.
Die Schändlichkeit der christlichen Religion ist, dass sie die Frauen ab dem 11. Jahrhundert systematisch ökonomisch enteignet hat. (Die nordischen Völker hatten bis weit ins 14. Jahrhundert hinein noch das Mutterrecht, d.h. Haus und Hof war grundsätzlich im Besitz der Frauen. Im 11. Jh. haben dann die katholischen Mönche (v. a. in Schottland) damit begonnen, die Frauen über die Beschuldigung der Hexerei zu enteignen, da das Eigentum der zum Tode Verurteilten an die Kirche fiel…! Der Rest der Geschichte ist als Hexenwahn bekannt, war aber in Wahrheit nichts anderes als ein gezielter Femizid.) Aus dieser Enteignung und aus der bis heute andauernden Diffamierung der Frauen resultierte ein unglaubliches Elend, eine Abhängigkeit vom Mann, die an Sklaverei grenzt und eine Gehirnwäsche, die bis heute bei den allermeisten Frauen (und Männern, denn die glauben noch immer es sei Recht und rechtens, was sie tun) noch immer wirkt.
Somit sind Bischöfinnen und Pfarrerinnen der reformierten Kirchen nichts weiter als Feigenblätter für das den Frauen noch immer angetane Unrecht. Bei den Katholiken herrscht noch immer Hexenwahn, was beim Alter der massgebenden Knaben auch nicht verwunderlich ist… Wer sich nun fragt: Ja an was soll ich dann glauben?, dem sage ich: In erster Linie an Dich selbst und dann - wenn Du magst - an die Grosse Mutter Natur! Aber niemals an einen männlichen, alleinigen, allmächtigen und (huch) allgütigen Gott, denn dessen Charakter ist so beschaffen, dass ich meinen eigenen als geradezu vornehm und gut ansehen darf.
lg Duerr
02.11.2009 um 14:51 Uhr Anne
Danke, liebe Luise - genau das ist doch das problem: “in wessen interesse” finden/fanden all die grausamen geschehnisse an frauen statt. In erster linie sind es männer, die diese verbrechen organisieren; frauen für ihre interessen `vergewaltigen` zum zwecke der überaus grossen anzahl einer männlichen käuferschar = frauen-mädchen-benutzer - also doch im sinne der männl. menschen.
Häufig gehören frauen aus dem prostitutionsmilieu zu den anwerberinnen, weil sie selbst keine möglichkeit haben, aus dem männergeschäft `prostitution` herauszukommen. Viele werden auch dazu gezwungen und häufig haben sie selbst sexuelle und andere gewalterfahrungen erleiden müssen. Das bedeutet doch wohl nicht, daß diese verbrechen dadurch geschmälert werden, oder?
In nigeria (lt. presse) gibt es ein netzwerk von schleppern - hier arbeiten rekrutierer, die neue mädchen anwerben; mittelsmänner besorgen die dokumente und eigene helfer bedrohen die familien.
Ferner: zwangsheiraten werden von männern arrangiert, weibliche genitalverstümmelung von männern verlangt - beides geschieht im sinne der männl. menschen. Die meisten `Madames`, wie nigerianische frauenhändlerinnen genannt werden, waren vorher selbst opfer und wurden traumatisiert. “Ein trauma wird, erklären experten, so lange reinszeniert, bis es verarbeitet wird. Selbst zur Madame zu werden, gibt die möglichkeit, sich aus dem system, das einem schmerzen zugefügt hat, etwas zurückzuholen. Deshalb wächst das system.”!
Die meisten frauen - auch aus der ukraine - werden von zuhältern zu ihrer tätigkeit gezwungen.
Frauenhandel, Prostitution würde ohne männer nicht funktionieren - ohne nachfrage gäbe es sie nicht. Als freier bestimmen sie den markt, als zuhälter organisieren sie das geschäft - sie schaffen durch ihr verhalten erst ein umfeld, in dem ausbeutung, gewalt und entwürdigung gedeihen können.
http://www.stoppt-zwangsprostitution.de/was_ist_zwangsprostitution/herkunftslander/
02.11.2009 um 12:41 Uhr sabine
Auch diese erschütternde Nachricht von Alison zeigt, daß es überhaupt nicht reicht, lediglich biologisch Frau zu sein. Daß Angela Murksel (wie eine Nachbarin unsere Kanzlerin brummend nannte)ein weitreichendes weiches Dekolleté in die Öffentlichkeit schiebt und ein gemütliches Lächeln, heißt nicht, daß der ganze Christl.SU- und Christl.DU-Männerbund, dem sie dank ihrer Wählerinnen zur Macht verhalf, seinen Einfluß verloren hat und frau ihn merkelkultig ignorieren sollte. Never judge a book by its cover, nicht wahr?
02.11.2009 um 12:25 Uhr lfp
@Alison:
Frauen sind auch diejenigen, die normalerweise die Genitalverstümmelung an Mädchen durchführen. Sie waren auch diejenigen, die in China den kleinen Mädchen die Füße einbanden und verstümmelten. Wir müssen fragen, IN WESSEN INTERESSE die Verstümmelungen und der Frauenhandel geschehen. Sicher nicht im Interesse der Frauen allgemein oder gar der Opfer. Chinesische Männer nahmen nur fußverstümmelte Frauen; ihre Mütter wollten, dass sie in einer männerdominierten Gesellschaft Überlebenschancen hätten. Viele Männer in Afrika wollen nur genitalverstümmelte Frauen, Männer überall wollen Frauen und Kinder zur sexuellen Benutzung kaufen.
Frauen, die mit Frauenhandel Geld verdienen, waren oft selbst Opfer des Frauenhandels (z.B. nigerianische Frauen, die nach Italien verschleppt wurden und sich dort vom Opfer zur Frauenhändlerin “emporgearbeitet” haben).
Das ist alles schlimm genug, aber wir sollten klar das “cui bono” im Auge behalten. Mary Daly verglich die genitalverstümmelnden Frauen mit Geschäftsführerinnen; der Chef, in dessen Interesse, auf dessen Befehl alles geschieht, bleibt unsichtbar, im Hintergrund. Das kann den Männern nur recht sein.
02.11.2009 um 03:34 Uhr Alison
Ich moechte in Erinnerung rufen, dass viele im Frauenhandel engagierte und profitierende Menschen doch Frauen sind. Frauenhandel liegt in etliche Laender in Frauenhand, ob in Afrika (z.B. Liberien oder Nigerien) oder im ehem. “Osten” (z.B. Georgien).
“Surprisingly, in 30% of the countries which provided information on the gender of traffickers, women make up the largest proportion of traffickers. In some parts of the world, women trafficking women is the norm.”
http://www.ungift.org/ungift/en/stories/un.gift-report-on-human-trafficking-exposes-modern-form-of-slavery-.html
01.11.2009 um 22:47 Uhr sabine
Als ich einmal las, die Kirchen seien die “Schutzherrinnen finsterer Beharrung”, gefiel mir zwar die finstere Beharrung (finstere Behaarung nicht ausgeschlossen), nicht aber daß aus diesen Männermachtmonstern nun eine verantwortliche “Herrin” wurde. Ich bin für: der Religion. Und: der Kirche. D.h. letztlich wünsche ich mir ihr spurloses Verschwinden in Form einer Spontanheilung aller UnterstützerInnen, auch jener Frauen, die in diesem Apparat Karriere machen, wofür mein Verständnis im finsteren Minusbereich liegt - besonders allerdings bei lesbischen. Die können sich natürlich eine Haushälterin halten…...
01.11.2009 um 20:14 Uhr Gudrun Nositschka
Den Frauen der Welt konnte und kann keine Reformation etwas bringen, müssen sie doch in den Postitionen der Pfarrerin, Bischöfin und Ratsvorsitzenden weiterhin das frauenfeindliche Gedankengut einer patriarchalen Religion lehren und tun es offentsichtlich voller Selbstbewusstsein. Sie sind so Komplizinnen auch des heutigen Patriarchats, das nicht reformierbar ist. mary Daly führt in Gyn/Ökologie aus wie wir beginnen können, es schon jetzt hinter zu lassen.
LG, Gudrun Eifel