Der Star, die Diva und das Top-Model
Vor ein paar Wochen war in der Tagesschau von einem Stararchitekten die Rede, den Namen habe ich vergessen. Kurze Zeit, noch in derselben Tagesschau, redeten sie wieder von einem Stararchitekten, diesmal einem anderen. Den Namen habe ich auch vergessen.
Gibt es denn heutzutage nur noch Stararchitekten? Warum musste die Tagesschau, immerhin eine Sendung, die seriös sein will, diese beiden Architekten sprachlich so hochjubeln, als wären wir im Privatfernsehen und sähen „Deutschland sucht den Superstar“?
Ich dachte dann über die Berufe nach, die manchmal mit dem Etikett „Star“ beklebt werden: Da haben wir den Stardirigenten, den Starverteidiger und den Startenor. Starbässe und Starrichter gibt es hingegen nicht. Auch keine Starschriftsteller, wohl aber Star-Autoren. Unter den Köchen gibt es immer mehr Stars, aber die heißen ulkigerweise Sterneköche. Starabgeordneter oder Starmaler? Fehlanzeige. Ziemlich willkürlich zusammengewürfelter Haufen, diese Stars, scheint mir.
Starfußballer gibt es auch nicht, stattdessen haben wir in der Sparte Showbusiness Fußballstars, Filmstars, Opernstars, Musicalstars und vor allem Popstars. Im Oktober wurde Liszts 200. Geburtstag gefeiert, und immer wieder hieß es dazu, Liszt sei ein echter Popstar des 19. Jahrhunderts gewesen. Auch über Margot Käßmann sagten die Medien gerne, sie hätte Starqualitäten und sei eine Art Popstar der evangelischen Kirche. Und die katholische Kirche hatte mit Johannes Paul II. ihren eigenen Popstar oder Superstar, fast so populär wie Jesus Christ Superstar.
Auch kennen wir Politstars wie einst Joschka Fischer und Karl Theodor zu Guttenplag und heute etwa Klaus Wowereit. Von Obama hieß es auch durchgehend, er fülle riesige Stadien wie ein Popstar. Angela Merkel mag die mächtigste Frau der Welt sein, aber ein Star ist sie nicht, und sie scheint alles zu tun, um den Verdacht von Starqualitäten gar nicht erst aufkommen zu lassen. Wie denn überhaupt unter den Stardirigenten, Stararchitekten, Starverteidigern etc. etc. die Frauen rar sind. Wenn Frauen einen hohen Grad von Popularität erreichen und ein Starkult um sie betrieben wird, so nennt man sie eher Top-Models oder Diven: Operndiven wie Callas und Netrebko oder Popdiven wie Madonna und Lady Gaga. Ein Divo hingegen war nicht einmal Jesus, ansonsten gab es Divi nur im 18. Jahrhundert zur Zeit der Kastraten.
Und wo soll das alles hinaus? Nun, wir haben gerade Weihnachten hinter uns mit dem Star bzw. Stern von Bethlehem, der den drei Weisen bzw. Königen aus dem Morgenland den rechten Weg wies. Und am 6. Januar ist Dreikönigstag.
Jedenfalls durchleben wir gerade eine Jahreszeit, in der Sterne Hochkonjunktur haben und fast so prominent sind wie Stars oder Promis.
Dass so wenige Frauen als Stars deklariert werden, sollte uns heiter und zufrieden stimmen. Denn welche sparsame Hausfrau erinnert sich nicht noch an die Starfighter, deren Spezialität es war, massenweise abzustürzen und unsere Steuergelder milliardenweise in den Sand zu setzen. Außerdem weiß doch jedefrau: Sterne gibt es wie Sand am Meer. Genauer: etwa 70 Trilliarden.
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5 Kommentare
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10.01.2012 um 09:15 Uhr Bridge
danke, liebe Lena, ich wusste, du würdest uns les stars de la France näher bringen!—- es sind bemerkenswerte ergänzungen.
(Zu meiner anekdote am schluss: der nachthimmel mit seinen stars ist auch als schwarze folie mit kleinen löchern zu sehen, durch die ein lichter raum durchblitzt, und raum steht im deutschen traditionell für freiheit - in der frischen perpektive meiner enkelin erstmals verlautet.)
08.01.2012 um 14:47 Uhr anne
nachtrag: ein schönes beispiel zum männl. starkult gibt dieser artikel über shirley bassy ab: superstars wie pet shop boys oder rufus wainwright (anmerk. noch nie von denen gehört) , dagegen wird bassey als diva und songstilistin vorgestellt - und wie sollte es auch anders sein frank sinatra als legendärer kollege ....
der begriff diva (lt. wiki) dagegen wird häufig mit einer negativen wertung (hochmut) belegt, wenn menschen - zumeist frauen! - infolge besonderen bekanntheitsgrades ihrer umwelt ihre gegebene oder vermeintliche abgehobenheit durch `unnahbarkeit` zu erkennen geben. mitunter steht ein solches diventum auch in verbindung mit launenhaftigkeit und missachtung oder schikanierung des persönlichen umfeldes. auch im tennissport findet man den begriff `diva` - marie pierce (frankreich) wurde so betitelt wegen ihres extrovertierten verhaltens, teils wegen ihres gepflegten und zurechtgemachten äusseren. (zit. wiki)
nun, die diva steht zumeist für negative eigenschaften, ausnahmslos den weibl. menschen zugeordnet? ein männl. star bzw. held geriert im negativen sinn zur männl. diva, sobald ihm all diese schrecklichen, angeblich weibl. eigenschaften anhaften? dafür werden im pornogeschäft frauen medienwirksam für das männl. publikum als geile porno/Stars verfüttert - hier kann es für die phallokraten gar nicht genug (weibliche) stars geben - alles doch sehr durchschaubar.
http://www.queer.de/detail.php?article_id=11329
04.01.2012 um 10:45 Uhr Lena Vandrey
Liebe Bridge! Danke für Deine Idee, denn mir fällt durchaus etwas ein - Von Frankreich hoch, da komm’ ich her…
Alles, was mit STAR zu tun hat, ist weiblich, also LA Star, auch für die übelsten Typen. Vormals, vor 50 Jahren, hieBen die Stars VEDETTE, auch weiblich, bezeichnete ein Schiff, welches anderen vorausfährt. ETOILE, der Stern, wird in diesem Zusammenhang wenig benutzt; das Wort erinnert gleich an ETOILE JAUNE, der gelbe Juden-Stern, oder an LA PLACE DE L’ETOILE, der Platz des Triumphbogens in Paris, oder der Platz des gelben Sterns auf dem Mantel. Die Zusammenfügung von Star mit den verschiedensten Berufen gibt es nicht. Stars sind hauptsächlich Leute, die in den Medien, Opern, Theatern singen und tanzen, und die Film-Stars natürlich. Leute aus der Wissenschaft, Kunst und Kultur sind keine Stars, selbst wenn sie jeden Tag im FS auftreten. Seriöse Berufe halten vom Star-Sein zurück.
Es gibt auch eine ironische Anwendung von Star, genauso wie von ARTISTE, nicht unbedingt ein Kompliment. Gauner und Fälscher können Stars sein, eine Malerin nicht. Und Vedette ist inzwischen ein Schimpfwort für jemand, der seine Arbeit schlecht verrichtet oder Termine nicht einhält. Star ist weiblich, weil Etoile weiblich ist. Darüber hat bislang noch niemand nachgedacht, obwohl mir seit immer schon das LA für fiese Typen missfällt.
Für Alice Schwarzer aber würde es heiBen: La Star du Féminisme allemand, obzwar sie nicht singt und tanzt, aber ihr Auftreten in den Medien hat etwas davon, eben die komödiantische Verkörperung.
LFP könnte auch als La Star de la Linguistique allemande gesehen werden, und zwar, weil sie eine Humoristin ist.
Unsere französischen Humoristinnen sind Stars, nicht wegen - sondern trotz ihrer Intelligenz!
Ein interessantes Thema!
02.01.2012 um 21:07 Uhr Bridge
Ob stars, superstars / popstars wie jesus christ, starärzte, politstars, fussballstars… das unreflektierte sprechen von kommentatoren sticht sie wie keksformen aus einem schwarzen teig aus, wirft sie ins scheinwerferlicht und dem mob vor, der alles frisst, was auf seine amorphe masse glanz abwirft. Zweimal stararchitekten in einer nachrichtensendung - wie unsachlich, wirklich: alles männer, echt fad. Männlich die sterne, diven weiblich für die diwans, und top-models wiewohl frauen sächlich! Das war eine supra-glosse für die stillste zeit im jahr.
Stella ist ein schöner Vorname und femininum étoile klingt nicht reißerisch…. vielleicht fällt Lena V. ergiebiges aus france dazu ein?
Gestattet eine anekdote: Als ich meiner noch nicht zweijährigen enkelin das erste mal den nachthimmel zeigte, fuchtelte sie aufgeregt mit ihren armen und schrie “löcher, löcher”, auf die sterne weisend.
02.01.2012 um 12:47 Uhr anne
wow, luise , danke f.d. guten einsichten!
in der männlich durchtränkten medienwelt sind weibliche stars eher selten; wenn schon, dann laufen sie in der verniedlichungsform `sternchen` (stars & sternchen) auf, natürlich als top-modelle verkleidet - kein prominenter mann wird als `sternchen` bezeichnet, das ist dem kindchen-schema weibl. mensch vorbehalten.
besonders lächerlich wirkt es, wenn medien ihre sog.`superstars` schon zu lebzeiten als legendär bezeichnen - ob udo jürgens, gottschalk, lindenberg, beckenbauer u.a.; frühes einüben im gegenseitigen schulterklopfen und hochjubeln überbezahlter jecken. es kann für männer in ihrem hierarchischen denken gar nicht hoch genug hinausgehen - bis sie schließlich zu `herrgöttern´(z.b.fußballgott) aufgestiegen sind und verinnerlicht werden. in der bildlichen vorstellung der männer aus relig. perspektive ist gott ein mann - wie schrecklich für sie jedoch die vorstellung, sie wären nicht die mögl. dominierenden repräsentanten, wo auch immer….
“frauennotstand bei den `superstars/dsds` beklagte die zeitschrift `stern` in 2010 - über die auswahlkriterien der dümmlichen sendung `deutschland sucht den superstar` äusserte sich der superstar bohlen `wir hatten noch nie so geile weiber wie dieses jahr, also optischmäßig” . und darauf kommt`s den herren wohl an?
deutschlands wahre superstars verzieren sich dagegen mit leucht-birnen und flügelchen ...
http://wahre-superstars.spreadshirt.de/maenner-D1