Der Mann als Sicherheitsrisiko, Teil 1
Seit ich vor drei Wochen meine und Brigitta Huhnkes Kommentare zum Frauenmord in Winnenden veröffentlichte, tobt auf femBio.org ein heftiger Streit zwischen Frauen und Männern.** Einige wenige Frauen unterstützen die Männer und werfen den anderen Frauen u.a. “Männerhass” und “Steinzeitfeminismus” vor. Leider kann die Steinzeit sich nicht mehr beschweren, dass sie immer für Schimpfworte herhalten muss.
Ich stehe natürlich auf Seiten der weiblichen Mehrheit, die sich aus Feministinnen und anderen nachdenklichen Frauen zusammensetzt. In dem Konflikt habe ich mich allerdings nicht oft geäußert, aus Zeitmangel und weil ich in 30 Jahren feministischer Auseinandersetzung mit Männern gelernt habe, dass feindselige Männer nur stören und nichts dazulernen wollen. Ich achte also, bevor ich reagiere, sehr genau auf den Ton der Kommentare. Gleich der erste Kommentator fand meine Ausführungen “zum Kotzen” und bescheinigte mir Bild-Niveau. Grund genug, nicht zu reagieren. Ich halte mich da strikt an mein ehrwürdiges Vorbild Dorothea Christina Erxleben, Deutschlands erste promovierte Ärztin, die schon vor über 250 Jahren die Richtlinie für den Umgang mit antifeministischen Rüpeln verfasste:
[Der Widersacher] Gewäsche wird mich niemals verleiten..., ihnen zu antworten und dadurch die edle Zeit zu verderben, mich selbst aber in Gefahr zu setzen, ihnen gleich zu werden. (Dorothea Christina Erxleben, Lebenslauf, 1755).
Wenn ich mich mal zu dem “Gewäsche” mancher “Widersacher” geäußert habe, dann mehr, um mich mit den Frauen zu solidarisieren und Literatur zu empfehlen. In meinen Vorträgen bekommen solche Widersacher routinemäßig den Rat, sie möchten sich doch erstmal sachkundig machen.
Da aber so viele Frauen sich ins Zeug gelegt und versucht haben, den Widersachern noch etwas beizubringen, möchte ich im folgenden einige Antworten auflisten, die sich bewährt haben oder die mir kürzlich zu dem ewigen Streit eingefallen sind.
Mein Vorbild dabei ist die hier verlinkte hilfreiche Sammlung von Antworten auf typische Fragen in der Debatte um die Pornographie (englisch). Sie wurde überwiegend für PädagogInnen ausgearbeitet und ist für den Einsatz in pädagogischen Zusammenhängen gedacht. Ich selbst bevorzuge, wie gesagt, die Methode Erxleben, komme aber in Diskussionen oft auch nicht darum herum, mich mit Widersachern auseinanderzusetzen.
Hier nun zwei der stereotyp vorgebrachten Fragen bzw. Vorwürfe und meine Antworten:
1. "Ihr verallgemeinert doch total, wenn ihr behauptet, alle Männer sind Killer und Frauenhasser. Das ist doch total bescheuert. Die meisten Männer tun keiner Fliege was zuleide."
Meine Antwort: Das mag schon sein, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Die Fluggesellschaften glauben sicher auch nicht, dass alle Fluggäste Terroristen sind, von den Fluggästinnen ganz zu schweigen. Trotzdem werden wir seit dem 11. September 2001 immer rigoroseren Vorsichtsmaßnahmen unterworfen. Neulich war sogar der "Nacktscanner" im Gespräch. Würden Sie den Fluggesellschaften unzulässige Verallgemeinerung vorwerfen, oder sind Sie mit der Behandlung einverstanden, weil sie auch Ihrer Sicherheit dient?
In Ägypten und anderen islamischen Ländern werden immer wieder westliche TouristInnen überfallen und als Geiseln genommen oder im Reisebus in die Luft gesprengt. Nach dem zweiten Attentat gibt das Auswärtige Amt eine Warnung heraus und rät vom Urlaub in diesen Gegenden ab - genau, was die Terroranschläge bezweckt haben. Eine unverantwortliche Verallgemeinerung des Auswärtigen Amtes? Schließlich verbringen ja die meisten TouristInnen, die es dennoch wagen, wunderbare Wochen in Ägypten, vielleicht sogar in Palästina, im Irak und in anderen Krisengebieten.
Kurz: Beim Umgang mit Gefahrenquellen ist Verallgemeinerung die Methode der Wahl. Es genügt ein Todesfall durch Vogelgrippe, ein wahnsinniges Rind, eine Pille mit unerwarteter Todesfolge, ein fehlerhafter Autoreifen, um Millionen gänzlich “unschuldiger” Tiere zu töten oder Autoreifen zurückzurufen, Milliarden von Pillen aus dem Verkehr zu ziehen. Es wird verallgemeinert in unglaublichem Ausmaß, und das ist wahrscheinlich gut so (bei den massenhaft abgeschlachteten Tieren bin ich nicht sicher; ich finde es entsetzlich). Es dient - so die Intention - dem Überleben. Dass der Mann für die Frau eine enorme Gefahrenquelle ist, möchte der einzelne Mann natürlich nicht wahrhaben oder gelten lassen, aber seine Geschlechtsgenossen widerlegen ihn tagtäglich mit Gusto.
Für menschliche Gefahrenquellen gelten andere Gesetze als für infizierte Tiere oder defekte Autoreifen. Sie werden nicht massenhaft gekeult, höchstens mal in Quarantäne verbracht. Sie werden “gescreent” (Flugverkehr) oder weiträumig gemieden (Krisengebiete). Frau mag daraus ihre eigenen Schlüsse für ihr Privatleben und das Navigieren im öffentlichen Raum und im Internet ziehen. Manche leben gern gefährlich, andere nicht. Die meisten stecken verängstigt den Kopf in den Sand, sonst hätten wir laufend Proteste gegen Männergewalt weltweit.
Positive Verallgemeinerungen werden auch von den Widersachern nicht beanstandet, vermute ich mal: “Die Deutschen sind Exportweltmeister”, hören wir immer und protestieren nicht. Ich persönlich habe noch nie etwas exportiert.
Vielleicht würden die Widersacher lieber hören: Die Männer sind “Gewaltweltmeister” oder “Mordweltmeister”. Soll mir recht sein. Außerdem ist diese Aussage auch unter streng logischen Gesichtspunkten korrekt. Niemand leugnet, dass die meisten Straftaten, die meisten Morde von Männern begangen werden. Wahre Weltmeister.
2. "Es gibt auch gewalttätige Frauen. Ich persönlich kenne mehr unerträgliche Frauen als Männer. Ich bin bisher nur von einer Frau geschlagen worden, meiner Mutter."
Meine Antwort: Die Gefahr in dieser Gesellschaft (auch für männliche Opfer) geht von den Männern aus, das ist eine unbestrittene Tatsache. Es gibt auch gewalttätige Frauen, aber ihre Anzahl im Vergleich zu der gewalttätiger Männer können wir vernachlässigen.
Der gern vorgebrachte Hinweis auf die gewalttätigen Frauen soll die Aufmerksamkeit ablenken von dem Elefanten im Raum auf die kleine Maus in der Ecke.
Ich meine, Männer haben Grund zu kollektiver Scham - ähnlich wie wir Deutschen Grund zu kollektiver Scham haben wegen unserer schändlichen Verbrechen in der Nazizeit. Kollektive Schuld - nein. Oder höchstens insofern sie nicht gegen die Männergewalt protestieren. Ähnlich wie in der Nazizeit die "MitläuferInnen" sich schuldig machten, weil sie nicht protestierten. Ich bin 1944 geboren und sehe mich eher als ein Opfer der Nazis, habe keine Schuld-, aber tiefe Schamgefühle, die sich umsetzen in den Wunsch, alles zu tun, damit solche Untaten nicht wieder geschehen. Wenn ich von AusländerInnen, z.B. US-amerikanischen Jüdinnen, Sätze höre wie "Ihr Deutschen habt 6 Millionen Juden umgebracht", rede ich nicht reflexartig von "unzulässiger Verallgemeinerung", weise ich nicht darauf hin, dass ich persönlich damit nichts zu tun habe, dass die meisten heute lebenden Deutschen damit nichts zu tun haben, dass auch andere Länder beteiligt waren, schon gar nicht lenke ich den Schuldvorwurf ab auf Juden oder Israelis. Solche Reaktionen fände ich allesamt völlig unakzeptabel. Ich höre erstmal zu und erlebe ein Gefühl ohnmächtiger Trauer, Wut und Scham über das endlose Leid, das wir verursacht haben. Differenzierungen können vielleicht später erörtert werden.
Mit Männern, die sich nicht schämen angesichts der Verbrechen ihrer Geschlechtsgenossen und die nicht den Wunsch zeigen, aktiv etwas dagegen zu unternehmen, rede ich nach Möglichkeit nicht mehr. Es ist zu anstrengend. Sie gehören in dieselbe Sparte wie Neonazis, die die Verbrechen der Nazis leugnen oder schönreden: Verstockt, uneinsichtig, gewaltbereit. Kurz: gefährlich. Ihre Zivilisierung überlasse ich gern einsichtigen Männern.
Fortsetzung folgt, dann geht es um den stereotypen Vorwurf:
3. Wer erzieht denn die kleinen Sprößlinge, na? Wer verstümmelt denn den kleinen Mädchen die Genitalien? Frauen!
•••••••• ** Die Debatten sind hier nachzulesen:
https://www.fembio.org/biographie.php/frau/glossen
https://www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/herr-koma-kommt-der-frauenmord-in-winnenden/
https://www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/winnenden-berichterstattung-foerdert-zukuenftige-gewalttaten/
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30 Kommentare
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05.04.2009 um 23:29 Uhr lfp
@papierschiff: Sie schreiben in ihrem zweiten Beitrag am 13.3., etwa 5 Stunden nach dem ersten: “da kann man gar nicht genug kotzen wie man müsste”.
Ihre Einwände (“sachlich bleiben”) finde ich überwiegend kleinlich und rechthaberisch, also feindselig, und deshalb wende ich jetzt bis auf weiteres die Erxleben-Regel an.
05.04.2009 um 22:42 Uhr Papierschiff
ich schäme mich für jedes noch so beklopptes, scheiß assoziales verhalten meiner geschlechtsgenossen. schuldig fühle ich mich deshalb aber nicht (was nicht bedeuten soll, dass ich mich immer korrekt verhalten habe).
“Gleich der erste Kommentator fand meine Ausführungen “zum Kotzen” und bescheinigte mir Bild-Niveau. Grund genug, nicht zu reagieren”
das wort kotzen kam nicht vor. (also bitte sachlich bleiben). zu dem bild-ähnlichen-niveau stehe ich aber auch heute noch dazu. mit feindseeligkeit hat das aber nichts zu tun, weder dem feminismus gegenüber noch gegen sie, sondern war nur meine meinung zu dem artikel. ich frage mich wie ich kritik verfassen soll, wenn anscheinend nur auf die eingegangen werden, die ihnen zustimmen. ich meine wie hätte ich es denn dann verfassen sollen, wenn mir der artikel nicht gefallen hat und ich das nivau nicht besser als das der bild empfunden habe? und jetzt sagen sie mir bitte nicht “ich solle mich doch erstmal mit der thematik beschäftigen”, denn dann brauchen wir gar nicht erst anfangen miteinander zu reden.. denn damit können sie jedes argument, was ich anbringe zunichte machen, jeder diskussion aus dem weg gehen. ähnlicch ist es zum beispiel auch mit den zeugen jehovas, schonmal mit ihnen diskutiert? irgendwann kommt man mit seiner kritik an dem punkt wo es heißt “sie müssen erstmal einen gottesdienst von uns besuchen, erstmal die bibel von vorne nach hinten lesen etc”. aber sie wollen mich doch überzeugen, ich will sogar überzeugt werden und höre ihnen zu und werfe die punkte ein, die ich als “falsch” / “problem” sehe. warum kann dann darauf keine antwort kommen? ich habs glaube auch schon oft gesagt: “überzeugt mich mit argumenten”.
ich weiß nicht so richtig, wie ich zu diesem artikel stehe. schon die überschrift… hm.. da sind wir wieder bei dem “spalten statt versöhnen” punkt. da habe ich aber wohl einfach andere ansichten.
zu den einzelnen punkten:
1. verallgemeinerung: sie geben also zu, dass sie verallgemeinert haben, es überall zu verallgemeinerungen kommt und diese auch sinn machen würden. ehrlich gesagt kann ich das nicht nachvollziehen und kann diese meinung auch nicht teilen. verallgemeinerungen sind immer mist, egal wie und auch egal wer davon betroffen ist. wenn man z.b. sagt, dass alle männer frauenhasser/amokläufer sind tut man vielen unrecht. ich sag auch nicht, dass alle frauen kindsmörder sind, wenn sie ihre gebohrenen kinder umbringen, obwohl es vorkommt (und laut ihnen reicht da ja ein fall.. und nein mir gehts nicht um “aber frauen sind genauso”, denn das ist damit nicht gemeint, sonder geht um ihre argumentationskette, die ich als nicht richtig sehe). genauso ihre beispiele… es ist ein unterschied ob ich sage “alle mitfliegenden sind terroristen” oder ob ich sage “unter den mitfliegenden können terroristen sein”. ich hab kein problem damit, wenn gesagt wird: “fast alle amokläufer werden von männern durchgeführt” (das ist ja nunmal so und man sollte sich echt fragen was da schief läuft) oder wenn gesagt wird, dass die gesellschaft eindeutig frauenfeindlich ist. aber zu sagen alle?
von “die deutschen sind exportweltmeister” hab ich übrigens noch nichts gehört, nur von deutschland ist exportweltmeister” -aber was hat das mit verallgemeinerung zu tun, wenn dem so ist? ich hab auch noch nichts exportiert, aber andere personen in D dafür umso mehr.
gewaltweltmeister impliziert, dass es etwas positives ist, das kann ich aber nicht so sehen.
zu dem “es gibt auch…”
wurde das wirklich so gesagt, ich hoffe nicht und es wäre definitiv falsch wenn ich es gesagt hätte. bzw. ich habe diesen punkt nur hervorgebracht, als behauptet wurde, dass alle amokläufer männer sind UND(!) frauen sowas nie tuen würden. dabei ging es um keine relativierung, oder darum den männeranteil kleinzureden, sondern nur darum, dass diese aussage von der person nicht stimmte.
so, wiedermal hoffe ich auf eine antwort auf meine fragen. falls sich jmd. durch diesen beitrag beleidigt fühlt bzw. aus irgendeinen grund ihn als “feindlich” deklariert, gebt mir doch bitte einen hinweis, durch welcher meiner aussage das entstanden ist. denn sonst weiß ich nicht, wie ich manches hier besser verstehen kann.
05.04.2009 um 22:28 Uhr Duerr
Ach, liebe Luise!
Eben wollte ich zu einem Leserinnenbrief ansetzen, doch vorher wollte ich mir noch Deine Glosse gönnen. Ein Genuss, danke, und eine Wohltat! Am Schlimmsten finde ich den automatischen “Kameradenreflex” bei wirklich friedfertigen Männern, der selbstverständlich auch die Presse und Medien umfasst. Hier ein Müsterchen: Das nennt sich heute Kryptofeminismus, oder die Angst vor Ratlosigkeit. Hier der Link zum Artikel in der NZZ (Neue Zürcher Zeitung: http://www.nzz.ch/nachrichten/medien/angst_vor_ratlosigkeit_1.2317880.html
(Oder über Google “Kryptofeminismus”)
Das Problem ist hier nicht die Gewalt an Frauen, sondern die Ratlosigkeit der Männer! Etwa, weil bei Vergewaltigungen “differenziert” werden müsse. Wieder die Täter-Schutz-Analyse, von den Opfern keine Rede. Keine Empörung über die Gewalt, keine Scham über die Geschlechtsgenossen, kein auch noch so kleiner Ansatz zur Einsicht, was eine Vergewaltigung denn in Tat und Wahrheit für eine Frau ist, sondern nur Kritik daran, dass die Forderung nach “unbedingten Gefängnisstrafen” die Welt in Weiss und Schwarz teile. Auf die Idee, dass MÄNNER die Männergewalt ächten müssten, kommt kommt der Schreiber natürlich nicht.
Und trotzdem: Nein, ich schweige nicht, denn wenn Männer etwas hassen, dann sind es unbequeme, lästige, aufsässige Frauen, die nicht aufgeben wollen, und manchmal fangen die einen oder anderen dann doch noch an zu DENKEN!
Grüsse
Duerr
05.04.2009 um 20:37 Uhr kurukurushoujo
Gut gesagt! Ich habe nur die leise Vermutung, dass dies einige Trolle erst richtig in Fahrt bringt…
05.04.2009 um 18:26 Uhr Anne
Ja, auch von mir ein ganz großes Dankeschön für die starken Worte, die so gut tun - viele Grüße an Joey - und zauberhafte Ärmelungen natürlich auch an Ricky D. ;-)
05.04.2009 um 16:06 Uhr Ricky D.
BESTEN DANK liebe Luise Pusch,
mehr kann frau dazu nicht sagen !!!