Der Kindle, die Windel und das Kindl
Aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar. Zweiundvierzigste Lektion.
Vor kurzem schrieb mir meine Freundin Eva: “Hast Du noch keinen Kindle für die Reisen? Du bist doch sonst so fortschrittlich, was Technik betrifft!”
Ich schrieb zurück: “Warum sagen wir eigentlich ‘der Kindle’? Jedenfalls - das Kindel ist mir noch nicht fortschrittlich genug, weil es noch keinen Zugriff auf deutsche Bücher und Zeitschriften hat. Wenn sie das geschafft haben, werde ich wohl zuschlagen.”
Ich habe eben das Christkindl beauftragt, Joey zum Fest eine Kindle vorbeizubringen, sie ist Amerikanerin und gehört damit zur ersten Zielgruppe dieses Lesegeräts bzw. e-Book-Readers. Außerdem klagt sie oft über die vielen Bücher, mit denen ich nicht nur meine Wohnung, sondern auch ihr Haus vollstopfe. Mit der neuen Kindle kann sie schon mal entschlossen gegensteuern, und ich werde mit einem eigenen Kindel, das auch Deutsch kann, dann ebenfalls meine Neigung bekämpfen, das Haus mit Büchern zu vermüllen.
Sie merken, ich bin im Umzugsstress, und die Frage, welche Bücher mitziehen sollen und welche nicht, bricht mir das Herz. Mit einem Kindel wäre das alles gar kein Problem mehr: Alle Bücher ziehen überallhin mit, denn sie beanspruchen keinen Platz und wiegen fast gar nichts.
Nochmal zum Christkind - auch da ist die Frage nach dem Geschlecht irgendwie ungeklärt. Auf Abbildungen sieht es aus wie ein Mädchen, aber das Jesuskind war ja doch wohl eher ein Junge.
Die Verweiblichung hängt sicher mit der Kindlichkeit zusammen. Auch das Münchner Kindl fing ja mal als gestandener Mönch im Wappen von München an und hat sich über die Jahre zu einem stattlichen Mädel entwickelt, weil das Volk die Mönchskutte als Kleid interpretierte. Und Jungs tragen schließlich keine Kleider.
Viele von uns kennen aus dem Familienalbum diese Bilder von VorfahrInnen um die Wende zum 20. Jahrhundert, auf denen Mädchen und Jungen dieselben hübschen Kleidchen tragen. Die Jungen wurden nicht als Mädchen verkleidet, sondern beide Geschlechter trugen Kindlkleidung bzw. Windlkleidung. Wenn die Kleinen noch in die Windeln machten, war das Windelwechseln einfacher, wenn sie darüber ein Kleidchen trugen. Hosen bekamen die Jungs, wenn sie sauber waren.
Und die Mädchen? Sie blieben in der Kinderkleidung stecken bis ins hohe Alter, weil der Mann die Frau erstens eher kindlich und zweitens am liebsten rundum leicht zugänglich mag.
Die Kanzlerin, Hillary und andere mächtige Frauen haben das erkannt und tragen grundsätzlich keine Windelkleidung. Das handliche Kindel tragen sie in der Hosentasche oder im Jackett.
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7 Kommentare
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08.03.2010 um 20:17 Uhr Umstandsmode
Ja die Mode im Wandel der Zeit, wenn ich mir die Mode vor 50 oder 100 Jahren ansehe naja. Aber es kommt auch viel wieder im lauf der Zeit.
Susi
01.03.2010 um 12:17 Uhr Filme Guy
Von meinem Vater gibt es auch Kinderbilder im Kleidchen. Zuerst habe ich das Kind auf dem Bild für meine Tante gehalten, da er damals noch mit langen, blonden Locken ausgestattet war. Und heute sind sie pechschwarz und die Haare kaum mehr vorhanden ;-)
21.12.2009 um 11:34 Uhr Stephanie
Ich bin auch recht anfällig für die Neuerungen der Technik und sehe sie als Bereicherung an. Ein Buch in der Hand zu halten ist jedoch auch ein sinnliches Erlebnis. Gut gebunden und illustriert bringt es noch zusätzlich Freude in meinen Alltag. Lesen, Bilder anschauen betrifft nicht nur bildungs- oder unterhaltungshungrige Erwachsene. EineR fröhlichen Zweijährigen geben wir doch gern ein Bilderbuch in die Hand. Das kann sie anschauen, darauf herum beißen*, in vieler Hinsicht verinnerlichen. Ich denke, so schnell werden Bücher nicht ganz aus unserem Leben verschwinden.
* (ist beim Kindle schwierig, ich stelle mir gerade den Aufschrei von Papa vor
Über die Sachen mit den Frauenkleidern könnte ich mich auch endlos auslassen. Was war ich froh, als das Tragen von Hosen für Frauen zu Selbstverständlichkeit wurde. Ich habe in sehr jungen Jahren mal im Verwaltungsbereich eines kirchlichen Amtes gearbeitet. Meine etwas ältere Tante (bei uns zu Besuch) kommentierte mein Outfit, mit dem ich zur Arbeit ging, leicht entsetzt: Ja, darfst du denn dort in Hosen herum laufen?
Sie fiel bei meinem Anblick fast vom Glauben ab und mir wurde schlagartig klar, welche Machtspiele auch um die Frauenkleidung immer noch abliefen. Und wenn ich mich heute so umsehe hat sich nicht wirklich was geändert. Das Ideal unserer Zeit ist das dürre, stumme Model.
Das Weib schweige auf dem Laufsteg!
21.12.2009 um 10:56 Uhr Silke Gyadu
Wie in meinem Buch “Sonnengöttinnen - Über die Verknüpfung von Mythologie, Geschichte und Gegenwart” ausführlich dargelegt, ist das Christkind eindeutig weiblich. Hinter dieser Gestalt verbirgt sich die verchristlichte Sonnengöttin (Frau Sunna, Berchta, Lucia und wie sie alle heißen). Sie wurde nach vorchristlichem Glauben alljährlich als weibliches Sonnenkind zur Wintersonnenwende wiedergeboren, erstarkte im Frühling, brachte Fruchtbarkeit und Ernte im Sommer und Herbst und “starb” schließlich als alte schwache Wintersonne. Wir Frauen täten gut daran, uns die patriarchalen monotheistischen Verfälschungen klarzumachen, mit denen wir seit Jahrhunderten verdummt werden.
21.12.2009 um 10:26 Uhr sv
Also ich habe auch seit 2 oder 3 Wochen einen Kindle und bin bisher sehr zufrieden… Allerdings besorge ich mir meine Bücher auch anderweitig als bei Amazon und lade sie dann mit der tollen Software Calibre (http://calibre-ebook.com) aufs Gerät. Die Software kann übrigens auch ganz brauchbar Formate konvertieren.
Mich nervt es auch tierisch, dass der Kindle eine geschlossene Plattform ist, aber ich hab meiner Meinung nach einen guten Kompromiss aus Usability, Preis und Geschlossenheit gefunden. :) Und bin zur Zeit sehr zufrieden!
Viele Grüße
sv
20.12.2009 um 18:01 Uhr papierschiff
das die industrie uns immer das kindliche schmackhaft machen will, das ewig junge, habe ich ehrlich gesagt noch nie verstanden…
ich trage ja selbst ja eigentlich gerne röcke, und ein sogenannter “kilt” ist in anderen regionen oder z.b. beim wandern sehr verbreitet. keine ahnung wem wir das zu verdanken haben, früher war das ja auch nicht so. anderseits sind es ja auch oft die eltern die die kinder in prinzessinenkleider stecken, ... und wenn ein junge zu fasching mal als frau verkleidet gehen möchte, ihn sehr schief anschauen…
der kindle ist definitiv ein praktisches gerät, leider ist es keine offene plattform, weshalb ich ihn nicht mag (in der amazon-welt ist es so natürlich praktisch). da gibt es -meines achtens- bessere alternativen.
das buch mag jetzt noch verbreiteter sein, aber es gehört auch der vergangenheit an. es dauert vielleicht ein paar jahre länger als bei der musik, und das buch wird es wie die schallplatte und die cd auch noch später geben. aber irgendwann wird es eher eine nische sein.
20.12.2009 um 15:40 Uhr Anne
Danke für die guten gaben!
Ja, das stimmt mit der kindl-kleidung für erwachsene frauen - inzwischen mutiert bis auf grösse 32, damit frau besonders kindlich ausschaut - passend zur werbung z.b. in einem internet-online-shop “entdecken sie bekleidung für frauen UND kinder”; was mich kürzlich wieder “aufschreckte”. Die assoziation soll wohl suggerieren, frau darf nicht altern, wie uns die industrie rund um mode, schönheit, ernährung mit ihren blödsinnigen bestimmungen zumüllt - sondern bei ihrer höchsten bestimmung bleiben - kinder/windeln und barrierefrei sein ...
Windel/tragen scheint auch bei männern hoch im kurs zu stehen, die den besuch bei einer domina nicht scheuen und auf latex bzw. windel-sex stehen. Auch die schnuller dürfen da nicht fehlen! Das scheint wohl sein `sauberer` beitrag zu sein…
Ob die modemachER, die frauen ständig in kindl-kleidung stecken auch für männer mal kurze anzugs-/hosen ins leben rufen, z.b. für`s büro oder als abendgarderobe? Statt “hochwasser” trägt mann dann mal kurz . Leibchen für den mann wäre auch eine nette kreation.
Ein Kindle passend i.d. hosentasche und für unterwegs finde ich auch prima - wie die tollen iPods - die tragbare mediathek auf engstem raum und jederzeit verfügbar.
Dennoch möchte ich nicht auf bücher, bibliotheken und diverse bücherregale verzichten. Ob mit oder ohne kindle, bücher und -regale werden bei mir auch in zukunft ganz oben im ranking stehen und das traute heim zukleistern ...
llg Anne und schöne sorgenFreie feiertage !