Das Wort “bemannen” ist männerfeindlich
Heute vor 50 Jahren flog die erste Frau ins All, die 26jährige sowjetische Kosmonautin Walentina Tereschkowa. Die Neue Zürcher Zeitung gedenkt des epochemachenden Ereignisses mit einem lesenswerten Artikel von Julia Richers, Professorin für osteuropäische Geschichte an der Uni Bern. So weit, so gut. Aber was soll frau sich denken bei dem Titel, der der NZZ dazu eingefallen ist: „Mit Frau bemannt“?
Eine Schweizer Leserin meiner Glossen machte mich auf diesen Affront aufmerksam: Sie schrieb mir:
Inzwischen bin ich an meinem Arbeitsplatz und in meiner Umgebung vielleicht nicht gerade gefürchtet, aber doch bekannt dafür, möglichst "gendergerecht" zu schreiben und zu reden (obwohl das inzwischen auch eher zu einem Schimpfwort geworden ist). Heute ist mir bei der Lektüre im Internet folgender Artikel begegnet - vor allem der Titel hat mich ziemlich an- und aufgeregt: - na gut, die NZZ ist nicht gerade als Bastion für Frauenrechte und für gendergerechte Sprache bekannt - aber so etwas? Kommt dazu, dass ich unlängst selbst vor einer gleichen Situation stand: ich musste in einem Bericht eine Vorlage übernehmen, in der es darum ging, dass Arbeitsplätze bzw. Arbeitsstationen (schon das ein grässliches Wort, aber im konkreten Fall einigermassen begreiflich) "bemannt" werden - ich kämpfte lange, bis ich eine Umschreibung fand... Also: wie "bemannt" frau etwas mit Frauen, ohne dass die Sprache dabei allzu sehr leidet?
Ich legte Joey das Problem vor, und sie antwortete: „We have the good fortune to have the word 'staff' to replace most instances of 'manning'." Amerika, du hast es besser.
Ich glaube, die NZZ hat die krause Überschrift ganz bewusst gewählt, um die LeserInnen anzustupsen. Sie sollen sich wundern und ein bisschen nachdenken, und dann den Artikel vielleicht sogar lesen. Unsere Aufmerksamkeit ist bekanntlich heute das kostbarste Gut, um das alle Firmen sich reißen. Und diese Überschrift - „Mit Frau bemannt“ - erregt in ihrer Widersinnigkeit auf jeden Fall Aufmerksamkeit, wenn nicht gar Widerspruch. Und so wird eine Debatte angestoßen wie diese hier. Die Zeitung hat ihr Ziel erreicht.
Ich finde, wir können uns entspannt zurücklehnen und das Problem den Männern überlassen, denn „bemannen“ ist ein klarer Fall von männerfeindlicher Sprache. Der Mann wird zum Objekt degradiert. Ein Regal wird bestückt, ein Schiff beflaggt, ein Saal bestuhlt, ein Raumschiff bemannt. „Bemannen“ ist ein Ausdruck aus der Sprache des Militärs. Im Militär wurden Männer traditionell wie Gegenstände behandelt, um nicht zu sagen verheizt - und die Sprache bildet es getreulich ab.
Aber was machen wir nun mit dem Problem der Leserin aus der Schweiz: „Wie bemannt frau etwas mit Frauen?“ Ich würde schlicht „besetzen“ vorschlagen. Und wenn es ganz schick zugehen soll, können wir von „Casting“, „cast“ oder „staff“ sprechen.
Ich selbst benutze „bemannen“ gern und oft, allerdings ausschließlich in der Redewendung „unbemannte Lebensfreude“. Ein Ziel, das jede Frau anstrebt, die auf sich hält und mehr vom Leben will als bloß Wellness. Walentina Tereschkowa blieb drei Tage im All, völlig unbemannt. Sie wird die erhabene Ruhe genossen haben.
•••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
Mehr Glossen von Luise F. Pusch gibt es hier. Jeder Band enthält rund 50 Glossen und kostet 9,90 EUR:
Kommentieren für diesen Channel-Eintrag nicht möglich
4 Kommentare
Nächster Eintrag: Moralschaden (Moral Injury)
Vorheriger Eintrag: Nachdenken über unsere Männersprache: Zum generischen Femininum der Uni Leipzig
18.06.2013 um 09:02 Uhr Dürr
Mir schickte eine Freundin eine Grusskarte “Männerfreie Zone!” Die prangt nun an der Wand im Esszimmer, dem Zentrum des Hauses…
Natürlich reagieren sämtliche männlichen Gäste darauf, pikiert, schmunzelnd, eine Diskussion anzettelnd, wie auch immer. Bloss einer meiner Gebrüder reagierte sauer. Sehr sauer. Er weigerte sich, mein Haus weiterhin zu betreten, solange dieses Ding an der Wand hing. Schliesslich machte einer anderer meiner Gebrüder ihm klar, dass er bei der Schwester ja wohl kaum als “Mann” gelte… Jedenfalls hat er beim letzten Besuch wie üblich mit bestem Appetit zugeschlagen, um dann mit vollem Bauch und vom Wein etwas aufgelockert zu bemerken: Immerhin werde er als Bruder bei mir ja wohl kaum entmannt… Aber um mein Holz auf die (Heu-/Holz-)Bühne zu bekommen, würde ich die Mannschaft aber doch beMANNEN und nicht beFRAUEN… (Meine Güte, dieser Bruder ist soweit, dass er mit “Emanzensprache” - wie er solches nennt - zu spielen anfängt..!
Man verzeihe mir, aber innerlich klopfte ich mir auf die Schultern u.überreichte mir eine Goldmedaille für meine erfolgreiche konstruktive Subversion…
Inzwischen komme ich hie und da zum Schluss, dass die männerfeindlichste Sorte Mensch die Männer selbst sind…!
Mit dankbarem Güessli
Dürr
17.06.2013 um 10:58 Uhr Lena Vandrey
Komisch genug, ich hatte das Wort “bemannt” nie gehört oder gelesen, sondern mehr über Christa Reinigs Titel “Entmannung” nachgedacht, aber ohne Folgerungen. Zu der “Entmannung” würde die “Bemannung” eigentlich passen. Wenn nun aber eine Frau sich umoperieren lässt und somit “entweiblicht” wird, ist das eine “Bemannung” und im umgekehrten Falle eine “Beweiblichung”?
Besetzen ist gut, Besatzen nicht. In beiden Fällen gibt es Nebensinne wie das Häuser-Besetzen und die russische Besatzung, und die Berufs-Gebiete, die von Männern besetzt werden wie Küche, Schneiderei (Mode) und neuerdings Hebamme, was ganz nach einer Besatzung aussieht.
Und wie steht es mit dem Wort “Ermannung”? Wenn Einer sich ermannt, ist das männerfeindlich? Nein, das ist lobenswert, aber wie hieße die Sache für eine Frau??
Deutsch hat es schwer, das ist wahr…!
16.06.2013 um 23:12 Uhr anne
supra hinweise! lb. Luise - u.a. weil `bemannt` eine ältere bezeichnung für `verehelicht` ist (klingt so nach werkzeug), und ist das wirklich erstrebenswert, sich zum `ehe-objekt` verheizen zu lassen. und ein synonym für beweibt ist wiederum bemannt.
lustig geht es auch zu in einem werk von Shakespeare (die lustigen weiber von windsor) mit dem wortspiel: “bemannt, begault und beweibt…(Fallstaff)” - interessante reihenfolge bei all den trad. handelsgütern?
16.06.2013 um 17:44 Uhr Gudrun Nositschka
Meine Aufmerksamkeit stellt sich immer dann unmittelbar ein, wenn ich beim (Zeitungs-)lesen, im Hörfunk und Fernsehen eine geschlechtergerechte, sprich frauengerechte, Sprache lese oder höre. Fehlt diese, ärgere ich mich oft genug oder schalte innerlich ab. Im Fall der Meldung zur ersten Frau im All fände ich lesenswert:“Mit einer Frau als Pilotin”. Das engl. Staff erinnert mich übrigens sehr an “Staffage” und “ausstaffiert”, also eher an Sachen als an Personen.