„Couragiert & feminin”?! Geht’s noch?
Letzte Woche war ich mit meiner Freundin Helke Sander in der Ausstellung „Berlin - Stadt der Frauen: Couragiert & feminin: 20 außergewöhnliche Biografien“ im Berliner Ephraim-Palais. Eigentlich wollte ich wegen des unsäglichen Titels als engagierte Feministin und feministische Sprachkritikerin aus Prinzip nicht hingehen. Wäre eine Ausstellung über bedeutende Berliner mit dem Titel „Couragiert und maskulin“ auch nur vorstellbar? Wegen des unangenehmen Macho-Geruchs wurde so ein Ausstellungs-Titel jedenfalls bislang vermieden. Gut so!
Aber mit den Frauen kann mann (und leider auch frau) es ja machen. Hat nicht die Neue Frauenbewegung in den goldenen 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ganze Bibliotheken mit der Kritik des Wortes „feminin“ gefüllt? Hat nicht Betty Friedan mit ihrem Buch „The Feminine Mystique" (Der Weiblichkeitswahn) 1963 die Neue Frauenbewegung in Gang gesetzt? Sie erklärt in ihrem bahnbrechenden Werk, inwiefern „femininity“ gleichbedeutend ist mit „weiblicher Unreife“. Hat nicht die große feministische Theoretikerin Susan Brownmiller 1984 ein ganzes Buch über „Femininity“ veröffentlicht und darin klargemacht, dass das Ideal der „femininen Frau“ von Männern erfunden wurde, um die Frau auf Unterwürfigkeit und Schwäche zu trimmen? Eine Frau, die gegen den Mann rebelliert, ist in seinen Augen keine „echte Frau“ und verdient sein huldvolles Prädikat „feminin“ nicht. Eine Zusammenfassung ihrer Kritik bringt Brownmiller hier. Unbedingt lesen!
Soweit in groben Zügen die alte feministische Kritik an dem Begriff „feminin“ - und nun wird das Unwort ganz unnötigerweise wiederbelebt und feiert ein unappetitliches Comeback im Titel einer Ausstellung, die der weiblichen Emanzipationsgeschichte Berlins gewidmet ist. Nicht zu fassen. Wer ist nur auf diese blöde Idee gekommen?
Die Kuratorin der Ausstellung ist Dr. Martina Weinland, Direktionsmitglied der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Ihr Zuständigkeitsbereich wird auf der Homepage der Stiftung mit „Abteilungsdirektorin Sammlung“ angegeben. Ich studierte sorgfältig ihre Einleitung, betitelt „couragiert & feminin“, im Ausstellungskatalog. Ich hatte gehofft, in der Einleitung eine Entschuldigung für die Wahl ausgerechnet dieses Worts zu finden, einen Bezug auch auf die theoretische Arbeit, die die zweite Frauenbewegung der Kritik des Wortes „feminin“ gewidmet hat. Vergeblich. Nichts davon. Es scheint, dass all dies der Kuratorin ganz einfach unbekannt war und ist. Was ich stattdessen fand, war die Nutzung des hässlichen Titels als Mantra, wohl damit er auch noch zum Ohrwurm werde:
„Im Blick zurück erzählen 20 außergewöhnliche Frauen, mit welchen Tabus und Regeln sie couragiert und feminin gebrochen haben … (S. 11) „Louise Otto-Peters ist couragiert und feminin.“ (S. 12) [Das hat die Gründerin der deutschen Frauenbewegung nicht verdient! LFP] “Sie alle verkörpern das Bild der neuen Frau: Couragiert und feminin.“ (S. 14) „… Widerstände, die sie zwischen Emanzipation und Tradition couragiert und feminin überwanden“
Anscheinend gefiel ihr diese Wendung richtig gut. Um also die Kritik noch mal mit einer Analogie zu verdeutlichen: Eine Ausstellung mit dem Titel: „Die Emanzipation der Rothäute“ wäre heute undenkbar, ein Widerspruch in sich. Denn das Wort „Rothaut“ stammt aus dem Wörterbuch des Unterdrückers, und das dürfte den meisten inzwischen auch klar sein. Das Wort „feminin“ stammt ebenfalls aus dem Wörterbuch des Unterdrückers, aber das ist vielen noch immer nicht klar. Denn dabei geht es ja nur um Frauen, und die sind nicht so wichtig.
——-------
Na gut, wir sind also trotzdem hingegangen und können die Ausstellung sogar empfehlen. Mir brachte sie immerhin eine wertvolle erste Bekanntschaft mit drei der 20 „außergewöhnlichen Biographien“, nämlich Marie Kundt, Dora Lux und Eva Kemlein. Über Cornelie Richter, Emilie Winkelmann und Clara von Simson wusste ich vor Besuch der Ausstellung auch noch nicht viel. Und die restlichen 14 couragierten Frauen, von denen 9 auf meinem frauenbiographischen Webportal FemBio.org porträtiert sind, habe ich durch die Ausstellung noch ein bisschen besser kennengelernt.
Vergessen wir über dem verdienten Lob aber nicht die weiteren Skurrilitäten der Ausstellung. Helke Sander fand, sie sei im sogenannten Zeitstrahl falsch zitiert worden und man hätte sie doch einfach mal fragen können. Außerdem stellte sie fest, dass in dem Satz In Artikel 3 wird die Gleichberechtigung von Mann und Frau garantiert. Dafür hatten die Politikerinnen Helene Wessel, Helene Weber und Friederike Nadig gekämpft (S.242) ausgerechnet Elisabeth Selbert fehlt, der wir den Gleichberechtigungsparagraphen verdanken. Helene Wessel und Helene Weber, obwohl sicher „Mütter des Grundgesetzes“, haben mit diesem für die Frauenrechte so grundlegenden Paragraphen nicht viel zu tun.
Wir verstehen, dass die AfD derzeit viele beschäftigt. Das ist aber kein Grund, den Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF) jetzt als AFD zu verunglimpfen. (S. 239).
Eine echte Lachnummer macht die Ausstellung aus der verdienstvollen Anna Schepeler-Lette. Eine Büste von ihr wurde abgelichtet und digital nach dem Modell „sprechender Hund“ bearbeitet. Die Besucherin drückt auf einen Knopf unter dem Bild, und schon bewegt Schepeler-Lette mechanisch die Lippen, während der Rest des Gesichtes keine Miene verzieht. Dazu wird ein Text von ihr „höchst anschaulich“ (und unfreiwillig komisch) zu Gehör gebracht.
Es gäbe noch viel zu sagen, aber damit will ich es erstmal gut sein lassen. Besuchen Sie die 20 großartigen Berlinerinnen im Ephraim-Palais und lassen Sie die Stiftung Stadtmuseum und die Kuratorin wissen, was Sie von dem Titel der Ausstellung halten. Als Wiedergutmachung sollte gleich die nächste Ausstellung geplant werden, diesmal ohne antifeministische Ausrutscher. Fabelhafte Berlinerinnen gibt es ja genug.
Mehr Glossen von Luise F. Pusch gibt es hier. Jeder Band enthält rund 50 Glossen und kostet 9,90 EUR:
7 Kommentare
Nächster Eintrag: Hillary, Donald und die „woman card“
Vorheriger Eintrag: Verführer mit der Angel: Über „Die Forelle“ von Schubert und Schubart
21.05.2016 um 02:56 Uhr Leni
Die Ausstelung in Berlin war sehr schön meiner Meinung nach. Die Stelle gefällt mir am besten
“Widerstände, die sie zwischen Emanzipation und Tradition couragiert und feminin überwanden“
Grüße Leni
http://ab-sofort-rauchfrei.de/
08.04.2016 um 09:36 Uhr Peter Brunner
Ich habe die Ausstellung auch besucht und war auch noch aus anderen Gründen unzufrieden. Weder die Beliebigkeit der Auswahl noch die ganz oberflächliche Präsentation der Ausgewählten rechtfertigt den Aufwand: http://saubereschweine.blogspot.de/2016/04/stadt-der-frauen-na-und.html
30.03.2016 um 13:44 Uhr Amy
Die Ausstellung “Berlin - Stadt der Frauen” erzählt Geschichten der Emanzipation.
Nur so nebenbei, da fällt mir z.B. `Fellinis - Stadt der Frauen` ein, ein Dokument über den männlichen Blick, scheint geprägt zu sein von der Angst vor starken, emanzipierten ?
Zitat: ” Die Stadt der Frauen ist eine Stadt der Körper. Eine Stadt der weiblichen Rundungen und Schwellungen, die Kamera tastet hier, Schenkel und Hinterbacken entlang, sie ruht aus auf der mächtigen Brust einer Heizersfrau, eine stilisierte Ballerina dreht sich um sich selbst und zeigt einen nackten ordinären Hintern, der ihre Grazie Lügen straft. Fellinis Frauen haben alle zwei Seiten, wobei sich Fellini, das war zu erwarten, eher für ihre Kehrseite interessiert. Die Kamera ruht aus auf wulstigen, zuckenden, violett geschminkten Lippen. Nie schaut sie einer Frau in die Augen, nie nimmt sie sich die Ruhe, ein Gesicht, die Landschaft eines weiblichen Gesichts abzutasten. Es ist, als schäme sie sich, einer Frau in die Augen zu sehen, und sie wird wissen, warum. So ist “Die Stadt der Frauen” vor allem ein Dokument über den männlichen Blick, und der ruht bei Fellini am liebsten auf zwei schwellenden Hinterbacken, die Welt teilt und erklärt sich ihm in diesem bleichen Mond…
Ein bürgerlicher Mann, gespielt von Marcello Mastrionanni, verirrt sich in einen Kongress militanter Feministinnen. „Fellini hat die Stadt der Frau aus der Perspektive des Mannes und als Alptraum und Angst erweckendes Phantasma gezeigt“”. (Der Spiegel, 3.11.1980)
Couragierte, feministische Frauen und somit die Frauenbewegung wurden zu Karikaturen herabgewürdigt? Wie anders dagegen der Umgang der Frauenbewegung mit all den von der männlichen Geschichtsschreibung `verschütteten, ausgeblendeten, ignorierten` Frauen-Biografien, siehe Fembio.
http://www.zeit.de/1980/45/ein-mann-auf-der-rutschbahn
30.03.2016 um 07:53 Uhr Christoph Päper
‚Feminin‘ steht doch hier nicht allein und die Bedeutung kommt immer von der Seite (Saussure). Durch das ‚und‘ kontrastiert es ‚couragiert‘ und kooperiert zugleich damit, also mit einem Attribut, das im klassischen (meinetwegen unterdrückenden) Sprachgebrauch nicht im Bedeutungsumfang von ‚feminin‘ enthalten ist. Mit dem Titel wird also das polarisierende Denkmuster aufgezeigt und im Kontext einer solchen Ausstellung selbstverständlich so auch kritisiert.
Deutsche Vokabeln könnten das so nicht wiedergeben: „mutig und weiblich“?
Ein passendes männliches Pendant müsste dementsprechend auch beide Attribute austauschen, etwa „sentimental und maskulin“.
Wäre der Übertitel nicht „Berlin – Stadt der Frauen“ wäre ich allerdings enttäuscht, dass kein Mann unter den Biografierten ist.
29.03.2016 um 12:50 Uhr anne
klasse gedanken und auf den punkt gebracht zu `couragiert & feminin`. danke Luise!!
da lese ich doch tatsächlich über eine emanzipierte , junge frau, die im heutigen allround-show-business-geschäft ihre frau steht, auf die frage, ob sie eine feministin sei: ihre antwort `das klingt mir zu ungebumst`! zitat Kebekus : ich muss `fickbar` sein.
`feministin` klingt also heute für manche junge frauen zu `ungebumst`, unbrauchbar und deshalb ab damit in den papierkorb, weil das klischee der `männerhasserin` oder `sexuell frustrierten` auch heute noch bei angeblich aufgeklärten menschen ankommt? doch sie haben keine scheu , begriffe wie `ficken, bumsen, muschi, fotzen, vagina-fotzen-kleid ` und andere wortbildungen aus der patr. porNOindustrie locker zu benennen und meinen , je mehr frau sich verbal mit obszönitäten brüstet, damit als emanzipierte strahlen zu können.
was vielen frauen fehlt, glaube ich, ist letztlich ihr tatsächliches wissen um die frauenbewegung und ihr stolz ; manche scheinen mir - wie Kebekus oder Lady Bitch Ray - in einer identitätskrise zu stecken, da einige wie Kebekus den begriff `feministin` ablehnen, weil sie letztlich der patr. gehirnwäsche doch mehr zutrauen und sie merken es gar nicht.
meine güte, wie ich all die pionierinnen der frauenbewegung bewundere .. `Feministin` ist also ein unwort, während `feminin` ganz dem wunschbild von männern entspricht, denn dazu gehören ja auch o.a. genannte (sexuelle) wort-zuschreibungen , ohne die die herrkömmliche porNOindustrie gar nicht auskommt. und nirgendwo mehr wird frau ganz legal und öffentlich erniedrigt wie in der herrkömlichen porNO-industrie und im `prostitutions-gewerbe`.
@ Lena Vandrey - zum penis-zitat von Cioux : lieber sich doch als bisexuell outen als lesbisch? zitat: Helene Cixous : ” ich habe mich selbst nie als feministin gesehen.”
für mich eigentlich unbegreiflich, wie frauen den begriff ablehnen können.
28.03.2016 um 11:07 Uhr Lena Vandrey
Also, das Wörtchen “feminin” geistert immer noch herum! In den Anfängen unserer Bewegung MLF in Paris gab es gleich zwei Strömungen: die eine waren wir, Anarcho-Feministinnen und Separatistinnen mit Monique Wittig, in der anderen befand sich die Gura Hélène Cixous, welche unverschämterweise die Frauenforschung “feminine Studien” nannte und die “feminine Schrift” erfand. Sie monierte, dass Wittig sofort in die Luft sprang, wenn sie das Wort “feminin” hörte. Das Ganze gipfelte in eine Sorte von weib-weiblichem Rassismus, denn die “Femininen” hatten ein enormes Vermögen zur Verfügung, um Lesben anzugreifen und abzusondern wegen ihrer Androgynität und fehlenden Feminität. Frauenpaare wurden gleich zersplittert, die eine wurde als harsch und barsch bezeichnet und die andere als “feminin” gelobt. Politische Frauen taten gut daran, weder Feministin noch Lesbe zu sein. Unser Konzept wurde also infamiert von den marxo-freudianischen Gegnerinnen. Eine Gura sagte, sie sei höchstens “Feminologin” und ihre Freundin Cixous schrieb: “Wenn ich den Penis in meinem Bauch fühle, wie er sich bewegt, so habe ich das Gefühl einer wunderbaren Feminität”. Das Sperma nannte sie übrigens “die Milch des Vaters”... Diesen ganzen Wahnsinn haben wir überlebt und sehen jetzt das fatale Wörtchen wieder. “Feminin” ist ein Mord-Wort für Frauen!
27.03.2016 um 19:21 Uhr Mazza
“Couragiert und Feministisch” als Titel wäre der Kuratorin nicht eingefallen? Feminismus stand sogar erstmals 1929 im Rechtschreibeduden. Aber Feminismus, Feministin, feministisch hat ja einen schlechten Ruf; immer noch existiert der Zwang, couragierten Frauen den Begriff `feministisch` vorzuenthalten? Ja, und leider gibt es Frauen, die bei der Zuschreibung fürchterlich die Nase rümpfen. Als ob eine Frau ihr Frausein verliert, sobald sie sich outet. Alles Mannweiber ? da gibt frau sich doch lieber `feminin`. Kürzlich las ich zum Thema Feminin aussehen, wie frau sich zu verhalten hat: sei anmutig , als Ausdruck deiner Weiblichkeit und gehe auf feminine Art und Weise , kleine Schritte machen, würdevoll dahingleiten, gefällig sein. In dem Artikel ging es fast nur um Äußerlichkeiten und gesittetes Verhalten, wie `anno dazumal`, es fehlte nur noch die Kittelschürze.
Hedwig Dohm , feministische Theoretikerin, beschrieb die `Antifeministen`, sie wird i.d. Sonderausstellung als Wegbereiterin der Gleichberechtigung beschrieben, aber nicht als Feministin! http://www.emma.de/artikel/sieben-klischees-ueber-feministinnen-was-sie-immer-schon-mal-wissen-wollten-265176