Bundespräsident oder Bundespräsent?
Aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar. Einunddreißigste Lektion.
Im Vorfeld der gestrigen Wahl des Bundespräsidenten konnte frau unter Laborbedingungen studieren, dass eine Bundespräsidentin zumindest sprachlich gar nicht vorgesehen ist. Alle redeten nur von der Bundespräsidentenwahl und vom Amt des Bundespräsidenten - als handele es sich um die Wiederwahl des Präsidenten, nicht um eine Wahl zwischen einer Kandidatin und einem Kandidaten.
Es gibt im Deutschen keine einfache, elegante Art, die Frau ins Bild zu bringen. Wer sich gerecht ausdrücken und nichts präjudizieren wollte, musste zum “Staatsoberhaupt” oder zur Verdoppelung greifen: “Heute wird die Bundespräsidentin bzw. der Bundespräsident gewählt”.
“Bundespräsident” soll ja eine geschlechtsneutrale Bezeichnung sein, behaupten viele Leute. Aber was lese ich auf der Homepage des Bundespräsidenten, www.bundespraesident.de?:
Das Amt des Bundespräsidenten Ein ganzer Abschnitt ist im Grundgesetz dem Amt des Bundespräsidenten gewidmet - die Aufgaben des "ersten Mannes im Staate" im In- und Ausland gehen aber über das verfassungsrechtlich Normierte weit hinaus.
Hab ich’s mir doch gedacht. Bitte den Bundespräsi reichlich mit Protestmails beschicken!
Besser als auf bundespraesident.de sieht es erwartungsgemäß bei bundeskanzlerin.de aus:
Der Bundespräsident schlägt nach Gesprächen mit den Bundestagsfraktionen eine Kandidatin oder einen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers vor. (Im Grundgesetz ist nur die männliche Form genannt, natürlich ist damit immer auch eine Bundeskanzlerin gemeint.)
*** Ich nutzte die 3-stündige ARD-Sendung zur Wahl des Staatsoberhaupts (diese Bezeichnung hatte die ARD natürlich nicht gewählt) als Sprachlabor, um zu testen, wie weit die Deutschen mit dem Projekt “Gerechte Sprache” inzwischen gediehen sind. Das ARD-Team bestand aus 2 Frauen und mindestens 6 Männern - noch nicht sehr gerecht. Nach sorgfältiger Auswertung der Sprache und Sprüche der KommentatorInnen, InterviewerInnen und der Befragten ergibt sich folgendes Bild:
Erfreulich ist, dass die “Mütter und Väter des Grundgesetzes”, die am Verfassungstag 23. Mai natürlich auch immer wieder bemüht wurden, sich durchgesetzt haben. Noch vor 25 Jahren hatte der damalige Vorsitzende des Schriftstellerverbandes [sic], Dieter Lattmann, das Reden von “Müttern des Grundgesetzes” oder “Männern und Frauen des 20. Juli” als “Geschichtsfälschung” getadelt.
Auch war - anders als noch bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen - nur noch selten von “Wahlmännern” die Rede, vielmehr sagten die meisten brav “Wahlleute” oder “Wahlmänner und -frauen”, leider fast immer in dieser Reihenfolge.
Thomas Kreutzmann hinkte allerdings dem Trend hinterher. Über die hochschwangere Wahlfrau Jasmin Tabatabai sagte er: “Kommt das Baby, kommt ein Ersatz-Wahlmann.”
Draußen vor dem Reichstagsgebäude befragte Reporter Frank Jahn das Volk: “Na, und wer ist Ihr Favorit?” Auf diese Suggestivfrage mit gleich zwei Maskulina wagte denn auch fast niemand mehr, “Gesine Schwan!” zu sagen.
Am klarsten hatte Jürgen Trittin erkannt, worum es eigentlich ging: “Ich finde, nach 60 Jahren Bundesrepublik wäre das doch schon mal ein guter Anfang, wir bräuchten ja, um Gleichstand herzustellen, 60 Jahre nur noch Präsidentinnen.”
Ottfried Fischer erklärte: “Ich erwarte mir von Gesine Schwan … den Hohenschwangau für Köhler”. Und Uschi Eid von den Grünen verkündete fröhlich: “Wir haben gute Kandidatinnen!”
Öfter mal hörte ich den Ausdruck “weibliche Doppelspitze”, mit besorgtem Unterton vorgetragen, als sei das eine Doppelaxt. All die Jahre von 1949 bis 2005 hatten wir männliche Doppelspitzen, und niemand hat sie bemängelt, benannt oder auch nur bemerkt.
Fazit: Bis wir nicht durch Zufall eine Bundespräsidentin bekommen, werden wir wohl auch keine angemessene Sprache, geschweige denn ein angemessenes Problembewusstsein erleben.
Und was ist das Problem?
Wie gesagt, das Problem ist eine Sprache, die uns, wenn wir politisch schon mal die Wahl zwischen einer Frau und einem Mann haben, suggeriert, dass eine Frau unpassend ist: “Wer sollte der nächste Bundespräsident werden?” Auf so eine Frage mit drei Maskulina fällt nur noch hardcore-FeministInnen eine Frau ein. Im Rechtswesen sind Suggestivfragen/-formulierungen (engl. "leading/loaded questions") in vielen Fällen verboten - warum sollte das ausgerechnet bei der Wahl für das höchste Amt im Staate anders sein?!
Deshalb schlage ich statt "Bundespräsident" die Bezeichnung "Bundespräsent" vor. Nach dem Muster “Unität - Intellelle aussteigen!” Ich hatte ein wenig experimentiert mit anderen Möglichkeiten wie die/der/das Bundespräsident (kurz Bundespräsi oder BP). Hat aber den Nachteil, dass der Genitiv des Neutrums genau so aussieht wie der Genitiv von der Bundespräsident: Wieder hätten wir häßliche Formulierungen wie “Wahl/Amt des Bundespräsidenten”. Da klingt doch “Wahl des Bundespräsents” schon viel freundlicher, vor allem frauenfreundlicher. Wir Frauen haben auch mal ein Präsent verdient und können gar nicht präsent genug sein.
Eben höre ich, dass Litauen sich letzte Woche ein Rettungspräsent gegönnt hat: Dalia Grybauskaite darf als neue Staatspräsidentin und erste Frau in diesem Amt den Karren aus dem Finanzsumpf ziehen, genau wie ihre isländische Kollegin Johanna Sigurdardottir.
9 Kommentare
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01.06.2009 um 10:34 Uhr Oliver
Wie wäre es denn mit “die/der Bundespräsidierende” und “die Bundespräsidierenden”? Zumindest im Plural ergibt sich ein gewisser Fortschritt oder zumindest ein gewisses Fortschreiten. Bleibt der Einwand, der schon gegenüber den “Studierenden” vorgetragen wurde: Studierende studieren, aber sie können Macht ihres Namens weder Kaffee trinken noch auf Partys gehen, es sei denn, sie trinken den Kaffee beim Büffeln und linsen beim Knutschen auf ihr mitgebrachtes Buch. Eine Studierende ohne eine Party ist kaum denkbar, eine Bundespräsidierende oder ein Bundespräsidierender dagegen schon. Wir sind ja nicht in Italien. Letzten Endes hilft immer ein Präsi, ob ein Bundespräsi oder einer, der gefühlsecht für beide Seiten ist.
27.05.2009 um 20:27 Uhr Duerr
Vor 64 Jahren haben (wieder einmal) Frauen “Rettung” repräsentiert - als Trümmerfrauen. Wie seit ca. 5’000 Jahren alle Generationen mindestens einmal. Auch heute dürfen Frauen wieder einmal hinter den Männern herräumen, und diese haben es so eingerichtet, dass wir auch noch in Dankbarkeit in die Knie gehen. Es fängt im Laufgitter an und hört in der Politik auf: grosses Geschrei/Klappe, Chaos/Krise und die Frau, die noch einmal und noch einmal und wieder hinterherräumen DARF!
Rettungspräsent? Bis zum nächsten Mal. Na toll!
Duerr
26.05.2009 um 19:57 Uhr Amy
Von 1999 - 2oo7 gab es schon in Lettland mit Frau Voira Vike Freiberga ein frauenfräundliches Bundespräsent. Der Männerstaat Bundesrepublik scheint keine Präsente zu mögen ? wenn ich richtig informiert bin, hatte Bayern 3 noch im Sept. 2oo8 stolz verkündet, erfahren zu haben, dass Herr Beckstein sich gerne auch mal als Minister-“präsent” bezeichnet - nur der Schatten von E.St. war es auch :-( Da werden keine Geschenke verteilt…und auf die männliche Präsenz kann frau ruhig verzichten.
Ich hoffe in den nächsten 6o Jahren auf eine starke Frauen-präsenz…...
Schön zu hören, daß Dalia Grybauskaite als Rettungspräsent mit überwältigender Mehrheit gewünscht und angenommen wurde - ihren schwarzen Karate-Gürtel wird sie gar nicht einsetzen müssen?
Grüsse von Amy
26.05.2009 um 12:39 Uhr elsbeth
Liebe Luise,
Sie erinnern mich mit Ihrem Vorschlag etwas an Herrn Beckstein! ;-) Der sprach schon vor Jahren vom “Ministerpräsent”.
Schade, dass offenbar lauter disziplinierte (d.h. dem Fraktionszwang untergebene) Wahlleute anwesend waren, hätte es mir sehr gewünscht, dass Gesine die Domain bundespraesidentin.de in Beschlag nimmt.
25.05.2009 um 10:48 Uhr Anne
Ja, danke für das schöne präsent - mir gefällt `bundespräsent` auch besser als der masculine begriff `...präsident`; der mich eher an die ständige postenschieberei von präsidenten-ämtern nicht nur in fußballvereinen erinnert.
Bei den ministerpräsidenten-ämtern sieht es nicht anders aus. Kein `präsent` in sicht!
Außerdem wissen wir ja aus der geschichte und gegenwart, wie negativ sich insb. die herrenkultur präsentiert hat: nach einer untersuchung d. norweg. akademie d. wissenschaften fanden seit 36oo v. christi bis 1960 ca. 14.513 kriege statt. Dabei kamen ca. 3,5 mrd. menschen ums leben.
Das nur am rande: “allein zur männl. kultur von korruption/bestechung in politik und gesellschaft habe ich gelesen, daß der typische täter männlich, gut ausgebildet, karriereorientiert und mächtig ist. Er legt wert auf status, ist nicht vorbestraft und versteht sich auch nicht als kriminell - meist zwischen 4o-70 jahre. Auf die frage, in welchen branchen bestechung üblich ist, heisst es `früher galt immer das baugewerbe als extrem anfällig - egal, ob öffentliche hand oder privatwirtschaft, pharma-unternehmen oder automobilkonzerne - wo lukrative aufträge winken, wird auch bestochen.` Weil keiner hingesehen hat, konnte die korruption im verborgenen weiter wachsen. Anfälligkeit der volkswirtschaften für bestechlichkeit sind schlecht funktionierende und intransparente verwaltungsstrukturen .....”
Schade, auch 6o jahre männl. benutzung des bundespräsidenten/amtes konnte den vielen angeblich `verborgenen` untaten nicht gefährlich werden.
25.05.2009 um 01:17 Uhr Joey Horsley
Schöne Glosse! Mir gefällt “das Bundespräsent”, aber auch die verheißungsvolle Idee der weiblichen Doppelspitze (erinnert nicht nur an Doppelaxt).
Und wie wäre, als einfache alternative Option, “das Bundeshaupt”? Das Land der DichterInnen und DenkerInnen braucht sicher eins.
24.05.2009 um 23:14 Uhr Evelyn
Ein “Bundespräsent” in Form von Gesine Schwan wäre schon sehr schön gewesen. Ich bevorzuge aber die ausführliche Bezeichnung “Bundespräsidentin”. Warum? Durch meine bundesweiten Internet-Aktivitäten stelle ich immer wieder fest, dass sogar Frauen mir weiß machen wollen, dass die männliche Bezeichnungsform doch “normal” sei. Neulich war es besonders krass, als mir eine gebildete Frau (in der Kultur tätig) schrieb: “Der Leser”, das bedeutet für mich Mann, Frau und Kind. Diese patriarchale Gehirnwäsche würde ich gern verändert sehen - sowohl durch die Realität als auch in der Realität der Sprache, also des Bewusstseins.
Auch mir ist aufgefallen, dass das Wort “Bundeskanzler” allein, also solo ohne “Bundeskanzerlin”, fast nicht mehr vorkommt. Hier drückte also die Realität auf die Sprache: Bitte, es geht doch!
Jetzt steht also nur noch aus, ob wir nochmals 60 Jahre warten müssen, bis es eine “Bundespräsidentin” geben wird. Möglich ist es, veröffentlichte doch die UNO ein Statement, nachdem es in unseren Regionen bei gleichem Tempo noch über 400 Jahre dauern wird, bis Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann hergestellt sein wird.
24.05.2009 um 22:18 Uhr Christine
Leider haben sich beim Bayerischen Rundfunk die “Mütter und Väter des Grundgesetzes” noch nicht so ganz durchgesetzt. Im Radioprogramm war jedenfalls ständig von den “Vätern des Grundgesetzes” die Rede, die seinerzeit auf der schönen Insel Herren-(!)chiemsee tagten.
Gegen das “Bundespräsent” hätte ich allerdings was einzuwenden. Ein Präsent hält ja immer auch einen gewissen Überraschungseffekt bereit, frei nach Forrest Gump: “Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel, man (!) weiß nie, was man (!) bekommt”. “Die Bundespräsentenwahl ist wie eine Pralinenschachtel, frau weiß nie, was frau bekommt”? Leider doch.