Büffelmilch oder Die dominante Kuh
Letzte Woche war ich mal wieder auf dem Bauernmarkt, der samstags auf dem Moltkeplatz stattfindet. Ich erstand ein Stück Käse Marke „Prinz von Eilte“ und einen „Bauernstrauß“ aus Weidenkätzchen, Grünzeug und Tulpen. An dem Stand für den Bauernkäse aus Eilte wurde als besondere Spezialität des Hauses Büffelkäse angeboten, Käse aus Büffelmilch.
Ich hätte lieber „Prinzessin von Eilte“ und einen „Bäuerinnenstrauß“ auf dem „Bäuerinnenmarkt“ am Hedwig-Dohm-Platz gekauft, aber ich nahm es hin wie so vieles Hässliche in unserer Männerwelt. Aber Büffelmilch - das war zu viel. Seit wann geben denn Büffel Milch?
Bei „Büffel“ denke ich an riesige Büffelherden wie sie früher die amerikanische Prärie zertrampelten, und an die „Ewigen Jagdgründe“, in der Indianer sich auf ewig der Büffeljagd hingeben. Kurz, ich denke an die mannhaften Bücher von Karl May, die mein Bruder mir aus dem Gymnasium (nur für Jungen) mitbrachte und die ich als kleines Mädchen mitlesen durfte. Sein Gymnasium hieß „Gymnasium“, meins „Mädchengymnasium“. Ich durfte dann, als seine „Squaw“ (gesprochen Squaff), auch bei seinen Indianerspielen mitmachen. Diese Rolle war so beschränkt, dass die Jungs bald ohne Squaff auskommen mussten.
Die Büffel aus dem Wilden Westen Winnetous und Old Shatterhands gaben sicher keine Milch, lächerlich! Eigentlich sind das ja auch Bisons.
Noch nie hatte ich über „Büffelmilch“ nachgedacht, obwohl ich wohl schon gehört hatte, dass echter Mozzarella aus „Büffelmilch“ hergestellt wird. Mozzarella aus Kuhmilch gibt es auch, ist auch viel billiger, aber das Wahre ist das nicht.
Wenn wir von Milch sprechen, meinen wir Kuhmilch. „Kuhmilch“ ist ein komisches Wort, genau wie „Herrenwahl“ - beim klassischen Gesellschaftstanz die Norm und daher nicht extra benannt. Ziegenmilch und Schafsmilch sind normale Wörter, weil sie die nicht normale Milch bezeichnen, ähnlich wie „Mädchengymnasium“ das nicht normale Gymnasium.
Ziegen- und Schafböcke geben keine Milch. Woher nun aber die Büffelmilch, dies seltsame Gesöff?
Der echte Mozzarella aus Büffelmilch heißt Mozzarella di Bufala da Campana = Mozzarella von der Bufala aus der Campana. Büffelmilch ist also eine Fehlübersetzung. Weil wir für das weibliche Büffeltier kein richtiges Wort haben. Büffelinnenmilch? Das klingt irgendwie nach Ziegenböckinnenmilch.
Und was schreibt die Eilter Bauernkäserei über die Bufala?
Trixie ist die Größte, aber auch die Sanftmütigste, Elisabeth ist am zickigsten, Emilia eher schüchtern, Capri hingegen sehr anlehnungsbedürftig, Chianti ganz normal und Hexe frech. Amanda spielt gerne Chefin, aber immerhin gibt sie auch die meiste Milch. Milch?? Wer nun dachte, es ginge um eine Schulmädchenbande, hat nicht gerade einen Volltreffer gelandet - hier ist die Rede von Wasserbüffeln. Diese schwergewichtigen Damen gehören zur 40-köpfigen Herde des Biohof Eilte und liefern die Milch für den Bio-Mozzarella, der seit 2005 in der hofeigenen Käserei gefertigt wird. Diesen und weitere Leckereien der Eilter Käserei zu kosten und obendrein die Wasserbüffel zu besichtigen - das bieten wir in unserer „Büffeltour“ an: dabei geht es zünftig auf die Büffelweide zu einer unsere Herden, bei der allerdings nicht Amanda, sondern der 1000kg-schwere Zuchtbulle souverän das Sagen hat. … Achso, ob der Bulle auch einen Namen hat? Natürlich: Artur, der ist übrigens am friedlichsten...
Quelle: hier.
39 "Büffeldamen" und ein Büffelzuchtbulle ergeben zusammen eine "Büffelherde". Irgendwie kommt mir diese Sprachregelung bekannt vor ...
Dass der Zuchtbulle das Sagen hat, bezweifle ich. Denn „der Büffel“ lebt wie „der Elefant“ in matriarchalisch organisierten Gruppen:
Da es in Asien fast nur noch domestizierte Wasserbüffel gibt, hat man das Verhalten dieser Tiere vor allem bei ausgewilderten Büffeln im Norden Australiens studiert. […] Wasserbüffel leben hier in Familiengruppen von dreißig Individuen, die von einer alten Kuh angeführt werden. Die Herden bestehen aus Weibchen und ihren Jungen. Junge Weibchen bleiben für gewöhnlich bei der Herde; jüngere Männchen werden dagegen im Alter von zwei Jahren aus der Herde vertrieben. Die Bullen werden nach einer Übergangszeit in Junggesellenverbänden, die jeweils etwa zehn Individuen umfassen, zu temporären Einzelgängern, schließen sich aber alljährlich zur Paarungszeit … einer Herde an. Die dominante Kuh behält auch in dieser Zeit die Führung der Gruppe und jagt nach dem Ende der Paarungszeit die Bullen davon. (Wikipedia)
Allmählich klärt sich das patriarchal verzerrte Bild. Es gibt verschiedene Rinderrassen, dazu gehören der nordamerikanische Bison, der asiatische Wasserbüffel und unser Hausrind, das vom Auerochsen abstammen soll. Bei den Rindern heißen die weiblichen Tiere Kühe, die männlichen Bullen. Beim Hausrind verzichten wir auf den Vorspann „Rinder-„ und sagen nicht Rinderkuh, sondern einfach Kuh. Und statt „Rinder“ sagen wir auch schon mal ganz einfach „Kühe“, die Bullen sind dann herzlich mitgemeint. Bei den „exotischeren“ Rassen wie „Wasserbüffel“ und „Bison“ sprechen wir von Büffelkuh und Bisonbulle. Und wie es halt so üblich ist in der männlichen Weltordnung, werden die Rassen, je größer und wilder sie sind, umso lieber als männlich bezeichnet - egal, ob ihre eigene Rangordnung genau entgegengesetzt ist, wie bei den Rindern und Elefanten. Und so kommt es dann zu der ominösen Büffelmilch, die uns zwar fatal an Ziegenbockmilch erinnert, aber trotzdem die Grundlage zu sehr wohlschmeckendem Käse ist.
Frauen werden ja oft als „Kühe“ beschimpft. Tatsächlich haben wir mehr mit Kühen gemeinsam, als die meisten von uns wissen wollen. Das hat schon Charlotte Perkins Gilman vor über hundert Jahren ein für allemal bündig festgestellt. In ihrem Buch „Frauen und Wirtschaft“ verglich sie 1898 die Stellung der Frau mit der von Kühen:
Die wilde Kuh ist weiblich. Sie hat gesunde Kälber und genügend Milch für sie. Und mehr Weiblichkeit braucht sie nicht. Abgesehen davon ist sie eher rindlich als weiblich. Sie ist ein schlankes, starkes, schnelles Tier, fähig zu rennen, zu springen und wenn nötig zu kämpfen. Wir haben, aus ökonomischen Gründen, die Fähigkeit der Kuh, Milch zu produzieren, künstlich weiterentwickelt. Sie ist zur lebenden Milchmaschine geworden, gezüchtet und gehalten nur zu diesem Zweck; ihr Wert wird in Litern gemessen.
Wird aber die Kuh ausgewildert, wie in Australien geschehen, zeigt sich ihre wahre Natur. Sie wird zur Domina: "Die dominante Kuh behält auch in [der Paarungszeit] die Führung der Gruppe und jagt nach dem Ende der Paarungszeit die Bullen davon." Brava, bufala!!
Hier gibt's eine schöne Fotoserie von den Bufalas in Eilte. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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10 Kommentare
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16.03.2012 um 09:43 Uhr Misses
danke für diese “Aufklärung” - schon seit längerem wollte ich dieses Phänomen der Büffelmilch ergründen. Jetzt merke ich, dass ich auch wieder der männlichen Sprache auf den Leim gegangen bin.
14.03.2012 um 18:16 Uhr Susanne
Meine Oma war Bäuerin und hat Ihr Leben lang geschuftet und sie hatte wenig davon. Ein Bäuerinnenmarkt, das wäre toll.
12.03.2012 um 21:29 Uhr Amy
Angeblich kann ein Ziegenbock weibliche Seiten entwickeln. Nicht nur in Brasilien, Belgien, sondern auch in den Emiraten sollen Ziegenböcke Milch produziert haben. Es wird behauptet, wenn mann ihnen über längere Zeit die Zitzen massiert, entsteht vor dem Hodensack ein stattliches Euter, und sie geben Milch.
Das lässt ja tief blicken, was manche Männer mit den armen Ziegen-Böcken alles so anstellen, damit auch sie etwas Milch produzieren? Ob es sich hierbei um eine `Zeitungs-Ente` handelt, weiß ich nicht ...
Kuhkämpfe mit vierbeinigen Gladiatorinnen haben in der Schweiz/Wallis eine lange Tradition. Die Kämpfe finden u.a.zur Belustigung der Anwesenden und Touristen statt. So etwas nennt sich dann `Kampf der Königinnen`, um die Rangordnung und die Leitkuh einer Herde ausfindig zu machen. Normalerweise aber tragen die Tiere auf natürliche Weise ihre Hierarchiekämpfe aus. Nur in der Schweiz wird das natürliche Verhalten der Kühe genutzt, um regelmäßig auch organisierte Wettkämpfe zu veranstalten. Die Eringer Kühe sind angeblich kämpferischer als andere Kuhrassen. Eine gute Anführerin auf der Alp erleichtert die Arbeit der hiesigen Bauern, heißt es, um diese alljährlich stattfindende Gaudi zu rechtfertigen.
http://www.hallodubai.com/ziegenbockmilch/
12.03.2012 um 10:23 Uhr Lena Vandrey
Hoffen wir, dass Bisone und Bison es besser haben als unsere Kühe!
Wie sie liegend ihr Fleischmehl zerkauen, ist ein furchtbarer Anblick! Die Tötung des “Schächtens” wird als Tierquälerei in Frage gestellt, aber das ist eine “Verletzung religiöser Gefühle”, und die Debatte wird eingestellt, oder besser, auf ein anderes Gleis geführt. Durch das Schächten verenden die Tiere langsam und tödliche Gifte durchdringen das Fleisch. Daran sterben hauptsächlich Kinder, ob das die Orthodoxen rührt? Ein geschächtetes Kalb wurde durch 4 Länder geschleift, um schlieBlich wieder dort anzukommen, wo es herkam. Die Milch der Normandie geht nach Luxemburg und kommt nach Verarbeitung wieder zurück. Eine Kuh auf der Weide zu sehen, ist selten, und eine, die läuft und springt, gibt es nicht, es sei denn, sie ist wahnsinnig geworden.
“La vache”=von “vacca” wird im Französischen nicht unbedingt als dumm gesehen: es gibt die Ausdrücke “kuhmäBig gut” und “kuhmäBig schlecht, weh, gemein”, als Verstärkung des Begriffes.
Die Situation der Milch- und Fleischrinder, (Rinder insofern, als die Männchen gegessen werden) ist skandalös und sollte den VerbraucherInnen zu denken geben. Blindlings das Steak in die Pfanne hauen und alle Qualen mitessen, zusätzlich Antibiotika und andere Gifte, und bei dem geschächteten Fleisch, welches dem traditionellen untergejubelt wird, noch hinzu tödliche Mikroben und Bakterien.
Mit dem Schächten aufzuhören, wird bislang nur von Brigitte Bardot und Marine Le Pen gefordert. Dafür werden beide als Faschistinnen bezeichnet, die eine “Kultur” auslöschen wollen. Das kennen wir Feministinnen ja auch, die Exzision als “Kultur”, die Frühehe, die Zwangsverheiratung, die rituelle Vergewaltigung von Kindern. Alles “Kultur”, und obendrauf die giftige Kuh. Und die Milchwirtschaft als Sklaverei, von welchem Tier auch immer…Wer das einmal live miterlebt hat, betrachtet den Käse anders…
“When a wife gets a cow” entspricht den Tatsachen nicht mehr…
12.03.2012 um 08:07 Uhr lfp
Liebe Bridge,
Du hast völlig recht! Ich werde ab sofort auch nur noch EINE Mozzarella kaufen - oder zwei!
11.03.2012 um 23:14 Uhr Bridge
>Der echte Mozzarella aus Büffelmilch heißt Mozzarella die Bufala da Campana…< sehr amüsant diese linguistische Biologiestunde von lfp - vielen Dank! Ich musste allerdings nachschauen im Italienischen, weil mich der umgangssprachliche Ausdruck DER MOZZARELLA, - nun auch von lfp! - immer schon verwirrt hat: ich kaufte immer einE Mozzarella. Und dieser köstliche Käse heißt ja richtig LA MOZZARELLA DI BUFALA CAMPANA, ist also weiblich, und mensch sollte keinen M, sondern nur eine M kaufen, weil DER M eine falsche Übertragung ins Deutsche ist. Wenn wir uns schon der Rückführung in weibliche Herkünfte und Dominanzen annehmen, dann bitte auch weibliche Fremdworte nicht umpolen, weil DER M würde sonst als BÜFFELkäse nicht schlecht abschneiden.
;-)
11.03.2012 um 17:41 Uhr anne
tolle überlegungen zu `büffelmilch` oder `dominante kuh` !!
etwas info zitiert aus: warum sitzt europa auf dem stier? matriarchale grundlagen von europa (annette kuhn):
“in der frühen bildersprache und den mythologien war noch die vorstellung von der heiligen kosmischen kuh präsent. die kuh symbolisierte mit ihren hörnern die weibliche schöpfungskraft - ihre hörner waren ein abbild des mondes. mit ihrer milch erschuf die heilige kuh die sterne, die milchstraße und ließ täglich die sonne neu erstrahlen. das symbolbild der kuh mit ausladenden , mondförmigen hörnern geht auf frühgeschichtliche zeiten zurück, als es noch keinen göttinnen- oder götterhimmel gab. die matriarchale macht der mütter drückte sich in den mythologien und bilder der antiken völker aus. die mütter und das prinzip des weiblichen galten uneingeschränkt als ursprung des seins, der herrinnen , die die männl. kraft in übereinstimmung mit den gesetzen der natur zu lenken vermögen.
allerdings erregten diese mütter und ehefrauen nach den zeugnissen der antike und des mittelalters auch die ängste der männer. denn zu ihrer schönheit und sexualität gesellte sich, wie uns die `kuhäugige athene` des homer verrät, stehts auch ihre klugheit.
im zentrum der matriarchalen erfahrungswelt und der ersten weiblichen symbolwelt steht die geburt eines kindes. die erfahrung der mutterschaft in ihren natürlichen biologischen, sozialen und spirituellen dimensionen bildet den ausgangspunkt für die erfindung einer weiblichen symbolwelt in den frühgeschichtlichen anfängen unserer geschichte.
in jeder geburt vollzog sich für den menschen ein wunder, das sich in den symbolbildern der weiblichen schöpfungskraft festhalten ließ. es sind die ersten bilder für das menschliche im menschen und für die gebürtigkeit (hannah arendt) als wesentliches merkmal des menschen.
...auch der oberste gott musste sich den (matriarchalen) gesetzen der frau, der schwester, der mutter, der geliebten beugen und die vernünftige ordnung der natur beachten. liebe, so lautet die einfache botschaft, kann nicht erzwungen werden. da helfen alle männlichen verwandlungs- und verstellungskünste (stier) nicht weiter ...”
dagegen werden angeblich rund um den büffel noch feste gefeiert, damit sich die männer wie männer bzw. wie indianer fühlen können, z.b. durch den verzehr von riesigen mengen büffelfleisch…
mit männl. brachialgewalt gegen das wunderwerk kuh
http://www.heute.at/news/oesterreich/art23655,622421
11.03.2012 um 16:12 Uhr Joey Horsley
Brava, Luise! Noch eine Trefferin, wie damals “Die Rote Falke und die Bundesadlerin” (“Die Eier des Staatsoberhaupts und andere Glossen”). Dort schreibst Du:
“Da sind also diese stolzen weiblichen Tiere immer als Männchen verkannt worden! Wir kennen das: Mann projiziert seine Größenideen in die Natur hinein, liest sie wieder heraus und präsentiert sie als naturwissenschaftliche Tatsachen. Da die Falkin das schnellste Tier der Welt ist…, ist sie männlich. Da die Adlerin der stärkste Vogel ist und am höchsten fliegt, ist sie männlich.”
Du bist also nicht nur Sprachwissenschaftlerin, sondern auch Biologieaufklärerin. Alle Achtung vor dominanten Kühen und anderen weiblichen Superstars!