Bläblä
Zwei ganze Seiten (124-5) widmet der Spiegel dieser Woche (13/2014) dem Thema geschlechtergerechte Sprache. Am Schluss werde ich als „Grande Dame der feministischen Linguistik“ vorgestellt, die angeblich folgendes Programm verfolgt:
Erst will sie die Männer mit dem generischen Femininum („Herr Ärztin“) so lange nerven, bis die ein Bewusstsein fürs Problem bekommen. Im nächsten Schritt soll die weibliche Endung -in ganz abgeschafft, und alle Personen sollen ins Neutrum gesetzt werden. Es hieße dann für alle: das Kanzler, das Professor. Was für Aussichten. Endlich wäre über allen Gender-Gipfeln Ruh. Es gäbe kein männlich mehr und kein weiblich. Nur noch das Sams. Und endlose Langeweile.
Langeweile und fast so etwas wie Resignation erzeugen bei mir die endlosen Falschmeldungen, die die Männerpresse sich zu dem Thema aus den Fingern saugt.
Erstens: Die Anrede „Herr Ärztin“ bzw. „Herr Professorin“ hat sich der Spiegel im Juli 2013 ausgedacht, als Reiz-Titel für seinen Bericht über das generische Femininum an der Uni Leipzig. Sie erinnern sich: In der Grundordnung der Uni Leipzig wurde das bisher übliche generische Maskulinum durch ein generisches Femininum ersetzt. Wir finden in dieser Grundordnung wohlklingende Sätze wie
§3 (6): Inhaberinnen einer Funktion … sind verpflichtet, nach Ablauf ihrer Amtszeit ihre Funktion … verantwortungsvoll weiterzuführen, bis eine Nachfolgerin bestellt oder gewählt ist, wenn keine Stellvertreterin oder Ersatzvertreterin bestimmt ist.
Von "Herr Professorin" ist nirgends die Rede. Vielmehr heißt es in der Grundordnung ausdrücklich: „Männer können die Amts- und Funktionsbezeichnungen dieser Ordnung in grammatisch maskuliner Form führen.“
Zweitens: Ich habe zwar vorgeschlagen, das -in irgendwann einmal abzuschaffen, da es im Kern diskriminierend ist und wir Frauen „die Stämme besetzen“ sollten, wie ich das genannt habe. Wir sagen „die Angestellte“ und „der Angestellte“ - die Endung „-in“ ist nirgends zu sehen und offenbar nicht nötig, um die Geschlechter auseinanderzuhalten. Also könnten wir auch „die Arzt“ und „der Arzt“ sagen. „Das Arzt“ benutzen wir nur für „hypothetische Personen“, wenn keines der beiden Geschlechter bevorzugt werden soll, also typischerweise in Stellenanzeigen oder bei dem bekannten Spruch „Fragen Sie ihr Arzt oder Apotheker“.
Die Neigung des Spiegel zu oberflächlicher Recherche und gezielten Falschmeldungen brachte mir dann eine Anfrage des Guardian ein - eine Zeitung, die ich sehr schätze. Hoffnungsvoll wurde ich gefragt, ob nun die elenden deutschen Genera endlich abgeschafft würden, das fänden in England sicher alle ganz wunderbar, die sich mit der deutschen Grammatik und der, die, das abplagten. Ich musste den Interviewer leider enttäuschen. Den ganzen Artikel können Sie hier nachlesen.
Der Spiegel-Artikel steht nicht online, und das ist auch gut so. Es ist ein sorgfältig zusammengerührter Kübel von Häme, der da über die „Gender-Riege“, die „schmallippigen Kriegerinnen“ und „Säuberungs-Kommandos“ ausgegossen wird, die mit ihren „schrulligen Plänen“ angeblich „Östrogen ins semantische Grundwasser kippen“.
Wir sehen, der Verfasser ist erregt und schlägt verbal um sich. Lassen wir ihn toben - die Karawane (weiblich!) zieht weiter. Nur einen kurzen Kommentar noch zu dem Schimpfwort „Blähdeutsch“, das er für „geschlechtergerechtes Deutsch“ gefunden hat. Genauer gesagt, er hat den Ausdruck nicht erfunden, sondern nur seine Bedeutung ausgedehnt. Mit „Blähdeutsch“ wird üblicherweise der Gebrauch langer Ausdrücke anstelle von kurzen getadelt. Also etwa „Räumlichkeiten“ statt „Räume“, „zur Anwendung bringen“ statt „anwenden“.
Ich könnte mir vorstellen, dass „Blähdeutsch“ als Schmähwort gegen gegendertes Deutsch um sich greift. Für diesen Fall sollten wir eine Antwort parat haben. Z.B. folgendes: „Sie vergleichen Frauen mit Blähungen? Geht’s noch?“
Eine Antwort nutze ich schon lange, wenn wieder mal die „unerträgliche Schwerfälligkeit der Doppelformen“ beklagt wird: „Ja, Sie haben völlig recht - es ist zu lästig, die Männer immer mitzuerwähnen!“ •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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8 Kommentare
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04.04.2014 um 10:14 Uhr Klaus
Amy: “Frauen haben es heute nicht mehr nötig,...”
Alterspyramide: http://www.sdi-research.at/tl_files/pics/lexikon/alterspyramide.gif
Erst Mitte der 70er, wurden Frauen gesetzlich dem Manne gleichgestellt.
In vielen konservativen und religiösen Köpfen -beobachte die EU-Wahlen- herrscht nach wie vor die Meinung “In Ehen braucht die Frau nicht arbeiten zu gehen! Wenn sie dennoch arbeiten geht, dann nur deshalb, damit sie sich etwas zum Haushaltsgeld dazu verdient (Klassiker: Teilzeit)”
Die Familie war/ist ein Team! Er machte/macht Karriere und sie hielt/hält ihm den Rücken frei.
Natürlich stand/steht die Anerkennung sämtlichen Teammitgliedern zu und nicht nur dem Chef, ... genauso wie in der Arbeitswelt.
Freilich ist es eine erwähnenswerte Leistung, Mitglied eines guten Teams zu sein.
Ältere Bewerbungsunterlagen: Beruf/Titel des Vaters, ... der Mutter, ... der Ehefrau, ... des Ehemannes, Dienstzeugnisse
Das nennt sich Stallgeruch!
“... mit fremden Federn schmücken ...”
Das machen wir doch alle!
Wer würde sagen “Meine Frau ist Automechanikerin” wenn sie bei Red Bull Mechanikerin wäre?
Wer würde sagen “Meine Frau plaudert gerne” wenn sie, als Universitätsprofessorin, Vorträge hält?
“angeblich in Österreich”
Geltendes österreichisches Beamtendienstrecht
“(3) Durch die Auflösung des Dienstverhältnisses erlöschen, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, alle aus dem Dienstverhältnis sich ergebenden Anwartschaften, Rechte und Befugnisse des Beamten *und seiner Angehörigen*.”
http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008470
Fazit: Warte mit dieser Aussage, bis die heutige 40+ Generation tot ist.
Diese Aussage ist zwar richtig, bringt aber die älteren (unsichtbaren) Frauen, die noch im konservativen System erzogen wurden, und womöglich noch im Arbeitsleben stehen, in eine Bredouille.
02.04.2014 um 18:41 Uhr Amy
Warum sollten sich Frauen mit fremden Federn schmücken und als Beigeschmack mit Frau `Notar, Oberamtmann, Geheimrat` angesprochen werden, wenn der Herr des Geschirrs den Notar hatte, wie angeblich in Österreich in bürgerlichen Kreisen so Sitte war - selbst wurden sie aber damals vom Studium ferngehalten und waren als Konkurrenz in Männerkreisen ungern gesehen und verschmäht; lieber sah mann sie doch mit dem Dienstgrad der duldsamen und züchtigen Hausfrau abgespeist - um gleich den Ehemann und die ganze bürgerliche Familie mit aufzuwerten, durfte die bürgerliche Ehefrau eines Notars als `Frau Notar, Frau Geheimrat` geschmückt werden. Frauen haben es heute nicht mehr nötig, über ihre Ehemänner Titel zu erringen ... heute können sie selbst durch eigenes Zutun die Majorin, Kommandantin , Ärztin erwerben ...Gnä` Frau, das war`s dann auch schon im Wiener Schmäh ? Die Dienstgrade beim Militär finde ich sowieso lächerlich , ein uralter aufgeblähter Männerkult zwecks Kadergehorsam, Unterwürfigkeit und striktem Befehlsempfang - BläBlä...
01.04.2014 um 11:44 Uhr lfp
… sehr schlau! Genau so habe ich es auch gemacht. Ich kann den Spiegel nicht ausstehen und würde ihn nie kaufen.
Ein Hoch auf unsere öff. Bibliotheken!
01.04.2014 um 11:38 Uhr Sabine
Ich hoffe, liebe Luise, du hast d. Spiegel nicht gekauft u. somit diese unbedarften Schreiber unterstützt! Schon lange KAUFE ich aus sehr guten Gründen keinen Spiegel mehr, im Bedarfs- und Lesewunschfall kann ich z.B. in meinem Lieblingscafé od. einer Bibliothek reinsehen u./od. kopieren…
01.04.2014 um 09:01 Uhr Klaus
In bürgerlichen Kreisen war es -zumindest in Österreich- immer üblich, dass die Hausfrauen mit den Titeln und akademischen Graden ihrer Männer angesprochen wurden.
Ein “Küss die Hand Frau Notar ... Major ...” hat niemanden auch nur im Geringsten irritiert. Geht auf Friedhöfe, schaut euch die Grabinschriften an und denkt darüber nach.
Was ist im Zuge der Gleichbehandlung an “Herr Ärztin” so dramatisch? Es ist zwar sprachlich ungewohnt aber dafür auch konsequent.
Im Zuge meiner beruflichen Tätigkeiten, bin ich oft vor Haustüren gestanden wo z.B. stand “Fam. Obst. XY” (“Obst” abgekürzt für Oberst ... und Nein! ... Frauen durften nicht zum Bundesheer)
Die Frau des Hauses nicht als “Frau Oberst” anzusprechen -z.B. beim Greißler- war ein schwerer Affront.
Ganz ehrlich ... der Spiegel und die ÖNORMler können mir meinen Schuh aufblasen :)
“Die *Mami* vom Zug im Generalsrang”
http://derstandard.at/1395363800058/Andrea-Leitgeb-Die-Mami-vom-Zug-im-Generalsrang
Nur weil es manchen peinlich zu sein scheint, weibliche Leistungen anzuerkennen, heißt das noch lange nicht, dass das den Männern im Hintergrund ebenfalls peinlich zu sein hat.
Natürlich geht Herr Brig.in, Herr Mag.a, Herr Prof.in, Herr Dr.in, Herr Ärztin,...
Damit wird sichtbar gemacht, dass wir im 21sten Jahrhundert angekommen sind und die sozialen Geschlechter getauscht werden dürfen.
31.03.2014 um 01:34 Uhr Alison
Und gerade jetzt will man (Mann) in Oesterreich die gerechte Sprache abschaffen.
“Der Backlash macht auch vor der Sprache nicht halt. Das österreichische Normierungsinstitut schlägt im Entwurf zur ÖNORM A 1080 vor, zukünftig wieder auf weibliche Sprachformen zu verzichten. Stattdessen soll es in alt(un)bewährter Manier wieder eine Generalklausel geben, dass wir Frauen ja mit-gemeint sind.
Auch das Binnen-I oder weibliche Formen von akademischen Titeln, Magistra oder Doktorin werden als sprachlich inkorrekt abgelehnt.
Wir sind also wieder einmal aufgefordert, zu protestieren, bitte beteiligt euch zahlreich.
Immerhin ist es von den MacherInnen vorgesehen, verschiedene Meinungen anzuhören.
Bis zum 31.3. 2014 ist es noch möglich, zu diesem Entwurf Stellung zu nehmen.”
Ausführliche Infos zum Entwurf und dem ganzen Procedere findet ihr auf der Website des Vereins öst. Juristinnen, ebenso eine ausführliche Stellungnahme der öst. Juristinnen,
http://www.juristinnen.at/archive/36089
30.03.2014 um 17:01 Uhr anne
prima glosse! es zeigt wieder einmal, daß die `männerpresse` oder `männer` einfach nicht zuhören können oder wollen - würden sie sich ernsthaft mit der feministischen linguistik und den vorschlägen zu gerechter sprache auseinandersetzen , würden sie nicht so viel dummes zeug wie `herr professorin oder `herr ärztin` von sich geben - es sei denn, sie machen es bewusst, legen eine falsche fährte, um generell alles, was mit feminismus und frauenfragen zu tun hat, abzuwerten oder ins lächerliche zu ziehen und falsch zu interpretieren. selten habe ich so viele dumme bemerkungen und anmerkungen von männl. usern gelesen zum thema gerechte sprache, wie im internet, sobald das thema aktuell ist. und somit werden klischee-vorstellungen weiter transportiert ...die hybris vieler männer durch ihre gezielte abwertung des weiblichen scheint grenzenlos zu sein - das zeigt sich m.E. besonders, wenn es um feministische themen geht..
30.03.2014 um 14:18 Uhr Monika Eggers
Sehr schöner Artikel :-) (Hat der Spiegel eigentlich jemals etwas Ordentliches zu dem Thema geschrieben? Ich glaube nicht.)