Cybersexisten: Neuigkeiten aus den USA
Cybersexisten: Neuigkeiten aus den USA 16.11.2014
Ich habe den folgenden Text Mitte November 2014 bei einer Lesung mit Luise im Endlich-Salon des Frauencafés endlich im Hamburg vorgetragen. Ich poste ihn leicht verändert hier wieder. -Joey Horsley
Ich habe in der Ankündigung gelesen, dass ich euch heute abend “mit einer gehörigen Portion Ironie über die sprachliche Herrenkultur in den USA” unterhalten werde. Ob mir das gelingt? Jedenfalls werde ich versuchen, über einige Neuigkeiten von drüben zu berichten. Denn, obwohl ich jetzt über einen Monat bei Luise in Hannover bin, habe ich wie immer versucht, mich auf dem Laufenden zu halten mit dem, was in den Staaten so vor sich geht. Das wird diesmal vornehmlich mit Technologie zu tun haben, genauer gesagt, mit trüben Entwicklungen in der Cyberwelt.
Im Voraus möchte ich betonen, dass wir beide, vor allem Luise, eigentlich sehr vom Internet, vom iPhone und dergleichen begeistert und sogar davon abhängig sind. Zum Beispiel verdanken wir dem Programm Skype die Möglichkeit, miteinander zweimal am Tag von Angesicht zu Angesicht zu reden, auch bei 6000 Kilometer Entfernung. Schon lange hört Luise gern auf ihrem iPod oder iPhone die neusten Hörbücher aus der Stadtbibliothek – so kommt sie auf mehr als 60 Bücher im Jahr. Ich dagegen höre lieber Nachrichtenpodcasts und Politsendungen, die ich aus dem Netz herunterlade. Dadurch haben wir einander am Frühstückstisch immer viel zu erzählen – Luise trägt zu unserer kulturellen Bildung bei, ich wühle uns mit den neusten Ungeheuerlichkeiten auf.
Heute möchte ich aus meinen Hörfrüchten über zwei Themen berichten, die neulich in den US-Medien für Aufregung gesorgt haben. Beide beziehen sich auf eine besonders hässliche Seite der Herrenkultur in den USA und beide bringen neue Wörter in das englische – und vielleicht deutsche – Vokabular ein. Die zwei Begriffe, über die ich reden werde, heißen Gamergate und Sexting. Beide haben mit dem sehr ernsten Problem des Cyberbullying oder der sexuellen Belästigung und Bedrohung im Internet zu tun. Daher werde ich wohl nicht so sehr Ironie aufbringen, als vielmehr euch hoffentlich in eurem feministischen Kampfgeist anspornen.
Gamergate.
Alle kennen das Wort Watergate, das Kürzel für das Abhören der Demokraten 1972 durch Nixons Handlanger in Washingtons Gebäudekomplex Watergate. Vielleicht kennt Ihr auch Camillagate oder Travelgate oder Whitewatergate – alles Namen von politischen Skandalen. Die Nachsilbe –gate kennt man auch im Deutschen. Sie wurde sogar zum Anglizismus des Jahres 2013 gewählt, frau denke an Beispiele wie Handy-Gate, Handtaschen-Gate oder Brüderle-Gate.
Aber Gamergate? Das ist weder so bekannt noch so einfach zu definieren. Die Kontroverse um “Gamergate” liefert aber ein erschreckendes Beispiel dafür, wie die Worte und Meinungen von Frauen gedreht und gegen sie gerichtet werden - diesmal in der Welt der Computer- und Videospiele, einer fast ausschließlich männlichen Domäne. Gamergate steht für eine Gruppierung von Videospielern, oder Gamers, und Spielentwicklern, die sich angeblich für Transparenz und Ethik beim Schreiben über Videospiele engagieren – sie behaupten zu wollen, dass die Journalisten, die ihre neuen Spiele rezensieren, dies objektiv und fair tun, ohne Beeinflussung durch mogliche persönliche Beziehungen. Aber die meisten Online-Kommentare der Gamergaters zeigen, dass es vielmehr um die Verteidigung eines Männerreiches gegen weibliche Eindringlinge und deren Kritik am herrschenden Sexismus in Video- und Computerspielen geht.
Dass Videospiele hauptsächlich an die männliche Jugend gerichtet sind und stereotype, sexistische Darstellungen von Frauen bevorzugen, ist nichts Neues. Aber mittlerweile machen Frauen einen großen Teil der Spiel-Community aus, und sie wollen Spiele, in denen Frauen andere Rollen als nur Sexualobjekt oder Opfer haben. Als ein paar Feministinnen es wagten, dafür zu plädieren, wurden sie von den Männern auf hässlichste Weise mit unflätigen Mails und Tweets angegriffen – darunter auch Verstümmelungs-, Vergewaltigungs- und Morddrohungen. Die persönlichen Daten dieser Frauen wurden auch online publik gemacht, so dass zwei von ihnen sogar ihre Wohnungen verlassen und umziehen mussten, aus Angst vor den anonymen Drohungen. Und als die feministische Medienkritikerin Anita Sarkeesian eine Rede vor Besuchern der Utah State University halten wollte, bekamen sie und Vertreter der Universität eine Mail, die ein Attentat androhte, das alle bisherigen Schulmassaker Amerikas übertreffen würde. Sarkeesian sagte den Vortrag ab, da die Universität laut dem Gesetz in Utah dem Publikum nicht verbieten darf, Schusswaffen in den Hörsaal zu bringen (New York Times 15.10.14). Diese und ähnliche Drohungen und Hasstiraden werden hauptsächlich auf Twitter und einigen anderen Websites der Videospiel-Community unter dem Namen #Gamergate verbreitet, meist anonym.
Es ist klar, die Mehrheit der männlichen Spieler und Spielentwickler sehen sich und ihre gewalttätigen Fantasiewelten durch das Eindringen der Frauen und deren feministische Kritik bedroht und schlagen um sich. Einige beschimpfen die kritischen Frauen als “Social Justice Warriors” oder Gerechtigkeitskämpferinnen – das soll als Schimpfwort verstanden werden – die ihre schöne Spielerwelt zerstören wollen und daher die feindseligen Messages verdient haben. Sie versuchen, den Spieß umzudrehen und den Frauen die Schuld an ihrer eigenen Belästigung zu geben. Das ist natürlich nichts Neues – kennen wir doch alle Slogans wie “She’s asking for it” (Sie will es ja nicht anders / Sie fordert es selbst heraus) als Entschuldigung für Vergewaltigung. Die Vorherrschaft von bedrohlichem, sexistischem Hass in den Äußerungen macht deutlich, dass die Gamergate Bewegung hauptsächlich ein Ausdruck der Frauenfeindlichkeit ist – oder war.
Denn einigen der Gamers ging der Frauenhass dann doch zu weit, und sie haben verlangt, der Gamergate-Affäre ein Ende zu machen. Als die Mainstream-Medien die Kontroverse aufgriffen, wurde es klar , dass die Drohungen und Beschimpfungen eigentlich der beste Beweis dafür waren, dass die Feministinnen doch recht haben mit ihrer Kritik an der Gaming Community (Newsweek, 25.10.14). Eine Gegenbewegung, #StopGamergate, wurde sogar gestartet.
Frau kann heute also hoffen, dass sich in Zukunft mehr Frauen als Spielentwicklerinnen durchsetzen und uns bessere, menschlichere und frauenfreundlichere Spiele geben.
Sexting
Vielleicht kennt ihr diesen Ausdruck schon, eine Kombination von Sex und Texting oder Simsen, SMS schicken. Das Wort wird hauptsächlich für das Versenden von erotischen Selbstaufnahmen (Selfies) per Smartphone verwendet. Der US-Kongressabgeordnete Anthony Weiner musste schon 2011 wegen eines Sexting-Skandals, Weinergate genannt (!), schließlich zurücktreten. Dass er sexuell explizite Photos von sich an diverse junge Frauen getweetet, gepostet oder getextet hatte, war allerdings dumm und moralisch fragwürdig, nicht aber illegal oder auch nur ungewöhnlich. Eine Untersuchung hat 2014 sogar herausgefunden, dass 49 Prozent der US Erwachsenen ihre Smartphones benutzen, um sexuelle Inhalte zu senden und zu erhalten (Wikipedia englisch, "Sexting").
Die neusten Sexting-Schlagzeilen aus den USA haben aber mit Jugendlichen zu tun. Teenager schicken einander auch anzügliche oder Nacktfotos. Laut einer Studie von 2012 sind es etwa 20 Prozent der befragten 14-18-Jährigen. Fast doppelt so viele haben solche Fotos erhalten, und ein Viertel derjenigen haben das Foto an andere weitergeschickt. Neulich erschienen Dutzende von Nacktfotos von Schülerinnen aus dem Bundesstaat Virginia auf der Foto-Webseite Instagram – jedes der Mädchen hatte ein Foto an ihren Freund geschickt, und der leitete es ohne ihr Wissen an die Öffentlichkeit weiter. (Hanna Rosin, “Why Kids Sext: An inquiry into one recent scandal reveals how kids think about sexting—and what parents and police should do about it.”The Atlantic. 14.10.2014)
Dieser Fall sorgte für breite Empörung, nicht so sehr wegen der Verletzung der Privatsphäre der Mädchen, als vielmehr deshalb, weil das Gesetz in Virginia die Polizei vor eine absurde Aufgabe stellte. Es verlangte nämlich, dass alle Beteiligten, die Mädchen voran, wegen Besitz, Verbreiten oder Erhalten von Kinderpornographie angeklagt würden. Und das ist, wie bekannt, ein Schwerverbrechen mit weitreichenden Folgen. (Wo Familienfotos aufhören und Kinderpornografie beginnt ist auch in Deutschland ein brisantes Thema, wie wir neulich gehört haben: die neue, verschärfte Gesetzgebung des Bundestages ist auch nicht ohne Kontroverse und Kritik geblieben.)
Die Fälle von Sexting bei Jugendlichen in diversen amerikanischen Bundesstaaten jedenfalls werden nun in den Medien von Experten diskutiert. Die meisten plädieren für eine Revision der Gesetzgebung in Richtung Entkriminalisierung, wenigstens was das Aufnehmen von Selfies (Fotos von sich selbst) und deren Abschicken an den Freund oder an die Freundin betrifft. Das Weiterschicken ohne Erlaubnis oder die Veröffentlichung auf Social Media allerdings sollte strafbar bleiben.
Man muss solche Überlegungen als logisch und menschlich begrüßen. Aber es machte mich stutzig, in mehr als einem Artikel zu lesen, dass – weil heutzutage so viele Teens mit ihren Smartphones am Sexting teilnehmen – es daher als vollig normal und kaum problematisch einzustufen sei. (z.B. Rosin; Elizabeth Englander, “Stop Demonizing teen sexting. In most cases, it’s completely harmless.” The Washington Post. Post Everything 7.11.2014). So viel ich herausfinden konnte – und es wird nicht immer so klar dargelegt – sind es hauptsächlich die Jungs, die ihre Schulkameradinnen um ein Nacktfoto bitten. Ungefahr 70% der Mädchen berichteten, dass sie von ihrem Freund unter Druck gesetzt wurden, ein Nacktfoto zu schicken. Diese Fotos werden dann häufig herumgeschickt, um das Ansehen des Besitzers zu steigern und das des Mädchens herabzusetzen. Die gute alte Doppelmoral trifft hier unerbittlich zu – wenn ein Mädchen ihr Foto verweigert, gilt sie als prüde und hochmütig, wenn sie es schickt, wird sie bald von den Jungs sowie von anderen Mädchen zu einer thot (that ho over there –“die Hure da drüben”) oder slut (Schlampe) degradiert. Einige Mädchen haben sich nach solchem Cyberbullying (Cyber-Mobbing) sogar das Leben genommen (Rosin).
Sexting mag “normal” geworden sein, so normal wie die misogynen Tweets und Posts der Gamergate Frauenhasser. Wir müssen solche Phänomene aber nicht deshalb auch gutheißen.
WAM! – geminsam sind wir stark
Es ist inzwischen klar, dass die neuen technologischen Entwicklungen wie Smartphones, das Internet, die social networks wie Twitter und Facebook besondere Gefahren für Frauen und Mädchen mit sich bringen (siehe vor allem das neue Buch von Danielle Keats Citron, Hate Crimes in Cyberspace. Harvard University Press. 22.9.2014). Eine neue Umfrage von Internet-BenutzerInnen in den USA berichtet, dass jede vierte Frau zwischen 18 und 24 Jahren online sexuell belästigt und/oder verfolgt (stalked) wird (Pew Research Survey 2014). Um die unterschiedlichen Erfahrungen von männlichen und weiblichen Benutzern zu testen, eröffneten ForscherInnen der Universität von Maryland Online-Konten unter falschen Namen. In Chat-Rooms bekamen die männlichen Namen 3,7 bedrohliche oder sexuell belästigende Nachrichten pro Tag, die weiblichen Namen bekamen 100. (Amanda Hess, “Why Women Aren’t Welcome on the Internet.” Pacific Standard. The Science of Society. 6.1.2014).
Aber das Problem der Online-Belästigung wird immer deutlicher sichtbar und allmählich auch ernst genommen, genau wie andere Formen der sexuellen Gewalt in den USA wie street harrassment, Vergewaltigung und Belästigung im Militär und an Universitäten und Colleges (wie von Jake Swearingen im Atlantic dargestellt wird: “The Imminent Death of the Internet Troll” 22.10.2014).
Immer mehr Frauen engagieren sich für Gender-Gerechtigkeit in den Medien und überhaupt. “Women, Action and the Media!” (oder WAM!) zum Beispiel ist eine Nonprofit-Organisation, die dafür kämpft. Anfang November hat sie bekannt gegeben, dass sie eine neue Methode entwickelt habe, um auf dem social network Twitter anstößige und bedrohliche Tweets zu kontrollieren und entfernen. Und schon im Frühjahr war sie daran beteiligt, dass Facebook ähnlichen Inhalten entgegenarbeitet.
Wir sollten uns also nicht zu sehr deprimieren oder entmutigen lassen, sondern uns ein Beispiel an den WAM!-Frauen nehmen und gemeinsam kluge Lösungen finden.
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20 Kommentare
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16.12.2014 um 15:00 Uhr Amy
Lieber Felix Sachs, wie zur Männersprache `Deutsch`, wenn wir auch hier nicht die Ursachen benennen, warum es für die uralte Herrenkultur nur KünstlER, SchriftstellER, RentnER, Ärzte usw. usw. gab/gibt, wäre das ein Zeichen von Unbildung, Verleugnung und bewusste wiederholte Ausgrenzung, Missachtung von Frauen, die zahlenmäßig über die Hälfte der Weltbevölkerung einnahmen.. `Friedfertige` Frauen der Frauenbewegungen habe ALLE von maskulinen Männern Spott, Hohn, Häme, Misogynie bis hin zu Morddrohungen erhalten. Das `finstere` Mittelalter war für die meisten Frauen sicherlich kein Hort des Friedens, der Glückseligkeit oder der `rechtlichen` Anerkennung, siehe Hexenverfolgung oder siehe das `Magdeburgisieren`, das eine alte männliche, kriegerische Tradition ist , die vor allem Frauen , Mädchen in schlimmster Weise traktierte ..
Die Rechtlosigkeit der Frauen wurde per Gesetz bis ins 20. Jahrhundert sanktioniert (z.B. Vergewaltigung i.d. Ehe). Die Frauen im Mittelalter hatten sich den misogynen klerikalen Vorstellungen zu beugen, denn das Bild der Frau war auch damals durch die Kirche stark geprägt.
” Das Frauenbild der Kirche im Mittelalter war durch frauenfeindliche und diffamierende Schilderungen gekennzeichnet: Frauen sind labil, führen andere in Versuchung, sind zänkisch, herrisch und stets bemüht, den Mann zu unterjochen und ihn jeder Lebensfreude zu berauben. Frauen sind für den Mann erschaffen worden und haben sich ihm deshalb zu unterwerfen (diese Anschauungen kommen uns heutigen Frauen leider auch sehr bekannt vor!). Von Natur aus minderwertig, sind sie dem Mann körperlich und geistig unterlegen. Frauen sind ungebändigt, zügellos und widerspenstig und müssen erst vom Vater und später vom Ehemann “erzogen” werden, um Demut und Gehorsam zu lernen … Der Mann hingegen ist wie geschaffen dafür, ein gottgefälliges Leben zu führen.”
http://www.frauenwissen.at/frauenleben_mittelalter.php
Weibliche Menschen in der Sprache wieder unter die Herrschaft des Maskulinen zu verdonnern, bedeutet das Unsichtbarmachen der überwiegenden Mehrheit der Menschheit, und das sind nun einmal weibliche Menschen..
Zitat aus der neuen EMMA, die ich Ihnen nur empfehlen kann : Die Sprache ist der Stoff, in dem wir kommunizieren, fühlen und denken. Diese Sprache war lange rein männlich, die weibliche Form war abwesend. Das änderten ab den 80er Jahren Sprachwissenschaftlerinnen wie Luise Pusch: Das generische Femininum ist schon fast 30 Jahre alt. Es ist ein schönes Kind der Zweiten Frauenbewegung und eine so einfache und durchschlagende Lösung des Problems der `falschen Schublade`, dass sie sich inzwischen viele Freundinnen erworben hat, bis hin zu den Universitäten Leipzig und Potsdam.”
Es wäre ein weiterer Fortschritt, wenn sich `friedliche` Männer diesem feministischen Sprachgebrauch und den feministischen Überlegungen kluger Frauen anschließen würden.
04.12.2014 um 22:28 Uhr Felix Sachs
@Amy
Liebe Amy
Herzlichen Dank für den lebendigen Anschauungsunterricht! Da habe ich wohl eine Saite zum Dröhnen gebracht, die ich nicht wollte. Ich will mich nicht verteidigen, sondern in mich gehen. Ganz im Ernst: So muss es sich wohl anfühlen, wenn ein friedfertiger Mensch wie Sie beim Bemühen, etwas zur Verständigung beizutragen, nur Spott erntet. Zwar weiss ich durch ziemlich viel Lektüre für mein Buchprojekt schon einiges über die krasse Benachteiligung und Herabwürdigung der Frauen in der Geschichte. Eine grosse Überraschung war für mich z.B. die Tatsache, dass das „finstere Mittelalter“ keineswegs die schlimmste Zeit war für die Frauen, sondern ausgerechnet – wer glaubt sowas? – die Aufklärung und weitere Jahrzehnte nach ihr. Noch 1900 konnte ein „Arzt“ ein Buch publizieren mit dem Titel „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ – Schwachsinn hatte er selber – und mit ihm alle seine Kollegen, die ihm den Schmarren nur zu gerne glaubten! Oder dass die Gründung der ersten Universitäten (Paris, Bologna, Neapel, Salamanca, Cambridge usw. – nachzulesen bei Helen Schüngel-Straumann in ihrem neusten Eva-Buch S. 62) unter völligem Ausschluss der Frauen vollzogen wurde. Danach hörte ihre Teilnahme z.B. an theologischen Diskussionen unvermittelt auf. Der Hexenhammer (1487) gehört bereits zum Übergang in die Neuzeit und nicht etwa zum Mittelalter.
Solches nur zu wissen oder selber ein kleines bisschen davon selber zu spüren zu bekommen ist nicht ganz dasselbe. Dazu möchte ich auch noch sagen, dass ich das grosse Glück habe, seit über 35 Jahren in einer glücklichen Beziehung zu leben: Wir gönnen uns gegenseitig Freiräume, lachen viel zusammen, teilen uns die Arbeiten in Haus und Garten usw. Unsere Freunde leben in ähnlichen Beziehungen. Das ist unsere Welt. Natürlich wissen wir, dass es die andere auch gibt und wir versuchen auch dazu beizutragen, dass es andere auch besser haben können. Dazu gehört auch mein Buchprojekt, in dem es nicht nur um die Sprache, sondern um echte Achtsamkeit und gegenseitige Wertschätzung geht. Wie das ankommen wird – ob totaler Verriss oder ein Stück weit Akzeptanz – werde ich erst nach der Publikation erfahren. Zuerst muss ich schon einen Verlag finden, der den Mut aufbringt, es in sein Programm aufzunehmen.
Felix Sachs
03.12.2014 um 22:14 Uhr Joey Horsley
@amy: powerful statement – danke!
@ gwendolyn: Danke für die Links – sie zeigen, dass sich viele Spielentwickler inzwischen doch gegen Gamergate ausgesprochen haben. (Wie ich am Schluss meiner Diskussion auch angedeutet hatte.)
03.12.2014 um 18:00 Uhr Amy
Die gesellschaftlich geprägten Rollenbilder kritisieren Feministinnen ja seit Anbeginn. Dafür ernteten sie bis heute Hohn, Spott, Häme, Hass, Unverständnis, Morddrohungen, Gewalt, Stigmatisierung.
Dass sich auch manche `Jungen` dem Zwang ausgesetzt fühlen, entsprechenden Rollenerwartungen zu genügen, müsste doch ein Grund mehr sein, sich dem feministischen Bewusstsein, den feministischen Theorien, den vielen feministischen Aktionen nicht zu verweigern! und sich der Frauenbewegung anzuschließen.
Aber die Gegnerschaft des Feminismus setzt alles daran, ihre Stärke in der erstarkenden Masku-Bewegung zu suchen und `echte` (falsche) Männlichkeit zu propagieren. Wie das u.a. aussieht, wird ja im obigen Artikel sehr gut beschrieben.
Wir könnten zig Begriffe aufführen, wie heute der altherrgebrachte Männlichkeitswahn von Männern zelebriert wird, woran sie sich klammern . Ob Pornografie, Prostitution, Gewalt an Frauen, Sexismus, sexuelle Belästigung , die Liste von Frauenhass ist ellenlang.
Was die meisten Männer anscheinend überhaupt nicht können, ist zuzuhören - als im letzten Jahr die Aktion “Sexuelle Belästigung” erfolgte, wo Mädchen, Frauen über ihre Erfahrungen berichteten, war der Aufschrei von Männerseite riesig; die meisten i.d. sozialen Netzwerken zeigten sich empört und bezichtigten uns Frauen der Lüge, der Überempfindlichkeit.. Sie hören nicht zu, wenn wir den Sexismus in der Werbung kritisieren. Überall erleben wir kritischen Frauen Nackenschläge, werden verbal bedroht, niedergemacht und nicht ernst genommen.
Kürzlich machte der Pickup-KünstlER Julien Blanc mit Negativwerbung Schlagzeilen. Seine widerliche These ist : Frauen wollen vergewaltigt werden. Und er verdient mit Seminaren zur sexistischer Gewalt gegenüber Frauen viel Geld. Es gibt Männer, die ihn unterstützen und dafür bis zu 3.000 Dollar zahlen.
`Jungs, packt sie euch einfach`, J.B. ist ein Prediger der Rape Culture.
Da sind wir inzwischen angekommen : “Selbsternannte Pickup-Artists wie Blanc und Ozzie stehen für frauenverachtendes Verhalten.” (zitiert Die Netzfrauen)
Es wäre endlich an der Zeit, dass sich die vielen friedlichen jungen Männer, die sich in ihrem Rollenverständnis vom `Männlichkeitswahn` nicht wohlfühlen, auch öffentlich auflehnen.
Heute hat Alice Schwarzer Geburtstag , eine feministische Kämpferin für Frauenrechte , die alle Höhen und Tiefen , von Abneigung bis hin zu Anerkennung durchleben musste.. Ein Zitat von ihr zur Frauenbewegung:
Wir revoltierenden Frauen standen nicht länger zur Verfügung. Wir sagten Nein, wenn wir keine Lust hatten. Wir lächelten nicht, wenn es ernst wurde. Wir bedienten nicht, um geliebt zu werden. Wir spielten nicht die Dummen, wenn wir klug waren. Wir baten nicht länger um Gnade, sondern forderten unsere Rechte.
Wir Feministinnen haben eine Kulturrevolution gemacht! Die einzig wahre seit 1945.”
Für junge Frauen , Mädchen und für die männliche Welt gibt es so viele starke weibliche , feministische Vorbilder , die für eine bessere Welt und gegen den Weiblichkeits- und Männlichkeitwahn kämpfen und gekämpft haben.
Auch hier auf Fembio finden wir sie ALLE !
Auch den Kommentar von Lena Vandrey kann ich nur vollends unterstützen!
http://www.emma.de/
03.12.2014 um 17:07 Uhr gwendolyn
@joey:
http://www.eurogamer.net/articles/2014-10-16-e3-organiser-and-trade-group-esa-speaks-out-against-gamergate
https://medium.com/@andreaszecher/open-letter-to-the-gaming-community-df4511032e8a
http://www.polygon.com/2014/10/29/7089711/swedish-devs-gamergate
https://twitter.com/MikeSchnier/status/529857427509104640/photo/1
http://wow.joystiq.com/2014/11/07/blizzcon-opening-ceremony-liveblog/
:)
03.12.2014 um 10:16 Uhr Felix Sachs
@Lena Vandrey
“Was Jungen von Mädchen wollen, wissen wir. Aber was wollen denn Mädchen von den Jungen?” Ich glaube, auf diesen einfachen sexistischen Nenner lässt sich das Phänomen nicht reduzieren. Da spielen auf beiden Seiten eine Menge Elemente und Motive mit, vor allem auch gesellschaftlich geprägte Rollenbilder (auch Jungen fühlen sich oft dem Zwang ausgesetzt, vermeintlichen Rollenerwartungen entsprechen zu müssen) und natürlich auch pubertäres Geltungsbedürfnis. Das Fatale ist, dass mit dem Internet das alles nicht im engen Kreis der Gruppe bleibt, sondern einer voyeuristischen Öffentlichkeit feilgeboten wird.
Felix Sachs
02.12.2014 um 12:30 Uhr Joey Horsley
Liebe Lena,
toller Kommentar! Ja, Aufklärung und Karate-Kurse wären ein guter Anfang!
02.12.2014 um 09:34 Uhr Lena Vandrey
@ Joey:
Das Interessante an dieser Zeit ist das Ausufern von persönlichen Dingen in den Bereich des Massen-Phänomens. Von einer harmlosen Sache ausgehend gibt sich das Ganze gleich die Allüre einer Seuche. Was erwarten Mädchen als Antwort auf ihre Nackt-Fotos? SENDEN DIE JUNGEN EBENFALLS NACKEDEIS AN DIE MÄDCHEN? Ist ein Nackt-Foto schon Pornografie? Was fehlt, ist der Rat von erwachsenen Frauen, Müttern oder/und Lehrerinnen, nämlich bis zur Mündigkeit zu warten, und eine Warnung zu formulieren: Der Soundso kann mit dem Foto machen, was er will! Diese Bilder können sich tatsächlich zur Pornografie hin entwickeln! und deshalb wäre die pubertäre Eitelkeit zu stoppen und Bekanntschaft mit dem Gesetz zu machen. Was Jungen von Mädchen wollen, wissen wir. Aber was wollen denn Mädchen von den Jungen? Jedes Foto, auch ein Papier-Abzug, kann ins Netz wandern und anders benutzt werden als gedacht. Also, Aufklärung für die Folgen!
Und den sogenannten Fortschritt ein wenig in Frage stellen und Charakter beweisen, das Individuelle fördern, feministisches Denken hervorbringen. Anstatt Nackt-Fotos eher eine Karate-Runde, wie wäre das?
Es könnte sein, dass die halbwüchsigen Mädchen in der Robotik ihrer Maschinen zu sehr allein gelassen werden und versuchen, mitzuspielen in diesem bösen Spiel.
An teuflischen Vorbildern fehlt es ja nicht!