©Karoline Glasow (Ausschnitt)
(eigentlich Ulla Irene Maak-Schoedel)
geboren am 16. Januar 1944 in Erlangen
deutsche Bildhauerin, Malerin und Objektkünstlerin
80. Geburtstag am 16. Januar 2024
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Eine Arbeit sticht aus dem umfangreichen Oeuvre besonders hervor: An die Wand gelehnt steht eine lebensgroße und nackte Frauenfigur mit gespreizten Armen und Beinen. Für Ipse hat die Künstlerin einen Abdruck ihres eigenen Körpers genommen, um diesen mit blutroter Ackererde aus dem damaligen Jugoslawien 1997 zu modellieren. Wie Wunden auf einer menschlichen Haut durchziehen Risse und Furchen den geformten Erdkörper. Die Figur bricht nicht nur mit gewohnten Blickmustern, sondern wird durch das bewusst gewählte Material und die symbolische Haltung zum Mahnmal von missbrauchten Frauen der Bosnienkriege (1992-1995).
Bis heute bestimmen weibliche Ikonographie, natürliche und künstliche Materialien sowie politisches und soziales Engagement Leben und Werk der Künstlerin. Neben ihrer Arbeit im Frauennetzwerk ZONTA setzt sie sich für die Erhaltung der Natur ein und kritisiert deren Zerstörung durch den Menschen: „Dieser Punkt betrifft uns alle [...] Das aktuelle Zeitgeschehen hinterläßt Gravierungen. Raubbau an der Natur, Krieg und Vergiftung unserer Lebensgrundlagen prägen unsere Zeit“ (2001).
Zeitlebens ist die Künstlerin selbst auf der Suche nach ihrer eigenen Identität gewesen. Schwer machten es ihr immer wieder die heftigen Ablehnungen und äußeren Umstände, die ihre schöpferische Tätigkeit beeinflussten. Ulla Schoedel ist bei handwerklich und kreativ arbeitenden Eltern aufgewachsen, die sie künstlerisch prägten. Ihr Zeichenlehrer Helmut Gerlach an der Wilhelm-Löhe-Schule in Nürnberg erkannte ihr Talent und begann sie zu fördern. Nach dem Abitur 1964 entschied sich Ulla Schoedel für ein einjähriges Praktikum im Grafikbüro von Gerhard Schmidt-Kaler in Erlangen, wodurch sie vor allem die Plakatkunst und die Werbegraphik kennenlernte. In ihren späteren graphischen Arbeiten und Collagen lassen sich die typischen Stilelemente und Techniken wiederfinden. Während ihres Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei Hermann Wilhelm (1897-1970), Ernst Weil (1919-1981) und Karl-Hans Walter (1911-1999) mit den Schwerpunkten freie Malerei und Gebrauchsgraphik wurde ihr Schaffen immer wieder kritisiert und stieß meist auf harte Ablehnung. Nach der eher enttäuschenden Studienzeit arbeitete Ulla Schoedel von 1969-1976 als Designerin für Plüschtiere in den Firmen von Schuco (Nürnberg) und Anker (München). Es entstanden viele anrührende Zeichnungen und Vorlagen für Kinderspielzeuge.
1969 heiratete sie den Erlanger Arzt Dr. Jürgen Schoedel und übernahm im selben Jahr das heruntergekommene, vierstöckige Mietshaus der Großeltern Erdmann am Theaterplatz 4 in Erlangen. Die Renovierung des Mietshauses begleitete sie jahrzehntelang, was sie einerseits oft an ihrer künstlerischen Tätigkeit hinderte, anderseits auch für neue Materialien, wie Silikon, Sand, Gips und Bitumen, sensibilisierte. Mit der Geburt ihres Sohnes Ulf (1973) veränderte sich ihr Leben und ihre Sicht auf sich selbst, und sie wandte sich von der Spielwarenindustrie ab. Mit ihrer freischaffenden Tätigkeit ab 1977 löste sich Ulla Schoedel endgültig von vorgefertigten Normen und begann selbstständig und frei zu arbeiten. Fortan begleiten zentrale Themen, wie Natursehnsucht, archaische Kulturformen und weibliche Identitätsfragen, ihr Schaffen.
Mit ihren Federarbeiten, den sogenannten „Federmänteln“, gelang der Künstlerin ein erster internationaler Durchbruch: 1987 waren der Mantel der Kassandra (1982) und die Lichttänzerin (1986/1987) an der École Nationale d'Art Décoratif in Aubusson zu sehen, es folgten Ausstellungen in Rennes, Belém (Brasilien), Vancouver und 1997 der Siemens AG Xenia Preis in ihrer Heimatstadt.
Neben ihrer vielseitigen künstlerischen Arbeit schrieb Ulla Schoedel auch poetische Texte und kurze literarische Essays, die sie aber nie selbst veröffentlichte. Darin setzte sich die Künstlerin intensiv mit dem Gedanken von Vergänglichkeit, menschlicher Existenz und Natur auseinander. So sagt sie: „Ich bin immer wieder auf der Suche nach dem Garten Eden, nach der verschütteten Harmonie von Mensch und Natur. Auch auf den vielen Reisen habe ich immer nach diesem Ideal gesucht. Natur ist lebensspendend und gibt Kraft für das eigene Schaffen.“
Gerade der Werkstoff Erde, den sie in ihrem künstlerischen Manifest „ERDE-ZEIT-MENSCH“ als „lebendigen Urstoff“ bezeichnet, gab ihr die Möglichkeit das weiblich konnotierte Material sowohl politisch als auch experimentell einzusetzen und auf die Verbindung von Material und Geschlecht aufmerksam zu machen. Stilprägend für diese Zeit sind meist plastische Arbeiten, so eine Serie von Erdformen, aus der das zentrale Werk Erdfrau (1990) hervorging. Ab 1999 kamen zu den bevorzugten Naturmaterialien auch künstliche Werkstoffe wie Kunstharz, Aluminium und Silikon hinzu. Prägend für diese Phase sind ihre bekannten Buchobjekte (Alles was Recht ist, 1995), Materialbilder, Collagen (Schilf, 1992) und Plastiken (Vegetables, 2001). Im Spätwerk (ab 2009) greift die Künstlerin repetitiv auf bewährte Bearbeitungsmethoden, Materialien und Formen zurück. Im Vordergrund stehen meist plastische Arbeiten, die an ihre Sehnsucht nach dem Ursprünglichen anknüpfen und sich kritisch mit sozialen Rollenbildern auseinandersetzen (Suche nach dem Paradies, 2009).
Ulla Schoedel erschafft mit ihrer Formensprache und Materialauswahl eine eigene Mythologie, die sich jeder Einordnung verweigert und das Werk unergründlich erscheinen lässt. „So vielfältig meine Aufgaben waren, so vielfältig ist meine Kunst. Ich habe mich immer nach der Kunst gesehnt. Denn immer habe ich das Gefühl, eingesperrt zu sein. Kunst gibt mir die Freiheit, meiner Existenz nachzuspüren und mich in ihr auszudrücken.“ (Ulla Schoedel, 2018). Ulla Schoedel engagiert sich seit 1999 bei ZONTA, um die politische und rechtliche Position von Frauen in der Gesellschaft nachhaltig zu stärken. Die Künstlerin lebt und arbeitet freischaffend in ihren Ateliers in Erlangen und Bad Gastein.
(Text von 2019)
Verfasserin: Juliane Feuerbach
Links
Homepage der Künstlerin Ulla Schoedel: http://www.ulla-schoedel.de/html/home/index.html
Vestiges Spuren: OCLC
https://www.worldcat.org/title/vestiges-spuren/oclc/36791826
Kunstverein Erlangen E.V.: https://www.kunstverein-erlangen.de/ausstellungen/2013/ulla-schoedel-root-and-routes/
Literatur & Quellen
École Nationale D ́Art Décoratif D ́Aubusson. Carmen Charpin. Ulla Maak-Schödel. Alexander Schmid. Ausst. Kat. Aubusson 1987.
Franziska Kloeters: Naturmaterialien in der Kunst von Ulla Schoedel. Masterarbeit. Paris-Lodron- Universität Salzburg. Salzburg 2018.
Mervyn Morris; Wolfgang Binder; Ulla Schoedel: Vestiges. Spuren. Gedichte (Englisch) mit deutscher Übersetzung. Limitierte Edition von 100 Exemplaren. Handdrucke auf Einzelseiten zwischen dem Text (33 nicht nummerierte Einzelseiten). Erlangen 1996.
Johann Adam Strupp: Ulla M. Schoedel. In: Bernd Nürnberger; Bernd Böhner (Hgg.): Künstler in Erlangen von 1700 bis heute. Erlangen 2017, S. 192-193.
Gerhard Trey: Zeichen fügen sich zu bedeutungsvollem Ganzen. In: Brettener Nachrichten. 76 (31. 03.2000), S. 18.
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