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geboren am 18. März 1901 in Moskau
gestorben am 29. September 1993 in Berlin
russische Tänzerin, Choreographin, Tanzpädagogin
30. Todestag am 29. September 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Sie selbst bezeichnete sich am liebsten als Pädagogin. Und hatte eine fast unheimliche Gabe, noch schlummernde Kräfte und Ausdrucksstärken in TänzerInnen zu wecken und zur Entfaltung zu bringen. Tatjana Gsovsky war aber auch Tänzerin, Regisseurin und die Choreographin, die nach dem Zweiten Weltkrieg ein deutsches Ballett überhaupt erst aufgebaut hat.
In ihren Choreographien vereint Tatjana, wie sie von allen liebevoll-respektvoll genannt wurde, Elemente des klassischen und des deutschen Ausdruckstanzes, wobei ihre Basis immer das Vokabular des traditionellen klassischen Balletts blieb. An einer dramatischen Handlung den (psychologischen) Spannungsfeldern zwischen den verschiedenen ProtagonistInnen interessiert, schafft sie mit den Mitteln des Tanzes, was sie selbst als Konfliktballett bezeichnet – die Beziehungen zwischen den Handlungspersonen durch körperliche Bewegung im Raum sichtbar werden zu lassen.
Dieses dramatische Bühnendenken ist ihr sozusagen in die Wiege gelegt, denn als Tochter der Schauspielerin und Tänzerin Claudia Issatschenko wuchs Tatjana im Theater auf und hat früh mit einer tänzerischen Ausbildung begonnen, zuerst in der Isadora Duncan-Schule in Petrograd, später bei verschiedenen streng klassisch ausgerichteten russischen Ballett-LehrerInnen.
1917, mit 16 (!) Jahren, ging Tatjana mit ihrer kleinen Tochter bereits als Ballettmeisterin an das Theater von Krasnodar am Schwarzen Meer, wo sie ihren zweiten Mann, den Tänzer und Choreographen Victor Gsovsky, kennenlernte und heiratete. Zusammen fliehen sie 1925 aus dem revolutionären Russland nach Berlin und gründen eine Ballettschule – zu einer Zeit, in der auf Deutschlands Bühnen der Ausdruckstanz vorherrscht und ballettig ein vernichtendes Schimpfwort bedeutet.
Unter den Nazis erhält Tatjana nach der Aufführung ihres Stückes Goyescas nach Motiven von Goya (mit den AusdruckstänzerInnen Dore Hoyer und Harald Kreutzberg) Berufsverbot. Der hoffnungsvolle Neuanfang als Ballett-Leiterin der Ostberliner Staatsoper zerbricht an den wachsenden Spannungen mit den SED-Kulturfunktionären; 1951 geht Gsovsky mit einem Großteil der TänzerInnen in den Westteil der Stadt, in dem sich ihre Ballettschule befindet.
Eine adäquate Stellung hier erhält Tatjana allerdings erst 1958 mit der Verpflichtung als Ballettmeisterin und Chefchoreographin an der Städtischen (später Deutschen) Oper Berlin. In der Zwischenzeit arbeitet sie als freie Choreographin u.a. an der Mailänder Scala und vor allem am Teatro Colón in Buenos Aires, wo sie ihre Ideen eines modern-klassischen Handlungsballetts verwirklichen kann. Bis zu ihrem Rückzug aus dem Theaterleben 1966 entstehen in Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten große dramatische Werke, meist nach literarischen Vorlagen. Zu ihrer Zeit nicht immer verstanden, wirkt Tatjana Gsovsky in den Generationen ihrer SchülerInnen weiter, die sie trotz zunehmender körperlicher Gebrechen noch mit 90 Jahren unterrichtete.
(Text von 2000)
Verfasserin: Adriane von Hoop
Zitate
Ich bin … in den Tanz geboren! Für mich bedeutet er nichts anderes als meinen Alltag: denn ich denke an den Tanz, ich liebe den Tanz, ich liebe jede Bewegung, ich liebe alles Bewegliche, alles Lebende… Jede Bewegung ist Tanz, der Blick, jede Kopfwendung, jede Neigung, jeder Gedanke ist Tanz.
Tatjana Gsovsky
Links
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44417593.html
Links geprüft und korrigiert am 3. März 2021 (AN)
Literatur & Quellen
Garske, Rolf. 1985. “Das Leben ist ein ewiger Tanz - Drei Kronzeugen geben Auskunft: Martha Graham, Tatjana Gsovsky, Gret Palucca”, Ballett: Chronik und Bilanz des Ballettjahrs 1985.
Koegler, Horst. 1955. “Gsovsky and the Dance Theatre - Berlin”, Dance Magazine, Oktober 1955.
Sorrell, Walter. 1965. “Tatjana Gsovsky: A Prayer to the Deity”, Dance Magazine, August 1965.
Steinbeck, Dietrich. 1993. “Tanz ... Tanz ... Tanz: Tatjana Gsovsky - Ein dokumentarisches Porträt”, in: Deutsche Oper Berlin, Spielzeit 1992/93, Beiträge zum Musiktheater XII, S. 199-217.
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