(Marie-Clémentine Valadon [Geburtsname])
geboren am 23. September 1865 in Bessines-sur-Gartempe, Haute-Vienne
gestorben am 7. April 1938 in Paris
französische Malerin
85. Todestag am 7. April 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Suzanne Valadon hatte – anders als die aus bürgerlichen Familien stammenden Künstlerinnen ihrer Generation – keinerlei Aussicht auf Ausbildung. Dafür führte sie ein außergewöhnlich freizügiges Leben und schuf aus dieser Unabhängigkeit ein großes Werk (erhalten sind etwa 300 Zeichnungen und Drucke, fast 500 Gemälde). Besonders in ihren Frauenporträts und teilweise gewagten Aktbildern überschritt sie die Grenzen, die der Kunst von Frauen in ihrer Zeit gesetzt waren.
Marie-Clementine, später erst Suzanne genannt, Valadon wurde 1865 als uneheliche Tochter einer Wäscherin (»Vater unbekannt«) geboren und wuchs im Pariser Stadtteil Montmartre auf. Mit elf verließ sie die Schule, nahm verschiedene Aushilfsarbeiten an, ihr Traum von einer Karriere als Zirkusartistin endete jäh mit einem Sturz vom Trapez.
Mit 15 begann sie, ihren Lebensunterhalt als Künstlermodell zu verdienen. Die auf der »Butte« konzentrierten Maler und Bildhauer (es sollen zu der Zeit 14.000 gewesen sein) hatten einen enormen Bedarf an (Akt-)Modellen, und Suzanne – leuchtend blaue Augen, lange dunkelblonde Haare – war sehr begehrt. Dass die meisten ihrer Auftraggeber auch ihre Liebhaber wurden, gehörte sozusagen zum Berufsbild – ob es ihren eigenen sexuellen Bedürfnissen entsprach, wie zumeist in den Biographien dargestellt, darf zumindest bezweifelt werden (Puvis de Chavannes, einer der Ersten, für die sie mit 15 Modell stand, war immerhin 56 Jahre alt). Mit 17 wurde sie – wie konnte es anders sein – schwanger und brachte knapp 18-jährig ihren Sohn Maurice (Utrillo) zur Welt.
Während das Kind vorwiegend von Mutter Madeleine versorgt wurde, ging Suzanne weiter ihrer Modelltätigkeit nach. Nach dem symbolistischen Maler Puvis de Chavannes schufen vor allem Auguste Renoir und Toulouse-Lautrec Porträts und Aktbilder von ihr. Was die Maler zunächst nicht wussten – die junge Suzanne sah ihnen bei der Arbeit konzentriert auf die Finger, längst hatte sie begonnen, selbst zu zeichnen, in erster Linie realistische, ungeschönte Darstellungen von Menschen aus ihrer Nachbarschaft, Porträts ihrer früh gealterten Mutter, Aktstudien ihres Sohnes, wiedergegeben mit einem klaren, kräftigen Strich, die Körper zumeist umfangen von einer einzigen dunklen Konturlinie, die später auch ihre Gemälde unverwechselbar machen sollte.
Toulouse-Lautrec erkannte als Erster ihr außergewöhnliches Talent und vermittelte ihr den Kontakt zu Edgar Degas, der viele ihrer Arbeiten kaufte und sie in Drucktechniken unterwies. 1896, Valadon war inzwischen 31, heiratete sie den wohlhabenden Bankkaufmann Paul Mousis und zog mit ihm, ihrer Mutter und dem 13-jährigen Maurice in die ländliche Umgebung der Hauptstadt, von wo sie täglich in ihr Pariser Atelier pendelte.
Die Hoffnung, das geregelte Familienleben würde besonders ihrem Sohn guttun, erfüllte sich nicht. Bereits als Jugendlicher entwickelte Maurice eine schwere Alkoholabhängigkeit, begleitet von schizophrenen Schüben. Auch in der Malerei, mit der er auf Anregung seiner Mutter begann, fand er keine Befreiung.
Die Begegnung mit Andre Utter, Freund und Malerkollege ihres Sohnes, 21 Jahre jünger als die inzwischen 44-jährige Valadon, änderte das Leben aller Beteiligten. Valadon trennte sich von ihrem Ehemann, stürzte sich in die Malerei. In den folgenden Jahren entstanden ihre bedeutendsten Gemälde, wie die skandalträchtige Paradiesszene Adam und Eva (1909), in der sie sich selbst und ihren Geliebten als Akt in einer Landschaft voll leuchtender Farben darstellte (Adams Geschlechtsteile mussten für die Ausstellung später mit einer reichlich unmotiviert wirkenden Weinrebe übermalt werden), oder Das blaue Zimmer (1923) – auf einem blauweißen Sofa liegt entspannt eine mollige, dunkelhaarige Frau, bequem bekleidet mit Pluderhose und Trägerhemdchen, eine Zigarette im Mund und neben sich zwei Bücher –, eine ironische Neuinterpretation des in der männlichen Malerei so beliebten Odalisken-Motivs.
Das Leben mit Utter war für Valadon sehr anregend. Zum ersten Mal besuchte sie systematisch Museen und Kunstausstellungen, reiste viel (und brachte von jeder Reise wunderbare Landschaftsgemälde mit), erwarb ein verfallenes Schloss in St. Bernard, wo sie mit Utter und Utrillo die Sommer verbrachte. Obwohl Valadon regelmäßig bei den Salonausstellungen vertreten war und 1923 von der Galerie Bernheim-Jeune unter festen Vertrag genommen wurde, bezog die Familie das Haupteinkommen für ihr teilweise luxuriöses Leben (Chauffeur, Haushälterin, zahlreiche Haustiere) aus den Verkäufen der Arbeiten von Maurice Utrillo. Dessen Pariser Straßenszenen, geschickt vermarktet von Andre Utter, fanden reißenden Absatz.
In ihrem letzten Lebensjahrzehnt wurde es einsamer um Suzanne Valadon. Die Beziehung zu Utter, schon länger in der Krise, war seit 1931 beendet – in ihrem kühnen Selbstporträt mit nackten Brüsten zeigt die 66-Jährige sich selbst mit einem deutlichen Zug der Verbitterung um den schmaler gewordenen Mund. 1935 ging Utrillo eine Versorgungsehe mit einer wohlhabenden Bankierswitwe ein. Suzanne Valadon starb 71-jährig, an den Folgen einer Herzattacke.
In den folgenden Jahrzehnten wurde ihrer vor allem als Mutter Utrillos gedacht. Erst in den letzten 20 Jahren gab es große Retrospektivausstellungen für die radikalste französische Malerin der klassischen Moderne.
(Text von 2014)
Verfasserin: Andrea Schweers
Zitate
Die Natur hat mich völlig in ihrer Gewalt. (...) Bäume, Himmel, Wasser und Menschen berühren mich tief und leidenschaftlich. Formen, Farben und Bewegungen regen mich dazu an mit Liebe und Inbrunst zu malen, um den Dingen, die ich so sehr schätze Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. In meinen Gemälden ist nicht ein Pinselstrich, nicht eine Linie die ihren Ursprung nicht in der Natur hat. Wenn ich meine Leinwände aufbaue ersinne ich die Formen, aber die Natur ist der Maßstab an dem ich die Wahrhaftigkeit meiner Gemälde messe, stets angeregt durch meine Zuneigung für das Leben an sich.
(Suzanne Valadon, zitiert in Rose, S. 188)
Links
artnet: Suzanne Valadon. Sehr viele Werke (über »Auktionsergebnisse«).
Online verfügbar unter http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/suzanne-valadon/, zuletzt geprüft am 31.03.2023.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Suzanne Valadon. Veröffentlichungen.
Online verfügbar unter https://d-nb.info/gnd/118625837, zuletzt geprüft am 31.03.2023.
Köster, Teresa (2014): Suzanne Valadon: Beständiges Widerstreben. Schirn Kunsthalle Frankfurt.
Online verfügbar unter https://www.schirn.de/magazin/kontext/suzanne_valadon_bestaendiges_widerstreben/, zuletzt geprüft am 31.03.2023.
Kunstaspekte: Suzanne Valadon. Kurzbiografie, Sammlungen, Galerien, Ausstellungen.
Online verfügbar unter http://www.kunstaspekte.de/suzanne-valadon/, zuletzt geprüft am 31.03.2023.
Literatur & Quellen
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Brade, Johanna (1994): Suzanne Valadon. Vom Modell in Montmartre zur Malerin der klassischen Moderne. Unter Mitarbeit von Suzanne Valadon. Stuttgart. Belser. ISBN 3-7630-2306-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Carlier, Sylvie; Buisson, Sylvie (2006): Suzanne Valadon, Jacqueline Marval, Émilie Charmy, Georgette Agutte. Les femmes peintres et l'avant-garde 1900 - 1930. Ausstellungskatalog. Paris. Somogy. ISBN 2-7572-0015-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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Köster, Magdalena (1998): »Sei mutig und hab Spaß dabei«. Acht Künstlerinnen und ihre Lebensgeschichte. Weinheim. Beltz & Gelberg. (Programm Beltz & Gelberg) ISBN 3-407-80849-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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Warnod, Jeanine (1989): Suzanne Valadon. Neue erg. Ausg. München. Südwest-Verl. (Meister der Modernen Kunst) ISBN 3-517-01161-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Quellen
Doll, Valeska (2001): Suzanne Valadon (1865 - 1938). Identitätskonstruktion im Spannungsfeld von Künstlermythen und Weiblichkeitsstereotypen. Univ., Diss.—München, 2001. München. Utz. (Kunstwissenschaften, 5) ISBN 3-8316-0036-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Marchesseau, Daniel (1996): Suzanne Valadon. Ausstellungskatalog. Martigny. Fondation Pierre Gianadda. ISBN 2-88443-035-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Rosinsky, Thérèse Diamand (1994): Suzanne Valadon. New York, NY. Universe Publ. (Universe series on women artists) ISBN 0-87663-777-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
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