geboren am 4. Juli 1915 in Graz, Österreich
gestorben am 12. Januar 2009 in Oshogbo, Nigeria
österreichische Künstlerin und Priesterin des Yoruba-Kultes in Nigeria unter dem Namen Adunni Olurisa
15. Todestag am 12. Januar 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Susanne Wenger studierte Malerei an der Wiener Akademie der bildenden Künste, deren Leiter Professor Herbert Boeckl sie förderte. Während des Krieges versteckte sie Flüchtlinge in ihrem Atelier, musste sich dann aber selbst aus der Schusslinie der Nationalsozialisten nehmen und untertauchen.
Nach dem Krieg kehrte sie nach Wien zurück und wurde Mitbegründerin des Wiener Art-Clubs, dessen Mitglieder - junge KünstlerInnen, MusikerInnen und AutorInnen - sich auch in ihrem Atelier trafen. Bald schon wurde sie außerhalb ihrer Heimat bekannt: Die Zürcher Galerie „Des Eaux Vives“ stellte ihre Werke mit denen von Mondrian, Arp und Klee aus und verkaufte sie alle.
Dann ging Susanne Wenger nach Paris, wo es ihr aber nicht so recht gefiel. Sie fand das künstlerische Milieu zu oberflächlich, machte aber eine Bekanntschaft, die ihr Leben veränderte: Der deutsche Anglist und Sprachwissenschaftler Ulli Beier hatte gerade einen Ruf an die westnigerianische Universität Ibadan bekommen, wo man es gern gesehen hätte, dass er mit einer Ehefrau anreiste. Kurz entschlossen heirateten die beiden und zogen 1950 nach Ibadan.
In einem Interview mit Gert Chesi sagte sie: „Dass ich nach Nigeria kam, schien fast wie ein Zufall; vielleicht war es aber ein Teil einer notwendigen Ordnung, denn man kommt immer dorthin, wo man etwas zu tun hat.“
In Ibadan erkrankte Susanne Wenger an Tuberkulose. Eineinhalb Jahre lag sie schwerkrank danieder, bis sie anlässlich einer Zeremonie in der Stadt Ede den Orisha-Priester Ajagemo kennenlernte, der sie an die Religion der Yoruba heranführte und gleichzeitig einen Heilungsprozess in Gang setzte.
„Ich verstand damals wenig von alledem, war aber sofort begeistert. Ich war in meinem Element. Ich wusste - nicht rationell natürlich, dass die Götter, nach denen ich lange geforscht hatte, ohne zu wissen, wo und wer sie wären, mich angenommen hatten. Es überraschte mich nicht, ich erkannte es nur.” (In: Holde-Barbara Ulrich: „Weiße Dienerin der schwarzen Götter“, DIE ZEIT-Magazin Nr.44, 27.10.1995, S. 34.)
Über zehn Jahre lang zog sich ihre Einweihung in die Religion und parallel dazu die Bewältigung ihrer Krankheit hin, mit der sie leben lernte, ohne vollständig geheilt zu werden. Am Ende dieser Zeit wurde sie als Adunni Olurisha zur Yoruba-Priesterin geweiht. Sie beendete die Ehe mit Ulli Beier und heiratete einen Trommler, dessen Kinder - und weitere dazu - sie adoptierte. Die große Familie zog nach Oshogbo, dem Zentrum der Yoruba-Religion. Diese traditionelle Religion kennt viele Göttinnen und Götter, die „Orisha“ heißen. Sie beseelen die ganze Welt, leben in Felsen, Flüssen, auch in Tieren und Menschen, weshalb man auch von „Animismus“ spricht. Jeder Mensch sollte seinen eigenen Zugang zu dieser göttlichen Welt finden und so zu einem Leben in Harmonie mit der realen und spirituellen Umwelt gelangen. Das wird durch Zeremonien befördert, in denen es auch zu Trance kommen kann. Kunst ist in diesem Zusammenhang eine „mystische Tätigkeit, Ritual.“
So war es nur folgerichtig, dass die Künstlerin Susanne Wenger es als ihre Aufgabe betrachtete, den heiligen Hain von Oshogbo, der völlig verwahrlost war, wieder aufzubauen. Mit Hilfe einheimischer Künstler errichtete sie Schreine für die Götter, Statuen, Umfriedungen und Tore am Oshun-Fluss, der zugleich Fluss und Göttin ist. Als Hüterin des Heiligen Hains verteidigte sie das Gelände gegenüber staatlichen Bauplänen und erreichte, dass die nigerianische Regierung ihre Arbeit und die traditionelle Religion, die durch christliche Missionierung und muslimische Expansion bedrängt war, wieder akzeptierte und respektierte. Als größte Bedrohung der Yoruba-Religion und ihrer rituellen Kunst nahm Susanne Wenger den Islam wahr, der polytheistische Vorstellungen als Aberglauben ablehnt und bildliche Darstellungen verbietet.
Parallel zu ihrer Arbeit mit Holz und Zement erlernte sie die traditionelle Adire-Batik, mit der Stoffe eine blau-weiße Musterung bekommen. Sie entwickelte diese Technik weiter und stellte mit einem größeren Farbenspektrum Gemälde her, die sie zur Finanzierung ihrer Arbeit und ihres Lebens verkaufte. Auch Schmuck und nicht-sakrale Kunstgegenstände von lokalen HandwerkerInnen konnte man bei ihr erwerben. Etliche MäzenInnen unterstützten ihre Arbeit und die der KünstlerInnen und HandwerkerInnen, die sie in ihrer Akademie der „New Sacred Art“ zusammenbrachte.
Hin und wieder reiste Susanne Wenger nach Österreich und hielt Vorträge über die Yoruba-Kultur und ihr Verständnis von Kunst, das sie gängigen europäischen Theorien gegenüberstellte. Im Jahr 2001 besuchte sie zum letzten Mal ihre Geburtsstadt Graz, die ihr 2004 eine große Ausstellung widmete. Fünf Jahre später starb Susanne Wenger, die Priesterin Adunni Olorisha, in Oshogbo im Alter von 93 Jahren.
2005 wurde der Heilige Hain von Oshogbo mit seinen Kunstwerken in das UNESCO-Welterbe aufgenommen.
(Text von 2020)
Verfasserin: Almut Seiler-Dietrich
Zitate
„Meine Skulpturen sind Häuser, meine Tore sind Bäume, meine Mauern sind Wälder, meine Schreine sind Skulpturen.“ (Beier, S. 94, Übs. Ulla Schild)
„Kunst ist Religion, ist Ritual, ist religiöse Äußerung.“ (Chesi, S. 17)
Literatur & Quellen
Beier, Ulli. 1975. The Return of the Gods: The Sacred Art of Susanne Wenger. Cambridge.
Chesi, Gert. 1980. Susanne Wenger: Ein Leben mit den Göttern. Wörgl.
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