(Sophie Gräfin von Ségur, geb. Rostoptschina)
geboren am 19. Juli 1799 in St. Petersburg
gestorben am 31. Januar 1874 in Paris
französische Schriftstellerin
225. Geburtstag am 19. Juli 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Sophie de Ségur begann in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts, nachdem sie acht Kinder geboren und großgezogen hatte, als Großmutter Erzählungen für ihre Enkelkinder aufzuschreiben, die bald ein großes Lesepublikum fanden. Im Gegensatz zu anderen KinderbuchautorInnen wollte sie die Kinder mit ihren Büchern nicht unbedingt erziehen oder belehren - sie wollte sie unterhalten. Viele Generationen von begeisterten jungen LeserInnen dankten es ihr: 1981 meldete ihr Verlag Hachette, dass in den vergangenen 126 Jahren insgesamt 28 Millionen Exemplare ihrer Werke verkauft worden seien, die zahllosen Wiederauflagen von 23 anderen Verlagen und die Übersetzungen in andere Sprachen nicht mitgerechnet (1955 gehörte Ségur zu den 20 meistübersetzten französischen AutorInnen).
Sophie de Ségur, Tochter des Grafen Fjodor Rostoptschin und der Gräfin Jekaterina Rostoptschina, wuchs auf dem riesigen Gut Woronowo in Russland auf. Auf ihren Vater, den persönlichen Berater des Zaren Paul I., ging der Plan zurück, Moskau in Schutt und Asche zu legen, um die Einnahme der Stadt durch Napoleon zu vereiteln. Sophies Mutter war eine kaum weniger starke Persönlichkeit; ja sie konnte so unbarmherzig streng sein, dass es zwischen ihr und dem gutmütigeren Vater oft Streit gab. In ihren autobiographisch getönten Werken teilt Ségur mit, dass die Kinder, Mädchen wie Jungen, ihre Kleidung selbst nähen, ihre Zimmer selber sauberhalten mussten und zwischen den Mahlzeiten weder essen noch trinken durften, weshalb sie des öfteren aus dem Hundenapf tranken.
Der Vater fiel bei dem Nachfolger des Zaren in Ungnade und emigrierte nach Frankreich; die Familie folgte ihm im Jahre 1817. Die 18jährige Sophie wurde in die französische Gesellschaft eingeführt und heiratete bald einen jungen Adligen, Eugène de Ségur, der es mit der ehelichen Treue nicht sehr genau nahm und dessen Mutter das neue Familienmitglied als ungeschliffen und ländlich ablehnte. Graf Rostoptschin kam seiner unglücklichen Tochter zu Hilfe und schenkte ihr ein Landgut in der Normandie, auf dem sich die Gutsherrin in den langen Sommermonaten erholen konnte, während ihr Gatte seinem Beruf als Präsident der Eisenbahngesellschaft Ost nachging.
Sophies ganze Liebe galt ihren Kindern; leider erkrankte sie nach der Geburt ihres achten Kindes schwer und war 13 Jahre lang bettlägerig. Als sie endlich wieder gesund war, waren die Kinder aus dem Haus, und Sophie hielt den Kontakt zur Familie durch Briefe aufrecht. Auch begann sie, Romane zu verfassen. Ihre ersten Bücher erschienen in der Bibliothèque des Chemins de Fer, einer Reihe, die der Verlag Hachette als Reiselektüre auf Bahnhöfen verkaufte, wie sie etwa Ségurs Gatten unterstanden. Bis zu ihrem Tode im Jahre 1874 veröffentlichte sie pro Jahr ein bis drei Bücher. Sie war finanziell nicht zu so rastloser Produktivität gezwungen, sondern gab eher dem Drängen des Verlags nach, der die Nachfrage nach Büchern seiner beliebtesten Autorin kaum befriedigen konnte.
Sophie de Ségur war stilistisch sehr innovativ; z.B. gibt es unverbundene Dialogpassagen wie in Theaterstücken, es werden Fremdsprachen und Dialekte gesprochen. Jedes ihrer 24 Bücher widmete Ségur einem ihrer Enkelkinder, das sie mit dem jeweiligen Buch direkt ansprach, indem sie seinen Namen benutzte und seine Charaktereigenschaften in den Text einwob. Allmählich wurden die Enkelkinder älter, ihr Horizont erweiterte sich und damit “automatisch” auch der der HeldInnen der Ségurschen Werke.
Das strukturell bestimmende Element der Bücher Ségurs ist, so die Ségur-Spezialistin Christine Lac, die Idee der Versöhnung widerstreitender Charaktere oder gegensätzlicher Situationen. Es geht ihr immer darum, die zugrundeliegenden Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und zu betonen.
Offensichtlich ist dies genau das Rüstzeug, das wir auch und gerade heute zum Leben in unserer immer vielgestaltiger werdenden Gesellschaft brauchen.
(Text von 1998)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
KeinE AutorIn vor ihr hatte die Jugend als eigenständiges Lesepublikum angesprochen, und dieser neue Ton wurde ein unmittelbarer Erfolg.
(Christine Lac, 1991)
Literatur & Quellen
Kreyder, Laura. 1987. L'Enfance des saints et des autres. Essai sur la Comtesse de Ségur. Fasano (Italien). Schena–Nizet.
Lac, Christine. 1988. Women and Children First: A Comparative Study of Louisa May Alcott and Sophie de Ségur (Rostoptchine). Diss. Univ. of Nebraska.
Lac, Christine. 1991. “Sophie Rostoptchine, Comtesse de Ségur (1799-1874)”, in Sartori, Eva Martin & Dorothy Wynne Zimmerman. 1991. French Women Writers: A Bio-Bibliographical Source Book. New York. Greenwood. S. 440-452.
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