By Reto Klar, professional photographer from Buxtehude. - Hamburgische Staatsoper, Public Relations Department. (Pressestelle der Hamburgischen Staatsoper), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73458702
geboren am 2. März 1961 in Sidney
australische Dirigentin
60. Geburtstag am 2. März 2021
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Eröffnungszeremonie für die 27. Olympischen Spiele 2000 in Sidney: In dem aufwendig inszenierten Stück „Deep sea Dreaming“ träumt ein Mädchen von den geheimnisvollen Kreaturen der Tiefsee - das Olympia-Stadion wurde zu einem imaginären Ozean voller betörender Fische und Quallen. Komponiert und orchestriert von Elena Kats-Chernin, 1957 in Taschkent geborene australische Komponistin.
Simone Young dirigierte das Sidney Symphony Orchestra und den Sidney Children’s Choir, der eine zauberhafte Meeressprache sang: russische Worte für Meereslebewesen in Silben zerhackt – oder rückwärts notiert – die störenden S-Laute gestrichen.
Solche Bilder von einem träumenden Mädchen vor unbekannten Gewässern und Wesen lassen sich auf Simones Youngs Lebensweg beobachten, die von sich selbst sagt „Ich bin ein Wassermensch, ich liebe Städte, die sich am Wasser entwickelt haben“. Die Olympischen Spiele waren für die Australierin irisch-kroatischer Abstammung ein weiterer Karriereschub, 2001 wurde sie Chefdirigentin und künstlerische Leiterin der Australian Opera in Sydney und Melbourne. Übrigens als erste Frau an dem modernen gefalteten Bau, wo sie bereits von 1985-1987 als Korrepetitorin mit Dirigierverpflichtung Entfaltungsmöglichkeiten hatte, wie sie damals für eine Frau an einem Opernhaus in Europa kaum möglich gewesen wären.
Simone Youngs Weg als Chefin von Opernhäusern und Orchestern war nicht absehbar, in ihrem Auswanderer-Elternhaus wurde zwar ihr Interesse für Kultur geweckt, aber eine künstlerische Karriere nicht geplant. In einem Interview 2003 in Hamburg erzählte sie in perfektem Deutsch:
„Ich habe Abi gemacht 1978. Kunst in englischsprechenden Ländern wird immer noch ein bisschen so angeschaut: wenn man ein kluger Kopf ist, soll man das lieber als Hobby behalten – und einen echten Job haben. Mein Vater war Jurist und dann haben alle angenommen, ich würde auch Jura studieren. Das hat mich auch fasziniert, ebenso Literatur. Nur als ich Abi gemacht habe, war ich beschäftigt mit 4 verschiedenen Operettengruppen innerhalb und außerhalb der Schule – und ich habe meine Prüfungen geschrieben zwischen den Proben. Dann habe ich gedacht: ‚Vielleicht versuch ich’s erstmal mit dem Musikstudium‘.“
Die knapp 1,63 cm große Simon Young did it her way. 1979 studierte sie an der Musikhochschule in Sydney Komposition und Klavier – und entdeckte hier ihre Leidenschaft fürs Dirigieren, arbeitete mit Gesangslehrern, und überhaupt war ihr Credo: learning by doing. 1982 machte sie ihr Diplom in Klavierrepetition und arbeitete als Korrepetitorin an der Oper in Sydney. 1985 bekam sie die große Chance, für einen erkrankten Dirigenten einzuspringen und erntete einen sensationellen Erfolg. Der australische Premierminister verlieh der 24-Jährigen das Prädikat: „Young Australian of the Year“. Von da an war ihr klar: „Das kann ich, das möchte ich!“
Aber vor den großen Erfolg haben die Musen bekanntlich den Schweiß und die Reisekoffer gesetzt – und einen guten Draht zur Meeresgöttin.
1987 ging sie mit einem Stipendium des australischen Kulturministeriums als Korrepetitorin mit Dirigierverpflichtung an die Kölner Oper. Dort wurde sie 1991 erste Kapellmeisterin und Assistentin des Generalmusikdirektors James Conlon. Sechs Jahre hat sie in Köln gearbeitet und sich auch der Neuen Musik gewidmet, z. B. mit dem Ensemble Köln, damals einer der profiliertesten Klangkörper für Uraufführungen.
Ein wichtiger Türöffner waren vier Jahre Arbeit als Assistentin von Daniel Barenboim.
Simone Young assistierte ihm z.B. bei Wagners „Ring des Nibelungen“ und bei der Neuproduktion von „Tristan und Isolde“ in Bayreuth, in Paris bei Alban Bergs „Wozzeck“. Im Herbst 1992 debütierte sie an der Komischen Oper Berlin, dann an der Wiener Volksoper - und an der Berliner Staatsoper, an der sie 1993 erste Kapellmeisterin wurde. 1993 dirigierte sie Puccinis Oper „La Bohème“ mit den Wiener Philharmonikern, dank bester Referenzen von Daniel Barenboim. Lange hatte sich dieses Orchester ausdrücklich gegen Frauen gesperrt und nahm auch erst einige Jahre später Instrumentalistinnen auf. Ausschluss von Frauen und patriarchale Traditionen werden heute endlich offen diskutiert – aber Simone Young wehrt Fragen zu ihrer Pionierinnenarbeit im Musikbetrieb oft ab wie unliebsame Nesselquallen.
Im Oktober 1999 dirigierte sie in der Wiener Staatsoper eine Grand Opera, die bis 1933 ein Kassenmagnet und weltweit fester Bestandteil des Opernrepertoires war - und nun zu neuem Leben erweckt wurde: Die fünfaktige Oper „Die Jüdin“ von Jacques Fromental Halevy - über die Verfolgung von Juden in Konstanz anno 1414. Eine Botschaft gegen Intoleranz und Fanatismus, die 1835 in der Pariser Oper Premiere hatte - und bis heute aktuell ist. Auch hier hat Simone Young akribisch die oftmals zurechtgestutzte Partitur eingerichtet, immense Übersetzungsarbeit auf vielen Ebenen geleistet.
Dann war sie 10 Jahre in einer anderen großen Stadt am Wasser tätig: In Hamburg als Intendantin der Staatsoper und Generalmusikdirektorin der Philharmoniker zwischen August 2005 bis zum Ende der Saison 2014/15. Zu den vielen Höhepunkten zählte 2005 die Neuproduktion von Paul Hindemiths Oper „Mathis der Maler“, die den Maler Matthias Grünewald mitten in den Bauernkriegen zerrissen zwischen Kunst und Revolution zeigt. Und 2009 hat Simone Young vom Hamburger Michel aus die 2. Sinfonie von Johannes Brahms dirigiert – die Philharmoniker saßen verteilt in der Stadt und waren auch über Lautsprecher zu hören.
Danach war Simone Young als freie Dirigentin weltweit in Opernhäusern und auf Konzertpodien gefragt, nach rund 17 Jahren im Opernbetrieb froh über ihre neuen Möglichkeiten. Und stolz auf ihre zwei erwachsenen Töchter, Yvann (geb. 1987) und Lucie (geb. 1997) um deren Erziehung sich selbstverständlich auch der Ehemann gekümmert hat.
Zu erleben ist sie z.B. als Gastdirigentin bei dem Schweizer Orchestre de Chambre Lausanne, in der MET, der Wiener Staatsoper, der Opéra Bastille Paris oder mit dem Sinfonieorchester des Bayrischen Rundfunks.
Aber ab 2022 kehrt Simone Young zurück nach Sidney und in das berühmte Opernhaus am Wasser: Dann wird sie die neue Chefdirigentin des Sydney Symphony Orchestras, das sie schon lange kennt. Ihr Debüt als Chefdirigentin 2022 fällt mit der Wiedereröffnung des Konzertsaals zusammen, der seit der Eröffnung der Sydney Opera House im Jahr 1973 die Heimat des Orchesters ist.
Simone Youngs „Leib-und Magen-Komponist“ ist Richard Strauß, aber auch Richard Wagner ist ihr wichtig. Diverse Aufnahmen liegen mit ihrem Dirigat vor, die Sinfonien von Anton Bruckner in der Urfassung, alle Sinfonien von Johannes Brahms, Gustav Mahler, Opernmitschnitte etc. Vielleicht ist dann für die gefeierte Dirigentin, ehemals ein träumendes Mädchen am Meer, der Blick frei für Komponistinnen….
Verfasserin: Birgit Kiupel
Links
http://www.simoneyoung.com/biografie/
Literatur & Quellen
Kiupel, Birgit. 2003. Interview mit Simone Young für ein Radio-Feature der Reihe „parlando“ des Schweizer Radio DRS (SR-DRS), 2. November 2003.
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