Biographien Signe von Scanzoni
(Künstlerinnenname am Theater: Signe Maria Götzen)
geboren am 23. Juli 1915 in Frankfurt am Main
gestorben am 25. September 2002 in Ehrwald/Tirol (Österreich)
deutsche Schauspielerin, Dramaturgin und Musikjournalistin; letzte Partnerin und Biografin von Erika Mann
20. Todestag am 25. September 2022
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Mit Elisabeth Mann, der jüngsten Mann-Tochter, war sie in den 1930er Jahren zur Schule gegangen, wirklich befreundet war sie mit den Mann-Kindern damals jedoch nicht. Erst als Signe von Scanzoni Erika Mann 1957 in Tirol wiedertraf, begann ihre Beziehung, die bis zu Erika Manns Tod 1969 dauern sollte. Bekannt ist sie heute vor allem als deren letzte Partnerin und Biografin.
Signe von Scanzonis Mutter war Amélie zu Fürstenberg, ihr Vater der Schauspieler Walter Janssen. Die beiden hatten nach der ersten Ehe der Mutter eine Affäre, bevor diese 1917 den Münchener Rechtsanwalt und Strafverteidiger Gustav Scanzoni von Lichtenfels heiratete. Der Jurist war nicht nur der Scheidungsanwalt bei ihrer ersten Ehe, sondern auch bei der Scheidung Christa Winsloes von Baron Hatvany. Gustav von Scanzoni adoptierte die Tochter später. Die Mutter starb, als Signe erst 14 Jahre alt war. Isabella Dispeker (genannt Bella), die beste Freundin ihrer Mutter, stand dem trauernden Kind zur Seite. Bella Disperker war die Mutter von Grete Weil, seit ihrer Kindheit die beste Freundin von Signe von Scanzoni.
Von der fürstlichen Familie ihrer Mutter wurde sie lange Zeit noch finanziell unterstützt. „Inge“, wie sie in der Familie genannt wurde, zeigte schon als Kind einen gewissen Eigensinn - so lehnte sie beispielsweise die Erstkommunion strikt ab, weil sie an all das, was der Pfarrer erzählte, nicht glaubte.
Seit ihrer Kindheit bestimmte die Leidenschaft für Musik, vor allem für die Oper, aber auch für das Theater, ihr Leben. Erst einmal erhielt sie Ballettunterricht; für ihre Aufführungen im häuslichen Rahmen komponierte ein Hausfreund speziell die Musik und begleitete sie auch am Klavier. Aber ihre wirkliche Begeisterung galt der Musik.
„Es war der frühe Kindeseindruck der singenden Mutter, der so große Lust bereitete. Sie war Dilettantin zwar, aber mit einer ungewöhnlich dunklen Altstimme begabt, mit der sie starke Wirkungen zu erzielen vermochte.“
Sich selber sollte sie später als verwöhnt bezeichnen und feststellen, dass ihr Leben „ungesteuert und verworren“ war.
„Ich war das absolute Wunder eines talentvollen Kindes, dessen künstlerische Befähigungen, ganz ohne Zweifel, den mütterlichen Ehrgeiz eines Tages hochbefriedigen würden.“
Aber es sollte anders kommen. Bereits mit 16 Jahren lebte sie allein in Berlin, wo sie Gesang studierte. Dieses Studium musste sie allerdings nach mehreren Bronchien- und Schilddrüsenerkrankungen aufgeben, woraufhin sie die sogenannte Begabtenprüfung machte und Musik- und Theaterwissenschaften studierte. Auf der Bühne des Instituts für Theaterwissenschaften führten die Studierenden selbstinszenierte Dramen, Opern- und Operettenszenen, sowie Komödien auf.
Erst zu dieser Zeit konnte sie ihren Stiefvater Walter Janssen zur Anerkennung seiner Vaterschaft bewegen. Ihr Künstlerinnenname – Signe Maria Götzen – erinnert an die Mutter ihres leiblichen Vaters.
Auf ihre bestandene Schauspielprüfung folgten einige Engagements in der deutschen Provinz, bevor Otto Falckenberg sie 1937 an die Kammerspiele nach München holte. Versuche, beruflich weiterzukommen und anspruchsvollere Rollen zu bekommen, scheiterten jedoch auf Dauer. Auch die Bemühungen ihres leiblichen Vaters, der zu dieser Zeit ein angesehener Schauspieler war, brachten nicht den gewünschten Erfolg. Sie selber schreibt jedoch dazu, dass sie „dem Leben am Theater überhaupt nicht gewachsen“ war.
1938 begleitete sie Bella Disperker zu ihrer Tochter Grete Weil ins Exil in die Niederlande – ging danach aber wieder nach Deutschland zurück. Wie sie sagte:
„Ich hätte ihr nie helfen können, denn ich hatte nichts, und es ist ein Aberwitz zu glauben, daß man das Heer der Muß-Emigranten hätte vermehren sollen. Ohne Not. Ich konnte mir den Luxus einer Stellungnahme nicht leisten.“
Signe von Scanzoni fühlte sich keiner Gruppe zugehörig, kannte keine Heimat. Ihr Leben war zu dieser Zeit darauf ausgerichtet, sich um ihre Existenzgrundlagen und ihr Studium zu kümmern; ihr Dasein empfand sie als absurd und unsicher. Deutschland zu verlassen hätte für sie noch größere Unsicherheit bedeutet. Wie sie ihrer späteren Partnerin Erika Mann sagte: „Du willst nicht begreifen, daß man eine konsequente politische Grundeinstellung Theorie sein läßt.“ – durchaus ein Streitpunkt zwischen den beiden, war Erika Mann doch gleich ins Exil gegangen, was für sie Notwendigkeit war, aber sicher kein Luxus. Ähnlich war es mit ihren grundlegend unterschiedlichen Ansichten zu Gustaf Gründgens. Erika Mann war kurzzeitig mit ihm verheiratet, stand ihm aber aufgrund seiner Karriere während der NS-Zeit ablehnend gegenüber, während Signe von Scanzoni ihn für einen glanzvollen Theatermann hielt, „von dem man über das Wesen dieser Kunst sehr viel lernen konnte.“ Zwischen den beiden Frauen sollten dies aufgrund ihrer unterschiedlichen Entscheidungen und Lebenswege Streitpunkte bleiben.
Nach mehreren Lungen- und Rippenfellentzündungen wurde 1941 eine Lungentuberkulose diagnostiziert, zur Ausheilung kam von Scanzoni in ein Sanatorium in Davos. Dies war allerdings auch ein Rettungsanker für sie, da sie aufgrund ihrer „defaitistischen Gesänge“ denunziert worden war.
Anschließend war es ihr nicht mehr möglich, als ausübende Künstlerin zu arbeiten, da sie unter einer bleibenden Schwächung der Halswirbelsäule litt, eine Folge der Tuberkulose. Wasser sollte ihr Lieblingsaufenthaltsort werden: sie konnte sich darin schmerzfrei bewegen.
Aufgrund dieser Einschränkung gab es einen neuen Wechsel in ihrem Leben: Ab etwa 1943 arbeitete sie als Dramaturgin, hauptsächlich aber als Assistentin von Clemens Krauss, dem Intendanten der Münchener Staatsoper und späteren Leiter der Salzburger Festspiele. Wie Gründgens gehörte auch er zu denjenigen, die während der NS-Zeit Karriere in Deutschland gemacht haben. Von 1945 bis 1947 erhielt Krauss in Deutschland Dirigierverbot.
Später war Signe von Scanzoni als freie Musikjournalistin und Opernkritikerin tätig, vor allem für den Rundfunk. 1964 arbeitete sie an der Ausstellung über „Richard Strauss und seine Zeit“ mit, die zu dessen 100. Geburtstag vom Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München im dortigen Stadtmuseum veranstaltet wurde. Sie war dabei sowohl für die Konzeption als auch für den Katalog verantwortlich. Über Strauss hatte sie bereits ein Buch verfasst, das 1961 erschienen war. Ein Buch über Clemens Krauss folgte 1988.
Mit der US-amerikanischen Opernsängerin Jessye Norman, die sie sehr bewunderte, war sie befreundet, seit diese 1968 den ersten Preis beim Musikwettbewerb der ARD gewonnen hatte.
Aus ihrer zufälligen Begegnung mit Erika Mann auf der Dorfstraße von Ehrwald in Tirol 1957 wurde eine langjährige Liebesbeziehung.
Signe von Scanzoni wollte nicht in den „Ballast des Clanhaften“ der Familie Mann hineingezogen werden. So instabil ihre berufliche und materielle Situation auch war, sie wollte sie nicht für eine Zusammenarbeit mit Erika Mann aufgeben.
Das geplante Zusammenleben im zu erwerbenden Häuschen „Niemandsland“ wurde immer wieder auf unbestimmte Zeit verschoben, immer gab es noch eine Arbeit, die fertiggestellt werden musste oder etwas anderes, was erst noch passieren musste. Aber letztendlich wurde ein Haus in Klosters gefunden – beziehen konnten die beiden es aufgrund von Erika Manns Gehirntumor, der zu ihrem Tode führte, allerdings nicht mehr.
Signe von Scanzoni überlebte ihre Partnerin um 33 Jahre und starb 2002 in Österreich. Heute ist sie durch „Als ich noch lebte“, ihren „Bericht über Erika Mann“, – ein „großer Liebes- und Abschiedsbrief“, wie ihn Irmela von der Lühe in ihrem Nachwort nennt – vor allem als deren letzte Partnerin und Biografin bekannt.
Ihr Nachlass befindet sich in der Monacensia in München.
Alle Zitate aus: Signe von Scanzoni. 2010. Als ich noch lebte. Ein Bericht über Erika Mann. Göttingen. Wallstein.
(Text von 2020)
Verfasserin: Doris Hermanns
Literatur & Quellen
Signe von Scanzoni in der Deutschen National Bibliothek
Literatur von Signe von Scanzoni:
Wiener Oper - Wege und Irrwege: Ein Bericht. (1957) Stuttgart, Frick
Richard Strauss und seine Sänger. Eine Plauderei über das Musiktheater in den Wind gesprochen (Drucke zur Münchner Musikgeschichte, Bd. 2) (1961) München, Musikantiquariat Ricke
Richard Strauss und seine Zeit: Ausstellung, veranstaltet vom Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München im Münchner Stadtmuseum, 13. Juni - 13. Sept. 1964. [Ausstellungskatalog]. (1964) München, Winkler
Der Prinzipal: Clemens Krauss. Fakten, Vergleiche, Rückschlüsse. (1988) Tutzing, Schneider. Zusammen mit Götz Klaus Kende. Hrsg. vom Clemens Krauss-Archiv Wien
Als ich noch lebte. Ein Bericht über Erika Mann. (2010) Hg. und mit einem Nachwort von Irmela von der Lühe. Göttingen, Wallstein Verlag
Über Signe von Scanzoni:
http://michael.eisenriegler.at/koczian-hohenmauth/gustav-von-koczian/1908-1917/
Signe von Scanzoni: Als ich noch lebte. Ein Bericht über Erika Mann. (2010) Hg. und mit einem Nachwort von Irmela von der Lühe. Göttingen, Wallstein Verlag
Rezension von Als ich noch lebte von Signe von Scanzoni auf FemBio
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