(Rina Faccio [eigentlicher Name])
geboren am 14. August 1876 in Alessandria
gestorben am 13. Januar 1960 in Rom
italienische Feministin und Schriftstellerin
60. Todestag am 13. Januar 2020
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Sibilla Aleramo ist eine der wichtigsten italienischen Vertreterinnen des Feminismus Anfang des 20. Jahrhunderts. In eines ihrer Tagebücher notiert sie: »Ich glaube fest daran, dass der Feminismus ein Antrieb ist, der unsere alte Welt zu neuem Leben erwecken wird.«
Ihr Vater Ambrogio ist Ingenieur und Direktor einer Glaserei, ihre Mutter Ernesta Cottina eine unglückliche und depressive Frau mit unzähligen Aufenthalten in der Psychiatrie. Sibilla hilft dem Vater in der Glaserei, führt die Buchhaltung und kümmert sich um ihre jüngeren Geschwister.
Sie arbeitet gerne mit ihrem Vater, wird aber schließlich bitter enttäuscht. Mit nur 17 Jahren muss sie die schlimmste Erfahrung ihres Lebens machen, die ihr weiteres Dasein, Denken und Schreiben beeinflussen wird. Sie wird von einem Mitarbeiter ihres Vaters vergewaltigt und geschwängert und zu einer “Wiedergutmachungsheirat” gezwungen. Sie verliert das Kind und ist nunmehr in einer Ehe mit einem in jeder Hinsicht gewaltbereiten und geistlosen Mann gefesselt. Zwei Jahre später, 1895, bringt sie ihren Sohn Walter zu Welt. Die Familie zieht nach Mailand, wo Sibilla Aleramo die Leitung der Zeitschrift L'Italia femminile übernimmt.
Mit dem Schreiben beginnt sie schon in ihrer Jugend, zuerst nur für sich, doch schon bald veröffentlicht sie auch Artikel und Rezensionen in verschiedenen Blättern. Immer mehr kristallisieren sich ihre beiden Hauptthemen heraus: einerseits der Feminismus, andererseits die Politik, wobei sie sich immer mehr mit dem Sozialismus beschäftigt.
Die Ehe wird zunehmend problematisch, und sie versucht, aus ihr auszubrechen. Als ihr Mann nicht mehr in Mailand bleiben und nach Civitanova Marche, wo sich die Glaserei befindet, zurückkehren möchte, ist für Sibilla Aleramo der Punkt erreicht, sich endlich von ihm zu trennen. Sie erhält auch die Scheidung, allerdings mit der Auflage, ihren geliebten Sohn, um den sie kämpft, nicht mehr sehen zu dürfen.
Sie zieht nach Rom, wo sie ein neues Leben mit Giovanni Cena, Dichter, Romancier und Herausgeber der Nuova Antologia, beginnt. Er wird ihr ihren Künstlernamen geben und sie dem Publikum bekannt machen. 1906 schreibt sie »Una donna«, ein vielbeachtetes Werk, in dem sie ihre traumatischen Erlebnisse verarbeitet.
Die Weiterentwicklung ihrer Ideen und Einstellungen sowie die deutliche Annäherung an sozialistische Gedanken führen sie zu humanitären Aktivitäten. Gemeinsam mit Cena engagiert sie sich für die von den Großgrundbesitzern ausgebeuteten Tagelöhner im Süden Roms und in der Folge widmet sie sich den Problemen von bedürftigen und armen Kindern im Testaccio (Armenviertel von Rom), u. a. indem sie als Lehrerin arbeitet. Als 1908 Teile Siziliens von einem Erdbeben zerstört werden, helfen Aleramo und Cena auch dort – es wird allerdings ihre letzte gemeinsame Aktion sein, denn Aleramo verliebt sich in Lina Poletti, Feministin und eine der ersten offen lebenden Lesben, die Aleramos Ansichten über die Rolle der Frau in der Gesellschaft teilt. Diese Beziehung beschreibt Sibilla Aleramo in ihrem zweiten Roman »Il Passaggio«. Die spätere Veröffentlichung ihrer Tagebücher bzw. Korrespodenz mit Lina Poletti geben tiefe Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt der beiden.
Nach einem Jahr erfolgt die Trennung, Sibilla Aleramo führt jetzt ein unstetes Leben, trifft viele Persönlichkeiten der damaligen Zeit und hat zahllose Liebhaber und Liebhaberinnen, wobei sie sich in amouröse Abenteuer verstrickt, an denen sie die Öffentlichkeit teilnehmen lässt, indem sie minutiös darüber schreibt – Kaleidoskope ihrer Gefühlswelt; die Kritiker und das Publikum finden das unangebracht, unpassend. Es entsteht der Eindruck einer zerrissenen Frau, die einerseits ein völlig unkonventionelles Leben führt, andererseits vor allem auf der Suche nach Anerkennung ist. Ihre Artikel erscheinen in zahlreichen Blättern, doch ihre literarische Tätigkeit ist eher beschränkt, ihr Hauptwerk ist und bleibt »Una donna«.
Auch politisch entwickelt sich eine für sie schwierige Zeit, die von Zerrissenheit geprägt ist: Dem Sozialismus nahe stehend verabscheut sie das neue Regime und unterschreibt das von Benedetto Croce 1925 initiierte »Manifesto Antifascista«. Im gleichen Jahr wird sie inhaftiert, weil sie eine Beziehung mit Tito Zaniboni hat, dem Mitplaner eines gescheiterten Attentats auf Mussolini. Sie wird zwar freigelassen, aber ihre journalistische Karriere ist beendet. Dadurch verschlechtert sich ihre nie wirklich gute finanzielle Situation zunehmend: Sie wendet sich daher an Mussolini persönlich, um – wie so viele andere KünstlerInnen – eine monatliche Unterstützung zu bekommen, die ihr auch gewährt wird. 1933 wird sie Mitglied der »Associazione Fascista Donne Artiste e Laureate«.
Nach dem Krieg begeistert sie sich für den Kommunismus und tritt in den PCI (Partito Comunista Italiano) ein, mit dessen Hilfe sie wieder ein normales Leben beginnen kann. Aleramo erhält eine Pension und erlangt wieder Bekanntheit aufgrund ihrer gesellschaftskritischen Artikel – die von ihr ersehnte literarische Anerkennung bleibt ihr allerdings verwehrt.
Verfasserin: Dagmar Kübler
Links
Werksverzeichnis (it.).
Online verfügbar unter http://www.maldura.unipd.it/italianistica/ALI/faccio.html, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
Archivio di Stato di Firenze (2009): Sibilla Aleramo. Biografie (it.).
Online verfügbar unter http://www.archiviodistato.firenze.it/memoriadonne/bio_aleramo.htm, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
Centro Studi Civitanovesi di Civitanova Marche (MC): SibillaAleramo.it.
Online verfügbar unter http://www.sibillaaleramo.it/, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
Find A Grave Memorial: Sibilla Aleramo (1876 - 1960).
Online verfügbar unter http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=10289163, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
Internet Movie Database: Sibilla Aleramo. Filme.
Online verfügbar unter http://www.imdb.com/name/nm1240790/, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
Malaguti, Elena (2008): Biografie Sibilla Aleramo (ital.).
Online verfügbar unter http://www.letteraturadimenticata.it/Aleramo.htm, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
Palena, Giuseppe (2010): Pecunia (del Duce) non olet. Sottoosservazione’s Blog.
Online verfügbar unter http://sottoosservazione.wordpress.com/2010/06/03/pecunia-del-duce-non-olet/, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
Wikipedia (engl.): File:Nunes Vais, Mario (1856-1932), Sibilla Aleramo (1917).jpg - Wikipedia, the free encyclopedia.
Online verfügbar unter http://en.wikipedia.org/wiki/File:Nunes_Vais,_Mario_(1856-1932),_Sibilla_Aleramo_(1917).jpg, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
Wikipedia (engl.): Lina Poletti.
Online verfügbar unter http://en.wikipedia.org/wiki/Lina_Poletti, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
WorldCat Identities: Aleramo, Sibilla 1876-1960.
Online verfügbar unter http://worldcat.org/identities/lccn-n79-32996, zuletzt geprüft am 13.01.2020.
Literatur & Quellen
Werke
Prosa
Aleramo, Sibilla (1906): Una donna. Romanzo. Roma Torino. Società tipografico-editrice nazionale. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1919): Il passaggio. Romanzo. Milano. Treves. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1921): Andando e stando. Prose : Errabunda, La pensierosa, Volti e destini. Firenze. Bemporad & figlio. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1922): Trasfigurazione. Novella. Firenze. Bemporad & figlio. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1924): Il mio primo amore. Grafiche romane. Con un disegno di Primo Conti ; uno scritto di Alfredo Panzini ; [in appendice] Cronache della quindicina. Roma. Ars nova. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1927): Amo, dunque sono. Romanzo. Milano. Mondadori. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1930): Gioie d'occasione. Miscellanea. Milano. Mondadori. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1932): Il frustino. Romanzo. Milano. Mondadori. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1938): Orsa minore. Note di taccuino. Milano. Mondadori. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1945): Dal mio diario. (1940-1944). Roma. Tumminelli. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1949): Il mondo è adolescente. Con disegno di Corrado Cagli. Milano. Milano-Sera. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1989): Lettere a Elio. Con prefazione di Mario Luzi. Roma. Editori riuniti. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Lyrik
Aleramo, Sibilla (1921): Momenti. Liriche. Firenze. Bemporad & figlio. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1923): Endimione. Poema drammatico in tre atti. Roma. Stock. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1929): Poesie. Milano. Mondadori. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1935): Sì alla terra. Nuove poesie. Milano. Mondadori. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1947): Selva d'amore. Poesie. Milano. Mondadori. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1951): Aiutatemi a dire. Nuove poesie : 1948-1951. Con prefazione di Concetto Marchesi ; e due disegni di Renato Guttuso. Roma. Edizioni di Cultura sociale. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1956): Luci della mia sera. Con prefazione di Sergio Solmi. Roma. Editori riuniti. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Deutschsprachige Ausgaben
Aleramo, Sibilla (1991): Tagebuch einer Frau. 1945 – 1960. (=Diario di una donna) Mit einer Erinnerung von Fausta Cialente und einer Chronologie des Lebens der Autorin. Ausgewählt und herausgegeben von Alba Morino. Übersetzt und gekürzt von Gisela Baratta und Maja Pflug. 1. Aufl. Frankfurt am Main. Luchterhand-Literaturverl. (Sammlung Luchterhand, 966) ISBN 3630619665. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Aleramo, Sibilla (1984): Liebesbriefe an Lina. (=Lettere d'amore a Lina) Herausgegeben von Allessandra Cenni. Aus dem Italienischen von Michaela Wunderle. Frankfurt. Verl. Neue Kritik. ISBN 3801501957. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Quellen
Printmedien
Aleramo, Sibilla (2004): Una donna. Romanzo. Con prefazione di Anna Folli ; postfazione di Emilio Cecchi. Milano. Feltrinelli. (Universale economica, 1036)
Folli, Anna (2004): Prefazione (Vorwort). In: Aleramo, Sibilla: Una donna. Romanzo. 6. ed. Milano. Feltrinelli (Universale economica, 1036)
Internet (heutige Inhalte werden nicht überprüft!)
Archivio di Stato di Firenze (2009): Sibilla Aleramo. Biografie (ital.). (Link aufrufen)
Malaguti, Elena (2008): Biografie Sibilla Aleramo (ital.) (Link aufrufen)
Palena, Giuseppe (2010): Pecunia (del Duce) non olet. Sottoosservazione’s Blog. (Link aufrufen)
VincenzoArangioRuiz.it: Vita di Sibilla Aleramo (Link aufrufen)
Wikipedia (engl.): Lina Poletti (Link aufrufen)
Weiterführende Literatur
Antes, Monika (2009): »Ich liebe, also bin ich«. Sibilla Aleramo, Wegbereiterin des Feminismus in Italien. Würzburg. Königshausen & Neumann. ISBN 9783826039447. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Cacho Millet, Gabriel (2009): Dino Campana und Sibilla Aleramo. Zwei Theaterstücke (Fast ein Mensch – Ein Besuch bei dem Dichter Dino Campana in der Irrenanstalt von Castel Pulci / Die langen Schatten des Herbstes – Aleramo versus Matacotta). Übersetzt und eingeleitet von Monika Antes. Würzburg. Königshausen & Neumann. ISBN 9783826040634. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
- l'Unità.it
- Italienisches Kulturinstitut Wolfsburg
- maldura.unipd.it
- SibillaAleramo.it
- Find A Grave Memorial
- letteraturadimenticata.it
- Metaforum.it
- Wikipedia
(Bildquellen, ohne Berücksichtigung der heutigen Inhalte)
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.