geboren am 23. April 1924 in Essen
gestorben am 12. Januar 2016 in München
deutsche Schauspielerin
100. Geburtstag am 23. April 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Ruth Leuwerik war eine der beliebtesten deutschen Filmschauspielerinnen der 1950er Jahre. Über die Grenzen Westdeutschlands hinaus war sie kaum bekannt; unter ihren Filmen gab es allerdings einen, der ein Welterfolg
wurde: “Die Trapp-Familie”, ein Heimatfilm, der in Österreich spielte. Er soll einer der Lieblingsfilme von Mao Tse Tung gewesen sein. In den frühen 1960er Jahren wurde das Kino der Nachkriegszeit von dem sogenannten Neuen Deutschen Film abgelöst. Für die Filmschaffenden hatte “Opas Kino” mit seiner angeblichen Biederkeit und Provinzialität ausgedient. Auch in Abgrenzung zu den reinen Unterhaltungsfilmen wurden nun Gesellschafts- und politische Themen in den Mittelpunkt gestellt sowie neue künstlerische Ziele verfolgt. In diese Zeit fiel das Ende von Leuweriks rasanter Filmkarriere. Innerhalb von nur zwölf Jahren, nämlich von 1952 bis 1963, hatte sie es auf 28 Filme gebracht, in denen sie die Hauptrolle spielte. Danach trat sie noch hin und wieder im Fernsehen auf, z.B. in der sehr erfolgreichen elfteiligen Serie “Die Buddenbrooks” von 1979. 2004 fand ihr zu Ehren in Berlin eine Werkschau statt: “Die ideale Frau - Ruth Leuwerik und das Kino der fünfziger Jahre.” Die Zeit war längst reif für neue Bewertungen, und in dem Ausstellungskatalog äußerte sich einer der Autoren so: “Aber der alte Film ist nicht tot, er erzählt uns heute viel von der Zeit, in der er populär und erfolgreich war. Und wenn wir genau hinschauen, dann sehen wir mehr, als man (zu Beginn der 1960er Jahre) erkennen wollte.”
Sie wurde am 23. April 1924 in Essen geboren. Schon als Schulmädchen begeisterte sie sich für den Film. Ihr Idol: Greta Garbo. Besonders die Sterbeszenen hatten es ihr angetan:
“Am Morgen in der Schule,
da machte sie uns vor,
wie Greta Garbo
im Film ihr Leben verlor.”
So hieß es, etwas holperig, in der Zeitung ihres Abschlussjahrgangs. Während ihrer späteren Tätigkeit als Bürokraft bemühte sie sich zweimal vergeblich um die Aufnahme in eine Schauspielschule: Sie habe keine Stimme, zu wenig Ausdruck und zu viele Hemmungen, außerdem sei sie zu klein und zu mager für die Rolle einer jugendlichen Liebhaberin. So nahm sie Privatunterricht, und 1942, mitten im 2. Weltkrieg, legte sie 18-jährig vor der Reichstheaterkammer in Karlsruhe ihre Schauspielprüfung ab. Nach den ersten Auftritten an kleineren Bühnen bekam sie ein Engagement am
Hamburger Schauspielhaus, die Karriere nahm Fahrt auf. Trotz anhaltenden Erfolgs nahm sie ein Angebot zu Probeaufnahmen in den Münchner Filmstudios an; sie erhielt daraufhin eine kleine Rolle in dem Film “Dreizehn unter einem Hut”, der so albern war, wie es sein Titel versprach. Die Fallhöhe war beachtlich, in Hamburg hatte sie mit Werner Krauß auf der Bühne gestanden, einem der größten Schauspieler seiner Zeit. Doch schon in ihrem nächsten Film war Dieter Borsche ihr Partner, einer der damaligen Spitzenstars. Mit ihm sollte sie, wie auch mit O.W. Fischer, ein “Traumpaar auf der Leinwand” bilden. 1953 verließ sie das Theater und ging endgültig zum Film. Die Garbo hatte gesiegt.
In diesem Jahr gelang ihr auch der große Durchbruch, nämlich mit dem Film “Ein Herz spielt falsch”: Nicht ihres! Bereits sterbenskrank, bewirkt sie eine Charakterumwandlung in dem Mann, der sie nur wegen ihres Geldes geheiratet hat, und zwar durch ihren Glauben an das Gute in ihm. Zuversicht, Herzenswärme, praktischer Sinn, Tatkraft - besonders diese Eigenschaften verkörperte Leuwerik immer wieder in ihren Filmen. Böse Frauen spielte sie nicht. In “Königin Luise” spricht sie noch auf dem Totenbett ihrem verzagten königlichen Gemahl Mut zu. In “Die Trapp-Familie” erobert sie im Sturm die sieben ihr anvertrauten mutterlosen Kinder sowie auch deren Vater, den Baron Trapp. Als er sein Vermögen
verliert, macht sie kurz entschlossen aus dem Adelssitz ein Hotel und bewahrt die Familie so vor dem Ruin.
Verwandlungskunst gehörte nicht zu Leuweriks Stärken. Von ihr ging indessen eine gewisse Berechenbarkeit aus, auch spürte man, sie war in ihren Rollen sehr nah bei sich selbst. Ein besonders hoher Wiedererkennungswert lag in ihrem Sprachduktus und in ihrer Stimme. Sie sprach mit stark modulierter Intonation und verbrauchte viel Atem. Die Stimme selbst: unverwechselbar, mit leicht nasalem Klang. Womöglich war die erhöhte Ausdruckskraft, die so entstand, ihrer Tätigkeit am Theater geschuldet; sie konnte zuweilen etwas gekünstelt wirken.
Sie spielte zu einer Zeit, in der die Abendunterhaltung noch nicht vom Fernsehen dominiert wurde; die Leute strömten damals noch in Scharen ins Kino. Sie erhielt viele Beliebtheitspreise, unter ihnen 5 Bambis, und zahlreiche Würdigungen ihres Filmschaffens. Den Menschen in dem noch in erheblichem Ausmaß zerstörten Land, das eine unermessliche Schuld auf sich geladen hatte, bot sie eine Projektionsfläche für Hoffnungen, Wünsche und Träume. Sie zeigte Perspektiven auf; die Frauen konnten sich ihre Figuren zum Vorbild nehmen oder sich sogar mit ihnen identifizieren. Zweifellos lag in dieser besonderen Rolle der Leuwerik eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
So bodenständig, wie sie in vielen ihrer Filme erschien, war sie auch im Leben. Nach zwei missglückten Ehen - sie war mit Herbert Fleischmann, einem Kollegen vom Theater, und mit Dietrich Fischer-Dieskau verheiratet - fand sie den Mann, mit dem sie glücklich wurde, den Augenarzt Heinz Purper. Mit ihm verbrachte sie ihre zweite Lebenshälfte.
Sie wurde 91 Jahre alt.
(Text von 2023)
Verfasserin: Ilse Hossius
Literatur & Quellen
Barthel, Manfred. 1991. Als Opas Kino jung war: Der deutsche Nachkriegsfilm. Berlin. Ullstein.
Hembus, Joe. 1981. Der deutsche Film kann gar nicht besser sein. München. Rogner & Bernhard.
Mänz, Peter & Nils Warnecke. Hg. 2004. Die ideale Frau - Ruth Leuwerik und das Kino der fünfziger Jahre.Berlin. Hänschel.
Probst, Ernst. 2016. Ruth Leuwerik - Die “Königin des Melodramas”. Norderstedt. GRIN Verlag.
Seidl, Claudius. 1987. Der deutsche Film der fünfziger Jahre. München. Heyne.
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