Biographien Ruth Landshoff-Yorck
(Ruth Levy [Geburtsname], Ruth Landshoff, Rut Landshoff, Ruth Landshoff Gräfin Yorck von Wartenburg [Ehename], Countess Ruth Yorck von Wartenburg, Ruth L. Yorck, R.L. Yorck, Ruth Yorck, Ruth Landshoff-Yorck)
geboren am 7. Januar 1904 in Berlin
gestorben am 19. Januar 1966 in New York City
deutsch-US-amerikanische Schauspielerin, Schriftstellerin, Journalistin und Übersetzerin
120. Geburtstag am 7. Januar 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Sie war eine Frau mit vielen Namen: geboren 1904, hieß sie erst nach ihrem Vater, dem Ingenieur Eduard Levy, nannte sich dann aber, wie ihre beiden älteren Brüder, nach ihrer Mutter, der Opernsängerin Else Landshoff. So war sie während der Weimarer Republik unter dem Namen Rut Landshoff bekannt - Rut ohne das überflüssige h, wie sie es nannte. Durch ihre Heirat wurde sie zur Gräfin Yorck, in den USA war sie unter dem Namen Ruth Yorck bekannt und nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland als Ruth Landshoff-Yorck.
Sie stammte aus einer gutbürgerlichen jüdischen Familie und wuchs in Berlin auf. Ihr Onkel war der bekannte Verleger Samuel Fischer, bei dem sie schon als Kind literarische Größen wie Thomas Mann und Gerhart Hauptmann kennenlernte.
Noch während ihrer Schulzeit wurde sie von Friedrich Wilhelm Murnau für seinen Film Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens (1922) entdeckt, in dem sie die Rolle der Ruth spielte. Einen kurzen Auftritt hatte sie auch in dem Stummfilm Die Gezeichneten (1922) von Carl Theodor Dreyer.
Nach dem Lyzeum besuchte sie Reinhardts Schauspielschule; nach dem Abschluss hatte sie verschiedene kleine Auftritte in Berlin, Leipzig und Wien. 1927 stand sie zusammen mit der damals noch kaum bekannten Marlene Dietrich – deren Entdeckung reklamierte Ruth Landshoff-Yorck für sich, da sie die Dietrich für die Besetzung des Blauen Engels vorschlug – in Wien auf der Bühne; es gab Die Schule von Uznach (1926) von Carl Sternheim, mit dessen Tochter Dorothea, genannt Mopsa, sie dort zusammenlebte.
Selbstkritisch bermerkte sie später, dass sie überhaupt kein Talent zum Schauspielern gehabt habe. Sie versuchte sich in verschiedenen Bereichen: Film, Theater, Malen, es waren alles Schritte, ihre Kreativität auzuprobieren, bis sie zum Schreiben gelangte. Ihre frühen Gedichtbände versah sie noch mit eigenen Zeichnungen.
In den 1920er Jahren gehörte sie zur Berliner Boheme. Materiell mangelte es ihr an nichts, und so konnte sie sich in allem ausprobieren, was ihr gefiel. Sie kultivierte das Image der androgynen Garçonne mit Bubikopf, liebte die Verwandlung, das Spiel mit den Geschlechterrollen, spielte Tennis und Hockey, fuhr Motorrad und gehörte zu den ersten autofahrenden Frauen in Berlin.
Reisen durch ganz Europa gehörten zu ihrem Alltag, ebenso wie der jährliche Besuch der Salzburger Festspiele und der Auftritte Toscaninis in Mailand. Zu dieser Zeit war sie mit dem 30 Jahre älteren Dichter und Bühnenautor Karl Gustav Vollmoeller liiert. Über ihn lernte sie zahlreiche Persönlichkeiten des Berliner Kulturlebens kennen, wie z.B. Charlie Chaplin, den sie während seines Aufenthaltes in Berlin 1931 betreute.
Zum Schreiben kam Rut Landshoff durch einen Zufall. Auf einem Fest lernte sie Kurt Korff kennen, der damals einer der maßgebenden Programm-Leiter des Ullstein-Verlag war. Dieser bot ihr an, für den Verlag zu schreiben – und sie schrieb über alles, was ihr in den Sinn kam, und war damit erfolgreich.
Landshoff arbeitete von 1927 bis 1930 als Reporterin und Kolumnistin für den Ullstein-Verlag, vor allem für die illustrierte Mode-Zeitschrift Die Dame, aber auch für die deutsche Ausgabe der Vogue, Sport und Bild, die Berliner Illustrirte Zeitung, den Tempo sowie die Literarische Welt. Es waren vor allem Zeitgeistartikel, die sie schrieb, spritzige schnelle Texte, Reportagen, Berichte, literarische Skizzen, Reiseimpressionen und Kurznovellen. Häufig ging es darin um Befindlichkeiten von jungen Frauen der damaligen Zeit, um die “Neue Frau”. Es waren schnelle Texte eines schnellen Lebens. Derartige Kurztexte waren in der Weimarer Republik überaus beliebt. Sie bediente sich dabei einer Erzählweise, bei der es im Wesentlichen um Authentizität und weniger um Erfindung geht.
Ihr erster Gedichtband erschien 1929 als Privatdruck mit sechs Gedichten und sechs Zeichnungen der Autorin. Als sie bereits im Exil war, erschienen drei weitere Lyrikbände, auch diese als Privatdruck. Bei Rowohlt erschien 1930 ihr erster Roman Die Vielen und der Eine, über die junge Berliner Reporterin Louis Lou, die große Ähnlichkeit mit der Autorin hatte. Er brachte ihr einen Achtungserfolg ein.
Geplant waren sieben Romane, für die sie bereits einen Vertrag hatte, zwei davon waren auch bereits geschrieben. Vom zweiten, Leben einer Tänzerin, lagen bereits die Druckfahnen vor, die ihr nach Paris geschickt worden waren, der Roman erschien jedoch nicht mehr in Deutschland. Diesen und ihren dritten bereits geschriebenen Roman Die Schatzsucher von Venedig nahm sie mit ins US-amerikanische Exil. Es waren drei sehr unterschiedlich angelegte Romane; die Spannweite reichte von einem neusachlich inspirierten über einen biografisch angelegten bis zu einem leichten literarischen Roman. Ihre gerade erst begonnene Karriere als Schriftstellerin wurde durch die Machtübernahme der Nazis jedoch jäh beendet.
Bereits seit Ende 1932 hielt sich Landshoff im Wesentlichen in Südfrankreich auf, wo sie - nach einer kurzen Verlobung mit dem Cellisten Francesco Mendelsohn - Ende 1930 den Bankier Friedrich David Graf Yorck von Wartenburg heiratete, von dem sie 1937 wieder geschieden wurde. In den nächsten Jahren pendelte sie zwischen Frankreich und Italien, kehrte zuweilen aber auch nach Berlin zurück, da ihre Eltern noch dort lebten.
Mit Hilfe der Schauspielerin Helen Hayes gelang es ihr, eine Aufenthaltsgenehmigung für die USA zu bekommen, wo sie ab März 1937 lebte. Sie galt dort als “exiled Countess” und fand innerhalb kurzer Zeit Zugang zum literarischen Leben ihrer neuen Heimat, wovon ihre Porträts z.B. von Carson McCullers und Thornton Wilder in ihren späteren literarischen Impressionen zeugen.
Kontakte zu deutschen EmigrantInnen hatte sie kaum. Schnell gelang es ihr, auf Englisch zu schreiben. Erst waren es noch kleinere Arbeiten, wie Artikel und Gedichte in amerikanischen Zeitschriften – jetzt unter dem Namen Ruth Yorck bzw. Ruth Landshoff-Yorck – in denen sie sich politischen Themen der Emigration zuwandte, die in den USA durchaus auf Interesse stießen. Rückblickend auf die Zeit vor dem Faschismus sah sie sich als “das absurde junge Mädchen, das seine Zeit nicht begreift.” Nun aber begriff sie und wandte sich mit ihrem Schreiben dem literarischen Kampf gegen den Nationalsozialismus zu. Sie verfasste Radiostücke und Erzählungen mit deutlich propagandistischer Tendenz. Außerdem war sie Sprecherin für den Radiosender “Voice of America”, der 1942 vom Büro für Kriegsberichterstattung gegründet wurde und Programme für die Teile Europas, die von Deutschland besetzt waren, produzierte, sowie Mitarbeiterin des “Office of War Information” und anderer Einrichtungen, die gegen den Faschismus kämpften.
Bereits 1939 erschien der erste Roman in den USA, The Man Who Killed Hitler, den sie zusammen mit Dean Southern Jennings und David Malcolmson schrieb. Darin entschließt sich ein Wiener Arzt nach der Ermordung seiner jüdischen Frau, ein Attentat auf Hitler zu verüben. Dieser Roman wurde umgehend ins Französische übersetzt.
Auch ihre nächsten beiden Romane thematisieren den Widerstand gegen den Faschismus. Während es in Sixty to go. A Novel of the Riviera Underground (1944) um Fluchthilfe in Frankreich geht, ist Lili Marlene (1945), der ein Bestseller wurde, ein fiktives Tagebuch einer nationalsozialistischen Mitläuferin, die erst nach der Ermordung ihrer beiden Kinder anfängt zu begreifen, dass sie sich dem Regime widersetzen muss. Von diesem Roman wurden nach Kriegsende im Rahmen des amerikanischen “Umerziehungsprogramms” Auszüge im deutschen Radio gesendet.
Sie erntete zwar beachtliche Erfolge, aber es gelang ihr – anders als Vicki Baum, mit der sie oft verglichen wird – nicht, abseits von der Kategorisierung als politische Exilautorin eine neue Karriere als Autorin aufzubauen. Ihr letzter zu Lebzeit veröffentlichter Roman So Cold the Night. A Novel of Suspense (1948) wurde dann auch kein Erfolg.
Eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland war für sie ausgeschlossen, sie wurde offiziell US-Bürgerin. Mehrfach besuchte sie Europa jedoch für längere Zeit. Dort hielt sie sich vor allem in Frankreich und England auf. Aber auch nach Deutschland reiste sie, was bei ihr jedoch zwiespältige Eindrücke hinterließ. Sie knüpfte dort allerdings Kontakte zu jüngere AutorInnen, die sie in den USA vorstellte. So schrieb sie z.B. im Aufbau über die Gruppe 47, Hans Magnus Enzensberger, Uwe Johnson und Günter Grass.
Andererseits beschäftigte sie sich aber auch intensiv mit der US-amerikanischen Kultur und versuchte, deren junge AutorInnen in Deutschland vorzustellen, wie z.B. die Schriftstellerin Carson McCullers und den Musicaltexter John Latouche. Sie verstand sich als Vermittlerin zwischen den Kulturen.
Durch ihre Kontakte in Deutschland ermutigt, versuchte sie nach dem Zweiten Weltkrieg erneut, auf Deutsch zu schreiben. Gelegentlich erschienen Beiträge von ihr in deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften wie den Frankfurter Heften, der Kunstzeitschrift DU und Texte und Zeichen, 1952 erschien dann der Band das ungeheuer zärtlichkeit. Eine größere Resonanz, ein Anknüpfen an ihre frühen Erfolge in Deutschland gar, blieben jedoch völlig aus.
Ab den 1950er Jahren veröffentlichte sie in zwei Sprachen. Sie sprach von einem “zweisprachigen Zwiespalt”, der sie doppelt entwurzelt und ein Heimischwerden doppelt erschwert habe: In der US-amerikanischen Literatur war sie nicht so verwurzelt wie ein native speaker und in der deutschen war sie es zu dieser Zeit nicht mehr.
Landshoff-Yorck arbeitete in den USA auch als Autorin für Bühnenstücke und das Fernsehen. Sie schrieb mehrere gesellschaftskritische Stücke, von denen einige in kleinen Off-Broadway-Theatern aufgeführt wurden, wie z.B. Lullaby for a Dying Man, das zwei Tabus thematisiert: Homosexualität und die Todesstrafe. In anderen Texten bearbeitet sie aktuelle US-amerikanische Themen, z.B. Rassismus und McCarthys Kommunistenhetze. Sie galt als „Poet Lady“ von Greenwich Village, die sich ganz der Avant-Garde verschrieben hatte.
Das letzte Buch, das von Ruth Landshoff-Yorck zu Lebzeiten erschien, waren ihre biographischen Impressionen, die 1963 unter dem Titel Klatsch, Ruhm und kleine Feuer herauskamen. Der Band ist eine Sammlung von Porträts zahlreicher Personen, die sie persönlich gekannt hat: von Charlie Chaplin über Annemarie Schwarzenbach und Jean-Paul Sartre bis hin zu Arturo Toscanini. Ruth Landshoff-Yorck starb am 19. Januar 1966 während einer Theateraufführung von Marat/Sade von Peter Weiss, einem Emigranten wie sie, in New York.
(Text von 2014)
Verfasserin: Doris Hermanns
Kurzbiografie zu Ruth Landshoff-Yorck von Swantje Koch-Kanz aus dem Kalender "Berühmte Frauen 1989"
Zitate
Ich hab in der ganzen Zeit, in der ich in Deutschland Schriftstellerin war, nie ein ungedrucktes Manuskript besessen. Alles wurde irgendwo gedruckt. Und ich wusste nicht einmal, dass das ein Ausnahmefall war.
Über die Tänzerin Lena Amsel: „That fascinated me. So it was possible after all to begin life twice – to start on a road that leads from success to failure – and then to start all over again on a different road and remain successful there.“
Sie hatte sich ihr eigenes Milieu geschaffen… aus den Kreisen der Kunst, der Bühne der Jeunesse dorée, der Avantgarde aller Gebiete, ohne jemals die Anhänglichkeit an ihre gutbürgerlicher Abstammung zu verlieren… Aber gleichzeitig zog es sie immer zu den großen Geistern der älteren Generation, die in ihr eine stille Zuhörerin fanden und sich ihrer Jugend und Schönheit freuten.
(Aus einem Nachruf)
Literatur & Quellen
Literatur über Ruth Landhoff-Yorck
A. D. 1966.“In memoriam Ruth Landshoff-Yorck,” in: Aufbau (New York, 28.1.1966).
Blubacher, Thomas (2015): Die vielen Leben der Ruth Landshoff-Yorck. Mit Abbildungen. Erste Auflage. Berlin. Insel-Verlag. ISBN 9783458176435.
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Fähnders, Walter: Nachwort von Die Vielen und der Eine. Berlin 2001 AvivA
Fähnders, Walter: Nachwort von Roman einer Tänzerin. Berlin 2002 AvivA
Fähnders, Walter: Nachwort von Die Schatzsucher von Venedig. Berlin 2004 AvivA
Fähnders, Walter: Nachwort von In den Tiefen der Hölle. Berlin 2010 AvivA
Fähnders, Walter: Ruth Landshoff-Yorck im deutschen Literaturbetrieb vor 1933 und nach 1945, in: Brigitte E. Jirku & Marion Schulz (Hg.): Fiktionen und Realitäten im deutschsprachigen Literaturbetrieb. Frankfurt am Main 2013 Peter Lang
Hertling, Anke: Eroberung der Männerdomäne Automobil. Die Selbstfahrerinnen Ruth Landshoff-Yorck, Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach. Bielefeld 2013 Aisthesis
Schoppmann, Claudia: Ruth Landshoff-Yorck Portrait, in: Claudia Schoppmann: Im Fluchtgepäck die Sprache. Deutschsprachige Schriftstellerinnen im Exil. Berlin 1991
Schoppmann, Claudia: Vorwort, in: Ruth Landshoff-Yorck: Klatsch, Ruhm und kleine Feuer. Biographische Impressionen. Hg. Claudia Schoppmann (durchgesehene und erweiterte Neuausgabe). Frankfurt am Main, 1997
Ruth Landshoff-Yorck in der Deutschen Nationalbibliothek
Werke von Ruth Landshoff-Yorck
Deutschsprachige Neuscheinung
Landshoff-Yorck, Ruth (2014): Sixty to go. Roman vom Widerstand an der Riviera. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Doris Hermanns. Berlin. AvivA Verl. ISBN 978-3-932338-63-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
das wehrhafte mädchen. Gedichte und zeichnungen für meine freunde. (1929, Privatdruck mit 6 Gedichten und 6 Zeichnungen der Autorin)
Die Vielen und der Eine (Berlin 1930, Neuauflage hg. und mit einem Nachwort von Walter Fähnders 2001 Berlin AvivA)
Gedichte (1934, Privatdruck mit 8 Gedichten)
Gedichte (vermutlich 1934, Privatdruck mit 11 Gedichten und 5 Zeichnungen)
Die Gedichte (1935, Privatdruck mit 10 Gedichten)
The Man Who Killed Hitler (Hollywood 1939, London 1939, anonym; zusammen mit Dean S. Jennings und David Malcolmson)
Sixty to Go (New York 1944)
Lili Marlene. An Intimate Diary (New York 1945)
So Cold the Night (New York 1948)
das ungeheuer zärtlichkeit (Frankfurt am Main 1952)
January Deadlock (New York 1962, Privatdruck)
I´ll Measure Them For a White White Coat ... (New York 1963, Privatdruck)
Klatsch, Ruhm und kleine Feuer. Biographische Impressionen (Köln 1963, durchgesehene und erweiterte Neuausgabe hg. Von Claudia Schoppmann. Frankfurt am Main, 1997)
The Poet as a Dictator (New York 1965, Privatdruck)
Roman einer Tänzerin. Hg. und mit einem Nachwort von Walter Fähnders (Erstausgabe aus dem Nachlass, Berlin 2002 AvivA, überarbeitete Neuauflage: Berlin 2005, AvivA)
Die Schatzsucher von Venedig. Hg. und mit einem Nachwort von Walter Fähnders (Erstausgabe aus dem Nachlass, Berlin 2004 AvivA, Neuauflage: Berlin 2013 AvivA)
In den Tiefen der Hölle. Hg. und mit einem Nachwort von Walter Fähnders (Erstausgabe aus dem Nachlass, Berlin 2010 AvivA)
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