(Heloise Ruth First)
geboren am 4. Mai 1925 in Johannesburg
gestorben am 17. August 1982 in Maputo (Moçambique)
südafrikanische Antiapartheidaktivistin, Journalistin und Soziologin
40. Todestag am 17. August 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Ruth First verfügte über alle Eigenschaften einer Karrierefrau: Scharfer Verstand, enorme Energie, Organisations- und Redetalent, das Ganze verbunden mit einer Leidenschaft für schicke Kleider und elegante italienische Schuhe. Sie hätte ihr Leben ihrem persönlichen Erfolg widmen können, doch stattdessen führte ihr politisches Gewissen sie in den Kampf gegen das südafrikanische Apartheidsystem. Für diesen Kampf lebte – und starb – sie.
Schon in ihrer Kindheit waren Debatten zwischen Angehörigen aller Rassen und Klassen an der Tagesordnung. Ihre Eltern, jüdische Einwanderer aus Lettland, gehörten zu den Gründungsmitgliedern der kommunistischen Partei Südafrikas. Nach einem mit 21 Jahren erfolgreich abgeschlossenen Soziologiestudium, währenddessen sie sich in verschiedenen Studentenorganisationen und der kommunistischen Jugend engagierte, begann Ruth First unter Hochdruck für die linksgerichtete Wochenzeitung The Guardian in Johannesburg zu arbeiten. In jeder Ausgabe erschienen ihre gründlich recherchierten Reportagen über die sklavereiartigen Arbeitsbedingungen der Land- und Minenarbeiter, das Leben in den Townships, Busboykotte und Revolten gegen die diskriminierenden Passgesetze. First wurde zu einer der wichtigsten ChronistInnen, die die Folgen der in den 1950er Jahren von der regierenden Burenpartei sukzessive eingeführten Rassentrennungsgesetze dokumentierten und anprangerten.
1949, mit 24 Jahren, hatte sie den jungen Rechtsanwalt Joe Slovo geheiratet, auch er Kommunist und aktiv in der Antiapartheidbewegung (Slovo wurde später einziges weißes Mitglied im Führungsgremium des ANC und einer der meistgesuchten „Staatsfeinde“ des rassistischen Regimes). In den folgenden vier Jahren kamen ihre drei Töchter zur Welt, während die Familie zunehmend unter politischen Druck geriet. First wurde „gebannt“, d.h. sie erhielt Reise-, Publikations- und Versammlungsverbot, ihre Arbeiten durften nicht mehr zitiert werden, ihre politischen Aktivitäten – besonders der Aufbau eines freien Radiosenders und eines „weißen“ Flügels des ANC – spielten sich nur noch im Untergrund ab.
1956 wurden First und Slovo verhaftet und des Hochverrats angeklagt, allerdings wieder freigelassen, nach den Sharpeville-Massakern von 1960 floh sie mit ihren Kindern nach Swaziland, 1963 wurde sie – wie 155 andere ANC-AktivistInnen (darunter Mandela, Sisulu, Mbeki) – aufs Neue festgenommen und verbrachte 117 Tage in Isolationshaft. In ihrem später veröffentlichten Gefängnistagebuch (Gefangener Mut) berichtet sie mit erschütternder Offenheit über die erlittene psychische Folter, aber auch ihre Ängste und Selbstzweifel, die zu einem Selbstmordversuch führten. Nach ihrer Freilassung entschloss sie sich schweren Herzens, wie zuvor schon ihr Mann und ihr Vater, für das Exil. Während Slovo von London aus im Geheimen den bewaffneten Einsatz der südafrikanischen Untergrundarmee (Umkhonto we Sizwe) organisierte, verdiente First den Lebensunterhalt der Familie als Dozentin an der Durham University, verfasste bzw. publizierte zahlreiche Bücher und wurde durch ihre Teilnahme an Kongressen und öffentlichen Debatten zu einer der bekanntesten VertreterInnen des südafrikanischen Exilwiderstands.
1977 begann ihre glücklichste Lebensphase – als Forschungsdirektorin des Instituts für Afrikanische Studien erhielt sie einen Lehrstuhl an der Universität von Maputo, Moçambique, und konnte so endlich in einem Land leben und arbeiten, dessen damals sozialistische Regierung offiziell Partei ergriff gegen das Apartheidsystem des südafrikanischen Nachbarn. Sieben Jahre später wurde sie dort in ihrem Büro an der Universität von einer Briefbombe getötet – der bis heute unbekannte Absender wird in militärischen Kreisen Südafrikas vermutet. An ihrer Beerdigung nahmen Präsidenten, Parlamentarier und Botschafter aus 34 Ländern teil. Zwei Töchter dokumentierten ihr Leben (Gillian Slovo in ihrer Familienbiografie Every secret thing und Shawn Slovo in ihrem Film A world apart), wobei beide sehr offen das Drama ihrer Kindheit schildern – die Bewunderung für ihre großartige Mutter und die Wut über all die unverständlichen Geheimnisse, Gefahren und das Verlassenwerden.
Verfasserin: Andrea Schweers
Zitate
She was a special writer who loved debate and dialogue, and also a natural critic who challenged everything. But perhaps the most special contradiction was that she was a woman in a mostly male-dominated political world. (Albie Sachs, Quelle)
Links
AIM25: Institute of Commonwealth Studies: FIRST, (Heloise) Ruth (1925-1982). Archivbestand. Mit Kurzbiografie.
Online verfügbar unter http://www.aim25.ac.uk/cgi-bin/search2?coll_id=4589&inst_id=16, zuletzt geprüft am 03.05.2020.
brainyquote.com: Ruth First Quotes.
Online verfügbar unter http://www.brainyquote.com/quotes/authors/r/ruth_first.html, zuletzt geprüft am 03.05.2020.
Communist Party of South Africa (2000): Ruth First Memorial Lecture. 28. August 2000.
Online verfügbar unter http://www.marxists.org/history/international/comintern/sections/sacp/2000/ruth-first.htm, zuletzt geprüft am 03.05.2020.
da Silva, Issa Sikiti: The gift of free media and speech – remembering Ruth First. Media community of South Africa, 19. Nov. 2006.
Online verfügbar unter http://www.bizcommunity.com/Article/196/15/12534.html, zuletzt geprüft am 03.05.2020.
Marks, Shula: Ruth First: A Tribute. In: Journal of Southern African Studies, Vol. 10, No. 1, Special Issue on Women in Southern Africa (Oct., 1983), pp. 123-128.
Online verfügbar unter http://links.jstor.org/sici?sici=0305-7070(198310)10%3A1%3C123%3ARFAT%3E2.0.CO%3B2-U, zuletzt geprüft am 03.05.2020.
Rhodes University: History of Ruth First.
Online verfügbar unter https://www.ru.ac.za/lilianngoyi/ruthfirst/historyofruthfirst/, zuletzt geprüft am 03.05.2020.
Literatur & Quellen
Quellen
First, Ruth (1991): Gefangener Mut. 117 Tage in einem südafrikanischen Gefängnis. Frankfurt am Main: Fischer (Fischer-Taschenbücher Die Frau in der Gesellschaft, 4754).
First, Ruth; Scott, Ann (1980): Olive Schreiner. New York: Schocken Books. Mehr dazu: Fembiografie Olive Schreiner
Slovo, Shawn (1988): A world apart. London and Boston: Faber & Faber.
Slovo, Gillian (1997): Every secret thing. My family, my country. London: Little Brown & Co.
Weitere Werke von Ruth First
First, Ruth (1963): South West Africa. Baltimore: Penguin Books (Penguin Africa library).
First, Ruth (1965): 117 days. New York: Stein and Day.
First, Ruth (1970): The barrel of a gun. Political power in Africa and the coup d'état. London: Allen Lane.
First, Ruth (1971): Portugals Krieg in Afrika. Freiburg: Informationszentrum Dritte Welt.
First, Ruth (1974): Libya. The elusive revolution. Harmondsworth , Baltimore: Penguin (Penguin African library).
First, Ruth (1983): Black gold. The Mozambican miner, proletarian and peasant. Pictures by Moira Forjaz ; work-songs and interviews recorded by Alpheus Manghezi. Brighton Sussex , New York: Harvester Press; St. Martin's Press.
First, Ruth; Davies, Robert H. (1981): Migrant labour to South Africa. Asanctions programme? London: Africa Bureau.
First, Ruth; Steele, Jonathan; Gurney, Christabel (1972): The South African Connection. Western Investment in Apartheid. London: Smith.
Mandela, Nelson; First, Ruth (1965): No easy walk to freedom. Articles, speeches, and trial addresses. Foreword by Ahmed Ben Bella. Introd. by Oliver Tambo. Edited by Ruth First. New York: Basic Books.
Weiterführende Literatur
Frankel, Glenn (1999): Rivonia's children. Three families and the cost of conscience in white South Africa. Über Hilda und Rusty Bernstein, Ruth First und Joe Slovo, James Kantor und Harold und AnneMarie Wolpe. New York: Farrar Straus and Giroux.
Pinnock, Don (1995): Ruth First. They Fought For Freedom – a biography. Cape Town: Maskew Miller Longman.
Pinnock, Don (1997): Ruth First. Voices of Liberation: Volume 2. Pretoria: HSRC Publishers.
Wyk, Chris van: Ruth First. Gallo Manor: Awareness Publishing (Learning African History Freedom Fighters Series 2, 4).
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