Biographien Ruth Bader Ginsburg
(Joan Ruth Bader [Geburtsname])
geboren am 15. März 1933 in Brooklyn, New York
gestorben am 18. September 2020 in Washington, DC
US-amerikanische Juristin, 1993 - 2020 Richterin am Obersten Gerichtshof (Supreme Court) der USA
90. Geburtstag am 15. März 2023
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Ruth Bader Ginsburg, 1993 von Präsident Clinton als zweite Frau in den Obersten Gerichtshof berufen, war schon lange zuvor eine höchst erfolgreiche Kämpferin für Frauenrechte. Seit dem Rücktritt von Sandra Day O’Connor im Jahr 2006 ist sie die einzige Frau in dem neunköpfigen Gremium. Sie gehört dem “liberalen” oder linken Flügel des Gerichts an, der - seit George W. Bush zwei neue Richter einsetzen konnte - meist in der Minderheit ist. Die ehemalige Professorin und Anwältin hat am Supreme Court wegweisende Stellungnahmen vorgetragen, wie ihr abweichendes Votum in Gore v. Bush (2000) oder ihren stringenten und vehement vertretenen Dissens gegen den konservativen Mehrheitsbeschluß in Gonzales v. Carhart (2007), der das seit 1973 in den USA verbürgte Recht der Frau auf Abtreibung beschneidet. Ihr Argument: Die juristische Begründung des Abtreibungsrechts gründe “auf der Autonomie der Frau und ihrem Recht, ihr Leben selbst zu bestimmen und dadurch als Staatsbürgerin den gleichen Status zu genießen wie der Mann.”
Joan Ruth Bader wuchs in einem Brooklyner Arbeiterviertel auf, wo arme jüdische, italienische und irische Immigrantenfamilien lebten. Ihre Eltern waren jüdisch-amerikanisch, ihre Familien aus Europa immigriert. Vater Nathan Bader war mit 13 Jahren aus Odessa in Russland gekommen, während Mutter Celia Amster in Amerika geboren wurde, vier Monate nachdem ihre Eltern aus Österreich emigriert waren. Ruths ältere Schwester Marilyn starb mit acht Jahren. Der Vater betrieb einige kleine Konfektionsgeschäfte. Ihre Mutter spornte Ruth zu fleißigem Lernen und unabhängigem Denken an. Sie starb, einen Tag vor Ruths High-School-Abschluß, an Krebs. Ruth befolgte den Rat ihrer Mutter: Die angesehene Cornell Universität verließ sie als Beste ihres Jahrgangs. Sie heiratete ihren Kommilitonen Martin Ginsburg, und als sie 1956 ihr Jurastudium an der Harvard Universität begann, war ihre Tochter 14 Monate alt; später gebar sie auch einen Sohn.
Trotz der Frauenfeindlichkeit ihrer Professoren und Mitstudenten – sie war eine von nur neun Studentinnen an der Harvard Law School – zeichnete sich Ruth Ginsburg aus und bekam als Studentin eine begehrte Stelle an der Harvard Law Review. Als die Familie nach New York zog, studierte Ruth an der Columbia Universität weiter. Wieder war sie Jahrgangserste (diesmal teilte sie die Ehre mit einem Studenten) und wieder Mitarbeiterin an der Law Review. Damit war sie der erste Mensch, der diese Ehre an zwei Elite-Universitäten erreichte.
Trotz ihrer Glanzleistungen wurde die junge Frau von keiner der 12 Anwaltsfirmen eingestellt, bei denen sie sich bewarb. Sie bekam schließlich eine Stelle bei Richter Palmieri am US-Bezirksgericht für den Süden des Staates New York (1959-61). Danach arbeitete sie an einem internationalen Projekt der Columbia Law School über juristische Verfahren und lernte Schwedisch für ihr Buch über das schwedische Rechtsystem; auch übersetzte sie das schwedische Gesetzbuch ins Englische.
Ginsburg blieb bei der akademischen Laufbahn, ging 1963 an die Rutgers Universität, wo sie zusammen mit Kolleginnen gegen Lohndiskriminierung kämpfen mußte, und dann an die Columbia-Universität, deren erste festangestellte Jura-Professorin sie wurde. Sie war auch Mitautorin des ersten juristischen Lehrbuchs über die Geschlechterdiskriminierung.
In den 1970er Jahren engagierte sich Ginsburg tatkräftig als Mitgründerin und Direktorin des Frauenrechtsprojekts der American Civil Liberties Union (ACLU) – seit 1920 setzt sich diese nichtstaatliche Organisation in den USA für bürgerliche Grundrechte ein. Ginsburg vertrat die ACLU vor dem Supreme Court in entscheidenden Fällen von Geschlechterdiskriminierung und bekämpfte, Fall für Fall, die diskriminierenden Gesetze erfolgreich. Dabei ging sie oft strategisch vor und wählte auch Fälle von Männerbenachteiligung aus. Seither wurden – auch dank ihrer Mitarbeit – im ganzen Land Gesetze zugunsten der Gleichberechtigung geändert.
Präsident Carter ernannte Ginsburg 1980 zur Richterin am Bundesappellationsgericht für Washington, DC, wo sie bis zu ihrer Berufung zum Supreme Court tätig war. Außer für die Gleichberechtigung setzte sie sich besonders für die Konsultation ausländischen Rechts bei US-amerikanischen Rechtsfragen ein. Hierin unterscheidet sie sich scharf von Antonin Scalia, ihrem Kollegen am Supreme Court, der so eine Inbetrachtziehung für überflüssig hält.
Im Ganzen ist die politisch liberale Richterin juristisch eher vorsichtig/moderat und befürwortet enger gefaßte Beschlüsse, um die größeren Fragen der Gesetzgebung zu überlassen. Ihre Vorbehalte Roe v. Wade gegenüber wurden in den 90er Jahren von Feministinnen kritisiert; nach Ginsburg wäre sogar in der Abtreibungsfrage ein weniger weitreichender Gerichtsbescheid auch weniger kontrovers und provokant und daher auf die Dauer sicherer und erfolgreicher gewesen.
1999 erkrankte Ginsburg an Darmkrebs und wurde erfolgreich behandelt.
Die Oberste Richterin ist passionierte Opernliebhaberin - einmal trat sie sogar (zusammen mit ihrem Richterkollegen und Freund Scalia) kostümiert und mit Perücke als Statistin auf einer Washingtoner Opernbühne auf.
Das Radcliffe Institute der Harvard University verlieh Ginsburg Mai 2015 das “Radcliffe Medal.” Die Auszeichnung wird jedes Jahr an ein Individuum vergeben, das “einen transfomativen Einfluss auf die Gesellschaft” gehabt hat.
(Text von 2007, aktualisiert 2015 und 2020)
—————————
Ruth Bader Ginsburg starb am 18. September 2020 an Krebs.
RIP, RBG!
Verfasserin: Joey Horsley
Links
Notorious R.B.G. Tumblr-Fanblog.
Online verfügbar unter http://notoriousrbg.tumblr.com/, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
In Her Own Words: Ruth Bader Ginsburg. The New York Times, June 15, 1993 (1993).
Online verfügbar unter https://archive.nytimes.com/www.nytimes.com/library/politics/scotus/articles/061593ginsburg-text.html, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Nomination of Ruth Bader Ginsburg, to be associate judge of the Supreme Court of the United States. Hearings before the Committee on the Judiciary, United States Senate, One Hundred Third Congress, first session … July 20, 21, 22, and 23, 1993. PDF-Datei (1993). Washington (S. hrg.).
Online verfügbar unter https://www.gpo.gov/fdsys/pkg/GPO-CHRG-GINSBURG/pdf/GPO-CHRG-GINSBURG.pdf, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
ACLU (2018): Tribute: The Legacy of Ruth Bader Ginsburg and WRP Staff.
Online verfügbar unter https://www.aclu.org/other/tribute-legacy-ruth-bader-ginsburg-and-wrp-staff?redirect=cpredirect/24412, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Ballotpedia (2018): Ruth Bader Ginsburg.
Online verfügbar unter https://ballotpedia.org/Ruth_Bader_Ginsburg, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
C-SPAN.org: Ruth Bader Ginsburg. Videos.
Online verfügbar unter https://www.c-span.org/person/?ruthginsburg, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
FindLaw (2018): Ruth Bader Ginsburg.
Online verfügbar unter http://supreme.findlaw.com/supreme_court/justices/ginsburg.html, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Ginsburg, Ruth Bader (2006): Advocating the Elimination of Gender-Based Discrimination: The 1970s New Look at the Equality Principle. University of Cape Town, South Africa. February 10, 2006. Cape Town.
Online verfügbar unter https://www.supremecourt.gov/publicinfo/speeches/sp_02-10-06.html, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Kolb, Matthias (2015): Notorious RBG: Wie eine Richterin zur liberalen Ikone wurde. Süddeutsche Zeitung, 29. Dezember 2015.
Online verfügbar unter http://www.sueddeutsche.de/politik/feminismus-notorious-rbg-wie-eine-richterin-zur-liberalen-ikone-wurde-1.2795753, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Legal Information Institute (LII): US Supreme Court: Justice Ginsburg.
Online verfügbar unter https://www.law.cornell.edu/supct/justices/ginsburg.bio.html, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Lewis, Neil A. (1998): Rejected as a Clerk, Chosen as a Justice. The New York Times, 98/08/05.
Online verfügbar unter https://archive.nytimes.com/www.nytimes.com/library/politics/scotus/articles/061593ginsburg-profile.html, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Library of Congress: LC Online Catalog - Titles List: Ruth Bader Ginsburg.
Online verfügbar unter https://catalog.loc.gov/vwebv/search?searchArg=ruth+bader+ginsburg&searchCode=GKEY^*&searchType=1, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
MAKERS: Ruth Bader Ginsburg. Videos.
Online verfügbar unter https://www.makers.com/profiles/591f27c6a8c7c4265c6428de, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
OnTheIssues.org: Ruth Bader Ginsburg on the Issues. Thematisch sortierte Linkliste zu Zitaten aus Gerichtsprozessen (engl.).
Online verfügbar unter http://www.ontheissues.org/Ruth_Bader_Ginsburg.htm, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Oyez (2017): Ruth Bader Ginsburg. Text zu RBGs Kampf für Gleichberechtigung, mit Audiodokumenten.
Online verfügbar unter https://www.oyez.org/justices/ruth_bader_ginsburg, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Rosen, Jeffrey (1997): The New Look of Liberalism on the Court. The New York Times, Octobre 5, 1997.
Online verfügbar unter https://archive.nytimes.com/www.nytimes.com/library/politics/scotus/articles/100597nytmag-ginsburg-profile.html, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Supreme Court of the United States (2016): Speeches (ab 2000).
Online verfügbar unter https://www.supremecourt.gov/publicinfo/speeches/speeches.aspx, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
United States Holocaust Memorial Museum: Ruth Bader Ginsburg. RBG über ihre jüdische Identität (Audiobeitrag mit Transkription).
Online verfügbar unter https://www.ushmm.org/antisemitism/podcast/voices-on-antisemitism/ruth-bader-ginsburg-voa, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Wikiwand: Ruth Bader Ginsburg.
Online verfügbar unter https://www.wikiwand.com/en/Ruth_Bader_Ginsburg, zuletzt geprüft am 10.03.2023.
Literatur & Quellen
Blake, Harlan Morse und Ginsburg, Ruth Bader (Hg.) (1969): Business regulation in the Common Market nations. 3 Bände. New York. McGraw-Hill. (The European Common Market antitrust project, 1 – 3)
(Amazon-Suche)
Bruzelius, Anders (Hg.) (1965): Civil procedure in Sweden. Transl. by Ruth Bader Ginsburg. The Hague. Nijhoff. (Columbia University School of Law. Project on International Procedure)
Bruzelius, Anders (1968): The Swedish code of judicial procedure. Transl. and with an introd. by Anders Bruzelius and Ruth Bader Ginsburg. South Hackensack, NJ. F. B. Rothman. (The American series of foreign penal codes, 15)
Campbell, Amy Leigh (2003): Raising the bar. Ruth Bader Ginsburg and the ACLU Women's Rights Project. Princeton N.J. Xlibris Corporation. ISBN 1413427405.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Carmon, Irin; Knizhnik, Shana (2015): Notorious RBG. The life and times of Ruth Bader Ginsburg. First edition. New York, NY. DEY ST. ISBN 9780062415837.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Dodson, Scott (Hg.) (2015): The Legacy of Ruth Bader Ginsburg. Cambridge. Cambridge Univ. Press. ISBN 1107062462.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Ginsburg, Ruth Bader (1962): The Jury and the nämnd. Some observations on judicial control of lay triers in civil proceedings in the United States and Sweden : prepared for submission to the Sixth International Congress of Comparative Law of the International Academy of Comparative Law. New York, N.Y. Columbia University School of Law. (Project on International Procedure)
Hart, Jane Sherron de (2018): Ruth Bader Ginsburg. A life. New York. Knopf. ISBN 9781400040483.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Hirshman, Linda R. (2015): Sisters in law. How Sandra Day O'Connor and Ruth Bader Ginsburg went to the Supreme Court and changed the world. 1. ed. New York, NY. Harper, an imprint of HarperCollins Publishers. ISBN 9780062238467.
Hunt, Helena (Hg.) (2018): Ruth Bader Ginsburg. In her own words. Chicago. B2 Books. ISBN 1572848189.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Johnson, Bryant (2017): The RBG workout. How she stays strong . . . and you can too! Unter Mitarbeit von Patrick Welsh. Boston, New York. Houghton Mifflin. ISBN 1328919129.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
McCaffrey, Paul (2010): Ruth Bader Ginsburg. U.S. Supreme Court justice. New York. Chelsea House. (Women of achievement) ISBN 9781604136876.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Small, Cathleen (2017): Ruth Bader Ginsburg. Supreme Court Justice. New York. Cavendish Square Publishing. (Leading women) ISBN 9781502626974.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Toobin, Jeffrey. “Heavyweight: How Ruth Bader Ginsburg has moved the Supreme Court.” New Yorker. March 11, 2013.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.