(Rosemarie Sophie Charlotte Kilian)
geboren am 2. Juni 1919 in Landsberg/Warthe (heute Polen)
gestorben am 31. Januar 2014 in Kiel
deutsche Schauspielerin
105. Geburtstag am 2. Juni 2024
Biografie
Rosemarie Sophie Charlotte Kilian erblickte am 2. Juni 1919 als zweites Kind eines Bankdirektors und einer Lehrerin in Landsberg/Warthe (heute Polen) das Licht der Welt. Ihre Mutter nannte ihr Energiebündel »Revolutionskind«, nach der Novemberrevolution von 1918/19. Auf ihrem Weg als »Schauspielerin« musste Rosemarie Kilian später tatsächlich viel Energie und Revolutionsgeist beweisen.
1935 begann sie eine private Schauspielausbildung in Bremen und konnte einen Beitritt zum BDM und zum Reichsarbeitsdienst abwehren. Zweimal bestand sie in Hamburg die Abschlussprüfung für den Schauspielberuf nicht. Weder ihr Schauspiellehrer noch ihr Vater waren Mitglieder der NSDAP. Bei der zweiten Prüfung fielen alle vierzig Prüflinge durch. Keiner konnte den Namen des neu eingesetzten Reichstheaterkammerpräsidenten nennen.
1937 lernte sie in der Schauspielschule Lilly Ackermann in Berlin und arbeitete als Statistin für die Ufa. 1939 bestand sie die Prüfung und wurde für eine Nebenrolle im Propagandafilm »Jud Süß« ausgewählt, jedoch wegen ihres »exotischen Aussehens« – dunkle Haare, braune Augen – wieder ausgetauscht. 1940 bekam sie einen Vertrag im ostpreußischen Allenstein. Die Bühnenkleidung musste sie selbst stellen und mit den KollegInnen viele Truppenbetreuungs-Tourneen per PKW oder Pferdeschlitten bewältigen. Sie erkrankte zweimal an Diphtherie, arbeitete als Programmansagerin auf einer Frankreichtournee und in Holland. Der Leiter des Stuttgarter Staatstheaters P. Riedy sagte zu ihr: »Das ist ja alles sehr schön, aber wenn man so hässlich ist wie Sie…« Nach wiederholten Norwegen-Tourneen mit ersten Rundfunkerfahrungen als freisprechende Ansagerin (bisher eine Männerdomäne) war die Schließung aller Bühnen im letzten Kriegsjahr eine harte Prüfung. Aber es kam noch schlimmer: Ihre Mutter starb, und In Stuttgart geriet sie in den stärksten Bombenangriff auf diese Stadt.
Der Einberufung zur Flakhelferin in Italien entging sie nur knapp. 1945 wurde ihr Sohn geboren. Es folgten Hörspielproduktionen, Schulfunksendungen, ein Engagement am Stuttgarter Neuen Theater. Das Anstehen nach Lebensmitteln nutzte sie für das Lernen der Rollen. Die Rollen beeinflussten ihr Leben. Nachdem sie in »Schlittenfahrt« eine unsichere Frau und Selbstmörderin verkörpert hatte, erhielt sie den Bezugsschein für einen Ofen nicht. Nach der Rolle der Kaiserin Charlotte in Franz Werfels »Juarez und Maximilian« forderte sie den Bezugsschein »kaiserlich geübt« vom gleichen Beamten. Dieses Mal mit Erfolg.
Nach Verträgen in Darmstadt, Heidelberg und Karlsruhe folgten erneut Arbeitslosigkeit und Armut. Kilian und ihr zweiter Mann planten bereits den Selbstmord durch Gas, verwarfen ihn dann wieder wegen der Gefahr für andere. Ihr Leben blieb jahrzehntelang provisorisch. Jahrelang konnte sie wegen beruflicher Ungewissheit ihren Sohn nicht bei sich haben.
Als sie vor dem Ende ihrer zweiten Ehe stand und erneut ein Kind erwartete, wurde ihr Vertrag in Gelsenkirchen nicht verlängert, doch sie musste hochschwanger auf der Bühne stehen. Das existierende Mutterschutzgesetz galt noch nicht für Schauspielerinnen. Kilian dazu: »Ich wurde nur langsam molliger, disziplinierte mich, aß fast nichts und trank sehr wenig.« Zu Beginn ihres Osnabrücker Engagements wurde ihre neugeborene Tochter in der Babystation eines Rot-Kreuz-Kinderheimes versorgt. Sie selbst wohnte in der Barackensiedlung einer schwedischen Stiftung für junge Mädchen, musste jedoch wegen Geburtsnachkomplikation und der Umzugsstrapazen in die Klinik.
Sie forderte ein Mutterschutzgesetz für Theaterschaffende. Mit Erfolg.
Für ihre Zeit in Bonn musste sie sich eine Wohnung selbst ausbauen. Die Sorgen verfolgten sie: kleine Gagen, befristete Verträge und dazu das Dilemma, zwischen dem Schauspielberuf und der Existenz einer alleinerziehenden Mutter zu stehen – ab 1959 endlich mit beiden Kindern.
Die jugendlichen Rollen und die als Liebhaberinnen fielen allmählich weg. »Männliche Kollegen ... sind um die 40 oft erst im Kommen, während die Nachfrage nach reiferen Schauspielerinnen erschreckend abnimmt.« - so Kilian. Wieder mit einer möblierten Unterkunft, begannen neun Jahre in Freiburg.
Kiel wurde ihre »unverhoffte Ruhe«. Man ernannte sie zur Kammerschauspielerin, und sie erhielt den Verdienstorden des Landes Schleswig-Holstein. 2004 rief sie den Verein zur Gründung eines Theatermuseums ins Leben, veranstaltete Lesungen und Kulturgesprächskreise, setzte sich für die Existenzsicherung des Theaters, die Aufwertung des Philharmonischen Orchesters und für die menschliche, niveauvolle Gestaltung ihrer Stadt ein. Ihr Wirken war vom Glauben an die Zusammengehörigkeit aller Menschen getragen und davon, dass es sich stets lohnt, sich Mühe zu geben.
Am 31. Januar 2014 starb Rosemarie Kilian im Alter von 94 Jahren in ihrem Haus in Kiel. Sie hinterlässt eine Autobiographie: Rosemarie Kilian, Revolutionskind, Erinnerung an Leben und Bühne 1919–1999, Bibliothek der Zeitzeugen, JKL-Publikationen 2003
Verfasserin: Ilona Wang
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